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die aber selbst nach dem Einfluß der hellenischen Mythologie keineswegs alle Götter der Römer zu vermenschlichen vermochte 1).

Durch die in behaglicher Sinnenwelt und heiterer Schöne waltenden Göttergestalten der Hellenen, durch historische und philosophische Grübeleien über Natur und Ursprung der Götter wurde dem Römer seine dunkelhelle Götterwelt, welche aus tief religiöser Scheu vor den unsichtbaren Mächten, aber keineswegs aus einem phantasievollen Geiste erwachsen war, aus der geheimnisvollen Ferne, in welcher sie lange gestanden, in das begreifliche und meßbare Gebiet der Wirklichkeit hineingezogen, und da er für diese Wirklichkeit nur ein praktisches, nicht, wie der Hellene, ein vergeistigendes Auge mitbrachte, so mußte er natürlich der Anmut, mit welcher ihm hellenische Kunst, Götterwelt und Wissenschaft im Geleite eines behaglichen Luxus entgegentraten, das langbewahrte Erbteil seiner Väter, jene tiefe sittliche Scheu vor dem überlieferten Heiligen aufopfern 3). Freilich begann hiermit eine neue Ara für das Bewußtsein des gebildeten Römers, aber gleichzeitig trat auch der Beginn jener auflösenden Zersetzung ein, welche schließlich zum Glauben an nichts mehr führte. Wären nämlich die Griechen zu der Zeit, als die Römer mit ihrer Sprache zugleich ihre Denkungsweise und Bildung sich aneigneten, selbst ihren alten Göttern mit ganzer Seele ergeben gewesen, so hätte der Schaden dabei sein Bewenden gehabt, daß eine Religion mit der andern vertauscht oder vermengt worden wäre. Allein die Anhänglichkeit dieses Volkes an seine Religion beruhte, da in seinem Kultus längst alle symbolische Bedeutsamkeit im ästhetischen Interesse aufgegangen war, lediglich auf dem Kunstsinne: im übrigen aber war die Richtung des Geistes nicht mehr mit dem Sinne der religiösen Überlieferung übereinstimmend. Indem nun die Römer jene ästhetische Vollendung auf ihren Kultus zu übertragen nicht imstande waren, diese Aufklärung aber sehr leicht und willig annahmen, war der Schaden für die Religion doppelt groß, weil die Gebildeten völlig von ihr abwendig gemacht wurden. Die Entwickelung verfolgte ihr Ziel unabhängig von der Religion, die von aller Veränderung der Geistesrichtung unberührt blieb, und somit freilich weder von der Poesie verschönert noch von der Philosophie geläutert noch von den Einflüssen einer milderen Denkungsweise veredelt, aber auch nicht vom Luxus verdorben, von Spitzfindigkeiten verdreht und von der Unsittlichkeit verschlechtert wurde. Sie verlor daher alle Beziehung auf die Geistesbedürfnisse der Gebildeten, welche in der Philosophie und einem thatenbewegten Leben Ersatz für sie fanden.

Wir sahen oben, wie bald nach dem Anfang des 6. vorchristlichen Jahrhunderts Apollo, zunächst als sinnende und weissagende Gottheit, und mit ihm die griechischen Orakelsprüche der Sibylle, Jahrhunderte lang für das römische Staatsleben so überaus wichtig, in Rom einzogen. Apollo ist also die älteste, von Griechenland überkommene Gottheit. Bald nach Beginn des 5. vorchristlichen Jahr

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hunderts, etwa 496, wurden Demeter, Persephone und Dionysos aufgenommen; seit demselben Jahre, in der Schlacht am Regillus, tauchen die Dioscuri, Castor und Pollux, vom Hercules die erste Spur aber erst um 400 auf. Asklepios wird 291 v. Chr. zuerst genannt, 217 der Kult der erycinischen Venus aufgenommen, 205 die große Göttermutter aus Pessinus auf latinischem Boden eingeholt. Wenn wir im folgenden versuchen wollen, eine Aufstellung dessen zu geben, was die Religion der Römer allmählich aus der griechischen geschöpft und behalten hat, so wollen wir dies in sachlicher Ordnung von dem Gesichtspunkte aus unternehmen, welchen uns die fertige, von hellenischem Einfluß durchzogene Götterwelt der Römer nach ihren verschiedenen Kreisen bietet: Götter des Olymps, der Gewässer, der Erde, der Unterwelt, Heroen etc.

Bei den meisten Völkern spielt die Zwölfteiligkeit eine so bedeutende Rolle, daß die Zwölfzahl eine besondere Wichtigkeit, wir dürfen vielleicht sagen, Heiligkeit gehabt haben muß 1). Diese uralte Heiligkeit der Zwölfzahl ist nun, wenn auch bei den Griechen nur mittelbar, der Grund, 12 Götter als die oberen oder obersten vor den übrigen auszuzeichnen. Das Zwölfgöttersystem ist keineswegs von gleichem Alter mit den 12 Monaten; auch ist in Abrede gestellt worden, daß es ein bestimmtes Zwölfgöttersystem in Griechenland gegeben habe. Allein, wenn auch einige Staaten Zusammenstellungen von 12 verschiedenen Göttern hatten, so begegnen uns doch dieselben 12 an Asiens Küsten und in Athen, in Arkadien wie auf Sicilien, und, was besonders zu beachten ist, dieselben 12 sind zu den Römern und anderen italischen Völkern übergegangen. Die älteste Nachricht, welche zwar bei römischen Schriftstellern, aber aus griechischer Quelle, den sibyllinischen Büchern, erhalten, die 12 Götter namentlich aufführt, stellt sie paarweise zusammen und zwar in folgender Weise:

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Etwas anders werden sie zusammengestellt auf dem sogenannten Borghesischen Altar, einem alten Kunstwerk, das jetzt im Louvre zu Paris sich findet und richtiger für einen Kandelaberfuß gehalten wird, in folgender Weise:

Ζεύς
Ποσειδῶν
Απόλλων

Ηφαιστος

Αρης
Ἑρμῆς

"Hoa
Δημήτηρ

Αρτεμις

Αθηνα

Αφροδίτη
Εστία.

Welche Bedeutung oder Beziehung jede Gottheit in der Zusammenstellung des Zwölfgöttersystems gehabt habe, oder vielmehr ob in derselben eine Seite 1) Vgl. Petersen, Das Zwölfgöttersystem der Griechen und Römer.

besonders hervorgetreten, läßt sich nur aus der Bedeutung der Zusammenstellung erkennen; dieselbe ist aber bisher nicht mit Sicherheit nachgewiesen 1). Früher galt der Bericht, daß Hippias, der Sohn des Pisistratus, auf dem Markte von Athen den Altar der zwölf Götter weihte, für die älteste Nachricht, welche wir besitzen. Welcker hat aber darauf hingewiesen, daß in einer Inschrift auf Salamis die 12 Götter in Beziehung zum Solon gesetzt werden. Daß um diese Zeit dieselbe Zusammenstellung auch in Asien bekannt gewesen sei, dürfen wir aus dem Vorkommen in den sibyllinischen Büchern schließen, die eben damals in Kleinasien entstanden sind und von den kleinasiatischen Aeolern aus Kyme oder Erythrae direkt oder über Dikaearchia, einer Kolonie von Samos, nach Cumae in Campanien und von da nach Rom gelangten. Aber es läßt sich die Verehrung dieser 12 Götter bei den Griechen in einer noch viel früheren Zeit nachweisen. Die Chalkidier, welche i. J. 730 v. Chr. die Stadt Leontinoi auf Sicilien gründeten, feierten bald nach der Gründung die 12 Götter durch ein von einem Zuge im Waffenschmuck dargebrachtes Opfer. Wir dürfen daraus mit Sicherheit schließen, daß dieselben 12 Götter schon vorher in ähnlicher Weise auch in der Mutterstadt Chalkis auf Euboia verehrt sind. Rom aber huldigte später den griechischen 12 Göttern auf seinem Forum, von dem aus Jahrhunderte lang die Geschicke der Welt gelenkt wurden, durch Errichtung ihrer Statuen. Und die Bilder derselben 12 Götter auf ebenso vielen prachtvoll ausgestatteten Gerüsten getragen, deren Symbole und Bilder später auf Wagen von Silber und Elfenbein gefahren wurden, bildeten den Glanzpunkt des großen Feierzuges, mit denen die Weltstadt das Hauptfest der Cirkusspiele verherrlichte.

Die italischen Götter waren ursprünglich nicht miteinander durch verwandtschaftliche Verhältnisse verbunden, und so stand auch der römische Iuppiter ohne Eltern, ohne Gemahlin und ohne Kinder allein und erhaben da in seiner Herrlichkeit, ohne durch irgend welche Verbindungen wie Zɛus in die Sphäre irdischer Verhältnisse und menschlicher Schwächen hinabgezogen zu werden. Wir stellen ihn an die Spitze der

I. Götter des Olymps 2).

1. Iuppiter 3). Von der Zeit an, wo er mit dem griechischen Zeus identifiziert wurde, gab man ihm Saturnus) und Ops, welche als Kronos 4) und Rhea erklärt wurden, zu Eltern, weshalb er denn auch oft von Dichtern Saturnius 5),

-

1) Vgl. Petersen, Programme des Johanneums zu Hamburg 1854 u. 1865. 2) Um den Einfluß der griechischen Götterwelt auf die römische in der ganzen Schärfe hervortreten zu lassen, geben wir im folgenden nicht allein die Namen der unter griechischer Bezeichnung herübergewanderten Gottheiten, sondern auch gleichzeitig eine allgemeinere Übersicht, aus welcher die beeinflußte Anschauungs- und Verehrungsweise um so mehr hervorleuchten soll. 3) Vgl. Olympicus Plaut. Tr. 425: Olumpicho. König Arimnos war in uraltem Verkehr mit dem olympischen Zeus (Momms., r. G. I 139), dessen Tempel Mummius beschenkte (ib. II 47, Sulla aber leerte (II 290). - 4) Schwegler, r. G. I 217. 5) Vgl. auch den Beinamen Urios, Verleiher des guten Fahrwindes, Cic. Acc. 4, 75, 128: Iuppiter imperator, quem Graeci

der Saturnier, genannt wird. Zur Gemahlin gab man ihm Iuno, zur Tochter Minerva; die beiden letzteren waren mit ihm auf dem Kapitol in seinem Haupttempel vereinigt und bildeten mit ihm einen staatsschirmenden Dreiverein.

2. Die römische Iuno, die Gemahlin des Iuppiter, wurde mit Hera für gleichbedeutend erklärt.

3. Bei der mit Pallas Athene identifizierten Minerva der Römer, deren Name die Göttin des Sinnens und Nachdenkens und Erfindens bezeichnet, trat besonders ihre Beziehung zu den Handwerken und Künsten und den Beschäftigungen der Frauen hervor; doch war sie auch im Verein mit Iuppiter und Iuno auf dem Kapitol, wie wir sahen, verehrte Schützerin der Stadt. Ihr Hauptfest war das im März 5 Tage lang gefeierte Fest Quinquatrus, an welchem sich die Schuljugend, die an diesen Tagen Ferien hatte, die weibliche Arbeiten lernenden Mädchen, die Handwerker und Künstler der verschiedensten Art beteiligten. Aber auch Gladiatorenkämpfe fanden an diesem Tage statt; auch sonst setzte man die Göttin in Beziehung zu Krieg und Sieg, wohl eine Übertragung von der griechischen Pallas, wie auch die Verbindung von Neptunus und Minerva, denen nach dem Unglück am Trasimenischen See ein gemeinschaftliches Polster gebreitet wurde 1), nach Griechenland hinzuweisen scheint, wo Poseidon und Pallas Athene als hippische Gottheiten oft miteinander zusammengestellt wurden.

4. Die Römer hatten keinen einheimischen Gott, der dem Apollon entsprach, sie haben ihn ohne weiteres unter seinem Namen Apollo 2) bei sich aufgenommen. In den Umlanden Roms finden wir einen Tempel des Apollo zu Velitrae schon i. J. 201 (553 d. St. Liv. 32, 1), einen des Apollo zu Caieta bei Formiae i. J. 184 (570 d. St., Liv. 40, 2) und letzterer ist schwerlich eine junge Stiftung (Strab. 5, 3. p. 378); endlich noch einen Tempel des Apollo zu Gabii i. J. 178 (576 d. St., Liv. 41, 16).

Daß das älteste und lange Zeit hindurch einzige Heiligtum des Apollo, welches wir erwähnt finden, sich außerhalb des Pomoerium befunden habe, sahen wir schon oben; wie bald aber der fremde Gott in der Verehrung der Römer heimisch wurde, zeigt uns unter anderem auch die Erzählung, daß der Diktator Furius Camillus vor dem Sturme auf die etrurische Stadt Veii erst zum pythischen Apollo gebetet habe.

Freilich hat das Orakel- und Prophetentum in Italien niemals die Bedeutung erlangt, wie in Griechenland, und nie vermochte dasselbe das private und öffentliche Leben ernstlich zu beherrschen. Aber schon 394 v. Chr. fährt ein Urion nominant.

290. III 511.

Ein anderes Beiwort ist Herceus, der Beschützer von Haus, Hof und Herd, im Vorhofe (oxos), wo er seinen Altar hat, der Hauspatron, Hyg. fab. 91. etc. - 1) Liv. 22, 10. 2) Momms., r. G. I 139 f. 143. 172. 177 f. 199. 416. 437. 758. II 47. Schwegler, r. G. I 219 f. a. 6. 240, 1. 281. 316, 1. 335, 12. 336, 13. 362, 17. 563, 4. 682, 5. 684, 2. 775 f. 803, 2. III 187, 3. 212 f. 214. 219. 228 f. 230. Hartung, Rel. d. R. II 205 f. Drumann, r. G. II 197, 15. 324 fin. 402, 59. 427, 83. III 378, 92. 380, Niebuhr, r. G. I. 565. II 574, 1128. III 363. Becker-Marqu., Hdb. IV 104.

3. V 251, 1.
106 ff. 297. 329 ff. 453. VB 11.
Stud. etc. 171, 66. 190.

Schwenck, Mythol. d. Röm. 104 ff. 108. Ambrosch,

Völkel, Wegführung d. Kunstw. 7.

römisches Kriegsschiff mit einem Weihgeschenk für den delphischen Apollo nach Griechenland 1) und, wenn sich auch in Italien keine gesprochenen Orakel finden, so hat doch, zumal in der ersten Zeit, das delphische Orakel auch in Italien bedeutendes Ansehen genossen, wie die Beschickung seitens der Caeriten lehrt. Aber bald ändern sich die Zeiten: derselbe Tempel, den Mummius noch in abergläubischer Scheu beschenkt, wird von dem Freigeist und Freibeuter Sulla geleert. Zu Ciceros Zeit und später um Christi Geburt verfällt das Orakel mit den anderen griechischen und verliert den letzten Rest seiner einstigen Bedeutung. Aber in Rom war der Kultus in Fleisch und Blut gedrungen; das Apollofest mit den üblichen Spielen, ludi Apollinares, von den Nonen bis zu den Iden des Quinctilis gefeiert, ward zum erstenmal im Circus Maximus von P. Cornelius (Rufinus) Sulla besorgt 2).

In neuester Zeit (1879) hat sich eine Leipziger Dissertation in erschöpfender Weise mit dem Apollokult der Römer befaßt: Hecker, de Apollinis apud Romanos cultu. Wir heben einige Resultate daraus hervor; so heißt es auf S. 12: Itaque de Apollinis templis sacellisque licet statuere haec:

1) anno? Apollinis Quirinali in colle sacellum,

2) ante a. 321/433 Apollinis sacellum (in pratis Flaminiis?), 3) a. 321/433 aedes vota,

4) a. 325/429 aedes in pratis Flaminiis dedicata,

5) a. 401/353 eadem iterum dedicata,

6) ante a. 723/31 eadem a Sosio exaedificata (?),

7) a. 726/28 (a. d. VII. Id. Oct.) aedes Palatina ab Augusto dedicata. Ferner p. 16:

Nos quidem, cum Nitzschi assentiamur sententiae, qui putat omnia in Italia Graecorum numina maxime potissimumque excepta esse a plebe, non miramur, quod inter illud tempus, quo deum Romam venisse arbitramur et quo prima eius cultus inveniuntur vestigia, anni praeterierunt complures. Der ältere Name für Delphi war Pytho3) gewesen, Tib. 2, 3, 27 u. Lucan. 5, 134, davon erhielt Apollo seinen Beinamen Pythius, Cic. off. 2, 22, 77 und div. 1, 19, während Pythia die weissagende Priesterin des Gottes zu Delphi hieß, Cic. div. 1, 19 und 36. Auch Pythicus wird Apollo genannt, Liv. 5, 21 und sein Orakel Id. 5, 15. Vou andern Beinamen 4) ist der wichtigste Phoebus, Poißos, der Reine, Cic. div. 1, 11, 16; die Identifizierung dieses lichthellen. Gottes mit dem Sonnengotte Helios 5) hat erst später stattgefunden. Derselbe Apollo führt auch den Namen Agyieus als Schirmer der Straßen, Hor. carm. 4, 6, 28, Thymbraeus bei Verg. A. 3, 85 und Smintheus, Ov. fast. 6, 425 und 12, 585: die beiden letzteren von Städten in Troas, in denen sich Apolloheiligtümer befanden. Eigentümlich ist Apollos Bedeutung bei den Römern als

1) Liv. 5, 28, 2. 2) Liv. 25, 1. 12. der Name des von Apollo bei Delphi getöteten die nicht entlehnten Beinamen weiter unten.

Macrob. sat. 1, 17 u. a. 3) Python war Drachen, Ov. Met. 1, 438 sqq. u. a. 4) Vgl. 5) Vgl. Heliades, die Töchter des Helios

und Schwestern des Phaethon, deren Thränen, wie uns Ovid erzählt, flüssiger Bernstein sind.

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