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Verderben, die Sittenlosigkeit 14), Feilheit, die unersättliche Bereicherungswut, die um nichts sich kümmerte, über Gesetze, Senatsbefehle, Staatsprozesse frech sich hinwegsetzte, eigenmächtig Krieg führte, ohne Erlaubnis Triumphe feierte, die Provinzen aussog, die Bundesgenossen beraubte. Schimpfliche Verträge und Friedensschlüsse werden immer häufiger. Statt früher durch Tüchtigkeit (virtus) vergrößert sich jetzt Rom durch Hinterlist, Treulosigkeit und Ränke seiner Staatsmänner. Eine gewisse Bildung verbreitet sich freilich allmählich auch über die Masse: schon die vielen griechischen Fremdwörter bei Plautus (und Ennius) zeugen hierfür 15), und daß die ludi scenici immer mehr das Übergewicht gewinnen über die circenses.16) Aber was in den dramatischen Spielen dem Volke hauptsächlich geboten wurde, die Stücke der palliata, konnte zur Bewahrung der alten Sittenstrenge nichts beitragen.17)

92. Was das sechste Jahrhundert gereift hatte, das vollendete das siebente; schon das J. 608/146 brachte Karthagos und Korinths Zerstörung. Mit Karthago war eine Mahnerin zu fortgesetzter kriegerischer Bereitschaft für immer verstummt. Weitsichtiger als der alte Eiferer Cato beweinte der welcher sie zerstören mußte selbst ihren Fall; Korinths Untergang und die Vernichtung der hellenischen Selbständigkeit trieb die Hellenen scharenweise nach Rom, um dort Ersatz zu finden für die verlorene Heimat. Mit dem eigentümlich römischen Wesen war es jetzt für immer zu Ende: Graecia capta ferum victorem cepit. Aus dem sechsten Jahrhundert herüber ragt in das siebente herein die edle Gestalt des jüngeren Africanus (569/185

14) Vgl. PoLYв. 31, 24 und bes. 32, 11 (p. 1096 Bk.).

15) MOMMSEN, RG. 19, 877. - FOWEISE, d. griech. Wörter im Lat., Lpz. 1882; RhM. 38, 547. GASAALFELD, Tensaurus italo- graecus, Wien 1884 u. a.

16) Am Ende der Republik waren jährlich 66 Tage mit Festen besetzt: darunter 2 Tage mit Festmahlen (epula), 16 Tage mit ludi circenses (und Vorbereitungen), aber 48 Tage mit ludi scenici. Im Kalender vom J. 354 n. Chr. (§ 74, 8) sind verzeichnet 175 Spieltage, darunter 10 Gladiatorentage, 64 circensische, aber 101 szenische. MOMMSEN, CIL. 1, p. 378. FRIEDLÄNDER, SG. 25, 272.

17) Gelegentlich trat unverkennbar zu Tage daß diese Bildung wie ein leichter Firnis von selbst abfiel sobald man sich gehen ließ, vgl. zB. POLYB. 30, 13 (aus ATHEN. 14, p. 615) vom J. 587/167.

625/129), des Freundes von Panaitios und Polybios; um ihn sammelt sich alles was nicht untergehen will in dem Strome des Eigennutzes, der Geldgier und Sittenlosigkeit: von Altersgenossen (außer Terenz) sein Bruder Q. Fabius Maximus (Cos. 609/145), sein Schwager Q. Aelius Tubero, M'. Manilius (Cos. 605/149), der jüngere Laelius (Cos. 614/140), D. Iunius Brutus (Cos. 616/138), L. Furius Philus (Cos. 618/136), Sp. Mummius, Sex. Pompeius, P. Rupilius (Cos. 622/132), C. Lucilius (geb. 574/180); von jüngeren Männern die Schwiegersöhne des Laelius, C. Fannius und Q. Mucius, sowie der jüngere Tubero, P. Rutilius, A. Verginius u. a.) Aber je stärker der Gegensatz war in welchem das Denken und Tun dieses Kreises zu der herrschenden Richtung stand, desto mehr gerieten sie in aristokratische Absonderung hinein, desto geringer wurde ihr Einfluß.

Der Bankrott der Nobilität, die Fäulnis der höheren Stände tritt zu Tage im numantinischen Kriege (J. 611/143 - 621/133) und regt die Gracchen (J. 621/133631/123) zu ihren Anstrengungen auf; er bekundet sich grell im jugurthinischen Kriege (J. 643/111-648/106) und macht es der rohen Kraft des geistig wenig bedeutenden Marius möglich wunderbare Erfolge zu gewinnen. Damit daß er griechisch nicht versteht bildet dieser bereits eine Ausnahme in seiner Zeit), ohnehin von der regierenden Klasse); schon die Aufführung griechischer Stücke zu Rom in griechischer Sprache zeigt die Verbreitung dieser Kenntnis. Manche Inschriften aus dieser Zeit sind in beiden Sprachen verfaßt, und die Römer, früher in der palliata sich selbst als barbari mitbezeichnend, teilen jetzt mit den Griechen die Herrschaft, sie auf dem Gebiete der Politik, die Griechen auf dem der Bildung. Die römischen Schriftsteller der Zeit erkennen das Übergewicht der griechischen Literatur an, die einen indem sie auf Wetteifer in der Form Verzicht leisten, wie Lucilius, andere indem sie Sauberkeit und Glätte in zunehmendem Maße erstreben, wie L. Accius; manche lassen sich durch blinde Nachahmung sogar ins Tändelnde führen, wie die erotischen Epigrammatiker. Die politischen Verhältnisse bewirken zunehmende Ausdehnung und Verfeinerung der Volkslustbarkeiten.) Fort

1) Vgl. Cic. Lael. 101.

2) SALL. Iug. 85, 32.

3) P. Crassus, Cos. 623/131, versteht fünf griechische Dialekte, s. § 133, 5 E.

4) Vgl. § 12, 2. Vereinzelt und wirkungslos war der Reaktionsversuch der Censoren des Jahrs 639/115; s. § 9, 7.

während überwiegt daher auch in der Literatur das Drama. Die Tragödie hat im siebenten Jahrhundert an L. Accius einen achtbaren Vertreter; innerhalb der Komödie lösen sich palliata, togata, kunstmäßige Atellane und kunstmäßiger Mimus in rascher Folge ab, zeigen aber eben in dieser Stufenfolge ein immer tieferes Herabsteigen zum Geschmacke der Masse, zur plebejischen Posse und zu gemeinem Siunenkitzel. Das Epos zehrt noch an dem Aufschwunge den es nach der Mitte des sechsten Jahrhunderts (in Naevius und Ennius) genommen und findet in der Gegenwart keinen Antrieb zu neuem Aufblühen. Überhaupt war außerhalb des Dramas der Trieb zur Dichtung fast erloschen; kaum daß Lucilius und jene Erotiker eine Ausnahme machen. Der Nation als solcher fehlte es an dichterischem Vermögen und Streben, und die inneren Unruhen ließen es auch zu keiner Sammlung kommen. Dagegen Geschichtschreibung, Beredsamkeit und Rechtskunde wachsen in der Treibhaushitze der politischen Kämpfe rasch an Umfang und Gehalt. Unter den Geschichtschreibern sind die bemerkenswertesten im siebenten Jahrhundert d. St. Piso Frugi, Antipater, Asellio, weiterhin die jüngsten Vertreter der Annalistik, Valerius Antias, Sisenna und Licinius Macer. Die glänzendsten Redner sind, nächst C. Gracchus, M. Antonius und L. Crassus. Die Jurisprudenz ist durch die beiden Q. Scaevola, Augur und Pontifex, am besten vertreten. Die Forschung wird von der Mitte des siebenten Jahrhunderts an emsig nach allen Seiten hin betrieben, in Prosa wie in gebundener Form, meist zwar nicht von eigentlichen Römern, außer L. Aelius Stilo.

93. In Bezug auf Sprache und Metrik sind die beiden Jahrhunderte eine Zeit lebendigster Entwicklung und schließen schon alle drei Stufen in sich durch welche die Geschichte der römischen Poesie überhaupt verlief, die des Saturnius, der szenischen und der daktylischen Dichter. Schon im sechsten Jahrhundert d. St. war das Lateinische auf dem Wege in umbrische Stumpfheit zu verfallen, die Flexionsformen zu trüben, die Deklination einzubüßen und so schon jetzt gleichsam auf die Stufe einer romanischen Sprache zu gelangen. Das Altlatein hatte eine starke Neigung die Vokallängen (namentlich im Auslaute) zu verkürzen. Der Hochton bewirkte häufig infolge der Hervorhebung der dadurch gesteigerten Silbe ein Zurücktreten

und Abschwächen der umgebenden natur- oder positionslangen Silben bis zu deren Verkürzung. Namentlich erzwang bei Wörtern und Wortverbindungen iambischer Quantität die hochbetonte kurze Silbe die Verkürzung auch der langen. Die auslautenden Konsonanten wurden in der Aussprache verdunkelt und mehr und mehr unhörbar. Die Nasenlaute verschmolzen gern mit dem folgenden Vokale und verflüchtigten sich. Endlich wurden vielgebrauchte kleine Wörter durch gewalttätige, oft nur andeutende Aussprache abgeschliffen. Die ältesten Dichter, besonders Plautus und die übrigen szenischen, mit dem freinden Stoffe kämpfend und für die Masse des Volks schreibend, nutzten gern die Bequemlichkeiten, welche ihnen für ihre Verse diese schwankende Aussprache des gewöhnlichen Lebens darbot. Auch in metrischer Beziehung ließen sie sich gehen: gegen den Hiatus zeigten sie geringe Empfindlichkeit, in die Verssenkungen (außer der letzten) stellten sie unbedenklich kurze oder lange Silben, ja der Saturnier gestattete es Hebungen ganz zu unterdrücken: eine Freiheit welche freilich die szenischen Dichter, durch ihre griechischen Vorbilder geleitet, nicht wagten. Auch die Alliteration brauchten sie mit Vorliebe zur Verkettung und zum Schmuck der Rede.1)

Erst Ennius hat in jenen Punkten sich größerer Strenge beflissen. Zwar auslautendes S hat auch er für die Silbenmessung unberücksichtigt gelassen; es war demnach schon in seiner Zeit vor Konsonanten stark verdumpft; erst gegen Ende der Republik wurde es wieder von der formstrengen Dichterschule als voller Laut anerkannt. Aber in allem übrigen hat Ennius der Unbestimmtheit und Regellosigkeit sich entgegengestellt, indem er die sorgfältige Aussprache der Stadtrömer verhörend jedem Laute sein Recht verschaffte und jede Silbe nach ihrer Geltung in eine der beiden Gattungen Lang oder Kurz einreihte.) Im Zusammenhang damit erhielt auch die Senkung

1) Selbst die spätere Kunstdichtung hat die auch in prosaischen Wendungen stets beliebt gebliebene Alliteration nicht verschmäht. Neuere Literatur: WEBRARD, d. Allitt. in d. lat. Spr., Bayr. 1882. CBOETTICHER, de allitt. ap. Rom. vi et usu, Berl. 1884. HJORDAN, Beitr. z. Gesch. d. lat. Spr. (Berl. 1879) 167. EWÖLFFLIN, d. allitter. Verbindd. d. lat. Spr., Münch. SBer. 1882 2, 1. GLANDGRAF, de figuris etymologicis lat., Acta Erl. 2, 1. JBINZ, Phil. 44, 262; anderes s. bei den einzelnen Schriftstellern.

2) An Vergewaltigung des sprachlichen Stoffs oder Eigenmächtigkeit des Ennius in dessen prosodischer Gestaltung darf man nicht denken. Vielmehr rettete er in einem Übergangszustand der Entwicklung die Sprache

ihre feste Regelung, und der Hiatus wurde grundsätzlich vermieden. Diese neue Silbenmessung wurde dadurch veranlaßt daß Ennius ein in der römischen Literatur neues Maß eingeführt hatte, den daktylischen Hexameter der Griechen. Freilich erstreckte sich der Einfluß jenes nur auf die Schriftsprache und die nach dieser sich modelnde Sprache der Gebildeten; die kunstlose Übung des gewöhnlichen Lebens ging daneben noch geraume Zeit ihre eigenen alten Wege fort.3) Nicht nur daß der Saturnius auch nach Einführung des Hexameters noch eine gute Weile fortgebraucht wurde: auch eine Art von Vulgärmetrik bestand noch im siebenten Jahrhundert, welche sich zwar des Hexameters bediente, auf diesen aber die prosodischen Freiheiten der szenischen Dichter des sechsten Jahrhunderts übertrug und namentlich die Auflösung der Hebungen beibehielt; so in der Inschrift des Mummius (§ 163, 8) und den sog. sortes Praenestinae.1) Aber Ennius hat das Verdienst den drohenden Verfall der Sprachform wenigstens für das Schriftlatein auf mehrere Jahrhunderte aufgehalten zu haben.

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Wie die Sprachform selbst in dieser Zeit festgestellt wurde, so auch deren Wiedergabe durch die Schrift. Das lateinische Alphabet) stammt von dem griechischen der chalkidischen vor frühzeitiger Verwilderung, für welche die älteren Dichter durch Zulassung der Freiheiten der Volkssprache vorgearbeitet hatten. - Die Quantität der Silben hatte das Volk kraft seines untrüglichen Sprachgefühls inne, nicht etwa schulmäßig belehrt: Cic. de orat. 3,195 omnes tacito quodam sensu sine ulla arte aut ratione quae sint in artibus ac rationibus recta ac prava diiudicant, idque ostendunt magis in verborum numerorum vocumque iudicio, quod ea sunt in communibus infixa sensibus nec earum rerum quemquam funditus natura esse voluit expertem. itaque non solum verbis arte positis moventur omnes, verum etiam numeris ac vocibus. quotus enim quisque est qui teneat artem numerorum ac modorum? at in his si paullum modo offensum est ut aut contractione brevius fieret aut productione longius, theatra tota reclamant. or. 173 in versu theatra tota exclamant, si fuit una syllaba aut brevior aut longior. nec vero multitudo pedes novit nec ullos numeros tenet nec illud quod offendit aut cur aut in quo offendat intellegit: et tamen omnium longitudinum et brevitatum in sonis sicut acutarum graviumque vocum iudicium ipsa natura in auribus nostris collocavit. parad. 3, 2. 3) Es findet sich zB. Auslassung der Endkonsonanten M und S auf Inschriften noch im ersten Drittel des 7. Jahrh. d. St. GÉDON, écriture et prononciation du Latin savant et du Latin populaire, Par. 1882. ESEELMANN, d. Aussprache des Lat., Heilbr. 1885.

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4) RITSCHL, op. 4, 400. LMÜLLER, d. saturn. Vers 80.

5) Vgl. MOMMSEN, die unteritalischen Dialekte (Lpz. 1850), 3; RG. 1o,

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