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dritten Zeugnisses ist eine Entscheidung darüber, welche Überlieferung die richtige ist, schwer zu treffen. Bedenkt man aber, welche Rolle in der etruskischen Religion die Dreizahl spielt (Interpol. Serv. Aen. I 422), so möchte man geneigt sein, den Irrtum auf seiten des Arnobius zu suchen; da er selbst den Pales als minister ac vilicus Iovis bezeichnet, bei Mart. Cap. I 50 aber in der sechsten Region Iovis filii Pales et Favor genannt werden, so könnte sehr wohl der als vierter Penat genannte Genius Jovialis mit Pales identisch und durch Mißverständnis aus einem Attribute des Pales zu einem neben ihm stehenden Gotte geworden sein. Doch ist natürlich die Möglichkeit anderer Erklärungen nicht zu leugnen. Mag nun die Theorie des Caesius gewesen sein, welche sie wolle, jedenfalls weichen die Auffassungen des Nigidius, Varro und Caesius in Bezug auf die tuskischen Penaten so weit voneinander ab, daß man sich der Erkenntnis nicht verschließen kann, daß ihnen authentisches und unbestrittenes Material für die Entscheidung der Frage 57 nicht vorgelegen haben kann. Sie haben einer wie der andere etruskische Vorstellungen, von denen sie eine mehr oder minder verschwommene Kunde hatten, auf Grund äußerer Ähnlichkeiten mit römischen Anschauungen, die sie für verwandt hielten, in Parallele gesetzt und dann mit größerem oder geringerem Geschick etymologisiert, kombiniert, konstruiert: was sie dabei als Ergebnis erhielten, ist gewiß interessant genug für die Geschichte mythologisch-antiquarischer Forschung und Anschauung im Altertum, aber wer es unternimmt, von da aus die etruskische Penatenlehre zu rekonstruieren, wie es z. B. bei Müller, Etrusker II 88 ff. geschieht, der arbeitet wohl im Sinne jener alten Grammatiker, mit nicht besserer Methode und sehr viel geringerem Material, soll aber nicht meinen, daß er die Erkenntnis italischer Religionsvorstellungen dadurch auch nur um einen Schritt fördere.

V.

Römische Sagen.

(Philolog. Abhandlungen Martin Hertz dargebracht, 1888.)

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156 Wenn auch im Prinzip unter allen Urteilsfähigen keine Meinungsverschiedenheit darüber besteht, daß das, was wir als „mythologische Überlieferung" der Römer zu bezeichnen pflegen, ein recht buntes Gemisch von antiquarischer Kombination, dichterischer Erfindung, Übertragung griechischer Sage und verschiedenen andern Elementen ist, unter denen der meist geringfügige Kern ursprünglich volkstümlicher Sagenbildung und feststehender sakraler Tatsachen oft ganz verschwindet, so ist man doch in der Praxis nur zu sehr geneigt, im einzelnen Falle den mythologischen Gehalt der vorliegenden Erzählungen zu überschätzen und von „Volkssage" oder „uralter sakraler Überlieferung zu reden, wo ganz individuelle Erfindung oder Konstruktion vorliegt, die für die Erkenntnis des Wesens der römischen Religion ohne jede Bedeutung ist. Für diese sind wir so gut wie ausschließlich auf das angewiesen, was wir von den Tatsachen des Kultus, seinen Zeiten, Lokalen, Formen und Denkmälern, wissen; was darüber hinaus überliefert wird, wird sich in den meisten Fällen als erst aus jenen grundlegenden Tatsachen herausgesponnen erweisen lassen, und selbst wo sich der Nachweis im Augenblick noch nicht führen läßt, wird Mißtrauen immerhin am Platze sein. Ich möchte auf den folgenden Seiten eben diesen Nachweis für einige Erzählungen liefern, deren Charakter mir von den Neueren nicht richtig

Wissowa Abhandlungen.

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erkannt zu sein scheint und die daher zum Teil als Basis für irrige Kombinationen haben dienen müssen.

In wie weitem Umfange die aetiologische Erfindung die historische Tradition der Römer beeinflußt hat, ist bekannt, und namentlich A. Schwegler hat vielfach mit Glück derartige Kombinationen aufgedeckt: die Erzählung vom Augur Attus 157 Navius und die Cloeliasage sind landläufige Beispiele. Auf mythologischem Gebiete bleibt noch mancherlei der Art nachzuweisen. So werden zu den Geburtsgöttern der römischen Religion noch vielfach die Nixi dii gerechnet 1), drei männliche Gottheiten, deren Standbilder in der Vorhalle des capitolinischen Tempels vor der Cella der Minerva standen; von ihnen berichtet Festus p. 174. 177: Nixi dii appellantur tria signa in Capitolio ante cellam Minervae genibus nixa praesidentes parientium nixibus, quae signa (so O. Müller, die Hs. sua) sunt qui memoriae prodiderint Antiocho rege Syriae superato M'. Acilium (m. acillum die Hs.) †subtracta a populo Romano (cum praeda populo Romano H. Jordan, Topogr. I 2 S. 17 Anm. 12) adportasse atque ubi sunt posuisse; etiam qui capta Corintho advecta huc, quae ibi subiecta fuerint mensae 2). Aus dieser Überlieferung geht, wie von mehreren Seiten richtig bemerkt worden ist, mit Sicherheit hervor, daß es sich nicht um römische Gottheiten handelt; denn die Statuen waren ja nicht Kultbilder, sondern Weihgeschenke, Beutestücke aus einem der griechischen Feldzüge des 2. Jahrhunderts v. Chr. Daran aber, daß diese Standbilder in ihrer griechischen Heimat sakrale Bedeutung gehabt und wirklich Geburtsgötter dargestellt hätten, hat meines Wissens bisher niemand gezweifelt, und noch neuerdings hat F. Marx 3) 1) Die richtige Erklärung der Festus-Stelle habe ich kurz angedeutet zu Marquardt, Röm. Staatsverw. III2 S. 12 Anm. 4; vgl. auch Roschers Lexikon III Sp. 444 f.

2) Auf Verrius Flaccus geht auch Nonius p. 57 zurück: enixae dicuntur feminae nitendi, hoc est conandi et dolendi, labore perfunctae, vel (vel zugefügt von Quicherat) a Nixis, quae religionum genera parientibus praesunt.

3) Athen. Mitteil. X 1885 S. 185 f. Noch neuerdings behandeln H. Usener, Götternamen S. 131 und F. Schoell, Deutsche Rundschau XXIII 4 (1897) S. 61 Anm. 3 die Nixi dii als wirkliche Geburtsgötter.

die Erklärung des Festus unbedenklich acceptiert und den Namen Niri dii als eine Übersetzung des griechischen so ev yóvaoi aufgefaßt. Aber ich meine, grade das von Marx publizierte und vortrefflich erklärte Bildwerk, ein aus Sparta stammandes Anathem für glückliche Entbindung, liefert die beste Widerlegung: dargestellt ist eine Frau in der Kniestellung der Gebärenden, unterstützt von zwei zu ihren Seiten befindlichen Geburtsdämonen, die wir etwa als Nikomachos und Gorgasos bezeichnen dürfen 1). Das ist durchaus einfach und natürlich, 158 ebenso wie wenn die Eileithyia-Auge zu Tegea ev yóvaσi dargestellt war 2), aber doch sehr verschieden von der Ungeheuerlichkeit, männliche Geburtshelfer im Akte des Kreißens abzubilden. Die von Festus vorgetragene Deutung der Bilder kann nicht die richtige sein; sie war aber auch nicht die einzige, welche dem Verrius vorlag, sondern wie es zwei Überlieferungen über den Feldzug gab, in dem sie aus Griechenland entführt worden waren, so gab es deren auch zwei über die Bedeutung und Bestimmung der Bildwerke; die zweite Partei, welche sie aus Korinth stammen ließ, sagte von ihnen ibi subiecta (so die Hs. nach Keils Kollation) fuisse mensae, d. h. es seien Tischfüße gewesen. Wer sich der bekannten Telamonen in Gestalt knieender „Giganten" erinnert, wie sie z. B. am kleinen Theater in Pompeji und sonst sich finden 3), wird diese Erklärung als evident richtig anerkennen. Daß die Cicerone-Weisheit, die sich nie gern bei der einfachsten Erklärung beruhigt, aus dem Motive des Knieens die absurde Deutung auf Geburtsgötter herleitete, ist nicht zu verwundern; bezeichnend aber ist es, daß Ovid (Metam. IX 294) die in Geburtswehen liegende

1) U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Philol. Untersuch. IX 194.

2) Pausan. VIII 48, 5.

3) v. Rohden, Terracotten von Pompei Taf. XXVI 1. 2; vgl. E. Curtius, Arch. Zeit. XXXIX 1881 S. 20. Th. Schreiber, Athen. Mitteil. X 1885 S. 381 f. Puchstein bei Pauly-Wissowa, Real-Encycl. II 2108. Das Arrangement der drei Füße hat man sich so zu denken, wie an dem bekannten pompejanischen Marmortische bei Mau, Pompeji in Leben und Kunst S. 365 Fig. 192.

Alkmene ohne Bedenken neben der Lucina auch die Nixi patres anrufen läßt1).

Nicht minder klar liegt ein anderer Fall. In der erweiterten Fassung des Serviuskommentars lesen wir zur Aen. I 720: est et Venus Calva ob hanc causam, quod, cum Galli Capitolium obsiderent et deessent funes Romanis ad tormenta facienda, prima Domitia crinem suum, post ceterae matronae imitatae eam exsecuerunt, unde facta tormenta, et post bellum statua Veneri hoc nomine collocata est; licet alii Calvam Venerem quasi puram tradant, alii Calvam, quod corda amantium calviat, id est fallat atque eludat; quidam dicunt porrigine olim capillos cecidisse feminis (vgl. dazu Schol. BL Hom. II. II 820) et Ancum regem suae uxori statuam calvam posuisse, quod constitit piaculo, nam post omnibus feminis capilli renati sunt, unde institutum, ut Calva Venus coleretur. Bei dieser „kahlköpfigen Venus" hat der treffliche 159 J. A. Hartung (Religion der Römer II 251) an eine Beziehung auf die wirkliche oder symbolische Abscherung der Haare am Hochzeitstage" gedacht, während Preller 2) gar die doppelgeschlechtige orientalische Aphrodite heranzieht. Die Sache dürfte viel einfacher liegen. Zwei der vier vom Scholiasten angeführten Erklärungen beziehen sich direkt auf die statua calva, und D. Detlefsen 3) hat unbedingt recht, wenn er diese für das einzig Reale an der ganzen Erzählung hält. Es muß irgendwo in Rom eine Statue wahrscheinlich ebenfalls ein griechisches Beutestück - gegeben haben, die infolge von Verstümmelung oder aus sonst einem Grunde die Überlieferung ist so jung, daß man vielleicht sogar an den Verlust einer separat gearbeiteten und aufgesetzten Haartour denken könnte den Eindruck der Kahlheit machte; an sie heftete sich der

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1) Ich halte R. Merkels Konjektur Nixosque patres für evident und die Behandlung der Stelle durch Marx a. a. O. S. 194 Anm. 1 für wenig glücklich; daß er v. 300 sustinuit Nixus schreibt, beruht wohl nur auf einem Versehen; vgl. R. Ehwald, Jahresber. über d. Fortschr. d. klass. Altert.-Wiss. LXXX 1894 S. 108.

2) Röm. Mythol. I 447; vgl. Usener, Legenden der Pelagia S. XXIII.
3) De arte Roman. antiquiss. I S. 5. 16.

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