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schon, weil jeder mehr oder weniger der Welt geben möchte, was sie verlangt. Die Welt aber, wie sie durch die unfelige Menge des Schreibens und Lesens geworden ist, verlangt nicht nach dem Besten. So hindert das Uebermaas des Schreibens und Lesens den höhern Flug des Geistes und das Eindringen der Erkenntniß in die Tiefe, die vollendete Ausbildung des Gedankens, wie des Styls und der Sprache. Plato håtte ganz anders geschrieben, wenn Jahrhunderte zuvor Bücher gedruckt worden wåren. Die Welt würde der Vollkommenheit der griechischen Literatur, der hohen Ausbildung der griechischen und der römischen Sprache entbehren, wenn die Buchdruckerkunst zwei Jahrtausende früher erfunden worden wäre. Die Buchdruckerkunst ist eine der Ursachen, daß die neuere Welt sich einer solchen Vollendung der Geistesbildung nicht fähig zeigt, wie die griechische erreicht hat. Die Welt hat durch die Buchdruckerkunst viel gewonnen, aber auch Großes verloren. Allerdings hat die Buchdruckerkunft die Welt weiter gebracht, allein sie hat sie auch wieder in Verirrungen geführt und von dem höchsten Ziele entfernt. Man hat die Anreizung zu mehrerer Production, als einen Vortheil der Preßfreiheit, aufgeführt, ohne zu fragen, ob das nicht vielmehr eine Schattenseite der Presse selbst sey. - Denken wir nun noch daran, daß durch die Buchdruckerkunft die Schriftstellerei zu einem Gewerbe geworden ist; so erblicken wir eine Quelle unabsehbaren Verderbens für die Literatur. Und unabsehbares Verderben ist dadurch in die Welt gekommen, daß man sich, bei der grenzenlosen Ausdehnung der Literatur, gewöhnt hat, das höchste und schwierigste Geschäft des Menschen, das Geschäft der an die Welt gerichteten Rede,

ohne strengerer Prüfung feiner Kenntniß und seines Urtheils, leichthin zu vollbringen, und bei diesem, die höchste Strenge und Besonnenheit erheischenden, Geschäfte dem Leichtsinne und der Gewissenlosigkeit sich zu ergeben, welche gewiß aus der Literatur auch wieder in das Leben übergehen, wie wechselseitig der Leichtsinn des Lebens den der Literatur fördert.

Doch das Vorstehende gehört blos zur Frage über den Einfluß der Presse und darum zur Vollståndigkeit der Betrachtung unsers Gegenständes. Ein Zweifel gegen die Wichtigkeit der Presse für die Vervollkommnung des menschlichen Geschlechts kann die Gemüther über die Angelegenheiten der Presse ruhiger machen. Keinesweges aber kann die Vorstellung von der Verwerflichkeit und Nichtswürdigkeit eines großen Theiles der Literatur, und von dem Verderben der Literatur durch das viele Schreiben etwa der Censur den Vorzug vor der Preßfreiheit geben, weil die Censur gerade das, was wir hier als verderblich betrachten, das Werthlose und selbst das Irrige an sich, nicht berücksichtigen, die Verdrångung des Bessern durch das Gemeine nicht hindern kann. Und alle Nichtswürdigkeit des größten Theiles unserer Literatur hindert nicht, daß die Unterdrückung eines werthvollen Gedankens als ein schmerzlicher Verlust für die Welt, als ein beklagenswerthes Unrecht, als eine Schmach für die Menschheit zu betrachten wäre.

Wir kommen aber nun auf die uns nåher liegende Frage: welchen Einfluß wieder auf die Literatur Censur und Preßfreiheit habe. Nach einer jezt herrschenden Ansicht wird durch die Censur aller freier Schwung des Geistes in der Literatur niedergedrückt, gerade alles das Wahrste und Beste der Welt entzogen. Vielleicht ergåbe sich ein anderes Ur

theil, wenn man alles, was in 'Teutschland in einer Reihe von Jahren von der Censur zurückgehalten worden ist, zusammenstellen könnte zu einer Uebersicht des Verlustes, der für Geistesbildung, Erkenntniß, Wissenschaft und Kunst (vom Staatsleben ist hier nicht die Rede) aus der Censur hervorgegangen ist; wie ich denn auch glaube, daß es zur Beruhigung der andern Partei gereichen würde, wenn man mit einem Blicke das Unheil übersehen könnte, das wirklich durch die Preßfreiheit über die Welt gekommen ist, und durch Censur håtte vermieden werden können. Nur bei zwei Gattungen der Gegenstände über Religion und über die neuesten Zeitereignisse, ist es wohl denkbar, daß wichtige Ideen und neue Ansichten durch die Censur zurückgehalten würden, obschon man auch hierin bei einem Ueberblicke dessen, was wirklich zurückgehalten worden ist, wohl leicht von der Meia nung zurückkommen möchte, daß durch die Censur gerade das Beste unterdrückt, der Welt ein schmerzlicher Verlust zugezogen werde. Allein vorzüglich in Hinsicht auf die Religion tritt die unten zu berührende Frage ein, ob das System der Bestrafung der Preßvergehen vielleicht nicht minder beschrånkend sey, als die Censur, weil die Gefahr zu wenig sicher zu berechnen ist. Am meisten kömmt wohl die freie Beurtheilung oder auch Darstellung der Ereignisse der neuesten Zeit in Betrachtung, wo die Censur am meisten hinderlich seyn kann. Doch ist zu richtiger Beurtheilung des Verlustes nicht zu übersehen, daß durch alle Genfur das Wahre der Thatsachen und das Urtheil doch der Welt nicht vorenthalten werden kann. In andern Fächern allein ist wohl an Zurückhaltung der Wahrheit durch die Censur nicht zu denken. Auch für die Wissenschaft der

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Politik (von Urtheilen über die Verhältnisse der Zeit ist hier
nicht die Rede,) möchte leicht an dem nicht viel verloren
feyn, das so geschrieben wäre, daß es heut zu Tage die
Censur nicht vertrüge. Ueberhaupt denkt man bei den Be-
fürchtungen von der Censur wohl noch zu sehr an eine Re-
gierung, welche die Lehre von der Bewegung der Erde um
die Sonne verfolgen könnte. Und so wenig Galiläis Wider-
ruf die Aufnahme seiner Lehre verhindert hat; so wenig
wird irgend das Wahre und Tüchtige von der Censur un='
terdrückt werden,
welche Bemerkung keinesweges die
fündigende Censur in minder ungünstigem Lichte darstellen,
sondern nur die zu ångstlichen Gemüther beruhigen soll.

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So viel von der Wichtigkeit der Freiheit oder Beschränkung der Presse. Es ist die andere Frage zurück, in wie weit mehr Freiheit oder Beschränkung der Presse von dem einen oder dem andern der zwei Systeme zu erwarten fey. So abweichend die Ansichten über Censur und Preßfreiheit sind; so liegt doch, wie mir dünkt, beiden Extremén ein gemeinschaftlicher Irrthum zum Grunde, als ob nåmlich Censur und Preßfreiheit verschiedene Zwecke verfolgten: als strebe die eine nach Unterdrückung, die andere nach Sicherung der Freiheit der gedruckten Rede. Dieser Irr thum ist die Folge der schon oben berührten, aus dem nicht angemessenen Gebrauche des Wortes Preßfreiheit fließenden, Verwechselung der Begriffe. Keinesweges verschiedene Zwecke haben Censur und Preßfreiheit. Das System der Preßfreiheit soll durch Bestrafung der Preßvergehen und andere Mittel, gleich der Censur, dem Unzulåssigen und Strafbaren wehren; und die Censur soll nicht mehr unterdrücken, als was zu unterdrücken dem Staate, nach seinem Wesen

und seiner Pflicht, obliegt. Also verschiedene Richtung der Zwecke haben Censur und Preßfreiheit gar nicht. Allein das fragt sich nun, ob nicht die Censur ihr Ziel weiter hinaus stecke, als die Bestrafung der Preßvergehen, oder, ob auch sie nur das nicht zum Drucke lasse, was als Preßvergehen bestraft werden würde; und ob man im erstern Falle Gefahr für die Presse anzunehmen habe. Zuerst wåre eine solche Verschiedenheit willkührlich; es ist nicht in dem Wesen der Censur nothwendig gegründet, daß sie mehr zus rückhalte, als was als Preßvergehen bestraft wird. Folg lich låge ein Vorwurf, den man der Censur hierüber machen wollte, jedenfalls nicht in ihrem Wesen, sondern in ihrer Handhabung. Ist es Unrecht, daß die Censur weiter gehe, als die Bestrafung der Preßvergehen; so soll sie schlechterdings sich dessen enthalten. Allein zweitens, wenn die Censur weiter geht, als die Bestrafung der Preßvergehen; so ist erst noch zu untersuchen, ob die Censur zu viel thue, oder das System der Preßfreiheit zu wenig leiste, ob mehr durch die Censur solches unterdrückt werde, was nicht unterdrückt werden sollte, oder mehr bei dem Systeme der Preßfreiheit solches der Bestrafung und deshalb der Unterdrückung nicht unterworfen, was unterdrückt werden sollte. Die Frage ist, ob eine Ausdehnung der Censur über das Wesen der strafbaren Preßvergehen hinaus durch den Zweck des Staates gerechtfertigt werde. Diese Frage hat die Cenfur fürs erste mit allen Polizeivorschriften gemein, und sie schlechthin verneinen heißt der Polizei überhaupt das Recht absprechen, anderes als Vergehen zu verhindern. Die Censur kann also nicht unbedingt durch ihre Ausdehnung über das Strafbare hinaus verwerflich werden, sondern es gilt,

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