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beifügte, widerlegte Graf Raczyński Satz für Satz diese Behauptungen seines verehrten Landtagskollegen.

Wenn auch der verstorbene Erzbischof Wolicki die Absicht, die „Idee" gehabt hätte, den beiden Königen ein Denkmal zu setzen, so hat doch Graf Raczyński die Standbilder der beiden Könige von Rauch ausschliesslich auf seine Kosten anfertigen und aufstellen lassen.

Mit 27 gegen 14 Stimmen verwarf der Landtag auch diesen Schumann'schen Antrag.

Raczyński, der in der uneigennützigsten Weise über eine Million Thaler für gemeinnützige Zwecke aufgewendet hatte, war nicht einen Augenblick zweifelhaft, was er unter so bewandten Umständen zu thun hatte. Er erbot sich, die aus den Sammlungen verwendeten Gelder nebst Zinsen dem Oberpräsidenten zur Verfügung zu stellen.

Aber seine edle Natur fühlte sich durch eine Insinuation tief verletzt, nach welcher man ihn einer Aneignung fremder,,Ideen", einer dem allgemeinen Wunsche nicht entsprechenden Verwendung öffentlicher Gelder, also einer seinem Charakter gänzlich fremden Anmassung, Eitelkeit und des Bruches des allgemeinen Vertrauens zu beschuldigen wagte. Und doch hatten sich unter seinen Landtagskollegen vierzehn gefunden, die für solche Anträge gestimmt hatten.

Ueberdies erfuhr noch Graf Raczyński nachträglich, dass während dieser Landtags-Session ,,Unterschriften gesammelt wurden, um ihn für einen unwürdigen Vertreter des Schrimmer Kreises zu erklären, weil er die (oben bereits erwähnte) Adresse an den König nicht mitunterschreiben wollte." Es fanden sich sogar unter seinen Landsleuten nicht wenige Individuen, die ihn einen ,,Verräther" nannten. Graf Titus Działyński, welcher mit den Vierzehn, wie er hervorhob, nur in der Absicht stimmte, dass der Landtag autorisirt werden sollte, die vom Grafen Raczyński geführten Ausgaberechnungen entgegen nehmen, hielt jene Liste, als sie ihm vorgelegt wurde, zurück, weil er ein solches Verfahren ungesetzlich fand, da jeder Abgeordnete nur nach seinem besten Wissen und Gewissen zu handeln habe. Ihm war es auch nur zu verdanken, dass diese Unwürdigkeitserklärung nicht zu Stande kam.

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Raczyński, der stets ohne Rücksicht auf die für ihn. persönlich ungünstigen Folgen seinen Stammesgenossen

und überhaupt seinen Mitbürgern mit Aufopferung seines Vermögens, seiner physischen und geistigen Kräfte gedient und nie selbstsüchtige Zwecke verfolgt, der unehrenhafter Handlungen vollkommen unfähig war, sollte für ,,unwürdig" erklärt werden, seinen Wahlkreis im Landtage zu vertreten"! Er, der selbst dem Thron gegenüber für seine Stammesgenossen mit Freimuth und Wärme eingetreten, war ein -,,Verräther".

Die Thatsache, dass es unter der Gesammtzahl der Landtagsmitglieder nur vierzehn waren, die ihn so tödtlich verletzten, lässt diesen Vorgang in keinem milderen Lichte erscheinen, da diesen gegenüber, wie erwartet werden durfte, von einer allgemeinen offenen Entrüstung der gesammten polnischen Gesellschaft nichts zu bemerken war. Eine minder edle Natur hätte sich, so grausam im ganzen innersten Wesen verletzt, vielleicht mit Verachtung von denjenigen abgewandt, für die er alles das, was er für gut und erspriesslich hielt, gethan hatte.

Von Undankbarkeit, Missgunst und Hass verfolgt und tief gebeugt, fasste er den unglückseligen Entschluss, seinem Leben ein Ende zu machen! Nachdem er in seiner Gegenwart die Inschrift am Sockel der Standbilder hatte vernichten lassen, begab er sich nach seinem Schlosse Rogalin. Am folgenden Montag, den 20. Jan. 1845, fuhr er nach Zaniemyśl, einem seiner Güter, speiste bei dem dortigen Pfarrer, übergab demselben eine Kassette mit. einem Konvolut seiner wichtigsten Papiere und bat ihn, dieselben bis zu seiner Rückkehr in Verwahrung zu nehmen. Hierauf ging er an den See, auf welchem sich ein englisches, zu Lustfahrten bestimmtes Boot mit einer kleinen Kanone befand. Diese lud er und kniete, wie es scheint, so vor ihr nieder, dass er das Zündloch mit der Lunte erreichen konnte. Der Schuss zerschmetterte ihm den Kopf.

In einem Briefe, den er einige Augenblicke vor seinem Tode an den Pfarrer durch ein Bauernmädchen gesandt harte, bat er denselben, ihm zu verzeihen, dass er seinen Pfarrkindern durch seinen Selbstmord ein so böses Beispiel gegeben, und ihn dort zu begraben, wo er gestorben sei.

Mit ergreifenden Worten nahm er in einem hinterlassenen Briefe Abschied von seiner Gemahlin, der treuen Gefährtin seines Lebens und seines Wirkens. Am 24. Jan. wurde er begraben. Dem höchst einfachen Sarge folgten nur seine nächsten Angehörigen und seine treuesten Diener.

Vermählt war Graf Raczyński mit Konstanze Potocka, einer Tochter des in der polnischen Geschichte namentlich durch die Konföderation von Targowica wohlbekannten Szczęsny (Felix) Potocki, einer Frau von hervorragender Begabung und hoher Bildung. Sie war in erster Ehe mit dem Geschichtsforscher und Archäologen Jean Potocki vermählt gewesen und ging mit Raczyński die zweite Ehe ein, welcher ihr einziger Sohn Roger entspross.

In religiöser Beziehung war Raczyński gläubig und der katholischen Kirche aufrichtig ergeben. Wenn er demnach seinen Glauben durch eine philosophische Weltanschauung zu erweitern, oder zu ersetzen nicht geneigt war, so war er darum nichts weniger als ein Eiferer, oder går intolerant gegen Andersdenkende. Sein einziger Sohn, ein offener Anhänger der Hegelschen Philosophie, unterhielt, wie ihm wohl bekannt war, mit den Schülern Hegels, wie mit Arnold Ruge u. A., freundschaftliche und literarische Verbindungen.

Graf Raczyński, dessen äussere Erscheinung das beigegebene Bildniss ziemlich treu wiedergiebt, war von hoher, schlanker Gestalt und etwas nach vorn gebeugter Haltung. Hochbegabt und von umfassendem Wissen, war er eine zu sehr nach Innen gekehrte Natur als dass er auf sein Aeusseres viel Sorgfalt verwendet hätte. Mässig und einfach in seinen Lebensgewohnheiten war er gastfrei und freigebig gegen seine Freunde und seine Umgebung. Trotz seines stets auf das Gemeinwohl gerichteten Sinnes hatte er eine offene Hand für den einzelnen Nothleidenden und unterstützte im Stillen viele Bedürftige, darunter namentlich solche junge Leute, welche sich wissenschaftlichen Studien widmeten. Es konnte daher auch nicht fehlen, dass sich verschiedene Personen selbst aus weiter Ferne an ihn herandrängten, um seine Freigebigkeit und Opferwilligkeit mehr oder minder geschickt auszubeuten. Selbst wenn er zur Erkenntniss kam, dass er hintergangen werde, nahm er sein einmal gegebenes Versprechen nicht zurück. Er pflegte dann zu sagen, man müsse sein gegebenes Wort mindestens eben so gut halten wie eine vor Notar und Zeugen eingegangene Verpflichtung.

Die Feinheit seiner Umgangsformen, kein äusserlicher Firniss, sondern der wahre Ausdruck seines edlen Geistes, wurde von Vielen als aristokratisches Wesen

aufgefasst oder empfunden. Auf eine mehr als dreihundertjährige Geschichte seiner hochedlen Familie zurückblickend, wäre er zu einem gewissen Stolze berechtigt gewesen. Aber er suchte und fand einen solchen nur in den Vorzügen, welche Talent, Wissen und Adel der Gesinnung verleihen, und vermochte den Werth solcher Eigenschaften auch an Anderen zu schätzen. Er vereinigte in sich die dem Geburtsadel oft in hohem Grade eigenthümlichen guten Eigenschaften mit denen der Aristokratie des Geistes. Wenn aber Personen selbst seines Standes und Ranges nicht zu intimen Beziehungen zu ihm gelangen konnten, so lag dies lediglich daran, dass eine seelische Verwandtschaft nicht vorhanden war und blosse Gleichartigkeit der Lebensanschauungen und Formen keine Anziehung auf ihn zu üben vermochte.

Von keiner festen Gesundheit und von besonders leicht erregbarem Temperament, hatte er durch fortdauernde, von geistiger Beschäftigung nicht leicht zu trennende physische Anstrengung seine Gesundheit, namentlich in den letzten Lebensjahren, bedeutend geschwächt, so dass er nur durch strenge Diät und eine anf's Aeusserste gesteigerte Mässigkeit sich arbeitsfähig erhalten konnte. Immerhin war ihm sicherlich noch eine Reihe von Jahren fruchtbarer und segensreicher Thätigkeit beschieden, wenn er nicht, in seiner Ehre tief gekränkt, verdüsterten Gemüths sich selbst den Tod gegeben hätte. Er erreichte ein Alter von 59 Jahren.

Posen, den 1. 4. 1885.

M. E. S.

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