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168 glaubt, bei näherer Prüfung sich als unbrauchbar erweist, dürften denjenigen, auf deren Urteil ich am meisten Wert zu legen pflege, kaum viel Neues gebracht haben, denn ich gebe mich der Hoffnung hin, daß nicht wenige über die hier behandelten Erzählungen dieselbe Ansicht, die ich zu begründen versucht habe, sich längst gebildet haben. Aber solange noch eine so planlose und unkritische Benutzung der Überlieferung möglich ist, wie sie in manchen neueren die römische Religion berührenden Veröffentlichungen begegnet, wird es entschuldbar und nicht ohne Nutzen sein, auch auf Naheliegendes eigens hinzuweisen und die Notwendigkeit der Skepsis zu betonen.

VI.

Der Tempel des Quirinus in Rom.

(Hermes Bd. XXVI 1891.)

R. Lanciani hat im Bullett. della comm. archeol. com. XVII 137 (1889) S. 336 ff. 379 ff. im Zusammenhange einer ausführlichen Untersuchung über die Topographie des collis Quirinalis den Nachweis geführt, daß der Tempel des Quirinus nicht, wie bisher einstimmig angenommen wurde, in der Nähe der Kirche S. Andrea al Noviziato auf der Höhe über S. Vitale gelegen war, sondern weiter nördlich im Bezirk der quirinalischen Gärten. Er hat es nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit die Geschichte des Tempels im Altertum unter sorgfältiger Prüfung der alten Zeugnisse zu skizzieren, ohne aber dabei zu einer nicht unwichtigen Streifrage Stellung zu nehmen, deren Lösung durch die Ergebnisse seiner Untersuchungen erheblich erleichtert wird. Der Tempel, um den es sich handelt, wurde im Jahre 461 u. c. von L. Papirius Cursor auf ein Gelübde seines Vaters hin geweiht und aus den Erträgnissen der samnitischen Beute besonders reich ausgestattet (Liv. X 46, 7. Plin. n. h. VII 213), brannte dann im Jahre 705 nieder (Cass. Dio XLI 14, 3) und wurde, nachdem wahrscheinlich sogleich eine provisorische Wiederherstellung vorgenommen worden war1), von Augustus mit ganz besonderer Pracht als Dipteros mit einem Umgang von insgesamt 76 Säulen

1) Im Jahre 708 wurde eine Statue Caesars mit der Aufschrift deo invicto im Tempel des Quirinus aufgestellt (Dio XLIII 45, 3; vgl. Cic. ad Att. XII 45, 3. XIII 28, 3).

(je 8 an den Fronten und Doppelreihen von 2 X 16 an den Langseiten) neu aufgeführt; die Einweihung des Neubaues erfolgte im Jahre 738 (Dio LIV 19, 4. Mon. Anc. 4, 5. Vitruv. III 1, 7; vgl. Moinmsen RGDA 2 p. 81). Bis dahin liegt alles klar: denn wenn man früher (z. B. Merkel, Proleg. in Ovid. fast. p. CXLIII f.) den Bau des Papirius und den des Augustus für zwei ver138 schiedene Tempel hielt, so ist diese Ansicht von Becker (Topogr. S. 569 ff.) ausführlich widerlegt worden, und es sind seitdem begründete Zweifel an der Identität beider nicht mehr laut geworden. Wohl aber unterscheidet Jordan (Ephem. epigr. I p. 238 f.) von dieser papirianisch-augusteischen aedes Quirini ein uraltes sacellum Quirini, von welchem die Epitome des Festus p. 255 (Quirinalis porta dicta, sive quod ea in collem Quirinalem itur seu quod proxime eam est Quirini sacellum) spricht und das vielleicht auch Varro meint, wenn er (de 1. 1. V 51) sagt: collis Quirinalis <quod ibi> Quirini fanum. Zu dieser Scheidung wurde Jordan durch den Umstand veranlaßt, daß die kalendarischen Quellen zwei Stiftungstage eines Quirinustempels in colle verzeichnen; zum 17. Februar lautet die Angabe der fasti Caeretani und Farnesiani: QVIR(inalia) Quirino in colle; zum 29. Juni notieren die fasti Venusini Quirino in coll(e); Ovid verzeichnet ebenfalls an beiden Tagen Feste des Quirinus; zum ersten (fast. II 475 ff.) begründet er die Feier der Quirinalia, indem er die Apotheose des zu seiner Zeit allgemein mit Quirinus gleichgesetzten Romulus erzählt, und schließt mit den Worten (v. 511 f.): templa deo fiunt; collis quoque dictus ab illo est, et referunt certi sacra paterna dies; zum 29. Juni aber macht er nur die kurze Angabe (VI 795 f.): tot restant de mense dies quot nomina Parcis, cum data sunt trabeae templa, Quirine, tuae; etwas Genaueres über den Tempel, dem diese Feier gilt, und das Verhältnis der beiden Festtage weiß er nicht anzugeben. Jordan bezieht nun das letztgenannte Opfer vom 29. Juni, welches, da dieser Tag einer der durch die caesarische Kalenderreform hinzugefügten ist, vor dem Jahre 709 auf den 27. Juni gefallen sein muß, auf den papirianisch-augusteischen Quirinustempel, während er den

Wissowa, Abhandlungen.

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17. Februar, zugleich das alte Quirinusfest, für den Gründungstag der alten Kapelle am quirinalischen Tore hält. Er übersieht aber dabei, daß die in den inschriftlichen Kalendarien verzeichneten Tempelopfer sich nie auf sacella, sondern immer auf aedes sacrae, auf die in republikanischer Zeit gegründeten Gotteshäuser, beziehen, welche, soweit sie älteren, schon früher in kleinen fana oder sacella verehrten Gottheiten galten, mit wenigen, leicht zu begründenden Ausnahmen an die Stelle der letzteren traten, wie dies neuerdings von Emil Aust, De aedibus sacris populi Romani inde a primis liberae reipublicae temporibus usque ad Augusti imperatoris aetatem Romae conditis (Marpurgi 1889) S. 50 ff. mit Recht betont worden ist.

Jordan ist zu seiner Aufstellung nur gelangt auf Grund 139 der Voraussetzung, daß das Dedikationsfest eines Tempels auch bei Wiederherstellungen und Neuweihungen stets das gleiche geblieben sei. Diese Meinung hat aber jetzt durch Aust eine gründliche Widerlegung erfahren, welcher S. 42 ff. eine ganze Reihe von Fällen nachgewiesen hat, in denen infolge augusteischer oder späterer Restaurationen eine Verlegung des Stiftungstages erfolgte; es war dies offenbar die Regel, sobald die Wiederherstellung des Tempels von Grund auf (a solo) erfolgte. Danach ist auch bei den Heiligtümern des Quirinus die nächstliegende und natürlichste Annahme die, daß jenes alte Heiligtum an der porta Quirinalis mit der späteren aedes Quirini identisch, d. h. durch dieselbe ersetzt worden ist, und daß von den beiden in den Kalendarien aufgeführten Opfern das eine (29. Juni) den Tag der Einweihung durch L. Papirius Cursor, das andere (17. Februar) den der Neudedikation durch Augustus bezeichnet. Diese Annahme erhält ihre Bestätigung sowohl dadurch, daß unsere Gewährsmänner nie von verschiedenen Heiligtümern reden und auch dann, wenn sie ganz sicher von dem papirianisch-augusteischen Tempel sprechen, diesem ein besonders hohes Alter vindizieren 1), was sich doch nur dann

1) Plin. n. h. XV 120 eröffnet die Erzählung der Legende von den beiden ante aedem Quirini stehenden Myrthenbäumen, dem patrizischen und dem

erklärt, wenn derselbe an die Stelle der uralten Kapelle getreten war, als dadurch, daß das Opfer am 29. Juni nur in den älteren, das am 17. Februar nur in den jüngeren Exemplaren der Kalenderaufzeichnungen vermerkt ist; denn die Abfassung der venusinischen Fasten fällt ebenso bestimmt vor die augusteische Neueinweihung des Quirinustempels wie die der Caeretaner und der farnesinischen eine spätere ist1). Von Wichtigkeit ist es besonders, daß die esquilinischen Fasten (CIL VI 2296), die einzigen, die sonst noch - abgesehen von den nicht in Betracht kommenden fasti Maffeiani - einen der beiden in Rede stehenden Tage, den 29. Juni, enthalten, die Notiz Quirino in colle nicht geben; über ihre Abfassungszeit stand bisher nur fest, daß sie vor 757 publiziert sind; wir werden jetzt ohne 140 Scheu das Jahr 738 als Terminus post quem ansetzen dürfen 2). Wenn trotzdem auch Aust sich nicht hat entschließen können, nur einen Quirinustempel anzunehmen 3), so glaube ich den Grund erraten zu können: nach unserer Ansicht wäre die aedes Quirini geweiht am 29. Juni 461, bei der Neueinweihung durch Augustus im Jahre 738 wäre das Stiftungsfest auf den 17. Februar, d. h. auf den Tag des alten Quirinusfestes, der plebejischen, von denen der erstere zur Zeit des Bundesgenossenkrieges einging, mit den Worten inter antiquissima delubra habetur Quirini.

1) Über die Abfassungszeit der farnesinischen und Caeretaner Fasten vgl. Mommsen CIL I2 p. 206 f.; Ephem. epigr. III p. 8; letztere sind nach 745 veröffentlicht, erstere jedenfalls noch unter den julischen Kaisern.

2) Umgekehrt möchte Mommsen CIL I2 p. 206 die Abfassungszeit der Fasti Esquilini wegen der Nichterwähnung des Opfers vom 29. Juni über das Jahr 738 hinaufrücken; vgl. dagegen die Ausführungen in der 12. Abhandlung dieser Sammlung.

3) Seine Meinung ist nicht ganz deutlich; er bespricht den papirianischaugusteischen Tempel S. 11 nr. 18, verzeichnet dann aber S. 33 nr. 107 einen zweiten, dem er den Stiftungstag des 17. Februar zuweist; nach S. 51 scheint er anzunehmen, daß dies eine sonst unbekannte aedes Quirini, älter als die papirianische, wäre, die das alte sacellum am quirinalischen Tore ersetzt habe; denn er beruft sich auf Liv. IV 21, 9, der bereits 318 u. c. eine Senatssitzung in aede Quirini stattfinden läßt. Daß aber hier eine plumpe Erfindung vorliegt, und Livius, bezw. sein Gewährsmann, einfach den erst 143 Jahre nachher geweihten Tempel des Papirius im Auge hat, betont Jordan, Topogr. II 267 mit Recht.

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