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Grundrifs

der

Römischen Litteratur.

Von

G. Bernhardy.

Vierte Bearbeitung.

Braunschweig,

C. A. Schwetschke und Sohn.

(M. Bruhn.)

1865.

Stue stibhuthE

MONCHEN

Vorwort

der zweiten Bearbeitung.

[Halle 1850. XVIII. und 705 S.]

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Indem ich die zweite Bearbeitung dieses Grundrisses abschliefse, bleibt mir übrig in einem kurzen Vorbericht ihr Verhältnifs zur ursprünglichen Gestalt des Werkes *) zu bezeichnen. Zwar wer beide vergleicht, kann schon auf den ersten Blick erkennen dafs von jener wenig mehr als ein leichter Umrifs beibehalten ist; des vergröfserten Umfanges nicht zu gedenken, der doch kaum auffallen mag, wenn man die Sparsamkeit und Kürze des früheren Buches in Betracht zieht. Aber nicht so schnell und sicher wird man die völlige Verschiedenheit der Absichten und Voraussetzungen herauslesen: dieser Punkt ist es eben der mich nöthigt in einige Erklärungen und gewissermafsen in eine Selbstkritik einzugehen.

Als ich vor mehreren Jahren aufgefordert wurde frühzeitig für eine neue Auflage des Grundrisses zu sorgen, lag er mir in weiter Ferne. Kaum war mir von ihm in der Erinnerung mehr verblieben als ein schlichtes Element der litterarhistorischen Forschung und Kombination; denn dieses hatte hier im engeren Raum seine Probe gemacht, ehe es auf einem fruchtbareren Gebiet zur Anwendung kam. Seiner Form und Ausführung dagegen fühlte ich mich längst entfremdet; auch war das Interesse des fragmentarischen Objektes, bei dem allzu selten aus dem vollen sich schöpfen liefs, bald vor jüngeren Studien in Schatten ge

*) Grundrifs der Römischen Litteratur. Halle 1830. XX. und 347 S.

treten. Aus letzteren habe ich früh genug den begangenen Anachronismus erkannt, und wahrgenommen dafs eine reife Geschichte der Römischen Litteratur nicht vor einer wohlbegründeten Geschichte der Griechischen dargestellt werden kann, Nicht gerade weil jene von den Klassikern der Griechen abhängig gewesen oder wir in der modernen Bildung zu wenig Analogien besäfsen, um die uns näher gerückten Römer mit Unbefangenheit zu beurtheiler und den Umfang ihres Ideenkreises auch ungeachtet der unermesslichen Verluste abzuschätzen. Vielmehr enthält die Geschichte der Griechischen Litteratur, da diese den reinsten Organismus ohne Lücken entwickelt hat, die Physiologie und Elementarlehre aller Litteratur; und mag immerhin eine grofse Zahl ihrer Erscheinungen wegen nationaler und individueller Zusätze nur bedingten und selbst blofs historischen Werth behalten, sie bietet doch die höchsten Standpunkte, von denen man wie von Warten einen weiten Stoff überschaut, sie zeigt die Gliederung und die Stelle jeder ächten Redegattung, sie hat, soll man nichts anderes rühmen, einen Reichthum von Mafsstäben für die verschiedensten künstlerischen Gröfsen und belehrt vortrefflich über das Verhältnifs der Formen zu den litterarischen Objekten. Mit ihren Normen werden wir nicht nur das Bruchstück eines Organismus, wie solches in der Römischen Litteratur vorliegt, würdigen und sicher auf seinen Platz rücken, sondern auch unparteilich über die Klassiker derselben urtheilen, welche das Herkommen zu überschätzen gewohnt war, die neueste Zeit wegen der dort abnehmenden Idealität und originalen Kraft gering anschlägt und sehr willkürlich an den Griechen abzumessen pflegt.

Dies war die eine Seite der später gemachten Erfahrungen; andere betrafen die früher gewählte Form und Ausführung des Grundrisses. Er sollte in Ermangelung eines Summariums, das weder trivial noch blofse Chronik wäre, den Gang und Bestand dieser Litteratur, verbunden mit den erheblichsten Belegen aus dem Alterthum und mit bibliographischen Uebersichten, in einer zusammenhängenden Charakteristik vergegenwärtigen aufs kürzeste gesagt, die Skizze von Wolfs Leitfaden zweck- und zeitgemäfs ausfüllen. Auch war er nur der akademischen Jugend, nicht dem lesenden Publikum bestimmt, um jener die Grundzüge des Ganzen einzuprägen und ein me

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thodisches Studium der Quellen anzuregen. Ihn begleitete der stille Wunsch, er möge, wiewohl mehr Umrifs als Lehrbuch, durch stete Nacharbeit und Entwickelung im lebendigen Vortrage berichtigt und fortgeführt, immer befsere Frucht treiben und einen Grad des Ausbaues erlangen, dafs er als Vermächtnifs an ein jüngeres Geschlecht übergehen könne. Dieser Wunsch war keine geringe Täuschung, und man müfste die völlige Veränderung, die das wissenschaftliche Leben auf Universitäten seit Jahren erlitten, mit geringer Aufmerksamkeit beobachtet haben, wollte man von der einst gemüthlichen Tradition der Schule mehr erwarten als vom Einfluss eines abgeschlossenen Buchs. Das Zusammenleben von Meister und Gesellen gehört nun bereits der Vergangenheit an.

Mit einem Worte gedenke ich der Form, welche sich unwillkürlich an die gedrängte Fassung des Stoffes heftete. Letztere war nicht kurz genug um Aphorismen zu gestatten, aber auch zu wenig ausgedehnt um irgendwo zum gemächlichen Ton einzuladen. Wo nun grofse Massen in einen beschränkten Raum zu zwängen sind, wird weder ein voller Strom der Erzählung sich entfalten noch die Stimmung einfach und naiv ausbarren; wo die Charakteristik überwiegt und das Urtheil nicht durch Kompilation sich einsammeln läfst, kann auch der Ausdruck nicht farblos bleiben und jeder individuellen Beimischung sich entäufsern. Vielleicht mochte diese Subjektivität nirgend so sehr in ihrem Rechte sein als in einer Darstellung der Römischen Litteratur, die bisher auf ganzen Strecken und für lange Reihen von Autoren kaltsinnig mit leeren Worten abgefertigt, ja mit kühler Gleichgültigkeit auch in Epochen abgehandelt wurde, wo die litterarische That ein Bedürfnifs des Herzens geworden war. Soweit dürfte die Form des früheren Grundrisses weniger auffallen. Indem aber der Hang alle Grundzüge scharf hervorzuheben und bündig in einem Gesamtbilde zu vereinen auf die Spitzen des bedeutsamsten Ausdrucks trieb, wurde die Diktion künstlich, abstrakt und schwer, ohne den Gedanken in jener Durchsichtigkeit hervortreten zu lassen, welche jeden besonderen Zug fafsbar macht und ihn gestattet für die Klar-. heit der plastischen Anschauung in Flufs zu setzen. Es bleibt stets ein bedenklicher Zwang, wenn man dem Streben nach gedrängter Kürze die Leichtigkeit aufopfert. An diese Klippe

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