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Gegenstände von großer Bedeutung für die Kirche zur Sprache kamen: entwickelte sich unter und nach den Nestorianischen Streitigkeiten ein immer ängstlicherer und geseßlicherer Geist der formularischen Festhaltung der kirchlichen Lehre, welcher ganz vorzüglich beitrug, die griechische Kirche in dem Maaße erstarren zu machen, als sie in den späteren Jahrhunderten fich darstellt. Eine andere Art des Literalismus entwickelte sich seit der Mitte des neunten Jahrhunderts in der abends ländischen Kirche, der Geist buchstäblicher Kirchlichkeit im Leben der Kirchenglieder. Denn seitdem der Glaube vorzugsweise als ein Gefeß angesehen wurde, welches durch die Bischöfe in der Kirche aufrechterhalten werden müsse, gab es auch nichts mehr in der Lehre vom Glauben, was die Auss artung der religiösen Handlungsweise in Geseßlichkeit und somit in ångstliche Buchstäblichkeit verhindern konnte: eine Richtung, welche, in Vereinigung mit dem spåter erst vollständig ausgebildeten scholastisch = pelagianischen Vertrauen auf die eigenen Kräfte, die wichtigste Ursache desjenigen Zustandes wurde, der die Reformazion nöthig machte. Eine dritte Hauptperiode des Literalismus trat seit dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts in der protestantischen, vorzüglich der lytherischen, Kirche ein, indem die starre Einbauung in die Ausdrücke und Gedankenformen der symbolischen Bücher, die meistentheils selbst in einem ganz anderen Geiste geschries ben waren, wiederum eine Knechtschaft des Buchstabens hérbeiführte. Diese Richtung hatte Verwandschaft mit dem Hauptgebrechen der griechischen Kirche, insofern auch sie besonders auf Festhaltung der Lehre ausging. Es bestand jedoch hier der Unterschied, daß die protestantischen Dogmen vorzüglich den anthropologischen Theil der Religionslehre betrafen, und schon deshalb, in Verbindung mit dem protes stantischen Prinzipe, daß die Schrift als Wort Gottes alleinige Norm der Lehre und des Lebens sei, nothwendig sich felbst früher, als die griechischen, zu einem geistigen Leben erneuern mußten.

S. 3.

Die zwei Hauptformen des Literalismus sind der Ergismus und der Orthodoxismus.

Der Literalismus kann sich entweder mehr an die Fors men der Lehre oder mehr an die des Lebens anschließen. Ist das Erste der Fall, heftet sich die buchstäbliche Gesinnung vorzugsweise an die einmal hervorgebrachten Gedankenformen, welche nur als Darstellungsweisen der ewigen Wahrheit der christlichen Lehre Werth haben, und eben deshalb dieser nicht gleich stehen: so entsteht die Verirrung des Orthodorismus, d. h. einer solchen buchstäblichen Auffassung der Orthodorie (dieser von dem ächten kirchlichen Leben unzertrennlichen Denkart), wodurch diese im Unwesentlichen gesucht wird. Wenn aber die literalistische Gesinnung sich mehr an das reale kirchliche Leben anheftet, wenn sie vorzüglich die Formen einer kirchlich-christlichen Lebensweise einseitig ausbildet, buchstäblich festhält und sklavisch ausübt: so entsteht ein Werthlegen auf gewisse gottesdienstliche Werke, in welchem die Ueberzeugung von dem Werthe aller Werke allein durch Glauben und Liebe Gefahr läuft einem nichtigen Vertrauen auf das Werk als Werk in seiner Gesondertheit zu weichen. Diesen Irrthum können wir Ergismus nennen, wobei nur zu erinnern ist, daß er mit dem aus der Gez schichte der lutherischen Kirche bekannten Synergismus deshalb wenig gemein hat, weil es in ihm nicht sowohl auf das selbstständige Mitwirken der menschlichen Kraft, als auf das Werthhaben des Werks als solchen, gesetzt auch, man leitete es allein aus der den Menschen dazu befähigenden göttlichen Gnade ab, ankommt. Da der Ergismus wenigstens in der abendländischen Kirche das frühere Uebel ist: so behandeln wir ihn vor dem Orthodorismus, bei welchem dasjenige, was in der alten, besonders der morgenländischen

Kirche, dem Ergismus noch voranging und fortwährend in ihr besteht, seinem Wesen nach ohne Schwierigkeit mit bes handelt werden kann.

Erstes Kapitel.

Vom Ergismus.

S. 1.

Das Wesen des Ergismus besteht in dem Jrrz thume, daß Alles im Christenthume nur dazu sei, um religiöse Werke als Mittel der Seligkeit hervorzubringen.

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Der Ergismus erkennt in einem umfassenden Sinne die Lehren der heiligen Schrift von dem Wesen Gottes, von der Person und dem Amte Christi, von der Gnadenmittheilung des heiligen Geistes an, aber er sieht alles dies theils als blos deshalb geschehen, theils als blos deshalb uns geoffenbart an, damit wir in den Stand gesezt würden, Werke zu thun, welche die Seligkeit zum gerechten Lohn haz ben müssen. Werke, religiöse, vor Gott Werth habende Werke sind so sehr der Mittelpunkt in der Vorstellungsweise des Ergismus, daß er vergißt, daß auch sie nur Uebungsmittel für die und Durchgangspunkte zu der Empfänglichkeit für das eine große Werk Gottes sind, welches er durch Christus in der Menschheit vollbringen will. Und was ist der Grund davon, daß dieses Werk Gottes über den Werz ken der Frommen bis zu einem gewissen Grade in den Hintergrund gestellt wird, während es doch das Rechte wäre, die Werke der Frommen als die Mittelglieder zu betrachten, durch welche das Werk Gottes sich selbst Organe schafft in

der Thätigkeit der Gläubigen, um dann gleichsam mit unendlich vervielfältigten Kräften persönlicher Wesen seinem Ziele entgegenzugehen? Der Grund liegt in einer eitlen, selbstvertrauenden und auf die Fülle des Werkes Gottes mißtrauenden Gesinnung, welche, sobald sie die früheren Früchte der göttlichen Gnade zur Vollbringung gewisser Werke in sich wahrnimmt, falsch - genügsam dabei stehen bleibt, und oberflächlich übersieht, daß nun erst das Werk Gottes in dem Inneren des Menschen sich tiefer begründen und voller entwickeln wolle, und zugleich eine eitle Freude an den vollbrachten und mit der bis jeßt erlangten Kraft schon zu vollbringenden religiösen Werken hat, vermöge welcher diese Gesinnung sich überredet, nur die Seligkeit könne ein hinlänglicher Lohn dieser Werke sein. Der Ergismus ist also Halbheit und Trockenheit, jene, weil er in der Ergreifung des Werkes Gottes durch Christus auf halbem Wege stehen bleibt, diese, weil er das Werk der Gnade nur soweit anzuerkennen vermag, als es sich wiederum in sichtbaren äußeren Werken des Menschen darstellt, gleich als wäre nicht das Herz des Menschen und seine Reinigung und Verklårung um ihrer selbst willen da, und höher als alle sichtbaren Werke der Frommen. Der Ergismus ist niemals eigentlicher Pelagianismus, da er ein viel zu aufrichtiges Verlangen hat, religiöse Werke zu haben, die er zu bewundern, auf die er sich mit verlassen könne, als daß er nicht fühlen sollte, daß folche aus der natürlichen Kraft des Menschen niemals her`vorgehen können, aber er ist immer Semipelagianismus (obwohl er dies in sehr verschiedenem Grade und Beziehung sein kann), weil er seinem Prinzipe nach das menschliche Werk, gerade insofern es menschlich ist, immer als einen Gegenstand der mit der Seligkeit belohnenden Gerechtigkeit Gottes ansieht. Er sieht das fündige Verderben des Menschen nie als so schlimm an, daß in der völligen Austilgung und Verwandlung desselben in die volle Aehnlichkeit mit dem Sohne Gottes das ganze Ziel des Werkes Gottes in Christus

bestehe; sondern da er die Vollbringung guter Werke, insofern sie von dem Innern verschieden sind, als das Höhere ansieht: so bedarf er auch nur soviel Gnade, als nöthig ist, dem Menschen zu helfen, Werke zu vollbringen.

Diese Richtung war es, welche von dem Zeitpunkte an in der Kirche sich mit reißendem Erfolge verbreitete, wo der Klerus die Vollbringung des Aeußeren in religiöser Gefinnung als das höchste Geistliche darstellte, wo die vom Leben und vom Glauben durch abstrakte Begriffsbestimmung zu weit getrennte Lehre vom Sohne Gottes ihn und sein Einwohnen im Herzen nicht mehr als die alleinige Quelle guter Werke darstellte. Dieses Prinzip stand mit der übertriebenen und falschen Schäßung der Werke heiliger Personen in natürlicher Wechselwirkung, und dieses wurde durch die Theorie des größeren Theils der Scholastiker von dem meritum congrui befördert; dasselbe endlich war es, was das tridentinische Concilium, ungeachtet aller seiner Vorsorge für die rechte Mitte, nicht nur nicht ausschied, sondern in ausdrücklichen canones bestätigte.

S. 2.

Der Glaube ist im Ergismus lediglich Anfang und Wurzel der Werke, nicht Mittel der Rechtfertigung.

Da die göttliche Offenbarung im Ergismus nicht so= wohl als die Kundmachung des von Gott Gethanen als vielmehr des von dem Menschen zu Thuenden angesehen wird: so bildet sich auch eine Vorstellung vom Glauben, wonach dieser weniger die innerliche Erfassung des von Gott Gethanen, als die verständige Aufnahme des nach Gottes Willen von uns zu Thuenden ist, und darin liegt schon, daß der Glaube nur als der Anfang der Werke und selbst als ein, nur mehr innerliches, Werk gefaßt wird. Offenbarung und Glaube stehen, nach dem Ergismus, selbstständig

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