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der außerordentlichen Gefälligkeit des Herrn Director VON STALIN, hier in meiner Wohnung benützen. Weitere Mittheilungen über die Handschriften B und S muß ich mir für eine spätere Gelegenheit vorbehalten. Der Text will übrigens keinen Anspruch auf durchgreifende Recension machen; die ihm gegenüberstehende Uebersetzung ist dieselbe, welche HOLTZMANN jeweils nach Lesung der Textesworte seinen Zuhörern vortrug.

Der Commentar, wie er in diesem Buche vorliegt, ist aus der Verarbeitung der beiden Holtzmannischen Faßungen erwachsen; an der originellen Darstellungsweise des Meisters zu ändern, konnte der Herausgeber aus Rücksichten der Pietät nicht über sich gewinnen. Nur Citate und Litteraturnachweise sind nach neueren Angaben nachgetragen, und die auf losen Blättern vorliegenden Notizen von HOLTZMANN's Hand wurden von mir theils in den Text eingeflochten theils als Anmerkungen verwendet.

Bei der Verfertigung des Wörterverzeichnisses zur Germania, das besonders den classischen Philologen willkommen sein wird, haben mir mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit die Herren Oberbibliothecar Dr. WILHELM BRAMBACH, Dr. FRANZ TEUFEL und RICHARD ESCHKE beigestanden, wofür ihnen mein verbindlichster Dank gebührt.

Möge das Buch, zunächst für Philologen, germanistische wie classische, bestimmt, zur immer weiteren Erkenntniss unserer ruhmvollen Vorzeit beitragen und mit seinem reichen Inhalte zu weiterem Forschen anregen!

Carlsruhe, am Tage Karls des Großen 1873.

Dr. Alfred Holder.

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Germanische Alterthümer verstehe ich in demselben Sinne, wie uns griechische und römische Alterthümer geläufig sind: der Ausdruck ist vielleicht nicht der passendste, aber wir verstehen darunter die Schilderung des ganzen Lebens der Griechen und der Römer, des öffentlichen und des häuslichen, im Krieg und Frieden; also die Verfaßung, das Recht, Cultus, Kriegführung, Künste, Handel und Industrie, Ackerbau, die Sitten im häuslichen Leben, in Tracht u. S. W. und zwar dargestellt sowohl nach der Litteratur, als nach den gebliebenen Denkmälern, den Bauwerken, Gräbern, Kunstwerken und Erzeugnissen der Industrie. Unter germanischen Alterthümern möchte ich ebenso eine Darstellung des ganzen Lebens der alten Germanen verstehen, und zwar mit Beschränkung auf die heidnische Zeit, also mit möglichster Ausschließung alles dessen, was aus Rom und dem Christenthum abzuleiten ist: weder Geschichte noch Grammatik, noch Litteratur; auch auf die Mythologie denke ich nicht ins Specielle einzugehen; alles Uebrige wird Gegenstand der germanischen Alterthümer. Da wir aber weder eine einheimische heidnische Litteratur haben, die der griechischen und römischen entfernt verglichen werden könnte, noch eine große Menge das Leben deutlich darstellender Denkmäler und Ueberreste, sondern vorzugsweise auf die Schilderung der Römer und Griechen angewiesen sind, so scheint mir eine systematische Ausführung der germanischen Alterthümer vorerst noch nicht gerathen, und ich ziehe vor, die wichtigste der Schriften, aus denen wir unsere Kenntniss des Lebens der Germanen schöpfen, das ist die Germania des Tacitus, zu Grunde zu legen, und in einem ausführlichen Holtzmann, German. Alterthümer.

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Commentar derselben alles niederzulegen, was wir bis jetzt über das Leben unserer heidnischen Vorfahren ermitteln können.

Einige allgemeine Betrachtungen zur Darlegung meines Standpuncts. Die Cultur der altgermanischen Heiden sollen wir schildern: da begegnen wir sogleich einem Vorurtheil, das bis auf einen gewissen Grad noch allgemein ist, daß die Germanen ohne alle Cultur, völlige Barbaren, ein wildes Volk waren und ihre ganze Bildung durch die Herrschaft der Römer und besonders durch das Christenthum erhielten. So besonders Johann Christoph Adelung, Aelteste Geschichte der Deutschen. Leipzig 1806. In der abschreckendsten Weise wird hier die Rohheit der alten Germanen geschildert; alles, was in der Geschichte von Grausamkeiten, von Lastern, von Rohheit in vereinzelten Zügen vorkommt, wird zu einem schauderhaften Gesammtbild vereinigt; und es ist höchst komisch zu sehen, wie Adelung sich sträubt, irgend etwas Gutes bei den Germanen anzuerkennen; z. B. wie Caesar erzählt, daß bei den Sueben die Zufuhr des Weines verboten sei (b. G. IIII, 2), so fügt er hinzu, der Grund, den Caesar angebe, daß sie Verweichlichung fürchteten, sei nicht der richtige, sondern der Wein sei diesen rohen Menschen zu fad, zu schwach gewesen, sie hätten stärkere Getränke vorgezogen. Adelung war es, der zuerst die eine Zeit lang SO beliebte Vergleichung der Germanen mit den Urbewohnern Nordamericas aufstellte: und offenbar meinte er

den Germanen schon eine Ehre zu erweisen, wenn er sie den Rothhäuten gleich setzte. Adelung gilt zwar jetzt nicht mehr, aber dennoch sind seine Lehren noch jetzt nicht ohne Nachwirkung. Es ist doch immer noch die vorherrschende Meinung, daß die Germanen Wilde gewesen seien, die erst durch römisches Recht und besonders durch die Missionare zur Cultur erzogen worden seien. Unsere Juristen sind immer voll Bedenken, ob sie für die ältesten Zeiten überhaupt von Recht und Gesetzen reden dürfen bei einem Volk, das nur als umherschweifende Horde von Wilden erscheine.

Dagegen nun erkläre ich mich. Wenn die alten Germanen ein Volk waren wie die Nadowessier, Chippewayser oder gar wie Buschmänner, Neger und Kamtschadalen, so

müsten wir auch jetzt noch nichts anderes sein: es ist noch nicht vorgekommen, daß ein wildes Volk durch Berührung mit einem Culturvolk auf eine höhere Stufe erhoben und eigentlich verwandelt wurde; vielmehr ist es allgemeines Schicksal der wilden Völker, daß sie vor der vordringenden Cultur sich zurückziehen, verschwinden und aussterben. Die Frage nach der Einheit des Menschengeschlechts können wir hier nicht aufnehmen: ob alle von einem Stammvater abstammen, oder ob verschiedene successive Schöpfungsacte stattgefunden haben. Die neuere Naturgeschichte hat sich, so viel ich weiß, für letztere Ansicht entschieden, wonach die verschiedenen Racen der Menschen verschiedenen Schöpfungsaltern angehören; die letzte vollkommenste Race ist die weiße: jedenfalls ist der Unterschied der Racen nicht bloß äußerlich in der Farbe; und die Erziehung und die Religion genügen nicht, um ein wildes Volk in ein Culturvolk zu verwandeln. Da die Germanen ohne Zweifel ein Culturvolk sind, so müßen sie auch schon vor der Berührung mit den Römern und vor dem Christenthum alle Eigenschaften eines Culturvolkes gehabt haben und wesentlich verschieden gewesen sein von wilden Völkern. Alles was für ein Culturvolk unumgänglich nothwendig ist, muß sich bei ihnen gefunden haben; also eine Art von Litteratur, ein Rechtszustand, Gesetze, eine Summe von Kenntnissen, eine Moral, eine Religion, ein Cultus. Das erste Culturvolk, die Römer ahnten, daß die Herrschaft der Welt an dieses Volk übergehe.

Was wir a priori verlangen, wird auch bewiesen durch die Sprache. Wir haben für die älteste Zeit der Geschichte der Völker kein Zeugniss als ihre Sprache. Durch Vergleichung der Sprachen ergibt sich die Verwandtschaft der Völker, und aus den Wörtern, die die verwandten Sprachen gemeinsam haben, läßt sich ein Bild des Culturzustandes gewinnen, auf welchem sich das Volk vor der Scheidung in Völker vor den Wanderungen befand. Diese höchst interessanten Studien, die natürlich sehr schwierige Vorarbeiten verlangen, haben kaum begonnen und sind noch sehr unvollkommen: z. B. in Jacob Grimms Geschichte der deutschen Sprache, wo aus der Verwandtschaft der Namen der Metalle, der Thiere, der Ausdrücke für Ackerbau und Viehzucht Rück

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schlüße gemacht werden. (Professor Adalbert Kuhn. Origines indo-européennes par A. Pictet. Paris 1859-1863.)

Ohne auf diese Forschungen hier einzugehen, will ich nur bemerken, daß sich durch diese Vergleichungen ergeben wird, daß nicht nur sinnliche Dinge, wie Hausthiere, sondern auch schon Ausdrücke für sittliche und religiöse Begriffe den verwandten Völkern gemeinsam sind, und also schon für die Urzeit, für die gemeinsame Heimath, einen gewissen Grad von entwickelter Cultur nachweisen. Durch diese Sprachvergleichung nun ist sicher bewiesen, daß die Germanen zunächst verwandt sind mit den sanskritischen Völkern, den Hindu und Persern; in Europa mit den Slawen, den Griechen und Römern. Das Hauptwerk ist: Franz Bopp, gleichende Grammatik (3. Ausgabe) 1868-1871. 3 Bände. Es ist also sicher erwiesen, daß die Germanen derjenigen Völkerfamilie angehörten, die man als sanskritisch oder früher indogermanisch bezeichnete, und die geistig und physisch den Vorrang vor allen andern behauptete, der alle eigentlichen Culturvölker angehören (mit Ausnahme der semitischen).

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Also die heidnischen Germanen waren nicht Wilde, sondern ein Culturvolk; aber man muß sich hüten vor dem Gegensatz: die heidnischen Germanen als die Muster aller Tugenden und Vollkommenheiten ohne alle Fehler hinzustellen, nur Licht ohne Schatten. Laster und Rohheit kommen im Einzelnen vor, und auch im Großen haben die Religion, die Staatsverfaßung, die Sitten ihre Schattenseite. Sie waren ein Culturvolk, aber sie musten allerdings einer höheren Stufe der Cultur erst durch das Christenthum und den modernen Staat zugeführt werden.

Hier muß ich eine Ansicht berühren, die noch weit verbreitet ist die Deutschen seien ein Mischvolk; schon vor der Ankunft der Deutschen haben keltische Völker den Boden inne gehabt, diese wurden von den Deutschen zwar unterworfen; da sie aber höhere Bildung hatten, so überwanden sie geistig ihre Besieger, und die Germanen erhielten von den Kelten, mit denen sie gemischt lebten, die Elemente der Cultur, und sogar großentheils auch die Sprache. Diese Lehre wird mehr oder weniger deutlich und consequent in einer großen Menge von Büchern vorgetragen, von denen ich die wichtigsten hervorheben will. Heinrich

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