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736/18 geschrieben, da in demselben das von Augustus in jenem Jahre gegebene Gesetz de maritandis ordinibus erwähnt war. Aus einigen Andeutungen, wie 34, 9, 3; 40, 34, 13 u. a., ist für die Zeit der Abfassung der einzelnen Bücher nichts zu entnehmen; aber diejenigen, in welchen von Pompeius die Rede war, scheint nach Tacitus Ann. 4, 34 Augustus noch gelesen zu haben, was auch dadurch bestätigt wird, dafs nach einer Bemerkung in der ältesten Handschrift der Periochae das 121. Buch nach dem Tode des Augustus, also in dem Zeitraum zwischen 14 und 17 n. Chr., wenn nicht verfafst, doch herausgegeben sein soll. Livius hat also wenigstens 40 Jahre und bis zu seinem 11 Tode unermüdlich an seiner Geschichte gearbeitet, wie sich dies auch in der bereits erwähnten Stelle aus der Präfatio des Plinius angedeutet findet.

Dafs er ein so umfangreiches Werk nach und nach herausgegeben, nicht bis zur Vollendung zurück behalten habe, ist schon an sich wahrscheinlich, besonders da er vielleicht nicht einmal zum Abschlufs desselben gelangte. Es sprechen aber dafür auch die Einleitungen zu mehreren Büchern, welche voraussetzen, dafs die vorhergehenden Bücher bereits in den Händen vieler sich befanden (wahrscheinlich wurden jedesmal mehrere Bücher, die ein kleines Ganze bildeten, veröffentlicht); sodann der Vorwurf der Patavinität, welcher dem Livius von Asinius Pollio gemacht wurde; ferner der Umstand, dafs Augustus von dem Inhalt mehrerer Bücher Kenntnis hatte; besonders aber der Ruhm, welcher Livius schon bei seinen Lebzeiten zuteil wurde, wohl nicht wegen seiner rhetorischen oder philosophischen Werke, sondern wegen seiner alle Vorgänger weit überragenden Geschichte. Bekannt ist, was der jüngere Plinius erzählt Epist. 2, 3, 8: numquamne legisti Gaditanum quendam T. Livi nomine gloriaque commotum ad visendum eum ab ultimo terrarum orbe venisse statimque, ut viderat, abisse? Dasselbe bezeugt der ältere Plinius in der Vorrede § 16: profiteor mirari T. Livium . . quodam volumine sic orsum: satis iam sibi gloriae quaesitum et potuisse se desidere, ni animus inquies pasceretur opere. Je günstiger aber die Aufnahme war, welche die bereits vollendeten Teile fanden, um so mehr mufste sich Livius aufgefordert fühlen, die folgenden in raschem Zuge zu veröffentlichen.

Nach der zuletzt angeführten Stelle könnte es leicht den Schein gewinnen, als ob Livius nur aus Ruhmsucht und um den unruhigen Drang seines Gemütes zu stillen, die Geschichte ge

schrieben habe und den von Plinius ebendaselbst ausgesprochenen Tadel verdiene: profecto populi gentium victoris et Romani nominis gloriae, non suae conposuisse illa decuit. maius meritum esset operis amore, non animi causa perseverasse et hoc populo Romano praestitisse, non sibi. Indes kann es auf der anderen Seite einem Geschichtschreiber nur zum Ruhme gereichen und darf als ein Beweis liebevoller Hingebung an seinen Gegenstand und unermüdlicher Ausdauer gelten, wenn er gesteht, dafs er, ohne für sein einmal begonnenes Werk thätig 12 zu sein, nicht ruhen, nicht leben könne. Dafs diese Hingebung und eine innige Freude an seinem Werke das Gemüt des Livius erfüllt, dafs er in einer in vieler Beziehung trüben und trostlosen Gegenwart durch die Betrachtung der Vorzeit sich gestärkt und aufgerichtet habe, spricht er in der Vorrede und an vielen anderen Stellen aus. In seiner Kindheit konnte er von den gewaltigen Kämpfen und Siegen Cäsars hören, die zur Unterwerfung des benachbarten Galliens führten und ihm den Weg über den Rubicon bahnten. Auf das empfängliche Gemüt des Knaben mufs es einen tiefen Eindruck gemacht haben, als ein Freund seines Hauses, der am Tage der Schlacht bei Pharsalus in Padua den Vogelflug beobachtete, plötzlich begeistert ausrief: 'du siegst, Caesar!' und, während alle tief erschüttert waren, seinen Kranz niederlegte mit dem Schwure, ihn erst dann wieder aufzusetzen, wenn seine Verkündigung sich bestätigt hätte. Als Jüngling sah Livius das Unglück und die Greuel der Bürgerkriege, die sich an Cäsars Ermordung anschlossen und erst bei Actium ihr Ende erreichten. So hatte er Gelegenheit, die Macht und Gröfse, aber auch den Verfall und das Elend des römischen Staates aus eigner Anschauung kennen zu lernen, und es ist nicht zu verwundern, dafs ein so reger Geist, ein so tiefes Gemüt sich schon früh zu lebendiger Teilnahme an den Geschicken des Staates hingezogen fühlte. Andererseits läfst sich wohl annehmen, dafs ihn seine rhetorischen Studien auch zu der historischen Litteratur der Römer führten, und dafs er bei seinem feinen Sinne für das Schöne und Harmonische bald erkannte, wie wenig die Form, in der die Thaten des römischen Volkes dargestellt waren, mit der bewunderungswürdigen Gröfse derselben im Einklang stand. So mochte in ihm der Plan reifen, den er in der Vorrede § 3 kurz andeutet: iuvabit rerum gestarum memoriae principis terrarum populi pro virili parte et ipsum

1 Plut. Caes. 47.

consuluisse, und, nachdem sogleich der Anfang des Werkes günstige Aufnahme gefunden hatte, es ihm als seine Lebensaufgabe erscheinen, den bewundernswürdigen Thatenreichtum der Vorfahren, der bis dahin nur dürftig und in veralteter oder gesuchter Form vorgetragen war, durch gewissenhafte Treue und klare, schöne, der Gröfse des Gegenstandes angemessene Darstellung der Mit- und Nachwelt zur Anschauung zu bringen und durch die Beseitigung des Trockenen, Schwierigen, Unbegründeten seinen Lesern einen reinen und ungestörten Genufs zu bereiten. Wenn er sich aber nur dieses Ziel gesetzt hätte, so würde er einen nur untergeordneten Zweck verfolgt, eine unterhaltende Lektüre geschaffen, aber keine tieferen Erfolge gesucht und erlangt haben. Allein gerade eine nachhaltige geistige 13 Wirkung auf seine Zeit und eine Beziehung der Vergangenheit auf die Gegenwart war das, was Livius erstrebte. Selbst erfüllt von dem Bewusstsein der Gröfse seines Volkes, seiner hohen Vorzüge und ruhmvollen Thaten, will er seinen gesunkenen und erschlafften Zeitgenossen in einem lebendigen Bilde die Wahrheit vorhalten, dafs nur durch Tugend und Mannhaftigkeit, durch Gerechtigkeit und Frömmigkeit der römische Staat sich emporgeschwungen und die Weltherrschaft errungen hat.2 Es ist die religiös-sittliche Bedeutung und Würde der Geschichte, welche Livius auf das tiefste fühlt und zur Anerkennung zu bringen strebt, indem er nicht in moralischen Betrachtungen und Ermahnungen, sondern durch lebensvolle Schilderung von Personen und Zuständen für die Tugend begeistert, durch die Hinweisung auf die Wege des Schicksals die Ahnung des göttlichen Waltens erweckt und dadurch seiner Darstellung die Wärme, Kraft und Weihe verleiht, von der er selbst durchdrungen und gehoben war.

Als Livius diesen Plan fafste, war er sich der Gröfse desselben und der zu überwindenden Schwierigkeiten wohl bewufst 3, nicht weniger aber seiner reinen Absicht, seines edlen Zweckes und seiner Kraft, die ihn hoffen liefs, Gröfseres und Besseres zu leisten als seine Vorgänger. Ausgestattet mit einem reichen, poetischen Gemüte und einer blühenden Phantasie, mit einer glänzenden Gabe der Rede und Darstellung, mit Sinn für

1 6, 12, 3; 10, 31, 11. 2 Pr. 10: hoc illud est praecipue in cognitione rerum salubre ac frugiferum, omnis te exempli documenta in inlustri posita documento intueri; inde tibi tuaeque rei publicae, quod imitere, capias; inde foedum inceptu, foedum exitu, quod vites. 3 Pr. 1-4.

Wahrheit, einem feinen Gefühle für das Edle und Reine, einem sicheren Takte für das Angemessene und Schöne, war er imstande, dem römischen Volke seine Vergangenheit in einer Gestalt vorzuführen, in der sie dem Charakter und Geschmack desselben am meisten entsprach, und das zu erreichen, was die Alten von der Geschichte und ihrer Darstellung forderten 1. Jener dichterische Sinn tritt am deutlichsten hervor in der Art, wie Livius die Volkssage aufgefafst und das mythische Zeitalter seiner 14 Nation dargestellt hat. Überzeugt, dafs es den Völkern gestattet sei, ihre Urzeit dichterisch auszuschmücken2, sucht er in derselben nicht, wie manche frühere Historiker, wirkliche Geschichte, sondern erzählt das Wunderbare, ohne es mit nüchterner Berechnung seines Schmuckes zu berauben, in edler Einfachheit, Frische und Lebendigkeit. Aber auch in der wirklichen Geschichte ist dieses dichterische Talent sichtbar, sobald sich würdige Gegenstände finden, in den Gemälden grofser Ereignisse, in den Schilderungen bedeutungsvoller Situationen, in der Charakteristik ausgezeichneter Männer. Hiermit steht in enger Verbindung, dafs Livius bei seinem Sinne für Menschengröfse und Menschenschicksale alles irgend Wichtige oder Anziehende mit Wohlwollen begleitet und hervorhebt, das Rohe, Harte, Mafslose zurückweist, an dem Unglück der Bedrückten teilnimmt und durch dieses Einflechten des Persönlichen über das Ganze eine Frische verbreitet, die dem Leser wohlthut und ihn immer mit neuem Interesse erfüllt. Schon die Alten erkennen es an, dafs keiner, wie er, die zarteren Motive der Handlung, die feineren Gefühle der Liebe, Pietät, Freundschaft, Trauer und Begeisterung mit solcher Tiefe und Innigkeit aufgefafst und geschildert habe3. Vorzüglich ist diese Teilnahme den edlen Charakteren und hervorragenden Männern zugewandt; diese zu würdigen, nach ihrer Individualität zu schildern, ein klares Bild ihrer Stimmung, ihrer Ansichten und Zwecke besonders in einzelnen Stituationen

1 Quint. 10, 1, 31: est enim (historia) proxima poetis et quodam modo carmen solutum.. ideoque et verbis remotioribus et liberioribus figuris narrandi taedium evitat. 2 Pr. 7: datur haec venia antiquitati, ut miscendo humana divinis primordia urbium augustiora faciat. 3 Quint. 10, 1, 101: nec indignetur sibi Herodotus aequari T. Livium, cum in narrando mirae iucunditatis clarissimique candoris, tum in contionibus supra quam enarrari potest eloquentem: ita quae dicuntur omnia cum rebus, tum personis accommodata sunt; adfectus quidem praecipueque eos, qui sunt dulciores, ut parcissime dicam, nemo historicorum commendavit (commodavit Halm) magis.

zu entwerfen und dadurch auch die Teilnahme der Leser hervorzurufen, betrachtet Livius als eine der bedeutendsten Aufgaben des Geschichtschreibers, und dieser hat er selbst, was schon von den Alten gerühmt wird, wie wenige entsprochen. Diese 15 Lauterkeit, Schönheit, Aufrichtigkeit und Milde des Gemütes geht hervor aus der sittlich-religiösen Richtung desselben, welche sich überall in dem Werke ausspricht und die Norm für die Beurteilung von Personen und Thaten bildet 2. Als Philosoph mufste er sich mit der sittlichen Aufgabe des Menschen und den Grundsätzen der Moral vielfach beschäftigt haben; mit richtigem Takte hält er jedoch alle Reflexionen und Betrachtungen dieser Art fern. Nur an einzelnen Stellen und mit wenigen Worten lobt er hervorragende Tugenden oder tadelt das Laster3; aber in der ganzen Darstellung giebt sich seine Gemütsrichtung so deutlich kund, dafs der Leser über das Urteil des Schriftstellers nicht in Zweifel bleiben kann und überall seine Bewunderung des Edlen, seine Entrüstung über das Schlechte mitempfindet. Bei der allgemeinen Verderbtheit, in welche zu seiner Zeit Rom selbst, die übrigen gebildeten Völker des Altertums schon lange vorher versunken waren4, blickt er mit Ehrfurcht und Bewunderung auf die Vorzüge, die sittliche Kraft, die echt römische Festigkeit der grofsen Männer der Vorzeit, eines Cincinnatus, Camillus, Papirius Cursor, Decius, Fabius Cunctator, Aemilius Paulus u. a.3, die ihm als ein Schmuck des ganzen Volkes erscheinen und nach seiner Meinung Rom zu der Macht und dem Ruhm geführt haben, dafs es alle Völker überstrahlt und beherrscht. Daher steht ihm das römische Volk, so lange es seinen alten Charakter bewahrte, dem Ideale am nächsten, welches die Philosophen von dem Staate

1 Sen. suas. 6, 21: quoties magni alicuius viri mors ab historicis narrata est, toties fere consummatio totius vitae et quasi funebris laudatio redditur. hoc semel aut iterum a Thucydide factum, item in paucissimis personis usurpatum a Sallustio, T. Livius benignius omnibus magnis viris praestitit; und ebend. 6, 22: ut est natura candidissimus omnium magnorum ingeniorum aestimator T. Livius, plenissimum Ciceroni testimonium reddidit. 2 29, 14, 6: haud parvae rei iudicium senatum tenebat, qui vir optimus in civitate esset: veram certe victoriam eius rei sibi quisque malle, quam ulla imperia honoresve suffragio seu patrum seu plebis delatos. 2, 33.10; 2, 40, 3;

3

3. 20, 5; 3, 29, 3; 4, 6, 12; 5, 46. 3; 7, 37, 1; 9, 16, 12; 10, 30, 9; 22, 54, 10; 24, 18, 2. 13; 26, 36, 10; 30, 42, 17; 42, 47, 9 u. a. 4 Pr. 12: nuper divitiae avaritiam et abundantes voluptates desiderium per luxum atque libidinem pereundi perdendique omnia invexere. 5 Pr. 9: per quos viros. . et partum et auctum imperium sit. illa aetate, qua nulla virtutum feracior fuit.

6 9, 16, 19:

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