Immagini della pagina
PDF
ePub

an Anfang und Ende nicht vollständig. Auch die Zeit des Augustus von der Schlacht bei Actium an wollte er schreiben, aber dieser Plan kam nicht zur Ausführung.

Kommen wir auf die Germania. Daß sie im Jahr 98 geschrieben ist, zeigt Capitel 37: das zweite Consulat des Kaisers Traian.

Ueber den Zweck, den Tacitus bei Abfaßung dieser Schrift hatte, ist viel geschrieben worden: wir müßen vor allen Dingen die Frage beantworten, ob die Germania als selbständige Schrift herausgegeben worden, oder ob sie ein Abschnitt aus den Historien ist. Diese letzte Ansicht, die schon von mehreren geäußert wurde, wird jetzt allgemein verworfen. Dennoch scheint sie mir die richtige aus folgenden Gründen: 1) als besondere Schrift wird die Germania nirgends erwähnt; das könnte allerdings zufällig sein; aber 2) entscheidend ist, daß die Schrift keinen Eingang, keine Vorrede hat. Das scheint mir für eine selbständige Schrift in der späteren rhetorischen Zeit des Tacitus eine Unmöglichkeit: alle Schriften des Tacitus haben Vorreden. Dagegen ein Abschnitt aus einem größeren Werke hatte eine besondere Vorrede nicht nöthig. 3) Wir wißen bestimmt, daß Tacitus im Jahr 98 mit Abfaßung der Historiae beschäftigt war; da nun die Germania im Jahr 98 geschrieben ist, so ist es höchst wahrscheinlich, daß er gerade damals in den Historien an ein Ereigniss kam, das ihm Veranlaßung gab, ausführlich von Germanien zu handeln. Ein solches Ereigniss konnte sein 84 der Krieg des Domitian am Oberrein oder noch wahrscheinlicher 93 der Oberbefehl Traians am Rein.

Ueber den Zweck der Germania ist also nicht weiter nöthig zu sprechen.

Eine deutliche Spur von Bekanntschaft mit der Germania, oder dem Abschnitte der Historiae, findet sich zuerst bei Cassiodorius (Variae V 2), der in einem Briefe des Theodorich an die Haesti eine Belehrung über den Bernstein gibt "Cornelio scribente' (vgl. Germania cap. 45).

Im neunten Jahrhundert wurde in Fulda eine Translatio s. Alexandri geschrieben von zwei Mönchen Ruodolf und Meginhart (Pertz, Monum. Germ. II p. 673-681); sie kommen darin auf die Sachsen zu sprechen und entlehnen mehrere Abschnitte fast wörtlich aus der Germania. Dieser selbe

[ocr errors]

Ruodolf († 865) hat auch einen Theil der Annales Fuldenses geschrieben und in denselben sagt er (zum Jahr 852, Monum. Germ. I p. 368), daß er den Namen der Weser Visurgis kenne aus Cornelio Tacito scriptore rerum a Romanis in ea gente gestarum. Der Name Visurgis kommt in der Germania nicht vor, aber in den Annales (I 70 und II 9. 11. 12. 16. 17). Es ist also wahrscheinlich, daß er einen Codex der dreißig Bücher des Tacitus (der Annalen und Historien) hatte. Aus diesem Codex war wahrscheinlich im eilften Jahrhundert der Codex der ersten sechs Bücher der Annalen abgeschrieben, welcher aus Corvey 1513 nach Florenz kam, der einzige, durch den dieser Theil gerettet ist: und aus eben diesem Codex wird sich den Abschnitt über Deutschland ein Mönch ausgeschrieben haben in dem Codex, der, wahrscheinlich nur in einer Abschrift, aus Hersfeld durch Henoch aus Ascoli nach Italien kam: Dieser Henoch Asculanus war von Pabst Nicolaus V (der 1447-1455 regierte) im Jahr 1451 nach Gallien und Deutschland geschickt, um Bücher zu erwerben: er scheint aber die Handschrift nicht vor 1457 nach Italien gebracht zu haben. In derselben Handschrift waren enthalten der Dialogus und Suetonius de viris illustribus. Daß die Handschrift aus Hersfeld kam, ist eine sehr wahrscheinliche Vermuthung nach einem Briefe des Poggio (1380— 1459), der in Deutschland reiste ad libros exquirendos und der schon Nachricht hatte von einer Handschrift, die einige Werke des Tacitus enthalte, und die ein Mönch von Hersfeld ihm gegen gute Bezahlung verschaffen wolle. Dieser Codex ist derjenige, durch welchen allein die Germania und der Dialogus gerettet wurden.

Jene Abschrift des Henoch Asculanus ist verloren: aus ihr aber sind alle noch vorhandenen Handschriften gefloßen. Eine der wichtigsten derselben ist die, welche 1460 sehr genau geschrieben wurde von Jovianus Pontanus (geboren im December 1426 zu Cerreto in Umbrien, wurde Erzieher und Staatsrath des Königs Alfons von Neapel und endlich sogar Vicekönig, † im August 1503). Diese Abschrift kam, man weiß nicht wie, in den Besitz des Jacob Perizonius (Voorbroek, geboren 26. October 1651 zu Dam, Professor zu Leyden seit 1693, gestorben 6. April 1715). Er vermachte der Universitätsbibliothek eine Kiste mit Handschriften. Darunter befand

sich diese; dort ist sie noch. Einen Abdruck gab Tross in der Ausgabe: C. Cornelii Taciti de origine, situ, moribus ac populis Germanorum libellus. Ad fidem codicis Perizoniani, nunquam adhuc collati, edidit et notas adiecit Ludovicus Tross. Accesserunt Dialogus de oratoribus et Suetonii de viris illustribus libellus, ad eundem codicem accurate expressi. Hammone 1841. 8°. und damit erst erhielt die Kritik der Germania eine feste Grundlage. Einen berichtigten Abdruck der Collation gab J. G. Orelli in seiner großen Ausgabe des Tacitus, vol. II. Turici 1848. und im Jahr 1847 erschien zu Quedlinburg und Leipzig die Germania von Hans Ferdinand Maßmann, die auf einer neuen Vergleichung des Codex beruht und zugleich die Lesarten aller andern Handschriften gibt (daher als Sammlung des Materials schätzbar: aber die Abhandlung S. 137 ff. ist vorsichtig zu gebrauchen: so spricht er S. 141 von einem Kriege des Domitianus gegen die Germanen im Jahr 70; Seite 159 ist statt XVIII, 31.) von Vortiger scuto impositus more gentis' zu lesen 'X, 31. von Vitigis more maiorum scuto supposito': - alles falsch, träumerisch).

Von den andern (etwa achtzehn) Handschriften sind besonders diejenigen wichtig, die dem Perizonianus am nächsten kommen: es sind besonders zwei Vaticani, 1862 und 1518; daher hat Moriz Haupt in seiner kleinen Ausgabe der Germania (Berolini 1855) ausser dem Perizonianus nur diese beiden Vaticani berücksichtigt. Mir scheint, daß doch auch die andern nicht ganz unberücksichtigt bleiben dürfen, besonders die Stuttgarter, die aus Neapel kommen soll und, wie mir scheint, darum vorzüglich ist, weil die Namen zuweilen richtiger sind.

Ich erwähne noch, daß die Germania zuerst bekannt wurde durch die Ausgabe der damals bekannten Werke des Tacitus, die 1470 in Venedig erschien, gewöhnlich Spirensis genannt, weil sie Vendelinus de Spira besorgt hat; darin ist auch Cornelij Taciti illustrissimi historici de situ moribg & populis Germanię libellus aureus. Agricola kam erst 1475 in Mailand durch Francesco Puteolano heraus. Die unterdessen aufgefundenen fünf ersten Bücher der Annalen gab Filippo Beroaldo der Jüngere zu Rom heraus 1515 und verband damit die übrigen: die erste Ausgabe aller erhaltenen Schriften. Von andern Ausgaben nenne ich keine.

Es fragt sich noch: aus welchen Quellen schöpfte Tacitus? Man meint, er sei selbst in Germanien gewesen und glaubt dafür sich auf die Stelle berufen zu können Cap. 8: vidimus sub divo Vespasiano Veledam': dieß kann sich eher auf einen Triumphzug beziehen, in welchem die Veleda aufgeführt wurde: Statius, silv. I 4, 90: captivaeque preces Veledae'. Andere meinen, Tacitus sei in Gallien und Germanien gereist in jenen vier Jahren, die er vor dem Tode des Agricola von Rom abwesend war (nicht unmöglich). Ferner kann er auch in seiner frühesten Jugend in Gallien gewesen sein, wenn jener eques Cornelius Tacitus bei Plinius sein Vater war. Aber nach meiner Ansicht enthält die Germania nichts, was Tacitus nicht aus früheren Schriften und vielleicht mündlichen Berichten gelernt haben kann; und nichts scheint mir zu beweisen, daß er Germanien selbst gesehen habe.

Von Schriften, aus welchen er über Germanien Nachrichten finden konnte, erwähnt er selbst folgende: 1) C. Sallustius, und nennt ihn rerum Romanarum florentissimus auctor, Ann. III 30. Dieser hatte in seinen Historien auch von den Germanen gehandelt (geschrieben etwa 40-35 vor Chr.). Rudolf Köpke (Die Anfänge des Königthums bei den Gothen. Berlin 1859.) sucht durch die Vergleichung von Stellen des Horaz und des Virgil mit Tacitus nachzuweisen, daß diese Dichter und der Geschichtschreiber aus einer gemeinsamen Quelle geschöpft haben müßen, die nur Sallust sein könne; bei den betreffenden Stellen werden wir darauf zurückkommen.

2) Caesar; er nennt ihn summus auctor (Germ. 28).

3) T. Livius; er nennt ihn Agric. 10 veterum eloquentissimus auctor. Es ist schon von andern bemerkt worden, daß Tacitus auch im Ausdruck oft merkwürdig an Livius erinnere*, diesen also gewiss oft gelesen hatte: um so wahrscheinlicher ist es, daß er auch über die Germanen die leider verlorenen Bücher des Livius fleißig benutzte, die von den Germanen handelten, besonders CIIII, das schon nach der

* Liv. praefatio 6: ea nec adfirmare nec refellere in animo est' vgl. Tac. Germ. 3: quae neque confirmare argumentis neque refellere in animo est'.

Epitome merkwürdig an die Germania erinnert: prima pars libri situm Germaniae moresque continet.

4) Der ältere C. Plinius, welcher nicht nur in seiner. naturalis historia von den Germanen spricht, sondern auch 20 Bücher bellorum Germaniae hinterließ. Der jüngere Plinius erzählt von ihm (epist. III 5, 4), cum in Germania militaret, sei ihm im Traum Drusus erschienen und habe ihn aufgefordert, sein Gedächtniss zu ehren, darauf habe er die Geschichte aller Kriege der Römer mit den Germanen geschrieben. Leider ganz verloren. Es versteht sich bei dem innigen Freundschaftsverhältniss des Tacitus mit dem jüngern Plinius, daß er auch das Werk des alten studierte; er erwähnt ihn öfters, und namentlich die bella Germanica Ann. I 69. Das sind die hauptsächlichsten Quellen.

Außer diesen hätte er benutzen können den Strabo, den er aber nicht kannte; den Aufidius Bassus, der unter Tiberius die Geschichte der römischen Bürgerkriege und des deutschen Krieges schrieb (verloren): es ist daher wahrscheinlich, daß er auch diesen benutzte, da er ihn im Dialog. 23 nennt.

Für die germanische Alterthumskunde gibt es keine wichtigere Schrift als die Germania des Tacitus. Wir müßen es als eine besondere Gunst des Schicksals betrachten, daß dieses kleine Buch des großen Geschichtschreibers nicht, wie so viele andere, verloren gegangen ist. Kein anderes Volk Europa's besitzt eine solche Grundlage seiner Alterthumskunde, eine so alte und so rühmliche Schilderung, die um so zuverläßiger ist, als sie von der Hand des Feindes, des siegenden aber immer von Furcht erfüllten Siegers entworfen ist. Das deutsche Volk kann keinem Römer dankbarer sein, als dem Verfaßer dieser Schrift. Und diesen Dank hat Deutschland bereits entrichtet dadurch, daß es die Werke des Tacitus nicht untergehen ließ. Denn ein großer Theil, vielleicht alle erhaltenen Schriften des Tacitus wären ganz verloren, wenn sie nicht für die Deutschen ein besonderes Interesse gehabt hätten. Im ganzen römischen Reich hat sich keine einzige Handschrift derselben erhalten, obgleich der Kaiser Tacitus befohlen hatte, daß sie jährlich zehnmal abgeschrieben und in allen Archiven des Reichs aufbewahrt würden. Nur

« IndietroContinua »