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Viertes Capitel.

Reise vom Cap nach dem antarctischen Zirkel; erste Fahrt in höhere südliche Breiten; Ankunft auf der Küste von Neu-Seeland.

Um 22. November Nachmittags um 4 Uhr segelten wir aus Tafelbai, und begrüßten beim Abschiede das Fort. Das unruhige Element, dem wir uns nunmehr von neuem anvertrauten, bewillkommte uns auf keine angenehme Art, denn wir hatten die ganze Nacht über mit heftigen Stoßwinden zu kämpfen. Die See leuchtete jest auf eben die Art, wie wir bei unsrer Ankunft gesehen hatten, aber nicht so stark wie damals. Am folgenden Tage um 8 Uhr des Morgens verloren wir das Cap aus dem Gesicht, und liefen gegen Süden. Da wir jetzt auf einer Reise begriffen waren, die noch Niemand vor uns unternommen hatte, auch nicht wußten, wann, oder wo wir einen Erfrischungsort finden würden, so gab der Capitain die gemessensten Befehle, daß mit dem Trinkwasser gut hausgehalten werden sollte. Zu dem Ende ward eine Schildwache an das Wasserfaß gestellt, und von dem Schiffsvolk bekam der Mann täglich ein gewisses Maaß zugetheilt. Außerdem durfte ein jeder auch noch beim Faß trinken, aber nichts mit sich nehmen. Der Capitain selbst wusch sich mit Seewasser, und unsre ganze Reisegesellschaft mußte sich ein gleiches gefallen lassen. Auch ward die von Herrn Irving verbesserte Destillirmaschine beståndig im Gange erhalten, um die tägliche Abnahme des süßen Wassers wenigstens in etwas wieder zu erseßen.

Den 24. Nachmittags fingen wir bei schönem, gemäßigten Wetter, nach vorhergegangenem, harten Sturm, neun Albatrosse an Schnur und Angeln, welche man mit einem Stückchen Schafsfell besteckt hatte. Einige dieser Vögel maßen, von einer Spite des ausgebreiteten Flügels zum andern, über zehn Fuß. Das Gefieder der jüngern war mit vielen braunen Federn vermischt, die ausgewachsenen aber waren ganz weiß, bis auf die Flügel, die schwärzlich und an dem obern Gelenke mit schwarzen Strichen gestreift, auch mit einzelnen Federn schwarz gespren= kelt waren. Un eben diesem Tage ließ sich, eine kleine Weile

über, ein großer brauner Fisch, der mit dem Sonnenfisch (tetrodon mola) viel Aehnlichkeit hatte, neben dem Schiffe sehen.

Am 29. ward der Wind, welcher seit den drei vorherge= henden Tagen sehr stürmisch gewesen war, so heftig, daß wir vierundzwanzig Stunden lang nur allein das Focksegel führen konnten. Zugleich ging die See fürchterlich hoch, und brach oft über dem Schiffe. Wer kein Seemann war, wußte sich in diese neue Lage gar nicht zu schicken, und da wir auf der Ueberfahrt von England bis zum Cap ganz besonders gutes Wetter gehabt hatten, so waren auch jezt noch in keiner Cajůte Unstalten gegen solche Stürme vorgekehrt worden. Das heftige Hinund Herschwanken des Schiffs richtete daher täglich schreckliche Verwüstungen unter unsern Tassen, Gläsern, Bouteillen, Tischen, Schüsseln und anderm Geschirr an; allein die lustigen Auftritte, welche bei dieser allgemeinen Verwirrung vorfielen, und bei denen man sich des Lachens unmöglich enthalten konnte, machten uns gegen diesen in unsrer Lage unerseßlichen Verlust gelaßner, als wir ohne dies wohl nicht geblieben sein möchten. Das übelste dabei war, daß die Decken und Fußböden in allen Cajüten gar nicht trocken wurden, und das Heulen des Sturms im Tauwerk, das Brausen der Wellen, nebst dem gewaltigen Hin und Herwerfen des Schiffs, welches fast keine Beschäfti= gung verstattete, waren neue und fürchterliche Scenen, aber zugleich höchst widrig und höchst unangenehm. Hiezu kam noch, daß, ungeachtet wir uns erst im 42. Grade südlicher Breite befanden, die Luft doch schon sehr kalt und scharf zu werden anfing, gleichwie auch der häufige Regen dem Schiffsvolk den Dienst noch schwerer machte. Um nun die Leute einigermaßen gegen die rauhe Witterung zu schüßen, ließ der Kapitain die Kleider unter sie austheilen, welche zu dem Ende, auf Kosten der Admiralität, ausdrücklich waren angeschafft worden. Ein jeder, der im Dienste des Schiffs dem Ungestüm des südlichen Clima ausgeseht sein mußte, vom Lieutenant an bis zum gemeinsten Matrosen, bekam ein Wamms und ein Paar lange Schifferhosen vom dicksten wollnen Zeuge oder starkem Flannel, fearnought genannt, welche die Nässe lange abhielten, und, gleichwie alle übrigen Artikel, welche die Admiralität von Lieferanten schaffen läßt, nur den einzigen Fehler hatten, daß sie fast durchgehends zu kurz oder zu knapp waren. Das Elend, welches das arme Schiffsvolk des Herrn von Bougainville aus

Mangel gehöriger Kleidung ausstehen mußte, zeigt augenscheinlich, daß die englischen Seeleute auch in dieser Absicht ungleich besser dran sind. Von ihrer billig und menschenfreundlich gesinnten Landesregierung können sie sich überall, besonders bei gefährlichen Expeditionen, darauf verlassen, mit allem versorgt zu werden, was sie gegen die Gefahren der See schüßen, und was in Widerwärtigkeiten ihren Muth aufrecht erhalten kann. Wenn hingegen in einem Staate diese Aufmerksamkeit fehlt, und der Matrose gewahr wird, daß man sich nicht mit einer Art von Theilnehmung um ihn bekümmert, so wird er unwillig und muthlos im Dienst werden, und sich der Verzweiflung mit allen ihren schrecklichen Folgen überlassen, so bald eine Prüfungsstunde einfällt, die auf diesem Elemente doch so selten ausbleiben, und aus denen der entschlossene Muth und der gute Wille des Schiffs= volks oft nur allein retten können. Einen solchen kritischen Augenblick erlebten wir diese Nacht. Ein Unterofficier, der in dem Vordertheile des Schiffraums schlief, erwachte von ungefähr und hörte Wasser durch seine Schlafstelle rauschen, das gegen seine und seiner Cameraden Kisten heftig anstieß; er sprang sogleich zum Bette heraus und fand sich bis an die Waden im Wasser. Augenblicklich gab er dem Officier auf dem Hinterdecke Nachricht von diesem fürchterlichen Umstande, und in wenig Minuten war im ganzen Schiffe alles wach und in Bewegung. Man fing an zu pumpen und die Officiere redeten den Leuten mit einer ungewohnten und daher bedenklichen Gütlichkeit Muth ein, daß sie nicht nachlassen sollten aus allen Kräften zu arbeiten. Dennoch schien das Wasser überhand zu nehmen. Jedermann war in Furcht und Schrecken und die Dunkelheit der Nacht vergrößerte nur die Abscheulichkeit unsrer Lage

Ponto nox incubat atra

Praesentemque viris intentant omnia mortem.

Virgil.

For what obscured light the heav'ns did grant
Did but convey unto their fearfull minds
A doubtfull warrant of immediate death.

Shakespeare.

Die Schöpf- und Ketten-Pumpen wurden in Gang gebracht, und die Leute arbeiteten mit dem lebhaftesten Eifer. Endlich entdeckte man zum großen Glück, daß das Wasser nicht durch

ein verborgnes und unzugängliches Leck eindrang, wie Jedermann besorgt hatte, sondern daß es in die Vorrathskammer des Bootsmanns, zu einem Fenster oder Luftloch hereinkam, welches gegen die stürmische See dieser Gegenden nicht fest genug zuge= macht und durch die Gewalt der Wellen eingeschlagen worden war. Nunmehr war keine Gefahr weiter dabei, es ward augen= blicklich wieder vermacht, und so entkamen wir diesmal ohne andern Schaden, als daß die Kleider und das Gepäck der Matrofen und Officiere von dem eingedrungnen Seewasser ganz durchnåßt worden waren. Es würde uns indessen schwer, wo nicht unmöglich gewesen sein das Schiff über Wasser zu halten, wenn der Unterofficier nicht gleichsam durch eine besondre Schickung erwacht wäre, ehe das Uebel überhand genommen hatte. Alle Gegenwart des Geistes unsrer Officiere würde alsdann, mit sammt dem Muth unsers Schiffsvolks, vergebens gewesen sein, und wir hätten zu Grund und Boden gehen müssen, ohne daß uns wegen der sehr finstern Nacht und stürmenden Wellen von dem andern Schiffe aus die geringste Hülfe håtte geleistet_werden können.

Ungefähr um diese Zeit wurden an alle Leute am Bord Fischangeln und Leinen ausgetheilt, damit, so bald wir Land antreffen würden, ein jeder alsbald Gebrauch davon machen könnte.

Das stürmische Wetter dauerte inzwischen, abwechselnd mit Regen und Nebel vermischt, bis zum 5. December *) fort, an welchem Tage der Wind zum erstenmale, nachdem wir das Cap verlassen hatten, wieder so gemäßigt war, daß die höchsten Braamsegel aufgesetzt werden konnten. Um Mittag befanden wir uns unter dem 47o. 10 Minuten füdlicher Breite. Die Freude über das gute Wetter war von kurzer Dauer, denn noch heute Nachmittag fiel schon wieder Regenwetter ein, und die Wellen, welche sich sehr hoch aus Westen her wälzten, verkündigten uns, daß wir aus diesem Striche Wind zu gewarten hätten. Er stellte sich auch wirklich noch in derselben Nacht, und zwar aus Südwest ein, wodurch die Luft so kalt wurde, daß das Thermometer in eben dieser Nacht von 44 auf 38 Grad herabfiel, und daß wir mit Tagesanbruch etwas Schnee bekamen. Der Wind nahm

*) Wir hatten in dem bisherigen stürmischen Wetter sechs große Schweine und einige Schafe verloren.

dabei zu, und am 7. stürmte er dermaßen, daß wir Nachmittags nur noch Ein Segel führen konnten. Eine Menge von Petrels oder Sturmvögeln verschiedner Art und Seeschwalben (terns) waren uns, bald in kleinen bald großen Haufen, vom Cap gefolgt, ohne sich an das Stürmen des Windes und der See zu kehren, welches im Gegentheil sie nur in immer größerer Anzahl herbeizuführen schien. Die vornehmsten Arten waren der Cap - Sturmvogel oder Pintada (Cape petrel. Procellaria capensis) und der blaue, der so genannt wird, weil er ein bläulichgraues Gefieder hat, und quer über die Flügel mit einem schwärzlichen Streif gezeichnet ist. Auch ließen sich von Zeit zu Zeit die beiden obbenannten Arten von Albatrossen *), inglei= chen, wiewohl selten, noch eine dritte Gattung sehen, welche wir die rußfarbigen (sooty), unsre Matrosen hingegen, wegen der graubraunen Farbe, den Quaker nannten. Am 8., da die See noch immer sehr unruhig und der Wind sehr heftig war, hatten wir auf allen Seiten um uns her eine Menge Vögel von den vorgedachten Arten, auch ließen sich heute zum erstenmal Pinguins **) und Haufen von Seegras, welches See-Bambu_ge= nannt wird (fucus buccinalis Linn.) unweit dem Schiffe sehen. Diese Umstände begünstigten unsre Hoffnung Land zu finden, denn bisher ward es für ausgemacht gehalten, daß Seegras, be= sonders solch Felsenkraut als dieses, und Pinguins niemals fern von der Küste angetroffen würden. Die Erfahrung aber hat gelehrt, daß man sich auf diese Zeichen nicht verlassen kann, sondern daß sie ihren Credit nur einzelnen, zufälligerweise günftig gewesenen Proben und dem Zeugniß eines oder des andern berühmten Seefahrers zu danken haben. Wenn man indessen auf die Erscheinung und Beschaffenheit des Seegrases und Treibholzes fernerhin genau Acht geben wollte, so könnte solches viel

*) Siehe oben Cap. 2.

**) Diesen Vogel hat, seit Sir John Narboroughs Zeit, fast ein jeder Seefahrer erwähnt, der das südliche Ende von Amerika berührt hat; und sie sind den Lesern aus Ansons, Byrons, Bougainvilles, Pernetty's und andern Nachrichten so bekannt, daß es kaum nöthig sein möchte, sie hier zu beschreiben. Man kann sie auf gewisse Weise als Amphibien ansehen, denn ihre Flügel sind nicht zum Fliegen, sondern besteben nur aus starken fleischigen Membranen, welche sie zugleich als Floßfedern gebrauchen. Den Naturkundigen sind jest schon zehn verschiedene Arten bekannt worden.

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