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zu vermuthen, dass er auch diese Seite nicht vernachlässigt habe. Wenn Cicero in ihnen ein Vorbild sah, so fand er unmittelbar Anregung und Unterstützung, wie er selbst bekennt (13 ff.) in dem liber annalis des Atticus. Diese chronologische Uebersicht der in der Geschichte Roms bekannten Männer bot ihm das Material dar, sie unter dem für ihn interessanten Gesichtspunkt ihrer Bedeutsamkeit für die Geschichte der Beredsamkeit zu ordnen und zu besprechen. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass die Schrift des Atticus ganz und gar die historische Grundlage für die Darstellung Ciceros bildet. An manchen Stellen kann man noch recht wohl erkennen, wie er einem solchen annalistischen Leitfaden folgt, und an die dort gegebene Aufzählung der Consuln und Magistrate anknüpft, was ihm an Notizen für die Geschichte der Beredsamkeit zu Gebote stand. Wahrscheinlich waren auch die gelehrten Studien des Varro, welche Cicero rühmend erwähnt (60. 205), nicht ohne Einfluss auf diese Schrift, in welcher er, was ihm sonst ferner lag, historisch - antiquarische Excurse anbringt (41 ff. 57ff. 62. 70. 72f.). Vielleicht weist selbst der Titel dieser Schrift darauf hin.

Durch Anführungen bei Cicero wie bei anderen alten Schriftstellern steht der Titel Brutus fest. Wenn Sueton (Caes. 56) sagt Cicero ad M. Brutum oratores enumerans, so ist das nicht ganz genau ausgedrückt, und gleich darauf (57) citirt er selbst Cicero in eodem Bruto; bei Fronto (de eloquentia p. 235 ed. Rom.) ist es ein offenbares Versehen, wenn er sagt: oratores, quos in oratore Cicero eloquentiae civitate gregatim donavit. In der Handschrift ist hinzugefügt de claris oratoribus. Ein Doppeltitel dieser Art denn Cato de senectute, Laelius de amicitia sind deshalb verschieden, weil Cato und Laelius die Hauptredner sind - ist bei Cicero ungewöhnlich, aber deshalb nicht falsch. Varro hatte unter der gemeinsamen Bezeichnung logistorici eine Reihe von Schriften über verschiedene Zweige der Gelehrsamkeit geschrieben. Jede derselben führte einen Doppeltitel z. B. Sisenna de historia, Curio de cultu deorum, Metellus de pietate, Messalla de valetudine. Der eine bezeichnet den Gegenstand, der andere und zwar der Hauptitel ist das cognomen eines Zeitgenossen Varros, und es lässt sich in einer Anzahl von Beispielen erkennen, dass Varro ihn gewählt hat, weil jene Person zu dem Inhalt der Schrift eine nähere Beziehung hat, um sie dadurch auszuzeichnen, eine ausgesuchte Weise der Dedication. Von derselben Art ist Brutus de claris oratoribus. Cicero hat diesen Namen gewählt, nicht weil Brutus wie auch Atticus am Gespräch Theil nimmt,

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sondern weil er ihn, wie er besonders zum Schluss ausspricht (329ff. vgl. 51 ff. 120. 187. 324), als den ansieht, auf welchem die Hoffnung der römischen Beredsamkeit beruht. Nicht ohne Absicht mochte er diese Bezeichnung für eine Schrift wählen, welche ihrem historischen Charakter nach unter seinen Schriften ziemlich allein steht, während sie den Varronischen ähnlicher ist.

Für uns hat sie gerade dadurch ein besonderes Interesse. So weitumfassend auch die litterarhistorische Thätigkeit der Alten war, so ist uns doch kein anderes Werk eines namhaften Schriftstellers erhalten, das sich ausschliesslich und in ähnlichem Umfange mit Litteraturgeschichte beschäftigt. In mancher Hinsicht verwandt damit ist der Dialog des Tacitus, doch schildert dieser nur einen kurzen Zeitraum, Cicero dagegen den ganzen Verlauf der römischen Beredsamkeit bis auf seine Zeit.

Er beginnt mit einer Erinnerung an den kürzlich verstorbenen Redner Hortensius (1-9), und erzählt wie Atticus und Brutus ihn aufgesucht, nicht lange ehe Brutus nach Gallien ging (171) im J. 708 (46). Nach einem kurzen Gespräch leistet er ihrer Aufforderung Genüge einen schon früher gehaltenen Vortrag über die Entwickelungsgeschichte der römischen Beredsamkeit wiederaufzunehmen und zu vollenden (-25). In einem raschen Ueberblick über die Geschichte der Beredsamkeit bei den Griechen weist er nach, wie spät auch dort, nachdem die Ausbildung der anderen Künste vollendet war, die Beredsamkeit in ihrer praktischen und theoretischen Ausbildung sich entwickelt habe (—52). So auch in Rom, über dessen frühere Redner man sich kaum noch eine bestimmte Vorstellung bilden könne; es werden kurz die aufgezählt, welche man etwa als beredte Männer ansehen dürfe (-60). Der erste, der nicht bloss als Redner genannt werden kann, sondern mit Recht gepriesen werden muss und allen zum Studium empfohlen zu werden verdient, ist Cato Censorius; allein er ist unbekannt und vernachlässigt, selbst von denjenigen, welche sich von den Griechen diejenigen zum Muster nehmen, welche dem Cato nahe verwandt sind, wie Lysias (-69); denn in der Beredsamkeit ist leider das Interesse für die älteren Entwickelungsstufen noch nicht so verbreitet wie bei der bildenden Kunst und Poesie (76). Hierauf werden die Zeitgenossen Catos, die älteren (80) und die jüngeren, aufgezählt, unter ihnen Scipio Africanus, Laelius und besonders Galba (90), deren noch erhaltene Reden übrigens ihrem Rufe nicht entsprechen; diess giebt Veranlassung von den Gründen zu handeln, weshalb so manche Redner weniger gut schreiben als sprechen (-93). In

der nächsten Zeit, aus welcher viele Redner aufgezählt werden, ragen als die bedeutendsten die beiden Brüder Ti. und in höherem Grade C. Gracchus, nach ihnen C. Carbo hervor (—137); jetzt erst zeigen sich die Anfänge einer wahrhaften Beredsamkeit, welche in ihrer Vollendung in Antonius und Cras sus erscheint (-164). Diese werden ausführlich geschildert mit denen, welche ihnen zunächst stehen, namentlich Scaevola; dieser wird beiläufig mit Servius Sulpicius verglichen, was zu einer sehr anerkennenden Charakteristik desselben Veranlassung giebt (147-158). Es folgt dann die Aufzählung einer langen Reihe gleichzeitiger Redner, die zum grossen Theil nur von untergeordneter Bedeutung sind (-172). Jenen beiden grossen Rednern standen am nächsten Philippus und Julius Caesar Strabo, die vor anderen ausgezeichnet werden (-180). Unter dem jüngeren Geschlecht sind besonders Cotta, Sulpicius und Curio die hervorragendsten; mit ihnen wird wiederum eine grosse Anzahl von weniger bedeutenden aufgezählt (-230). Beiläufig wird eine Betrachtung über das Verhältniss, in welchem das Urtheil der Kenner und des ungebildeten Publicums zu einander stehen (183-200), sowie über die durch Tradition in guten Familien sich erhaltende Reinheit des sprachlichen Ausdrucks (210-213) eingeflochten. So gelangt er zum Hortensius, der als der bedeutendste Redner, welcher der Vergangenheit angehört, den Schluss machen soll; denn von den lebenden will Cicero nicht reden. Er legt deshalb dem Brutus und Atticus die Schilderung des Marcellus und Caesar in den Mund (248 -262), und kehrt selbst zu den Zeitgenossen des Hortensius zurück, unter welchen M. Caelius und Calidius (273-278) und von den jüngern Curio und Calvus ausgezeichnet werden. Die Erwähnung des letzteren führt zu einer umständlichen, tadelnden Besprechung der durch ihn veranlassten, nach Ciceros Urtheil auf Missverständniss beruhenden einseitigen Nachahmung_gewisser attischer Redner (284-291). Indem er wieder zu Hortensius zurückkehren will, unterbricht ihn Atticus und sucht die zu hohe Schätzung, welche Cicero über die Redner früherer Zeit ausgesprochen hat, auf das nach seiner Meinung richtige Maass zurückzuführen, worauf Cicero näher einzugehen für dieses Mal ́ablehnt (—300). Er nimmt dann die Schilderung des Hortensius wieder auf und knüpft daran auf Brutus Bitte eine nähere Darlegung seines eignen Entwickelungsganges und der mannigfachen Studien, welche er durchgemacht hat (304-320). Dies führt ihn wiederum zu Hortensius zurück, dessen Leistungen

nun kritisch gewürdigt werden (-328). Ein Blick auf die trüben Aussichten für die Beredsamkeit in der Gegenwart, namentlich für den vielversprechenden Brutus schliesst diese Betrachtung. Der endliche Abschluss des Gespräches fehlt in der verstümmelten Handschrift.

In dieser Darstellung ist die Erwähnung so vieler unbedeutender Redner auffallend obwohl Cicero wiederholt (137. 181f. 244. 270. 299) zur Rechtfertigung bemerkt, er führe deshalb so viele unbedeutende Redner an, damit man sehe, wie wenige es zu wahrhaftem Ruhm gebracht hätten unter so vielen die sich darum bestrebt hätten und sie ist für dieselbe nicht vortheilhaft geworden. Denn sie ist durch die Menge gleichgültiger Namen zerstreuend, ohne für das Gesammtbild entsprechend interessante und charakteristische Züge zu bieten, und macht durch die Anhäufung von Einzelnheiten den Vortrag mitunter schwerfällig, sowie sie eine öftere Wiederholung derselben Ausdrücke und Wendungen herbeiführt. Mitunter hat er diese Einförmigkeit dadurch zu unterbrechen gesucht, dass er ohne strenge Berücksichtigung der Chronologie gewisse Gruppen von Rednern zusammenstellt, z. B. die Stoiker (117-121), die Redner aus den Provinzialstädten (169-172. 271), die agitirenden Volksredner (223f.); was noch in anderer Beziehung die Uebersicht erleichtert. Auch durch andere Betrachtungen wird die Aufzählung öfter unterbrochen; doch kann das alles eine gewisse Monotonie mancher Partien nicht verdecken. Atticus verwundert sich einige Mal mit leisem Spott über die Leute, welche aufzuzählen Cicero der Mühe werth finde (176. 244. 269. 297), und dieser entschuldigt sich deshalb wiederholt (137. 181. 244. 270. 299). Auch sagt er in Beziehung darauf im orator (7, 23) ‘ego idem, qui in illo sermone nostro, qui est expositus in Bruto, multum tribuerim Latinis, vel ut hortarer alios vel quod amarem meos, recordor longe omnibus unum anteferre Demosthenem'. Man sieht daraus, dass Cicero das Urtheil, welches er den Atticus aussprechen lässt, im Herzensgrunde für das richtige hält, und die Menge von Rednern aufzählt und ihre Vorzüge in das hellste Licht stellt, theils aus dem oft bei ihm hervortretenden Wunsch als Römer den Griechen auch auf dem Gebiete der Litteratur möglichst viel entgegenzustellen, theils aus dem praktischen Interesse seine Landsleute auf das hinzuweisen, was ihnen die heimische Litteratur darbot, und sie zum Studium derselben aufzufordern und anzuregen.

Ueberhaupt ist das Interesse, welches Cicero bei dieser Ueber

sicht der römischen Beredsamkeit hat, keineswegs allein das des Geschichtsforschers, sondern ebenso sehr das praktische der Belehrung, wie er selbst sagt (319) omnis hic sermo noster non solum enumerationem oratorum, verum etiam praecepta quaedam desiderat. Diese Belehrung wird nun sowohl durch die kritische Würdigung der bedeutenderen Redner, welche auf Einzelnes eingeht, gegeben, als auch durch die Behandlung verschiedener Fragen, welche sich beiläufig ergeben.

Von der grössten Wichtigkeit sind die Andeutungen, welche Cicero sowohl über seinen eigenen Bildungsgang und über die Anforderungen, welche er an den wahren Redner stellt, als über verschiedene, nach seinem Urtheil einseitige und verkehrte Richtungen giebt, die zu seiner Zeit sich geltend machten. Es ist unverkennbar, dass er dadurch die Stellung, welche er unter den römischen Rednern einnahm, begründen und gegen mancherlei Anfechtungen behaupten wollte. Demselben Zweck dienen auch die beiden gleichzeitigen Schriften, der orator und de optumo genere oratorum, in denen nicht nur dieselben Ansichten wiederkehren, sondern auch dieselbe abwehrende Tendenz hervortritt.

Was Cicero vom Redner verlangt, eine gründliche wissenschaftliche Durchbildung durch philosophische, juristische, historische, litterarische Studien, Kenntniss der vollkommenen Muster der Redekunst in der griechischen Litteratur, und die Beherrschung aller Mittel einer kunstmässig ausgebildeten Beredsamkeit nach den verschiedensten Seiten hin, um jedes an der rechten Stelle gebrauchen zu können, das deutet er oft genug an, namentlich 321. Obgleich er dort sagt nihil de me dicam und auf Brutus Frage, ob er glaube, dass ein Redner, wie er ihn sich denke, schon unter den Römern existire, ausweichend antwortet (162), so beweist doch die Uebersicht, welche er von seinem Studiengange giebt (303 ff.), die Parallele, welche er den Brutus zwischen Servius Sulpicius und sich ziehen lässt (150 ff.), und manche andere Aeusserung, dass er glaubte diesen Standpunkt erreicht zu haben. Und zum Beweise, dass auch Andere ihm diese Stellung einräumten, lässt er nicht allein den Brutus sagen, wie durch Cicero die früheren Redner in Vergessenheit gebracht worden seien (123), sondern er führt auch die rühmenden Zeugnisse competenter Beurtheiler, des Hortensius (190) und Caesar (254) vor.

Hortensius hatte als Redner besonders dadurch Glück gemacht, dass er zuerst in Rom den durch Glanz und Schimmer bestechenden asianischen Stil angewendet hatte. Quintilian be

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