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Untersuchung, uns wie ein Traum mit falschen Erscheinungen betrügen. Endlich wurden es die Gelehrten måde, durch Declamation und sophistische Gründe hingerissen zu werden, und verlangten überlaut, daß man doch nur Thatsachen sammlen sollte. Ihr Wunsch ward erfüllt; in allen Welttheilen trieb man Thatsachen auf, und bei dem Allem stand es um ihre Wissenschaft nichts besser. Sie bekamen einen vermischten Haufen loser einzelner Glieder, woraus sich durch keine Kunst ein Ganzes hervorbringen ließ; und indem sie bis zum Unsinn nach Facten jagten, verloren sie jedes andre Augenmerk, und wurden unfähig, auch nur einen einzigen Sak zu bestimmen und zu abstrahiren; so wie jene Mikrologen, die ihr ganzes Leben auf die Anatomie einer Mücke verwenden, aus der sich doch für Menschen und Vieh nicht die geringste Folge ziehen läßt. AuBerdem haben selten zwei Reisende einerlei Gegenstand auf gleiche Weise gesehen, sondern jeder gab, nach Maßgabe seiner Empfindung und Denkungsart, eine besondere Nachricht davon. Man mußte also erst mit dem Beobachter bekannt sein, ehe man von seinen Bemerkungen Gebrauch machen konnte. Ein Reisender, der nach meinem Begriffe alle Erwartungen erfüllen wollte, müßte Rechtschaffenheit genug haben, einzelne Gegenstände richtig und in ihrem wahren Lichte zu beobachten, aber auch Scharffinn genug, dieselben zu verbinden, allgemeine Folgerungen daraus zu ziehen, um dadurch sich und seinen Lesern den Weg zu neuen Entdeckungen und künftigen Untersuchungen zu bahnen.

Mit solchen Begriffen ging ich zur lezten Reise um die Welt zu Schiffe, und sammlete, so viel es Zeit, Umstände und Kräfte gestatten wollten, den Stoff zu gegenwärtigem Werke. Ich habe mich immer bemüht, die Ideen zu verbinden, welche durch verschiedne Vorfälle veranlaßt wurden. Meine Absicht_dabei war, die Natur des Menschen so viel möglich in mehreres Licht zu sehen und den Geist auf den Standpunkt zu erheben, aus welchem er einer ausgebreitetern Aussicht genießt, und die Wege der Vorsehung zu bewundern im Stande ist. Nun kommt es freilich darauf an, wie fern mir dieser Versuch gelungen sei oder nicht; doch habe ich das Zutrauen, man werde meine gute Absicht nicht verkennen. Zuweilen folgte ich dem Herzen und ließ meine Empfindungen reden; denn da ich von menschlichen Schwachheiten nicht frei bin, so mußten meine Leser doch wissen, wie das Glas gefärbt ist, durch welches ich gesehen habe.

Wenigstens bin ich mir bewußt, daß es nicht finster und trub vor meinen Augen gewesen ist. Alle Völker der Erde haber gleiche Ansprüche auf meinen guten Willen. So zu denken wa ich immer gewohnt. Zugleich war ich mir bewußt, daß ich ver schiedne Rechte mit jedem einzelnen Menschen gemein habe; und also find meine Bemerkungen mit beständiger Rücksicht aufs all gemeine Beste gemacht worden, und mein Lob und mein Tade find unabhängig von National-Vorurtheilen, wie sie auch Na men haben mögen. Nicht nur die Mannigfaltigkeit der Gegen stånde, sondern auch die Reinigkeit und Anmuth des Styls be stimmen unser Urtheil und unser Vergnügen über Werke der Literatur; und wahrlich, man müßte allem Anspruch auf Geschmack und Empfindung entsagen, wenn man nicht eine flieBende Erzählung einer lahmen und langweiligen vorziehen wollte. Allein seit einiger Zeit ist die Achtung für einen zierlichen Styl so übertrieben und so sehr gemißbraucht worden, daß sich einige Schriftsteller lediglich auf die Leichtigkeit und Flüßigkeit ihrer Sprache verlassen, und um die Sache, welche sie vortragen wollten, gar nicht bekümmert haben, wobei denn am Ende das Publikum mit trocknen seichten Werklein ohne Salbung, Geist und Unterricht betrogen wurde. Solche Herren mögen sich vielleicht den Beifall einiger Virtuosen erwerben

Who haunt Parnassus but to please their car.

Ich bin aber überzeugt, daß die mehresten und bessern Leser, in Rücksicht auf neue oder nüßliche Gegenstände, die Unvollkom menheiten des Styls gewissermaßen zu übersehen geneigt sein werden. Ich habe nicht elegant sein wollen. Mein Zweck war, deutlich und verständlich zu sein. Nur darauf habe ich meine Aufmerksamkeit eingeschränkt. Ich hoffe also Nachsicht zu finden, falls mir minder wichtige Fehler entwischt sein sollten. Die Karte, worauf unsre Entdeckungen und die Umseglungs-Linie gezeichnet worden, habe ich mit dem größten Fleiß nach den richtigsten Materialien, die am Rande angezeigt sind, entworfen *). Damit auch das deutsche Publicum neben meiner Be

*) Man hat geglaubt, die verschiedenen Karten, die den Forsterschen Schriften beigegeben sind, in dieser Ausgabe weglassen zu dürfen, weil das Bedürfniß, das bei der ersten Erscheinung derselben obwaltete, bei dem heutigen Stande der Erdkunde wegfällt. A. d. Herausg.

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schreibung gegenwärtiger Reise, zugleich des Capitain Cooks Nachs richten von derselben, ohne ausdrückliche Kosten, mit benuhen möchte, so habe ich aus leßteren das Wichtigste hier in der deutschen Ausgabe eingeschaltet. Diese Zusäße betreffen jedoch, einen Theil der Einleitung ausgenommen, nur etliche wenige Vorfälle, von denen ich entweder nicht selbst Zeuge gewesen war, oder die ich aus einem andern Gesichtspunkt angesehen hatte. 3um Unterschied find alle diese Stellen mit folgendem Zeichen "bemerkt. Durch diese Verfügung habe ich meinen Landsleuten einen Dienst zu leisten gesucht, dessen das überreiche englische Publikum nicht bedurfte. Nunmehr könnte ich diese Vorrede füglich schließen, wenn es mir nicht der Mühe werth dünkte, dem Leser noch einige Nachricht von der Erziehung und Ausstattung mitzutheilen, welche man dem Tahitier O-Maï in England hat widerfahren lassen *). In dem engen Bezirk einer Vorrede kann ich aber nur mit wenigen Worten andeuten, was allenfalls zu einem ganzen Bande Stoff gåbe, wenn es mir jemals einkommen sollte, das gute Korn der Philosophie von seiner Spreu zu schwingen! - Maï ward in England für sehr dumm oder auch für besonders gescheut angesehen, je nachdem die Leute selbst beschaffen waren, die von ihm urtheilten. Seine Sprache, die keine rauhen Mitlauter hat, und in welcher sich alle Worte mit einem Vocal endigen, hatte seine Organe so wenig geläufig gemacht, daß er ganz unfähig war, die mehr zusammengeseßten englischen Töne hervorzubringen: dieser physische oder vielmehr Gewohnheits-Fehler ward aber oft unrecht ausgelegt. Kaum war er in England angekommen, so ward er in große Gesellschaften geführt, mit den schimmernden Lustbarkeiten der wollůftigen Hauptstadt bekannt gemacht, und im glänzenden Kreise des höchsten Adels bei Hofe vorgestellt. Natürlicherweise ahmte er jene ungezwungene Höflichkeit nach, die an allen diesen Or ten üblich und eine der größten Zierden des geselligen Lebens ist; die Manieren, Beschäftigungen und Ergöglichkeiten seiner neuen Gesellschafter wurden auch die feinigen, und gaben ihm häufige Gelegenheit seinen schnellen Verstand und lebhafte Einbildungskraft sehen zu lassen. Um von seinen Fähigkeiten eine

*) Man hat seinen Namen bisher unrichtig Dmiah genannt. Cap tain Fourneaux brachte ihn in der Adventure nach England, ein More= res von ihm sehe man im sechsten Cap.

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Probe anzuführen, darf ich nur erwähnen, daß er es im Schachspiel sehr weit gebracht. Er konnte aber seine Aufmerksamkeit nicht besonders auf Sachen richten, die ihm und seinen Landsleuten bei seiner Rückkehr hätten nüßlich werden können: die Mannigfaltigkeit der Gegenstände verhinderte ihn daran. Keine allgemeine Vorstellung unseres civilisirten Systems wollte ihm in den Kopf; und folglich wußte er auch die Vorzüge desselben nicht zum Nußen und zur Besserung seines Vaterlandes anzuwenden. Schönheit, Symmetrie, Wohlklang und Pracht bezauberten wechselsweise seine Sinne; diese wollten befriedigt sein, und er war gewohnt ihrem Ruf zu gehorchen. Der beständige Schwindel des Genusses ließ ihm keinen Augenblick Zeit auf das Künftige zu denken; und da er nicht von wahrem Genie belebt war, wie Tupaia, der an seiner Stelle gewiß nach einem festgesetten Plane gehandelt hätte, so blieb sein Verstand immer unbebauet. Zwar mag er wohl öfters gewünscht haben, von unferm Ackerbau, unsern Künsten und Manufacturen einige Kenntniß zu bekommen; allein es fand sich kein freundschaftlicher Mentor, der diesen Wunsch zu befriedigen, ja was noch mehr, der seinen moralischen Character zu verbessern, ihm unsre erhabnen. Begriffe von Tugend, und die göttlichen Grundsäge der geoffenbarten Religion beizubringen gesucht hätte. Nachdem er fast zwei Jahre in England zugebracht, die Blattern-Impfung glücklich überstanden hatte, kehrte er unter Führung des Capitain Cook, der im Julius 1776 auf dem Schiffe Resolution von neuem aus Plymouth absegelte, wieder nach Tahiti zurück. Bei dieser Gelegenheit zeigte sichs, daß, aller der sittenlosen Vergnůgungen ungeachtet, denen er in unserm geselligen Welttheil nicht hatte ausweichen können, die guten Eigenschaften seines Herzens doch noch unverderbt geblieben waren. Beim Abschiede von sei nen Freunden entflossen ihm Thränen; und sein ganzes äußeres Betragen verrieth eine große Gemüthsbewegung. Man überhäufte ihn bei seiner Abreise mit einer unsäglichen Menge Kleider, Zierrath und andern Kleinigkeiten, dergleichen täglich zu Befriedigung unsrer erkünstelten Bedürfnisse erfunden werden. Seine Beurtheilungskraft war noch kindisch; daher verlangte er auch, wie ein Kind, nach allem, was er sah, und vorzüglich nach Dingen, die ihn durch irgend eine unerwartete Wirkung vergnügt hetten. Diese kindischen Triebe zu befriedigen, (denn aus bessern Absichten konnte es wohl nicht geschehen) gab man ihm eine

Dreh-Orgel, eine Elektrisir - Maschine, ein Panzer-Hemd und eine Ritter-Rüstung. Vielleicht erwarten hier meine Leser, daß er nebst diesen auch einige Dinge von wahrem Nußen für seine Insel mitgenommen. Ich erwartete eben dasselbe, allein meine Hoffnung ward getäuscht! Sein Vaterland wird von den Engländern keinen Bürger zurücknehmen, dessen erweiterte Kenntniß, oder mitgebrachte brauchbare Geschenke, ihn zum Wohlthäter, vielleicht zum Gesetzgeber seines Volks machen könnten. In Ermangelung dessen können wir uns jedoch einigermaßen damit trösten, daß das Schiff, auf welchem er zurückgeschickt worden, den harmlosen Tahitiern ein Geschenk von Hornvieh bringen soll. Diese guten Leute müssen unfehlbar durch die Einführung von Ochsen und Schafen auf ihrer fruchtbaren Insel glücklicher werden; ja durch viele aufeinander folgende Umstände, kann dies Geschenk dereinst den Grund zu moralischen Verbesserungen ge= ben. Aus diesem Gesichtspunkte ist unsre vorige Reise wichtig, und würde unsern Beschüßern Ehre bringen, wenn sie auch kein anderes Verdienst hätte, denn daß wir Ziegen. auf Tahiti, Hunde auf den freundschaftlichen Inseln und Neuen Hebriden, und Schweine auf Neu-Seeland und Neu- Caledonien zurückgelassen haben. Es wäre gewiß sehr zu wünschen, daß dergleichen Entdeckungs-Reisen mit so wohlthätigen und wahrhaft nüßlichen Absichten noch ferner fortgesetzt würden *); zumal da noch selbst in der Südsee viel zu thun ist: Allein wer weiß, ob Neid und Eigennut nicht durchdringen, und die großmüthigen Unterneh= mungen eines Monarchen, der die Musen schüßt, vereiteln werden. Eine einzige Bemerkung, die von großem Nußen für die Nachwelt ist; nur Ein Vorfall, der unsre Mitmenschen in jenem entfernten Welttheil glücklich macht, vergilt warlich alle Mühseligkeiten der Seefahrt, und schenkt den großen Lohn, das Bewußtsein guter und edler Handlungen!

London, den 24. März 1777.

Georg Forster.

*) Auch von Seiten der Unkosten stehen einem solchen Wunsche keine besondere Schwierigkeiten im Wege; denn die ganze Ausrüstung unsrer ieşten Reise um die Welt, den Ankauf beider Schiffe, und alle Nebenausgaben mitgerechnet, betrug nicht mehr als 25000 Pfund Sterling, welches für die englische Nation eine Kleinigkeit ist.

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