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im Ideenleben der Menschheit ist, auf welchen sich der spåter entstandené Sagenkreis zurückbezicht. Aber auch in diesen Legendenkreisen liebt der Mythologismus nicht das die Wahrheit und die Offenbarung Gottes in Christus, sowie die Wirkungen der Gnade, möglichst bestimmt und fest Symbolisirende, sondern er liebt die möglichst sinnliche Fülle im möglichst angenehmen Gleichgewicht mit der vom religiösen Standpunkte aus einmal unentbehrlichen Innerlichkeit. Sein Streben geht daher, zum Theil unbewußter Weise, auf eine künstlerische Reprodukzion des Heidenthums unter christlichen Formen. Die christliche Religion ist ihm ein Kunststil des Lebens, der der weiteren Ausbildung fähig ist; aber die Gnade und Wahrheit Christi zur Erneuerung des Herzens ist ihm indifferent.

Wie flach und falsch diese Auffassung der Person und Geschichte Christi sei, bedarf, nach dem Vorigen, keines ause führlicheren Beweises. Es giebt hier kein Vertrauen auf Christus als den sündelosen, wahrhaftigen Mittler, es gicht. keine den Glauben an ihn stärkende Betrachtung seiner Worte und Werke. Es giebt nur ein Phantasiebild seines das gcsammte Alterthum übertreffenden geistigen Adels, welches nicht bis zu dem religiösen Bewußtsein der Schuld, der Erlősungsbedürftigkeit, der dargebotenen Gnade zur Reinigung hindurchdringt. Der Mythologismus, indem er zu bejahen Anstand nimmt, daß der Sohn Gottes im Fleische gekommen ist (1 Joh. 4, 2, 3), verleugnet, zwar nicht ausdrücklich, aber durch den Schein der Befriedigung und der Lebenskraft, den er einseitig-künstlerisch um sich verbreitet, den gesammten Mittelpunkt des Christenthums, nämlich Sünde und Erlösung.

Wie unwahr, oberflächlich und wirkungslos die Auffaffung der kirchlichen Gemeinschaft und der Gebrauch der Gnadenmittel im Mythologismus sein müsse, bedarf um so weniger der Ausführung, da er hierin meistentheils in allgemein - indifferentistischer Halbheit mit dem Naturalismus-zusammentrifft.

3 weiter Abschnitt. Vom Literalism us.

S. 1.

Der Literalismus ist derjenige Irrthum, vermöge dessen man durch bloße Festhaltung der Hülle der Re ligion diese selbst zu haben glaubt.

Der Zusammenhang dieses schon durch den von uns gewählten Namen, obwohl er ein neuer *) ist, bezeichneten Irrthums mit dem Indifferentismus ist folgender. Der Indifferentismus höhlt die Gemüther aus, und deckt durch die traurigen Folgen der Erschläffung und Lösung der ehrwürs digsten Bande die Nothwendigkeit auf, irgend etwas Bestimmtes und Festes auf dem religiösen Gebiete mit Entschiedenheit und Kraft zu umfassen. Aufrichtige Gemüther, mögen sie nun selbst in der Schuld und dem Elende des Indifferentismus sich befunden haben, oder mögen sie sich nur durch die an Anderen wahrgenommenen Wirkungen desselben warnen lassen, vermögen in einem entschiedenen Uebergange

*) Obwohl nicht schlechthin, denn Oetinger schreibt an Bengel (1736 oder 37) von Einem, „der sich vornahm, die zwei Ertreme jeziger Zeit zu refutiren, nämlich Boehmismum Kaiseri et Literalismum Grotii et Bengelii Vgl. Bengel's Literarischer Briefwechsel. Von Burk, Stuttgart 1836. S. 209.

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vom Indifferentismns zur Wahrheit diese mit Einfachheit zu erfassen. Allein in der Mehrheit, auch der Religiösgesinnten, kann ein solcher Uebergang nicht Statt finden. Da die Wahrheit ihr zu wenig tief ins Herz gedrungen ist: so bleibt sie auf halbem Wege zu ihrer Annahme stehen, oder vielmehr sie verwechselt die äußere Hülle und endliche Form der Wahrheit mit dieser selbst; und da, von der Trägheit und Flachheit des Herzens bestochen, der Geist die entschiedene Festhaltung der Form leicht für das eigentliche Antiindifferentistische und für edle Festigkeit und Kraft halten kann: so bildet sich dieser Irrthum zu einem Grundsage aus. Die höchste und nothwendigste Form der im Denken zu erfassenden Wahrheit ist das Wort der menschlichen Sprache. Das Wort wird aber nur dann richtig gefaßt und verstanden, wenn der Geist Jesu Christi es aufschließt. In dem Maaße als man es festhalten will, wåhrend man sich dem lebendigmachenden Geiste mehr oder minder entzieht, wird es Einem zum Buchstaben, d. h. zu der an sich die Wahrheit nicht in sich tragenden leeren und blos menschlichen Form, die noch vergånglicher ist als die Buchstaben des Alfabets, die einst mit der irdischen Leiblichkeit des Menschen vergehen werden, weil sie, in dem bezeichneten Sinne, eine Losreißung des Wortes vom Geiste in sich schließt, während der Buchstabe, im eigentlichen Sinne des Worts, nur den immer erneuerten rechtmäßigen Anspruch macht, zur Bildung des Wortes zu dienen, ohne es je selbst zu sein. Diese Verwechselung der lebendigen Form des Wortes mit der todten buchstabenähnlichen Form des vom Geiste getrennten Wortes ist so sehr der durchgehende Typus des hier in Rede stehenden Irrthums, daß der davon hergenommene Name mit Recht auch auf diejenigen Arten desselben angewandt werden darf, in denen es sich nicht um wörtlichen Ausdruck von Lehren handelt.

Der Literalismus kann nicht entstehen ohne einen ges wissen Grad des Unglaubens an die Wahrheit, ohne ein

tiefes Mißtranen, ob sie auch in sich selbst das Leben und eine ewig lebendige, mit ihrem Wesen identische Form habe, ohne die Meinung, daß die Wahrheit doch eigentlich nur durch die menschliche, irdische, an sich nichtige Form könne. gehalten und getragen werden. Der Ursprung dieser Meinung, jenes Mißtrauens ist aus der Lüge, und das Mißtrauen selbst wird von dem Vater der Lüge unterhalten. Zum vollen Bewußtsein kann beides im Literalismus nicht kommen, sonst wäre er vollständiger Unglaube. Vielmehr hat er das Wahre und Gute zum-Grunde, daß er die Wahrheit mit ihrer Form und in ihrer Form will, daß er die Bestimmtheit einer Posizion um jeden Preis der Unbestimmtheit des Gleichgültigseins entgegenseßen will. Da er aber die Unklarheit und Schwäche an sich trägt, daß er die vers gångliche Erscheinungsform mit der ewigen wesentlichen Form verwechselt, und daß er diese nicht festzuhalten im Stande ist, wenn er sich nicht an den menschlichen Hülfsmitteln und äußeren Formen des religiösen Lebens festhält: so gestattet er jenem Geiste der Lüge, ihm die absolute Nothwendigkeit der endlichen Form, die Haltungslosigkeit der Wahrheit in sich selbst, vorzuspiegeln. Statt also jene Schwäche anzuers kennen, und sich durch männlich - redliches Hineinschauen in die Wahrheit, Durchschauen durch das vollkommene Gesetz der Freiheit (Jacob. 1, 25) immer mehr fähig zu machen zu immer freierem, selbstständig bildendem Gebrauche der Formen, wähnt er sein Heil in ihrer rücksichtslosen Aufrechthaltung zu finden, und stellt eben diesen Irrthum als Frömmigkeit und Weisheit dar.

S. 2.

Die geschichtliche Entwickelung des Literalismus ist bedingt durch eine demselben vorhergegangene Lau heit und durch das Vorhandensein verjährter und sehr ausgebildeter menschlicher Formen.

Es ist schon erwähnt, daß der Indifferentismus im

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Entweichen noch dem Literalismus die Hand reicht, indem er eine Dede und Hohlheit der Geister und Gemüther, hine terläßt, welche sie unfähig macht, in das Volle und Lebendige der Wahrheit einzutreten. Gerade hieraus entwickelt sich das Haften an der Schaale. Da sich nun, Da sich nun, in einer solchen Periode, gewöhnlich überlieferte und ausgebildete Formen aus früherer Zeit vorfinden: so sind diese den nach Formen allzuverlangenden Geistern so willkommen, daß sie, mit Vernachlässigung einer ́tieferen geschichtlichen Einsicht, und bei dem Unvermögen, diese Formen von der Seite sich anzueignen, wo sie der Neubelebung fähig find, an ihrem bloßen Dasein mit pedantischer Bewunderung haften. Je bewunderungswürdiger die Geisteskraft ist, welche wirklich in der früheren Entwickelung auf die Ausbildung dieser Formen gewandt worden ist: desto leichter verbirgt sich die ångstliche und geistlose Festhaltung an denselben hinter dem Scheine einer selbst weisen Anerkennung des höchst weisen Alterthums. Indem zugleich in Zeiten der Zurückführung der Kirche zur festeren Gestaltung in Lehre und Leben immer ́auch solche da sind, welche die Handhabung dieser Formen von einem hierarchisch - politischen Standpunkte aus für religids wichtig erklären oder wirklich halten: so wird die Menge noch mehr darin bestärkt, die Aufrechthaltung der äußeren Form sei eben so wichtig als die Belebung des Inneren, und auf diese Weise gründet sich eine mehr oder minder drückende Herrschaft des Geseßlichfestgestellten in der Kirche. Es lassen sich besonders drei Hauptperioden erkens nen, in welchen Formalismus und Literalismus, auf verschiedene Weise, ihre Herrschaft verbreiteten. Die erste war das Herrschendwerden allzufester kirchlicher Lehrformen im fünften und sechsten Jahrhundert. Denn nach dem der lebendigere und keinesweges leere oder unnöthige Kampf zwischen dem Nicånismus und dem Arianismus im vierten Jahrhunderte seine im Ganzen edleren Früchte getragen, nachdem in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts noch

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