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überall bis dahin käme, alles dieses gleichfalls nur ein Vorübergehendes, ein in seinem Entstehen selbst Erlöschendes seyn. Dasselbe würde, so beschaffen, nicht mehr enthalten, als einen unruhigen Wechsel unklarer Gefühle, als eine Ebbe und Fluth schnell vorüberrauschender Empfindungen. Wie aber könnte in einer solchen Unordnung Platz greifen, geschweige gedeihen, das geregelte Wesen der Justitia, mit ihrem unentweglichen, ununterbrochenen, nur Eins im Auge habenden, Trachten, mit ihrer constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi? Domitius Ulpianus aber beruft sich auf res divinae, res humanae, auf Handlungen und Begebenheiten, auf Thatsachen: ein solcher Grund steht vest, und alles, was auf ihm steht, weicht nicht früher, als bis der Grund selbst gewichen ist. Will man keine Thatsachen, so ist es schlechterdings unmöglich, das Wesen der römischen Jurisprudentia kennen zu lernen: denn die scientia iusti atque iniusti beruht allein auf dem Verhältnisse, in welchem die divinae res zu den humanae stehen. Dass ein solches Verhältniss aber nicht a priori zu construiren, sondern, gleich der res, welche es begründet, ein gegebenes, und mithin bleibendes und unabän

derliches sey, wähnung.

das bedarf wohl kaum einer Er

Wer eines Inhalts, eines Wesens, überall gar nicht bedürftig, in leeren Prädicaten und im Scheine sich wohlgefällt, der articulire fernerhin die Luft mit seinen Reden über das Göttliche und über das Menschliche, für einen solchen schrieb Ulpianus nicht. Ulpianus nennt Thatsachen, die ein wirksames Verhältniss, eine nicht idealische, sondern reelle und thätliche, Verbindung zwischen Gott und den Menschen begründen. Doch abgesehen hievon, wie können wir nur überhaupt befugt seyn, den divinae und humanae res des Ulpianus den Sinn unterzulegen, welcher bei dem Göttlichen und dem Menschlichen uns vorschwebt? Und was mag das für ein Sinn seyn der unsrige? Zu welcher Schule der Philosophen bekennen wir uns? Ist nicht gelehrt worden, dass das Göttliche und Menschliche ganz eins und dasselbe sey? Hat man nicht zwischen jenem und diesem den Unterschied entweder gradezu wegdemonstrirt, oder doch auf Umwegen aufgehoben durch den Satz, göttliches Reich und göttliches Recht beruhe auf menschlichen Meinungen, und stehe und falle mit diesen ? Wenn dem so ist, so lasse man

hier einem Jeden seine Meinung, und so auch dem alten Ulpianus seine Hypothese über die Beziehung, in welcher die iusti atque iniusti scientia zu der divinarum atque humanarum rerum notitia stehen soll, unangefochten. Es ist nun einmal dies seine individuelle Ansicht, man ehre doch das Eigenthümliche, und sey überhaupt tolerant gegen einander: denn, was ist's am Ende mit der Wahrheit? Kann man doch so vieles dahingestellt seyn lassen!

So wie es aber einen Theils wahr ist, dass gegenwärtig ein menschliches Reich und ein menschliches Recht nur darum vorhanden ist, weil als des Vorhandenen Grund ein göttliches Reich, ein Himmelreich, die βασιλεία τῶν οὐ pavcov, und ein göttliches Recht, eine Gerechtigkeit, die Sixazoбúvn, reel, lebendig und kräftig existiren 4), so müssen sich wiederum auch,

4) In dem Ungehorsam gegen diese Wahrheit liegt die ganze Reihe von Täuschungen, welchen die Rechtsphilosophen untergelegen haben und noch unterliegen. Ein Beispiel aus der neuesten Zeit liefert, um hier nur einen Maun von Ansehn zu nennen, J. D. Meyer, in dem, sonst so schätzbaren Werke: Esprit, Origine et Progrès des institutions judiciaires des principaux pays de l'Europe. La Haye, 1819.

andern Theils, alle Lehren von diesen letzteren, alle die Lehren von Gott und göttlichen Dingen, so oft dieselben immerhin unter den Menschen gewechselt haben, so wandelbar und verwirrt sie gewesen seyn mögen, sie müssen sich alle ordnen, verstehen und erklären lassen, wenn man

Derselbe stellt daselbst (Tom. I. pag. 259.) folgende
Sätze auf: Partout l'expérience a prouvé que ce n'est
qu'à défaut des lois humaines qu'on a dû se servir
du prétexte des lois divines. Les lois divines ne sont
invoquées en administration qu'à défaut de gouverne-
ment, et la théocratie n'appartient qu'à des peuples
naissans; elles ne sont invoquées au civil que lorsque
les autorités humaines n'ont pas encore acquis une
consistance assez forte pour s'ériger en législateurs,
etc. Dergleichen aller Geschichte hohnsprechende,
unreine und zusammengesuchte Behauptungen, Be-
hauptungen, die eben so viel Willkührlichkeit als
Missverstand enthalten, stechen sehr gegen die Gründ-
lichkeit ab, welche in jenem Werke im Ganzen vor-
herrschend erscheint. Die Behauptung von Schwep-
pe, Römische Rechtsgeschichte, §. 30.: »Der
Quelle nach giebt es überall keine göttliche Gesetz-
'gebung, sondern nur das s. g. ius humanum, und
zwar, nach einer Eintheilung entlehnt von
den Griechen? scriptum oder non scriptum, «<
beruht wohl nur auf den, diesem Schriftsteller eigen-
thümlichen, Vorstellungen von der Natur, oder viel-
mehr von der Gestalt einer Quelle.

im Besitze der Thatsachen ist, welche ihnen zum Grunde liegen, und zwar aus diesen Thatsachen selbst. Diejenigen Lehren aber, deren Zusammenhang mit Thatsachen nicht nachzuweisen ist,

wohin die ganze Masse von Philosophemen gehört, sind als unordentliche und unverständliche zu beseitigen. Und dabei geht nichts verloren; denn die Erfahrung lehrt, dass eine nicht auf Thatsachen gegründete Lehre wohl unter einigen speculativen Köpfen Eingang findet, nimmermehr aber auf das gesunde Leben des Volkes einen bleibenden Einfluss auszuüben vermag. Die Geschichte nun des römischen Volkes zeigt, wie die Lehre von den divinae atque humanae res auf Thatsachen sich gründete; wie jene Lehre selbst unter den Römern nie unterging, wohl aber wechselte; wie dieser Wechsel in der Lehre stets gepaart ist mit dem Wechsel bestehender Verhältnisse, und wie die letzteren in der genauesten Beziehung zu neuen Thatsachen stehen, und zwar zu solchen Thatsachen, welche das Leben des Volkes im Ganzen und im Einzelnen mit durchgehender Wirksamkeit ergriffen, und zwar in dem Grade ergreifen konnten, weil dieselben zunächst in einem kleinen Kreise, nämlich in dem Centrum sich ereigneten,

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