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teratur in Rom. Der wichtigste Grund war vielmehr, dass die Entwicklung aller individuellen Kräfte zu sehr beschränkt war. Es gab für das einzelne Individuum keine Religion, keine Philosophie, lange Zeit keine Geschichte 1), Alles, was in dieser Richtung geschah, hatte nur das Interesse des Staates im Auge! Die nothwendige Folge davon war, dass in diesem Leben der politische oder praktische Verstand einseitig ausgebildet, Gemüth, Phantasie und Herz gänzlich vernachlässigt wurden 2). Daher die unersättliche Begier nach Einfluss und Reichthum, daher die sittliche Verkommenheit in den höchsten Ständen 3); daher aber auch wieder die Erscheinung, dass die wenigen Dichter, welche die lateinische Litteratur aufzuweisen hat, nicht in Rom geboren waren 4). Und fand sich auch endlich in den höheren Kreisen Roms ein Publikum, welches Geschmack fand an Kunst und Litteratur, so war das Interesse doch vorwiegend nach Griechenland gerichtet). Wollte ein römischer Dichter diese Klasse der

1) Es ist wahrlich nicht blos Schmeichelei, wenn Cicero (Acad. II lib. I § 9) an M. Terentius Varro schreibt: Nam nos in nostra urbe peregrinantis errantisque tamquam hospites tui libri quasi domum reduxerunt, ut possemus aliquando qui et ubi essemus agnoscere. Tu aetatem patriae, tu descriptiones temporum, tu sacrorum iura, tu sacerdotum, tu domesticam, tu bellicam disciplinam, tu sedem regionum locorum, tu omnium divinarum humanarumque rerum nomina, genera, officia, causas aperuisti plurimumque idem poetis nostris omninoque Latinis et litteris luminis et verbis attulisti.

2) Diesen Punkt berührt Hor. ars 323-26: Grais ingenium, Grais dedit ore rotundo Musa loqui, praeter laudem nullius avaris. Romani pueri longis rationibus assem discunt in partis centum diducere. Dazu die Charakteristik der altrömischen Thätigkeit Ep. II, 1, 103-107:

Romae dulce diu fuit et sollemne reclusa
mane domo vigilare, clienti promere iura,
cautos nominibus rectis expendere nummos,
maiores audire, minori dicere, per quae
crescere res posset, minui damnosa libido.

3) Ausser den Prooemien Sallust's vgl. die Rede des Marius (Jug. 85): atque scio, Quirites, qui, postquam consules facti sunt, et acta maiorum et Graecorum militaria praecepta legere coeperint: praeposteri homiNe illi falsi sunt, qui divorsissimas res pariter exspectant, ignaviae voluptatem et praemia virtutis.

nes!

4) Merkwürdig ist es, dass besonders die provincia Gallia cisalpina, nachdem das Land latinisirt worden war, sehr reich war an litterarischen Talenten. Vgl. Mommsen, R. G. I, 674 sq. Ueber die künstlerische Begabung der Italier überhaupt vgl. Mommsen, R. G. I, 223 sq.

5) Daher heisst doctus der Kenner der griechischen Lit

Gesellschaft befriedigen, so musste er sich die fertige Form der griechischen Poesie zum Muster nehmen 1).

Nun aber bestand Rom bald nur aus Reichen und Armen. Die ärmere Klasse, welche von der Ausnutzung ihres souveränen Stimmrechtes lebte, hatte weder für Kunst noch für Litteratur Sinn oder Verständniss. Auf die Theilnahme und den Beifall der grossen Masse des Volkes konnte daher ein Dichter in Rom nicht rechnen2). Auch dieser Uebelstand, welcher nicht minder der deutschen Litteratur gefährlich wurde, hatte zur nothwendigen Folge, dass die römische Poesie vorwiegend gelehrt werden musste 3).

Endlich hatte das römische Volk keine nationalen Mythen. Das Wenige, was in der Tradition fortlebte, war längst von griechischen Sagen durchflochten, ehe noch die römische Litteratur sich geltend machen und von der nationalen Sage Nutzen ziehen konnte 4). Dieser Mangel muss als der wichtigste Grund angesehen werden, weshalb die römische Poesie nie volksthümlich werden konnte 5). Der einzige Stoff, welcher den späteren Dich

teratur, z. B. Cic. Off. I, 1: Quam quidem ad rem nos, ut videmur, magnum attulimus adiumentum hominibus nostris, ut non modo Graecarum litterarum rudes, sed etiam docti aliquantum se arbitrentur adeptos et ad dicendum et ad iudicandum. Vgl. Naeg. Stil. p. 19 sq.

1) Vgl. Hor. ars 73 sqq. Dazu Ep. II, 1, 187: verum equiti quoque iam migravit ab aure voluptas omnis ad incertos oculos et gaudia vana. quattuor aut pluris aulaea premuntur in horas, dum fugiunt equitum turmae peditumque catervae. Vgl. ibid. 50—62.

2) Hor. Ep. II, 1, 185: media inter carmina poscunt aut ursum aut pugiles: his nam plebecula gaudet.

3) Daher der Ausdruck bei Hor. Ep. II, 1, 107: scribimus indocti doctique poëmata passim; daher die Aufforderung (ars 268): vos exemplaria Graeca nocturna versate manu, versate diurna; daher die Wendung (Carm. I, 1, 29): me doctarum ederae praemia frontium dis miscent superis, me gelidum nemus Nympharumque leves cum Satyris chori secernunt populo.

4) Eine seltsame Verknüpfung griechischer und altitalischer Sagen findet man z. B. in dem Mythus von Virbius bei Verg. Aen. VII, 761— 782. Aber auch die Aeneassage selbst besteht aus einer wunderlichen Mischung griechischer und latinischer Sagen. Vgl. Schwegler, Röm. Gesch. I, 212 sqq. Und hierin hatte Vergil bereits den Naevius und Ennius zum Vorgänger, vgl. Schwegler I, 84-87.

5) Es soll natürlich damit nicht gesagt werden, dass es an altlatinischen und sabinischen Mythen überhaupt fehlte, aber nur Weniges war poetisch ausgeprägt und gestaltet. Was wissen wir z. B. von dem

tern der Republik verblieb, waren die grossen Thaten der in der Geschichte gefeierten Helden Roms, denen Rom selbst seine Grösse verdankte. Dieser Stoff war freilich überreich und unerschöpflich1), aber es fehlte zur Ausnützung desselben die Form. Griechische Rhetoren und Dichter mussten erst den Inhalt der römischen Geschichte flüssig machen, dann erst konnte von ihnen angeregt eine römische Litteratur entstehen.

II.

Aber der Einfluss und die Macht des griechischen Geistes war zu gewaltig, zu umfassend und durchdringend 2), als dass er sich nur auf eine Anregung hätte beschränken können, vielmehr schlug er die römische Litteratur für immer in seine Fesseln, die Abhängigkeit wurde eine dauernde. Es ist darum gewiss nicht übertrieben, wenn Horaz von der griechischen Litteratur rühmt:

Graecia capta ferum victorem cepit et artis
intulit agresti Latio. sic horridus ille

altsabinischen Gotte Semo Sancus (Preller, Myth. d. Röm. p. 633 sq.)? Nichts, als dass er ein Gott der Fruchtbarkeit war. Und warum hatten die Römer keine lebendige Vorstellung durch die Sage? Weil ihnen ein Homer fehlte und schon frühzeitig der griechische Herkules den Sancus verdrängt hatte, Varro de l. lat. V § 66. Man sieht hieraus, was es zu bedeuten hat, wenn Herodot von Homer und Hesiod rühmt (ΙΙ, 53): οὗτοι δέ εἰςι οἱ ποιήσαντες θεογονίαν Ἕλλησι καὶ τοῖς θεοῖςι τὰς ἐπωνυμίας δόντες καὶ τιμάς τε καὶ τέχνας διελόντες καὶ εἴδεα αὐτῶν σημήναντες. Die Darstellung der Götter, οἷοί τέ τινές εἰς τὰ eidea, ist gewiss das Wichtigste. Die römische Litteratur musste deshalb aus Mangel an nationalen Sagen immer aus der unversieglichen Quelle der griechischen Mythen schöpfen. Vgl. Fr. Schlegel, Werke 1, 70: „Die römische Litteratur trifft der Vorwurf, die eigene alte vaterländische Nationalsage vernachlässigt zu haben." Aber fanden denn die Dichter wirklich eine ausgebildete Sage vor?

1) Es benützten diesen Stoff Naevius, Ennius, zum Theil Vergilius, Horatius und Propertius, besonders aber Ovidius in den unvollendeten Fasti.

2) Vgl. Hor. ars 52: et nova fictaque nuper habebant verba fidem, si Graeco fonte cadent, parce detorta. Also selbst der Sprachschatz und die syntaktische Entwicklung der Sprache wird vom Gricchischen abhängig. Vgl. Fr. Schlegel, Werke I, 74.

defluxit numerus Saturnius et grave virus

munditiae pepulere.

Die einzige Form der poetischen Darstellungsweise, welche Latium hatte, der Saturnische Rhythmus 1) wurde verdrängt und an seine Stelle trat der dactylische Hexameter, der Iambus und Trochäus, doch so, dass der Hexameter in der römischen Poesie auf die Dauer das Uebergewicht erhielt 2). Es wird erzählt, dass M. Porcius Cato Censorius die griechischen Philosophen, Rhetoren und Dichter aus Rom verbannt wissen wollte und immer als Feind aller griechischen Bildung auftrat. Dass er dieser selbst nicht fremd war und nicht erst im hohen Alter die griechische Sprache zu erlernen nöthig hatte3), ist jetzt allgemein anerkannt, seine vielseitige Thätigkeit auf allen Gebieten der prosaischen Litteratur gibt dafür den besten Beweis 4). Aber fast scheint es, als ob dieser grosse Mann mit seinem praktischen Scharfblick die Gefahr erkannte, welche Rom drohte von der einseitigen und zugleich überwältigenden Macht griechischer Bildung und Litteratur. Er verschmähte gewiss nicht Alles, was von Griechenland nach Rom kam, aber er wünschte dem römischen Geiste eine eigene, selbständige Entwicklung 5). Und wie war diese möglich, wenn sie sofort nach ihrem ersten Eintritt ins Leben von der griechischen

1) Vgl. das lichte und klare Büchlein von K. Bartsch, der Saturnische Vers und die altdeutsche Langzeile. Lpz. bei Teubner 1867.

2) Vgl. über Ennius und Klopstock L. Müller, de re metrica poet. Lat. p. 69. Die Kunstrichtung der röm. Daktyliker cf. ibid. p. 135 sq. Fr. Schlegel, Werke I, 77.

3) Cicero (Acad. II, 2, 5) sagt nur: Catonem Graecas litteras in senectute didicisse accepi. Vgl. de sen. § 26.

4) Cic. de Or. III § 135: Quid ei praeter hanc politissimam doctrinam transmarinam atque adventiciam defuit? Am schärfsten Liv. 39, 40, vgl. Quellenb. der Röm. Gesch. III, 22.

5) Dies sieht man daraus, dass er in seinen Origines das Vorhandensein altrömischer Nationallieder, wie es scheint, wiederholt betonte, dagegen die poëtae (d. h. die griechisch gebildeten Dichter im Gegensatz zu den bereits verächtlich gewordenen altrömischen vates, cf. L. Müller p. 65) geringschätzig behandelte. Vgl. Cic. Tusc. I, 2, 3: Sero igitur a nostris poëtae vel cogniti vel recepti. quamquam est in Originibus, solitos esse in epulis canere convivas ad tibicinem de clarorum hominum virtutibus. honorem tamen huic generi (i. e. der neuen, modernen Dichter) non fuisse, declarat oratio Catonis, in qua obiecit ut probrum M. Fulvio Nobiliori, quod is in provinciam poëtas duxisset; duxerat autem consul ille in Aetoliam (189), ut scimus, Ennium,

Amme ernährt und gepflegt wurde?

Es war fast dasselbe Verhältniss, wie wenn ein Kind bald nach seiner Geburt in ein fremdredendes Land kommt: es lernt die fremde Sprache vielleicht sehr fertig, aber den seelenvollen Klang der Muttersprache vernimmt es nie1).

So kam es, dass mit der alten nationalen Form bald auch die römische Litteratur den einheimischen Gehalt verlor. Die wunderbare Geburt und Schicksale des Romulus, der Raub der Sabinischen Frauen, der sagenhafte Kampf der Horatier und Curiatier, dann wieder der Uebermuth der Tarquinier, das Unglück und der Tod der Lucretia, die Rache und Befreiung durch Brutus, Porsina's wunderbarer Krieg nebst der Standhaftigkeit des Scaevola, späterhin noch die Verbannung des Coriolan, sein Kampf gegen die Vaterstadt, und wie endlich in dem inneren Zwiespalt seiner Heldenseele die Gegenwart der Mutter und der Gedanke an Rom gesiegt, ja die ganze Geschichte bis herab auf Camillus 2), das Alles war ein passender Sagenstoff für eine nationale Poesie und war auch in alten Liedern vielfach benützt worden 3), aber sobald als die Griechen sich in Rom eindrängen, wird das Band, welches Alterthum und Neuzeit verknüpfte, zerrissen, man vergisst die römische Heldensage oder überlässt sie der Geschichtschreibung und wendet sich dem Homerischen und Kyklischen Sagenkreise zu1). Da nun dieselben mythologischen Namen, Beziehungen und Andeutungen von den Dichtern immer und immer wiederholt wurden, so suchte man den Reiz der Neuheit bald darin, dass man gewöhnliche Begriffe nach ganz besonderen und vereinzelten mythologischen Beziehungen ausdrückte 5). Dieses

1) Man vergegenwärtige sich die Schriftsteller der Deutschen, welche in der Abhängigkeit der französischen Manier waren. Lessing, Hamb. Dramaturgie.

2) Vgl. Niebuhr, Röm. Gesch. I, 283 sq.

3) Niebuhr, R. G. I, 284. Cic. Tusc. I, 2, 3. IV, 2, 3. Brut. § 75. de Or. III § 197. de legg. II § 62. Hor. IV, 15, 29:

virtute functos more patrum duces

Lydis remixto carmine tibiis

Troiamque et Anchisen et almae

progeniem Veneris canemus (i. e. Aenean × Augustum).

4) Erst als Vergil wieder den Versuch mit der griechisch-römischen Nationalsage gemacht, beginnt Ovid in den Fastis wieder auf die alten römischen Lieder zurückzugehen.

5) Hierher gehören schon bei Vergil Wendungen wie Aen. IV, Gryneus Apollo.

345:

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