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Persönlichkeit griechischer Göttergestaltung zu übersetzen. Dem wurde wirksam Vorschub geleistet durch die Tatsache, daß ein Teil der griechischen Götter bei ihrer Aufnahme in den römischen Staatskult auf Grund einer wirklichen oder vermeintlichen Wesensverwandtschaft die Namen altrömischer Gottheiten annektierte und sich so bald völlig an ihre Stelle setzte: Ceres und Liber, Neptunus und Bona dea sind Götter der alten Religion, aber nachher usurpierten Demeter und Dionysos, Poseidon und Damia diese Namen, und der Römer etwa der Zeit der Samniterkriege, der zu Ceres betete, dachte dabei gewik nicht mehr an das gestaltlose numen, das nach dem alten Glauben über dem Wachstum der Saaten wachte, sondern an die gleichnamige Göttin, deren Bild jedermann im Tempel beim Zirkus sehen konnte, d. h. an die griechische Demeter; ebenso sind die zwar nicht altrömischen aber altlatinischen Kulte von Diana und Venus zugleich zu Trägern des griechischen Artemisund Aphroditedienstes geworden, und so erklärt es sich, daß im Tempel der Diana auf dem Aventin, deren Ritual nicht das griechische, sondern das einheimische war, ein altertümliches Schnitzbild verehrt wurde, das dem in Massilia aufgestellten Bilde der Artemis glich, d. h. die Göttin in dem bekannten Typus der ephesischen Artemis darstellte. Zunächst waren es die großen Götter der Griechen, die sich solchergestalt erst des Namens und dann auch mehr und mehr des Wesens ihrer römischen Gegenbilder bemächtigten; in dem religionsgeschichtlich bedeutsamen zweiten Jahre des Hannibalischen Krieges, als nach der Niederlage am trasimenischen See die schwere Not der Zeit zu mancherlei Neuerungen auch auf religiösem Gebiete trieb, hielt man zum ersten Male eine Götterbewirtung ab, die über den Kreis der bisher bei diesem Brauche ververtretenen Gottheiten weit hinausging; auf sechs Polsterlagern ruhten sechs Paare von Gottheiten, Juppiter und Juno, Neptunus und Minerva, Mars und Venus, Apollo und Diana, Volcanus und Vesta, Mercurius und Ceres: das sind nach Auswahl und Anordnung die zwölf großen Götter, wie sie manchenorts in

Griechenland als auserlesener Kreis verehrt wurden; aber die Namen sind römisch, der griechische Brauch und das griechische Götterbild hatte sich auch Gottheiten erobert, die, wie Mars, Volcanus, Vesta, zu den alten di indigetes der Vorzeit gehörten.

Das Streben nach bildlicher Darstellung hat aber bald 167 über den Kreis derjenigen Götter hinausgegriffen, für die sich eine mehr oder weniger einleuchtende Gleichung mit einer griechischen Gottheit und damit die Möglichkeit ergab, das Bild der letzteren einfach zu übernehmen, es hat auch diejenigen Götter erfaßt, die, eigenartig römischer Anschauung entsprungen, ihresgleichen im griechischen Olymp nicht ohne weiteres fanden. Zwar nicht alle Götter des alten Glaubens haben die Wandelung aus unpersönlichen Begriffen zu körperlicher Gestaltung mitgemacht, manch einer ist in Vergessenheit geraten, ehe er zur bildlichen Ausprägung kam; aber die Mehrzahl von ihnen erhielt im Laufe der Zeit Tempel und Tempelbild. Das letztere neu zu schaffen, war keine leichte Aufgabe, denn die altrömische Religion hat keine Mythologie, sie kennt keine Götterehen und Götterkinder, keine Erzählungen von Taten und Leiden der Götter; man konnte also im Bilde nicht das Leben und Handeln des Gottes wiedergeben, denn er hatte nicht gelebt und nicht gehandelt, sondern war darauf angewiesen, aus dem griechischen Typenvorrat die Darstellung eines Gottes von annähernd ähnlicher Bedeutung und Wirksamkeit auszuwählen und dann den Besonderheiten der römischen Anschauung durch Beigabe von neuen Attributen oder sonstige Modifikationen zu ihrem Rechte zu verhelfen. Natürlich gelang die Lösung dieser Aufgabe nicht überall mit gleichem Glück. So ist eine der häufigsten Darstellungen die der Compitallaren, die uns als jugendliche Gestalten mit lockigem Haare entgegentreten, in hochgeschürzter Tunika im Tanzschritte ausschreitend und mit der hochgehobenen Rechten aus einem Trinkhorn in die in der anderen Hand gehaltene Schale einschenkend (s. Abb. 1); obwohl die erhaltenen Denkmäler erst späterer Zeit angehören,

Wissowa, Abhandlungen.

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können wir doch das Vorkommen dieser Darstellung bis hinauf in die Zeit des Naevius verfolgen, der in seiner Komödie Tunicularia einen griechischen Maler Theodotus verspottete, 'der in seiner Klause, ringsum von Vorhängen verdeckt, auf die Altäre zur Compitalienfeier mit dem Ochsenschwanze die tanzenden Laren malt'. Das noch nachweisbare Vorbild haben bakchische

Darstellungen unteritalischer Kunstübung geboten, den Anlaß aber, die Laren gerade in solchem wein- und tanzfrohen Gebaren darzustellen, gab der Gedanke an die frohe und ausgelassene Festfeier der uncta Compitalia; der Gesamtwirksamkeit der Laren aber, in denen der Römer die göttlichen Wächter seines Grundstückes sieht, wird das Bild wenig gerecht (oben S. 66 ff.). Daß die Versinnlichung der alten Götter im Bilde erst zu einer Zeit erfolgte, in der die 168 Fühlung mit der alten Religion schon merklich gelockert war, zeigt das Bild des Dius Fidius. In ihm stellt sich eine besondere Seite des Himmelsgottes dar: der Himmel, überall sichtbar und alles sehend, ist der berufene Zeuge bei Eid und Versprechen, Dius (= Diovis) Fidius, von den Griechen treffend mit Zevs Iliovios übersetzt, ist Juppiter als Schützer von Treue und Bündnis. Die Statue des Gottes1) aber, die inschriftlich gesichert - vor einer Reihe von Jahren zutage kam (s. Abb. 2), ist eine jener mit anliegenden Oberarmen und rechtwinkelig vorgestreckten Unterarmen steif dastehenden nackten Jünglingsfiguren, welche die archaische Kunst der 1) Vgl. Helbig, Führer 2 nr. 368. CIL VI 30994.

Abb. 1. Tanzender Lar, Bronzestatuette im Konservatorenpalast (Annali d. Inst. 1882

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tav. d'agg. N).

Griechen im menschlichen Kreise für Siegerstatuen, im göttlichen für Apollodarstellungen verwendet: die Tatsache, daß Apollo an vielen Orten Griechenlands als Schwur- und Bündnisgott verehrt wurde, bestimmte die Wahl des Bildes und ließ es völlig vergessen, daß der römische Gott doch eine Sonderform des Juppiter war. Das griechische Vorbild der Dius FidiusStatue muß etwa dem Anfange des 5. Jahrhunderts angehört haben: da im Jahre 466 v. Chr. Sp. Postumius den Tempel des Dius Fidius auf dem Qirinal weihte, könnte man geneigt sein, die Schöpfung des Bildes mit der Gründung des Tempels in Verbindung zu bringen, aber ein derartiges Verkennen der alten Natur des Gottes, wie es sich in der Wahl des Apollotypus ausspricht, ist mit einer so frühen Entstehung kaum vereinbar; jedenfalls sind die meisten sonst bekannten Kultbilder altrömischer Gottheiten erst im 3. Jahrhundert, im Zeitalter der punischen Kriege, und weiterhin entstanden; auch die tanzenden Laren des Theodotus werden etwas Neues gewesen sein zu der Zeit, als Naevius sich über ihren Schöpfer lustig machte.

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statue im Vatican (Annali d. Inst.

Auch für die Bildung eines anderen Abb. 2. Dius Fidius, Marmoralten Gottes hat der griechische Apollo 1885 tav. d'agg. A). die Vorlage abgegeben: im Tempel des

Totengottes Vejovis, der 192 v. Chr. in der Einsattelung zwischen Kapitol und Burg erbaut wurde, stand ein altertümliches Schnitzbild aus Zypressenholz, ein jugendlicher Gott, Pfeile in der Hand haltend, eine Ziege ihm zur Seite. Übel angebrachte Küsterweisheit erinnerte sich an die Ziege Amaltheia, die das Zeuskind genährt hatte, und erblickte in Vejovis, auch dem Namen nach, einen kleinen, jugendlichen Juppiter; Verständigere

aber verkannten nicht, daß das Bild einen Apollo darstellte, als Todesgott aufgefaßt und darum mit den verderbenbringenden Pfeilen ausgestattet; die Ziege aber ist römische Zutat, denn nach römischer Vorstellung gehört sie den Unterirdischen 169 an, und der Flamen Dialis, der Priester des Himmelsgottes, der keine Leiche und kein Grab sehen darf, darf auch eine

Ziege weder anrühren noch auch nur den Namen des Tieres nennen.

In der Beifügung derartiger Attribute zur genaueren Bezeichnung des Vorstellungskreises, in dem die Bedeutung des dargestellten Gottes zu suchen ist, liegt eine Eigenart und Stärke der römischen Sakralkunst. Eine besonders glückliche Schöpfung dieser Art stellt das Bild des Genius dar: ursprünglich durchaus an die Person gebunden, ist der Genius die Kraft, die im Hausvater zeugend über dem Fortbestande der Familie waltet, dann weiterhin die Vertretung alles Kräftigen, Energischen, Genußfreudigen im Manne, der ins Göttliche übersetzte Römer selbst diese Vorstellung wird treffend verkörpert durch das Bild eines römischen Bürgers im Staatsgewande 1), der Toga, der mit über das Hinterhaupt heraufgezogenem Gewande aus einer Schale die Opferspende ausgießt, während er im linken Arme ein Füllhorn hält (s. Abb. 3); dieses Füllhorn, das redende Symbol der genialis copia, erscheint als unterscheidendes Attribut dieses Gottes auch bei allen sonst vielfach abweichend gestalteten Bildern von Genii der Städte, 1) Vgl. Helbig, Führer 2. nr. 317.

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Abb. 3. Sog. Genius Augusti, Marmorstatue im Vatican (nach Originalphotographie).

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