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LIB
OF T4

UNIVSITY

Religiöse und sittliche Beziehungen.

Hoc puta vatem dixisse: „Quandocunque ista
gens suas litteras dabit, omnia corrumpet.“
Cato ap. Plin. 24, 14.

Die Substanz, deren Fortbildung den Inhalt der Geschichte ausmacht,

trägt die Fähigkeit in sich, Fremdes aufzunehmen und in dieses überzugehen.
Dies ist die Voraussetzung des Organismus der Geschichte. Subjektiv ist dieser
Anschluß an Fremdes Verfall, objektiv jedesmal Fortschritt. In allem, was
Geschichte heißt, wiederholt sich dasselbe Schauspiel; auch die römische Re-
ligion in ihrem Verfall bietet es dar, denn dieser besteht wesentlich in der
Aufnahme und Ausbildung griechischer Elemente.

Es ist ganz undenkbar, daß die Römer erst zur Zeit des 2. punischen
Krieges, wo wir bestimmte Kunde davon haben, in nachwirkenden geistigen Ver-
kehr mit Griechenland getreten wären. Schon die Bildung der griechischen
Städte Unteritaliens konnte bei der lebhaften Verbindung, in der die meisten
von diesen mit Rom standen 2), nicht ohne Einfluß auf die Römer bleiben, der
sich auch sogleich in den griechisch geschriebenen Geschichtsbüchern der ersten
römischen Annalisten kundgiebt 3). Allein als neuer Stoff wirklich in die Litte-
ratur aufgenommen wurde griechische Lehre nicht vor Ennius, der zuerst der
nur langsam erwachenden Lust zum Reflektieren über Gegenstände, zunächst
bloß der Religion, lockende Nahrung bot und die Römer auf den verhängnis-
vollen Doppelweg des Pragmatismus und der Philosophie leitete. Abgesehen

Krahner,

von den Spuren dieser Thätigkeit in seinen übrigen Schriften kommen hier namentlich zwei Bücher in Betracht: der Euhemerus und der Epicharmus; von beiden Werken werden wir im Kap. III, §. 1 noch genauer zu sprechen haben, während uns der Euhemerus weiter unten noch beschäftigen soll. Greifen wir nun zur Orientierung zurück in die Schilderung der Tragweite des ältesten Verkehrs der Römer mit dem Auslande, so tritt uns derselbe recht bedeutsam zunächst um das Jahr 510 entgegen. Das enge Verhältnis aber zwischen dem campanischen Cumae und Aricia 1) (mit letzterer Stadt erscheinen Tusculum und Antium verbündet) war schwerlich erst nach dem Sturze des römischen Königtums angesponnen. Besuchten doch römische Kaufleute und Seefahrer die Handelsplätze von Sardinien, Sicilien und der auswärts von Karthago liegenden Küste von Afrika; ja die Klausel im ersten Bündnisse mit den Karthagern zeigt augenscheinlich, daß es ihnen nicht an Unternehmungsgeist fehlte, um im Mittelmeer noch weiter nach Südosten vorzudringen 2). Wie groß also mußte erst der Verkehr zwischen Latium und den Seestädten auf der Westküste Italiens sein! Unter diesen Umständen müßten wir eine genauere Verbindung zwischen Römern und italischen Griechen, einen Einfluß der letzteren auf römisches Leben und Denken, selbst dann annehmen, wenn kein einziges historisches Zeugnis diese Angabe bestätigte, und der Umstand, daß 25 Jahre nach Vertreibung der Könige griechische Künstler im plebejischen Tempel der Ceres arbeiteten 3), würde ein neues Argument sein, daß der griechische Genius damals nicht bloß in den Seestädten von Latium, sondern wirklich in der Stadt Rom selbst Eingang gefunden. Allein diese Ansicht ist keineswegs bloß eine Annahme; Cicero, sonst mehr als irgend einer der eifrigste Lobredner alles dessen, was die Römer auf dem Wege ihres eigenen Entwickelungsganges gefunden, nimmt keinen Anstand zu gestehen, daß mit der Dynastie der Tarquinier griechische Weise und Kunst in Rom eingedrungen seien, daß der römische Staat hierdurch aber an Stärke gewonnen, r. p. 2, 19:

Hoc loco primum videtur insitiva quadam disciplina fortior facta esse civitas. Influxit enim non tenuis quidam a Graecia rivulus in hanc urbem, sed abundantissimus amnis illarum disciplinarum et artium.

Aber auch der Umstand, daß Servius mit seiner Verfassung die Basis aller staatsrechtlichen Ordnung legte, führt Cicero darauf zurück, daß er eine vollkommen hellenische Bildung genossen habe, r. p. 2, 21:

Tarquinius ..... sic Servium diligebat, ut is eius vulgo haberetur filius, atque eum summo studio omnibus iis artibus, quas ipse didicerat, ad exquisitissimam consuetudinem Graecorum erudiit.

Suchen wir nun auch diese Behauptungen immerhin einzuschränken; sie bleiben, verglichen mit den Bundesakten zwischen Rom und Karthago, mit dem Verhältnis zwischen Aricia und Cumae, mit den Zeugen hellenischer Thätigkeit im älteren

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Rom, entscheidend genug, um uns zu überzeugen, daß unter der Herrschaft der Tarquinier nicht sowohl etruskische, als vielmehr griechische Kultur in Rom und Latium eingedrungen ist und sich dort geltend gemacht hat 1). Und ganz besonders einflußreich wurden die Beziehungen der Fremden auf den römischen Kultus, wenn auch zunächst mittelbar. Überall wo, wie in Athen und Rom, ein bedeutender Fremdenverkehr stattfand, sehen wir die große Menge gern sich nach außerheimischen Religionen neigen 2). In Rom war dies nachweislich seit der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts 3) und, wenn wir die sehr frühen Spuren des apollinischen Kultus nicht für bedeutungslos halten 4), wahrscheinlich schon viel früher der Fall. Wie mächtig die Verehrung fremder Götter um sich griff, zeigen die energischen Maßregeln, welche der Staat sehr häufig dagegen nehmen mußte 5); und es scheint beinahe, als wenn diejenigen Götter der Fremde, welche, ohne durch sichtbare politische Verhältnisse nach Rom gezogen zu sein, auf Veranlassung des Staates selbst einwanderten, vornehmlich deswegen der römischen Staatsreligion einverleibt wurden, weil Senat und Pontifices der im Volke um sich greifenden Gesetzlosigkeit im Kultus auch in diesem Falle nicht anders als durch weise Nachgiebigkeit begegnen konnten. Doch waren dergleichen Fälle immerhin nur selten; zuweilen jedoch, wenn besondere Unglücksfälle den Staat heimsuchten und die Hülfe der nationalen Götter nicht auszureichen schien, adoptierte die Regierung selbst einen Gott, den Orakelsprüche, besonders aber die sibyllinischen Bücher vorgeschlagen hatten. Denn mit der Gründung des Kapitols war der erste Strahl hellenischer Bildung und Religion nach Rom gedrungen. Im kapitolinischen Tempel lagen die Orakel der Sibylla ), der weisen Frau und Prophetin, welche durch diese Diminutivform zur Greisin gemacht wurde. Nicht fern davon aber war im nachmaligen Circus Flaminius das erste Heiligtum des Apollo. Bald zählte ihn Rom zu seinen schützenden Göttern, wenn er auch keinen Tempel innerhalb des Pomoerium und erst im 2. punischen Kriege die Ehren altrömischer Götter empfing 7). Mit der Kaiserzeit aber zog er in Rom ein, ja, noch mehr, in das palatinische Rom. Hier, wo er den eigentlichen römischen Göttern gleichgestellt war, erhob sich sein Tempel 1) Dionys. 3, 10. 4, 26. 2) Lobeck Aglaopham. p. 625 f. 3) Liv. 4, 30. 3, 63. 5) Liv. 4, 30. 25, 1. 39, 16. - Val. Max. 1, 3. 6) Vanic. Wb. 994. M. Müller Vorl. I 358, 25. Dagegen Pott KZ. VI 133 f.: Eißvlla, nach Plat. Phaedr. 244 angeblich Eos statt Diòs ßovln. Es wäre in der That möglich, daß es dieselben Elemente, als der Name des Philosophen Θεόβουλος in sich schlösse. Vgl. lakon. στα statt θεά, σιόρ = θεός u. s. w. Schon Lactant. deutet 1, 6, 7 den Namen ähnlich: σiós u. äol. Bólla = βουλή, also die Gottberatene. Vgl. Varro u. Fenestella bei Dionys. 4, 62. Weise, gr. W. 35, hält Sibylla für ein Lehnwort, das mit dem Apollokult und den sibyllinischen Büchern von den campanischen Griechenstädten nach Rom kam. Höchst wahrscheinlich ist Sibylla ähnlich wie Σίβυλλος u. Βάθυλλος gebildet auf italischem Boden entsprossen; somit hindert nichts, das oskische sipus, sciens sapiens (vgl. sibus, persibus) für das Stammwort des großgriechischen Wortes zu halten. - 7) Die ludi Apollinares waren zunächst nur votivi (Liv. 25, 12), dann wurden sie annui votivi (Id. 26, 23. 27, 11). Endlich seit 210 v. Chr. (544 d. St.) annui votivi stativi (Id. 27, 23; vgl. Serv. Aen. 6, 70). Doch war der Gott schon lange vorher sehr angesehen, vgl. Liv 4, 27. 5, 13 u. 21. 8, 25. 10, 8. 22, 57 u. 10. 23, 11.

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4) Liv.

Böttger zu

mit seinen Orakeln im Sitze des Kaiserreiches an der Wiege Roms 1): gleichsam ein sprechendes Symbol, wie die seelenvollen Mächte von Hellas über Roms thatkräftige Schirmherren gesiegt, wie Roms älteste Götterwelt für das Leben der Gegenwart ein Schattenbild geworden, wie der hellenische Sinn der Tarquinier, wenn auch erst spät, dennoch des altrömischen Priestertums hierarchische Banden gesprengt.

Doch nicht Apollo allein fand Aufnahme in Rom. Als während des 3. Samniterkrieges eine pestartige Seuche in Rom wütete, verordneten die prophetischen Urkunden die Einholung des heilenden Apollosohnes Asklepios 2) vom argolischen Epidauros, der nebst seiner heiligen Schlange auf der Tiberinsel Tempel und Lazarett geweiht erhielt. Ebenso kam auf den Rat desselben Orakels der Kybeledienst nach Rom, um in der Not des 2. punischen Krieges die Vertreibung des auswärtigen Feindes aus Italien zu ermöglichen. Der beste römische Mann, Cornelius Scipio, begrüßte nebst allen Matronen das heilige Symbol, einen Meteorstein, bei seiner Ankunft aus der phrygischen Stadt Pessinus. Ein neues sechstägiges Fest, die Megalesien, wurde gestiftet, und es begannen nun vor den Augen der staunenden Römer die lärmenden Umzüge und orgiastischen Tänze der Kybelepriester. Doch wachte über diesem öffentlich eingeführten fremden Gottesdienste stets die Kontrolle des Staates, welcher sich auch das Recht vorbehielt, die Form des Kultes zu regeln, nach römischer Sitte möglichst umzuwandeln und mit schon vorhandenen einheimischen Diensten zu verschmelzen. Am deutlichsten zeigt sich dieses Bestreben gerade am Beispiele der Göttermutter. Man assimilierte nämlich die neue Göttin der altrömischen Maia der Ops, der Frau des Saturnus, beschränkte die Kollekten der Bettelpriester u. dgl. m. Interessant ist es aber zu hören, daß selbst Cato, dessen vernichtenden Ausspruch wir diesem ganzen Kapitel zur Devise gegeben haben, als Jüngling sich an den zu Ehren der Göttin Kybele gestifteten Verbrüderungen beteiligt, ja recht fröhlich mit geschmaust und gezecht habe: seine pedantische Grämlichkeit stellte sich erst viel später ein.

Anfangs übte auch die griechische Kultur noch keinen zerstörenden Einfluß auf die heimische Religion aus. Denn es gab in Rom keine Macht, welche wichtige und tief in der religiösen Verfassung begründete Institute ohne weiteres hätte umstoßen können; dies vermochte nur die allmähliche Einwirkung einer ganz neuen Bildungsepoche und die durch unvermeidlichen Einfluß neuer Denkund Religionsweisen eintretende Vernachlässigung des Alten. Aber sonst haben 1) Mon. Ancyr. bei Oberlin, Tacit. p. 843. Suet. Octav. 29. 31. Dio C. 53, 1. Serv. Aen. 6, 69 u. 72. 2) Die Quellen vgl. unten. Es war nichts weniger als Begierde nach Kunstwerken, welche die Römer zuerst bewog, Statuen von Gottheiten aus den eroberten Städten nach Rom zu bringen, sondern Aberglaube. Dann erst dachten sie der Eroberung und des Besitzes gewiß zu sein, wenn auch die Schutzgottheit zu ihnen übergegangen wäre und bei ihnen sich aufhielte. Feierlich wurde sie angerufen, ihren bisherigen Wohnsitz zu verlassen. Ein Tempel wurde ihr gelobt und eben die Verehrung, welche die Feinde ihr erzeigt hatten. Vgl. Macrob. sat. 3, 9. Völkel, Plutarch. quaest. Rom. t. 7. pp. 126. ed. Reiske. Wegführung der Kunstwerke p. 5.

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freilich auch schon die ersten Berührungen mit hellenischem Geiste und der Einfluß der von ihm durchzogenen Elemente die alten Grundlagen heftig erzittern lassen und eine spätere Umwandlung der Dinge vorbereitet 1). Denn zwei Feinde, ein äußerer und ein innerer, waren es, welche Jahrhunderte lang an dem alten Königsbau der Religion rüttelten, bevor sie ihn, nachdem er schon unterminiert, dem dritten, dem Christentume, zu gänzlicher, wenngleich nur allmählich erfolgender Zerstörung überlieferten. Der eine von diesen, der innere, war die überwiegend politische Richtung der Römer, ihr Durst nach Thatenruhm, der andere aber war die griechische Weltweisheit und der hellenische Genius überhaupt. Dieser durchdrang und verzehrte allmählich die altitalischen Vorstellungen von den Göttern 2), stellte in den Hintergrund, was er nicht völlig umbilden konnte 3), und modifizierte die Objekte des römischen Kultus und die religiöse Denkweise wesentlich.

So ist es höchst charakteristisch für die Richtung des Zeitalters des Pyrrhus, daß uns unter den griechischen Werken, welche in Italien eindrangen, grade die heilige Geschichte des Euhemerus 4) genannt wird, und noch weit charakteristischer, daß diese Pest alles antiken Volks- und Dichterglaubens von Ennius übersetzt war, also grade von demjenigen, der lange Zeit hindurch auf die Litteratur und Denkweise der Römer tonangebend einwirkte. Kaum zu ermessen ist es, wie diese und ähnliche Richtungen, die natürlich zunächst nur in den Kreisen I der gebildeten Römer Eingang fanden, die religiöse Denkweise derselben untergraben mußten. Man stelle sich nur vor, daß es im Geiste der römischen Religion nicht lag, die Götter so tief in das Gebiet der Menschlichkeit hinabzuziehen. Rom kannte bis auf die Zeit der Tarquinier keine Götterbilder; der Glaube knüpfte seine dunkelhellen Vorstellungen von den unsterblichen Mächten an bedeutungsvolle Symbole, auch war die eigentümliche Theologie der Römer, welche das göttliche Wesen als einen Inbegriff mehrerer Einzelkräfte dachte, der anthropomorphischen Darstellung keineswegs günstig. Daher rührt auch der gänzliche Mangel an allen Mythen, welche nach menschlichen Begriffen für die Götter Ungezie mendes enthalten "); daher der, wie es scheint, äußerst geringe Umfang der römischen Theogonie; daher in echt lateinischen und von hellenistischer Zuthat verschont gebliebenen Sagen die seltsame Art der Heroenerzeugung. Erst die Einbürgerung so vieler dii hostiles und adventicii und noch mehr die allmähliche Assimilation gewisser römischer und ausländischer Götter konnte auch in Rom und Latium eine sinnlich gestaltete und gedachte Götterwelt hervorrufen, 1) Beaufort geht in seiner Republ. Rom. 1, 1, p. 14 zu weit. Das Verdienst, ihn richtig zurückgewiesen zu haben, gebührt Airenti, ricerche storico-critiche intorno alla toleranza religiosa degli antichi Romani pp. 15-17. — 2) Hartung r. R. I s. IX. — 3) Agesil. ap. Plut. parall. c. 19 schuf aus der Hippona ein schönes Mädchen; so versuchten spätere Griechen selbst die sog. dii minuti nach ihrer Weise zu behandeln. 4) Den Einfluß des Euhemerus wußte auch der völlig geistesfreie Cicero gehörig zu würdigen, n. d. 1,41, 119: Ab Euhemero autem et mortes et sepulturae demonstrantur deorum. Utrum hic igitur confirmasse religionem videtur an penitus totam sustulisse? Vgl. Plut. d. Isid. et Osirid. p. 360. Lactant. 1, 11. Krahner, Verf. d. röm, Staatsrel. 55. 5) Dionys. 2, 18 u. 19.

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