Immagini della pagina
PDF
ePub

Staats überliefert. So schließt er sich von dieser Seite, durch die anderen, dazwischen liegenden Formen des Irrthums nicht zurückgehalten, mit unedler Wahlverwandschaft, an den Cåsareopapismus an, und erniedrigt die Kirche in allen ihren Funkzionen unter die Gewalt der Obrigkeit.

Zweites Kapitel.

Vom Mythologismus.

S. 1.

Mythologismus ist diejenige Form des Indiffe: rentismus, in welcher das Mythische der nichtchristlichen Religionen dem Göttlichen des Christenthums gleich: gestellt wird.

Schon der ungewohnte Ausdruck könnte Zweifel erregen, ob es eine zweite Form des Indifferentismus gebe, welche unter diesem Begriffe zusammengefaßt werden könne. Aber die nähere Bestimmung dieses Begriffs wird, so hoffen wir, sowohl die Sache klar machen, als den Ausdruck rechtfertigen. Mythologismus ist nicht Mythologie, denn diese ist die Wissenschaft von den Mythen der nichtchristlichen Religionen, welche den mit der christlichen Theologie sich nahe berührenden Zweck hat, das hinstreben aller vor und nichtchristlichen Religionen zu dem Christenthum auf religionshistorischem Wege zu zeigen. Mythologismus ist nicht etwa die in neuester Zeit hervortretende mythische Ansicht von der evangelischen Geschichte: eine in solchem Maaße außerhalb des Christenthums stehende Denkweise, daß sie gar nicht für sich in der Polemik vorkommen kann, sondern vielmehr als

eine dem Wesen des Christenthums feindlich gegenüberstehende schon in der Apologetik, durch den Erweis der Wahrheit und Göttlichkeit des Christenthums, mit allen anderen Angriffen auf das Christenthum geschlagen wird. Mythologismus ist vielmehr die Denkweise, in welcher man sich in der Art indifferent gegen das Wesen des Christenthums zeigt, daß man die Mythen, die durch dichterischreligiöse Sage gebildeten Erzählungen der nichtchristlichen Religionen, für ́gleichberechtigt mit den Thatsachen und Lehren des Christenthums ansieht, indem man es dahingestellt sein läßt, ob diese wahr oder falsch seien. Die Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit des Thatsächlichen im Christenthum ist das allgemein Indifferentistische im Mythologismus, was er mit dem Naturalismus theilt; die Hervorhebung des Interessanten der Mythen aus religiösästhetischem Bedürfnisse, ist das Eigenthümliche desselben, wodurch er sich von dem Naturalismus unterscheidet. Dieser glaubt, in abergläubischer Unbestimmtheit, an ein Unendliches und Göttliches der Natur, weil er das Natürlichsinnliche, mit Verkennung der Sünde, die in dasselbe eingedrungen ist, hervorhebt. Der Mythologismus glaubt, in vergötternder Hingerissenheit durch die schöne Form, an das Schöne als an die Religion selbst, und diese indifferentistische Gleichmachung der Religion und der Kunst ist sein innerstes Wesen. Die Weise der wahrhaft Religiösen, welche die wahre Religion in ihrer göttlichen Selbstständigkeit als die göttlichfreie und milde Gesetzgeberin in dem Reiche des Schönen ansehen, verlassend, lösen sich die Mythologisten von der wahren Religion die schöne Form gerade insofern ab, als sie mit allem Menschlichschönen Eins ist, und als sie nicht Eins ist mit dem Juhalte der Religion, und sagen nun: diese Schönheit, die Kunst, die den Ausdruck des Göttlichen gebende Form, ist die Religion. Und auch wenn sie es nicht ausdrücklich sagen, wenn sie nur durch tiefgewurzelten Indifferentismus ihr religiöses Bedürfniß verzugsweise in Poesie und Kunst befriedigen wollen,

auch ohne von den alten Mythen viel zu wissen, sind sie schon mythologistische Indifferentisten, und tragen ingeheim unendlich viel bei, die Kraft und das Leben der christlichen Kirche zu schwächen und zu verflüchtigen.

Das Wahre, woran diese Form des Irrthums sich fest= hålt, ist das Gefühl, daß die erscheinende Religion die höchste Schönheit sei, der Gedanke, daß alles wahrhaft Schöne seinen Ausgangspunkt aus Gott und seinem Geiste habe, und daß eine gewisse Anschauung des Schönen selbst die Betrachtung göttlicher Dinge in sich schließe. Der Irrthum des Mythologismus besteht darin, daß die Anschauung des Schönen und die Ergreifung des göttlichen Lebens für einerlei gehalten wird, da jene, an sich ein entwickeltes natürlich Geistiges, nur dann dem religiösen Leben förderlich sein kann, wenn sie in ein von der Wahrheit Gottes in Christus erneuertes, geheiligtes Herz aufgenommen wird, und da das göttliche Leben (die Swn, die ewig beim Vater war) gar nicht vorzugsweise sich in der Form der sichtbaren Schönheit offenbaren kann, sondern in der Form der sich im Herzen und Gewissen ankündigenden göttlichen Wahrhaftigkeit und Heiligkeit, und nur so ihrem Höhepunkte entgegengeht, daß das Menschlichschöne der Person Christi in dem Leiden und Lode des Mittlers für das sinnliche Auge völlig vernichtet wird *). Der Grund dieses Irrthums ist Welt- und Selbstvergötterung, da in jeder falschen Verehrung des Schönen auch immer das eigne Schöne, wenn auch nur die schöne Empfänglichkeit für das Schöne, die der Eigenliebe schmeichelnde eigne Verwandschaft mit dem Schönen, mit vergôttert wird; geistige Genußsucht und Wollust, welche das Schöne als herrschendes Prinzip alles Lebens haben und genießen will, und selbst nicht vor der Hingebung des heiligsten Innern an das Schöne sich scheut, vornehmes Sichbe

*) Daher den Mythologisten auch in dieser ästhetischen Beziehung das Kreuz Christi Gegenstand des Aergernisses ist.

fähigt und Berechtigtwähnen, in inmmerwährender Produkzion des Schönen seine Persönlichkeit als ein recht edles, die Welt gleichsam versöhnendes Opfer der Gottheit darzustellen.

[ocr errors]

Wollte man fragen, wann und wo es denn eine solche` Partei in der Kirche gegeben habe: so ist zu erinnern, daß aller Indifferentismus seiner Natur nach sich nicht als Partei oder Sekte darstellen kann und will, da er gegen den Unterschied von Kirche und Sekte selbst indifferent ist. Ein Vorhandensein und periodisches Hervortreten der eben bes schriebenen Denkweise läßt sich aber wohl in der Geschichte der Kirche beobachten. Der Gnostizismus, von seiner religiösen Seite betrachtet, beruhte zwar nicht auf indifferentistischen Prinzipien, und der Neuplatonismus war eine philosophische Richtung und nicht ein kirchlicher Irrthum. Allein beide vermischten sich in den geistig gåhrungsvollen Zeiten vor dem Uebertritte der Kaiser zur christlichen Religion so mannichfaltig mit christlichen Ideen, daß wir Grund haben anzunehmen, aus dieser Mischung sei bei vielen äußeren Gliedern der christlichen Kirche gerade ein, solcher Indifferentismus entsprungen, welchem das schöne Heidnische nicht, wie dem Kaiser Julian, unendlich besser als das Christliche, sondern Eines so gut als das Andere erschien. Das christliche Mittelalter trat freilich dem Heidenthum von der einen Seite mit schonungsloser Strenge entgegen. Allein es konnte viele Keime desselben niemals ausrotten, und in dem Maaße als åchte Einfalt und frommer Ernst in Auffassung der christlichen Grundgedanken nachließ, bildete sich auch jener Geschmack an dem religiös Wunderbaren und sagenhaft Schönen, welcher wirklichen Indifferentismus gegen die göttliche Wahrheit und die heilige Geschichte in, sich aufnahm.. Im funfzehnten und sechzehnten Jahrhundert entwickelte sich dieser in veränderter Weise, unter dem Einflusse der wiedererweckten klassischen Literatur, augenscheinlich. Denn unter jenen italiänischen und anderen europäischen Gelehrten,

welche sich über den mittelalterlichen Aberglauben und die scholastische Methode erhoben, waren nicht Alle Atheisten und Ungläubige, sondern vielleicht die Mehrzahl waren Indifferentisten, welche die Geschichte Christi und seiner Mutter in derselben Art schön und interessant fanden als die Mythen von Herakles und Dionysos *). Dieser Indifferentismus war es fast noch mehr, als die gewaltsamen Maaßregeln der römischen Kurie, wodurch der weitere Fortschritt der Reformazion in Italien gehemmt wurde. Und auch der offenkundige Indifferentismus des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts war zwar überwiegend, aber nicht blos Naturalismus, er war auch Mythologismus. Immer gab es unter Gelehrten und Gebildeten eine Anzahl Menschen, die zu phantasiereich und zu geistigbewegt waren, um sich durch einen nur durch Naturwissenschaft ein wenig zu belebenden religiösen Naturalismus alle Symbole und Formen rauben zu lassen, die ihnen die christliche Religion darbot, und doch zu gleichgültig gegen das Wesen des Christenthums, um in jenen etwas Anderes als Befriedigung ihres religiöskünstlerischen Sinnes zu suchen. Als nun unter diesen das römische und griechische, spåter auch das orientalische Alterthum in einer viel größeren Anschaulichkeit klar wurde, als man bisher geahnt hatte, brachte ein mehr glänzendes, als gründliches Studium der Religionsgeschichte eine Gesinnung hervor, die viel zu stolz und gleichgültig war, um gegen das Christenthum aufzutreten, die es aber als eine von den vielen Religionen den anderen gleich stellte. Die Mythen mit einer Art von Religiosität zu behandeln und zu betrach ten, und die Thatsachen des Christenthums nur künstlerisch zu verarbeiten und zu schäßen: zwischen diesen beiden Richa tungen bewegt sich ein Zweig der neueren deutschen Literatur

[ocr errors]

*) Vergleichungen Christi mit Apollo oder Aesculap waren in Predigten dieser Zeit nichts Seltenes. Vgl. Marheineke Gesch. der teutschen Reformazion 2te Aufl. Erster Th. S. 25.

« IndietroContinua »