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kelheit nicht in den letzteren, sondern im Ulpianus selbst aufsucht, so ist dieses nicht nur allein ein historisch richtiges, sondern auch ein gegen beide Theile billiges Verfahren. Denn ein solches Suchen beleidigt nicht den, der kurz geschrieben hat; aber die Weitschweifigen beleidigt es höchlich auch die leiseste Antastung, ja schon die geringste Berührung verbitten sie sich kurz als etwas Unschickliches. Zwar, streng genommen, liegt die Beleidigung nicht schon im Suchen, sondern erst im Finden; doch wird es ja für Pflicht gehalten, in das sich zu schikken, was für schicklich gilt. Indem also behauptet wird, dass die Worte des Ulpianus eben so viele Räthsel enthalten, in welche derselbe das Wesen der Jurisprudentia einwickelte, so geschieht solches aus den vernünftigsten Rücksichten, die Jedermann billigen wird. Und selbst ein gänzlich Rücksichtsloser wird nachsichtig werden, wenn er noch obendrein die Versicherung, welche ihm denn hier ertheilt wird, annimt, dass der Verfasser jene Behauptung nur hypothetisch und nur in der Absicht aufstellt, um sofort an das Werk selbst, mit noch unermüdeten Händen, und rüstig und frisch sich begeben zu können.

Zweite Abtheilung.

Grund der Jurisprudentia, des Jus und der Justitia.

Der Sinn des fr. 10. §. 2. Dig. de Justitia et Jure: Jurisprudentia est divinarum atque humanarum rerum notitia: iusti atque iniusti scientia, erscheint, in räthselhafte Worte verhüllt, durch dieselben unkenntlich gemacht. Die Entwickelung seiner aus dieser Verhüllung würde ihn wiederum kenntlich machen, und darthun, ob überhaupt Etwas an ihm, und dann, was dasselbe ist. Wenn eine solche Procedur nur an einigen Worten gelänge, so würde durch Mithülfe dieser, die, an den übrigen noch vorzunehmende, Arbeit um vieles erleichtert werden: das Entwickeln muss demnach ein allmähliges seyn, so wie denn auch das Einwickeln wohl ein allmähliges gewesen seyn mag. Letzteres geschah in römischer Sprache; das erstere aber wird in deutscher beabsichtigt; da also dieses zunächst auf das römische Gewand der Worte sich zu richten hat, so wird es nothwendig, die

selben nur nach und nach mit deutschem Gewande zu versehen, um auf diese Art, statt allen zugleich die alten Kleider abzunehmen, und locker und lose die neuen überzuwerfen, lieber ein jegliches in dem alten Gewande so lange zu lassen, bis, zur gehörigen Zeit und am schicklichen Orte, das neue ihm mit Ordnung wohl angepasst werden kann. In so weit verdeutscht stellen die Worte nunmehr so sich dar: Jurisprudentia ist eine Erkenntniss der divinae und humanae res; eine Wissenschaft des iustum und iniustum. Das heifst: Juris

prudentia entsteht aus der Wissenschaft des iustum und iniustum, und diese Wissenschaft selbst wird gewonnen in und aus dem Erkennen der divinae und humanae res.

Das Wort Notitia schlechthin genommen, d. h. herausgerissen aus dem Zusammenhange, in welchem es a. a. O. zu den übrigen Worten gestellt ist, entspricht nicht dem Begriffe des Wortes Erkenntniss, sondern dem des Wortes Kenntniss. Beide Begriffe sind verschiedenartig das beiden Gemeinsame, d. h. dasjenige, unter welches beide, als Theile desselben, subsumirt werden können, ist in dem Erkennen.

enthalten, aus welchem, nach der verschiedenartigen, bald mehr bald weniger ausgedehnten, Richtung, welche das Erkennen nimt, Kenntnisse und Erkenntnisse verschiedenartig entstehen. Nämlich so: Ein Erkennen, welches sich auf das zunächst ihm angewiesene Gebiet beschränkt, man nehme beispielshalber gleich hier die divinae und humanae res, führt nie zu einer Erkenntniss, sondern liefert als letztes Resultat immer nur eine Kenntniss. Eine Erkenntniss entsteht durch betrachtende Vergleichung von Gegens" en, und findet ihre Vollendung in dem Bewusstseyn, d. h. in der Wissenschaft, von der 'Vereinigung derselben. Zu einer Kenntniss dagegen bedarf es keiner Gegensätze; in dem Verhältnisse der Dinge, auf welche das Erkennen sich richtet, findet dasselbe schon alles, was es sucht, in hinreichender Anzahl, nämlich die Kennzeichen und Merkmale von denselben. Dieser Unterschied gestattet füglich eine nähere Ausführung. Von irgend einem Objekte gewinnt man Kenntniss durch die Fertigkeit, mittelst welcher das Verhältniss, in welchem die Vorstellung dieses Objektes zu der Vorstellung eines andern Objektes stehet, an diesen Objekten selbst aufgefasst wird; Erkenntniss dagegen durch das Vermögen, mittelst

welches der Gegensatz, in welchem die eine Vorstellung zu der andern stehet, nicht sowohl an den vorgestellten Objekten, als in dem die Vorstellung auffassenden, in dem erkennenden Subjekte selbst zu dem Zwecke erkannt wird, um Objekt und Subjekt zu vereinigen. Kenntniss und Erkenntniss verhalten sich demnach zu einander wie Fertigkeit und Vermögen, Aeusseres und Inneres; oder, mit andern Worten: die Kenntniss, als die Uebereinstimmung einer Vorstellung mit dem vorgestellten Objekte, bleibt von dem eigentlichen Wesen und Leben des Menschen geschieden; die Erkenntniss dagegen, als die Uebereinstimmung einer Vorstellung mit. dem erkennenden Subjekte selbst, wird ein Theil des geistigen Lebens desselben, und, in dem Grade, als die Erkenntniss ihm zur Wissenschaft wird, von ihm selbst erlebt und erfahren. Ferner, um den, nun einmal in so weit berührten, Unterschied auch durchgängig zu verfolgen: eine Kenntniss ist das Resultat einer vereinzelten Lebensthätigkeit; Erkenntniss und Wissenschaft dagegen, durch wirkliches lebendiges Haben hervorgebracht, ein Ergebniss der gesammten Lebenskraft überhaupt, mit welcher vereint sie ein organisches Ganzes bildet : der Kenntniss

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