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kann nur immer ein pragmatischer Werth, d. h. nicht ohne Rücksicht auf einen bestimmten Zweck, zugeschrieben werden; Erkenntniss und Wissenschaft dagegen haben bei einem jeden Menschen den Preis und Werth, welchen er auf sein Leben selbst setzt: Kenntniss ist etwas allein Intellektuelles, und erfordert nur Intellektuelles ; Erkenntniss und Wissenschaft dagegen sind nicht allein intellektueller, sondern auch und zugleich psychischer sittlicher Natur, und nehmen nicht allein jene, sondern auch und zugleich diese in den ungetheiltesten Anspruch. So aber ist die auf die angegebene Weise zur Wissenschaft sich steigernde Erkenntniss nichts anderes, als ein Innewerden von dem, was der Mensch inne hat, und ein Bewusstseyn seines wirklichen WeIn diesem Sinne sagt treffend Cicero, de Legg. I. 6. von der scientia iuris: Potius ignoratio iuris litigiosa est quam scientia 1).

sens.

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1) Rechts-Kenntniss und Wissenschaft können sehr wohl von einander getrennt seyn. Aber in ihrer Vereinigung bilden sie den Meister. Ein solcher war Trebatius, von welchem Cicero schreibt: Epist. Famil. VII. 5. Probiorem hominem, meliorem virum, prudentiorem esse neminem. Accedit etiam quod familiam ducit in iure civili, singularis memoria,

Denn die wahre scientia iuris muss ja eben darin sich kundthun, dass, wer einer solchen Wissenschaft sich rühmt, thätlich, d. h. in seinem Leben und Wesen den ununterbrochenen Besitz derselben, von allen Störungen unangefochten, ausübt.

Durch das Vorstehende wird nunmehr so viel an das Licht gestellt worden seyn, dass, wenn Dinge nur in so weit gekannt zu werden vermögen, als dieselben, in ihren Vorstellungen, zu einander in Verhältnissen stehen,

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scientia. Die gegebene Uebersetzung der Worte Notitia und Scientia, und zugleich die, aus dem Verhältnisse, in welchem sie zu einander stehen, sich ergebende Bedeutung beider, findet überall ihre unverkennbare Rechtfertigung im römischen Sprachgebrauche selbst. Als Probe diene Cicero, de Finib. V. 21. Natura ingenuit sine doOrat. I. ctrina notitias parvas rerum maxumarum. 23. Si ars ita definitur ex rebus penitus perspectis, planeque cognitis atque ab opinionis arbitrio seiunctis, scientiaque comprehensis (wissenschaftlich aufgefassten) non mihi videtur ars oratoris Eodem cap. 14. Est aliquid quod non ex usu forensi, sed ex obscuriore aliqua scientia sit promendum atque assumendum. War etwa Cicero ein Obscurant, oder ein Mystiker?

esse ulla.

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dass, wenn nur da, wo von Gegensätzen die Rede seyn kann, für eine Erkenntniss Raum ist, die Vereinigung der vorgestellten Dinge mit dem Subjekte, welches die Vorstellung auffasst, nicht durch eine (äussere) Kenntniss, sondern nur durch eine (innere) Erkenntniss gewonnen. werden kann.

Notitia schlechthin genommen heifst Kenntniss; in dem Zusammenhange aber, in welchem dieses Wort, in Ulpian's angeführter Stelle, mit den übrigen Worten hervortritt, ward dasselbe durch den Ausdruck, Erkenntniss, verdollmetscht. Solches bedarf einer Rechtfertigung; diese aber wird vollkommen dann hergestellt seyn, wenn, in genetischer Weise, es erklärt zu werden vermag, wie das Erkennen des Menschen, wenn dasselbe auf die divinae et humanae res sich hinlenkt, hier, ohne mit einer Kenntniss von dem Verhältniss beider sich begnügen zu können, nothwendig in die Erkenntniss des iustum und iniustum umgestaltet wird. In dieser Beziehung nun ergiebt sich das Folgende. Indem ein Verhältniss zwischen den divinae und humanae res gekannt, eine Kenntniss von beiden erlangt wird, stehen beide, eben durch diese Kenntniss, getrennt von einander da. Ein sol

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ches Verhältniss kann aber den, welcher es kennt, nicht anders als unbefriedigt lassen, denn er sieht ja, in dem Kreise der humanae res, auch sich selbst abgetrennt von dem Gebiete der divinae res. Er forscht nach dem Grunde dieser, um den gelindesten Ausdruck zu wählen, ihn nicht befriedigenden Trennung, und so findet er den eigentlichen Gegenstand derselben sich ganz nahe liegend. Denn in sich selbst entdeckt er den Gegensatz, in welchem das iustum zu dem iniustum stehet: wo aber Gegensätze Statt finden, da greift alsbald das Erkenntnissvermögen ein. Mit demselben, oder, zur Erkenntniss gekommen, vergleicht er den gegebenen Gegensatz, und findet, dass in diesem der letzte Grund des Verhältnisses liege, in welchem er die divinae res zu den humanae res stehend, vorfand. An diesem Verhältnisse lässt sich unmittelbar nichts ändern; wohl aber mittelbar dadurch, dass das Erkenntnissvermögen, arbeitend an der Vereinigung des Gegensatzes, indem die Kenntniss der divinae und humanae res sich selbst, d. h. ihren Grund in dem Bewusstseyn des iustum atque iniustum erkennend, und eine Erkenntniss werdend, diese Erkenntniss, ohne mit müssigen Spekulationen bei dem Verhältnisse zu verwei

len, sofort an dem Grunde gründlich zu arbeiten beginnt, und so mit endlicher Ausscheidung des iniustum eine iurisprudentia wird.

Jezt den Sinn der Worte: Jurisprudentia est divinarum atque humanarum rerum notitia: iusti atque iniusti scientia, betrachtet, so leuchtet es ein, dass ihr Verfasser, Ulpianus, damit das ausdrücken wollte, dass nach einer eigenthümlichen Beschaffenheit seines Erkenntnissvermögens der Mensch durch die notitia quam parvam rerum maxumarum natura ingenuit sine doctrina der res divinae 2), sobald sie ihm zur scientia wird, d. h., nach dem Vorhergehenden, sobald er dieselbe in sein Bewusstseyn aufnimt, durch dieselben und in ih

2) Nur ja nicht etwa an göttliche Dinge, als an Gegenstände der Metaphysik gedacht! Die res divinae lagen in der Romana Civitas dem cives überall so breit auf dem Wege, so nahe vor den Füfsen, dass er sie gar nicht übersehen konnte, zu ihrer Wahrnehmung keines schielenden, sondern nur eines graden, gesunden Blickes bedurfte. Ulpianus redet vom iustum und iniustum; nicht aber vom divinum und humanum: sondern hier sagt er res divinae, res humanae, körperliche, handgreifliche Dinge dadurch bezeichnend. Dieser Unterschied ist in seiner Bedeutung späterhin auszuführen.

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