Immagini della pagina
PDF
ePub

keit, da durchgreifende Änderungen in einzelnen Teilen des Werkes die Gefahr involvieren, daß der Gesamtcharakter desselben alteriert werde.

Vor dem Druck der achten Auflage ist, wie sich von selbst versteht, das Ganze einer genauen Durchsicht unterzogen worden. An Unebenheiten, die beseitigt werden mußten, fehlte es nicht. Besonders verändert ist der Anhang, dessen Angaben über die handschriftliche Überlieferung auf Grund neuer Publikationen wesentlich korrekter gestaltet werden konnte. Aber auch der Kommentar hat auf jeder Seite Verbesserungen erfahren, und selbst im Text haben einige Modifikationen eintreten müssen. Und zwar sind teils Wortumstellungen vorgenommen (1, 3. 10. 2, 6. 3, 4. 5, 4. 7. 7, 7. 32, 12), teils handschriftliche Lesarten zu Ehren gebracht worden (1, 7. 25, 9. 35, 8. 43, 13. 50, 4. 60, 2), teils endlich haben Konjekturen, die ich schon früher als empfehlenswert bezeichnet hatte, Aufnahme gefunden (9, 13. 25, 4. 26, 9. 55, 9. 58, 5. 59, 5). Wieweit ich hiermit das Rechte getroffen, werden Kundige entscheiden; mir ist ein Stein vom Herzen, daß ich eine Reihe von äußerst gezwungenen Erklärungen nicht mehr zu vertreten habe, die ich schon in der siebenten Auflage nur mit Widerstreben hatte stehen lassen.

Bei allen die Kritik betreffenden Fragen sind die Epilegomena Frigells für mich von bestimmendem Einfluß gewesen. Konnte ich mich früher seiner Ansicht über die Bedeutung der codices, in denen die Bücher der ersten Dekade überliefert sind, nicht anschließen, so habe ich mich jetzt von ihrer Richtigkeit überzeugt. Aus einer gründlichen Durchforschung des handschriftlichen Materials hat sich auch mir die Gewißheit ergeben, daß der Mediceus bisher in der Tat überschätzt worden ist. Die meisten der oben angeführten Änderungen sind eine Folge dieser Erkenntnis.

Berlin, den 4. April 1885.

H. J. Müller.

Vorwort zur siebenten Auflage.

Der Aufforderung des Herrn Verlegers, die Liviusausgabe Weißenborns in meine Obhut zu nehmen, bin ich gern und willig gefolgt. Es schien mir ehrenvoll, eine Arbeit weiterzuführen, die sich in weiten Kreisen so großer Anerkennung

erfreut; auch glaubte ich allerlei Bedenken, die ich zunächst hegte, unterdrücken zu sollen, da Weißenborn selbst es in einem seiner letzten Briefe mir nahegelegt hatte, die späteren Auflagen seines Werkes zu bearbeiten. Ich verhehle mir keineswegs, wie schwierig die Aufgabe ist, die ich zu übernehmen im Begriffe stehe; Lust und Liebe zur Sache werden mir aber, so hoffe ich, den Pfad ebnen, und Zeit und Mühe soll nicht gespart werden, um die verdienstvolle Ausgabe auf der Höhe der Wissenschaft und des Namens ihrers Verfassers würdig zu erhalten.

Den vorliegenden Kommentar zum ersten Buche hat Weißenborn noch selbst einer Durchsicht unterworfen ; doch ist es ihm nicht vergönnt gewesen, weitere Veränderungen vorzunehmen als solche, zu denen die Berücksichtigung der neuesten Literatur aufforderte. Diese, meist in Zusätzen bestehend, sind gleichwohl äußerst zahlreich und legen auch ihrerseits ein beredtes Zeugnis dafür ab, mit welcher Gewissenhaftigkeit Weißenborn stets bestrebt gewesen ist, die literarischen Erscheinungen für die Verbesserung oder Vervollständigung seines Kommentars zu benutzen. Einiges hatte ich hinzuzufügen, Übersehenes dagegen nur vereinzelt nachzutragen. Meine Tätigkeit beschränkte sich hier vorzugsweise darauf, dem Ganzen eine etwas zeitgemäßere Gestalt zu verleihen, u. a. von der Zusammenfassung der Paragraphen abzusehen, die Lemmata mehr auszuschreiben und überall in die richtige Reihenfolge zu bringen, den Ausdruck durchgängig etwas präziser zu machen und die Zitate teils zu ordnen und zu sichten, teils, was besonders notwendig war, zu berichtigen. Zu ändern fand ich in den Erklärungen nicht viel; dagegen wurden manche Noten durch die Aufnahme andrer Lesarten überflüssig, manches schien richtiger entweder in der Einleitung oder im Anhang seinen Platz zu finden. Daher ist einiges ganz fortgeblieben, andres, wie die auf die Kritik bezüglichen Bemerkungen, in dem Variantenverzeichnis untergebracht worden, auf welches jedesmal mittelst eines Sternchens verwiesen ist. Wäre die der Revision zugemessene Zeit nicht so beschränkt gewesen, so hätte ich im einzelnen gewiß noch manche kleine Verbesserung anbringen lassen, aber es bedurfte schon der Anspannung aller Kraft, um bis zu dem vorgeschriebenen Termin das, was ich mir als Ziel gesetzt hatte, zu erreichen.

Was in der Einleitung, im Text und im Anhang von der früheren Gestalt abweicht, sind Änderungen von mir. Im ganzen beziehen sich diese auch hier auf mehr äußerliche Dinge; in der

Kritik jedoch habe ich weiter gehen zu müssen geglaubt als Weißenborn, der den codices gegenüber oft zu ängstlich war und die Überlieferung zuweilen in Schutz nahm, wo sich durch Beseitigung bloßer Abschreibeversehen der gewöhnliche Sprachgebrauch herstellen ließ. Übrigens hatte Weißenborn, wie mir aus seinen Briefen bekannt war, über einige Stellen inzwischen seine Ansicht geändert (so über 1, 3. 5. 17, 8. 19, 6. 21, 4. 22, 6. 25, 1. 26, 7. 35, 3. 36, 4. 37, 2. 39, 5. 40, 3. 4. 43, 5. 43, 11. 50, 2. 55, 7), anderes ließ sich auf Grund der Frigellschen Kollationen sicherer beurteilen als früher. Abgesehen von der Orthographie ist der Text der siebenten Auflage von dem der sechsten außer den eben angeführten Stellen noch an folgenden verschieden: Praef. 13; 1, 8. 3, 3. 7, 1. 13. 14, 7. 9. 17, 1. 21, 1. 22, 5. 25, 2. 13. 27, 5. 29, 3. 6. 30, 2. 31, 1. 32, 2. 8. 10. 11. 12. 39, 1. 41, 1. 3. 43, 3. 6. 7. 48, 3. 58, 7. 59, 1. Frigell hat den kritischen Apparat um die Lesarten mehrerer guten Handschriften vermehrt. Hierdurch ist die Entscheidung erschwert, ob man dem Mediceus überall zu folgen und auch dort den Vorzug zu geben hat, wo ihm das übereinstimmende Zeugnis der übrigen codices gegenübersteht. Dieser von manchen, z. B. von Frigell, bezweifelte Punkt bedarf noch der Untersuchung; ich habe einstweilen an der bisherigen Observanz festgehalten und demgemäß, schon der Konsequenz wegen, im Anfang des Buches mehrfach die Wortfolge geändert; s. 1, 2. 3. 10. 2, 6. 5, 4. 7. 7, 7.

Der Anhang ist durch die Aufnahme der kritischen Notizen Weißenborns, durch eine vermehrte Variantenangabe und durch den Hinweis auf Madvigs an vielen Stellen abweichende Ansicht etwas ausführlicher geworden. Zu dieser Erweiterung hat mich die Erwägung bestimmt, daß eine Ausgabe, wie die vorliegende, nicht nur belehren, sondern auch zum Weiterforschen anregen soll, und diesem Zwecke dienen in hohem Maße die Madvigschen Emendationen, wenn man sich ihnen auch nicht überall anzuschließen vermag. Einige Male (Praef. 5; 3, 3. 12, 6. 17, 8 25, 13. 27, 8. 31, 19 u. a.) sind die verzeichneten handschriftlichen Lesarten von denen in der 'Collatio codicum Livianorum' verschieden; hier hat Herr Prof. Frigell in Upsala mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit seine Vergleichungen von neuem eingesehen und mir so korrektere Angaben ermöglicht.

Berlin, den 2. Mai 1879.

[ocr errors][merged small]

H. J. Müller.

EINLEITUNG.

Die Römer haben ihre literarische Tätigkeit fast keinem Gegenstande früher zugewandt als der Geschichte ihres Staates. Seine stetige Entwicklung, die Zweckmäßigkeit seiner Einrichtungen, die Taten und Sitten des Volkes waren so bewundernswürdig, die Bedeutung der Geschichte für das öffentliche Leben so groß, daß schon frühzeitig weder die bald nach Gründung der Republik begonnene Aufzeichnung einzelner Ereignisse noch die späterhin von den Pontifices mit dem Verzeichnis der Beamten jedes Jahr verbundenen Nachrichten über wichtige Begebenheiten, die Annales maximi, noch die Tradition in den Familien und im Munde des Volkes zur Erhaltung des Andenkens an die Vorzeit ausreichend schienen. Sobald daher durch Livius Andronicus der erste Versuch gemacht war, der kunstgemäßen Poesie in Rom Eingang zu verschaffen, unternahmen die Dichter Cn. Naevius nach dem ersten und Q. Ennius nach dem zweiten Punischen Kriege eine poetische Behandlung der Nationalgeschichte. Fast gleichzeitig mit Ennius verfaßten Q. Fabius Pictor und L. Cincius Alimentus Geschichtswerke in Prosa, beide in griechischer Sprache; unmittelbar nach ihnen schrieb M. Porcius Cato seine Urgeschichte Italiens (Origines) in lateinischer Sprache. Ihm folgte bis zum Ende des 7. Jahrhunderts d. St. eine lange Reihe von Schriftstellern, welche die Geschichte des römischen Staates entweder in ihrem ganzen Umfange oder nur in einzelnen Teilen mehr oder weniger ausführlich und treu, viele trocken und dürftig, keiner so darstellte, wie die höhere Bildung und der feinere Geschmack der späteren Zeit es forderte, so daß die Klage Ciceros de leg. 1, 5: abest historia litteris nostris gerechtfertigt erscheinen muß. Wenn nun auch bald nachher einige ausgezeichnete Geschichtswerke die römische Literatur zierten, so umfaßten dieselben doch nur kurze Abschnitte des großen Gebietes, waren auf die Gegenwart beschränkt und ließen die ruhmvolle Vorzeit unberührt. Erst als mit der Gründung des Prinzipats die alte Zeit 2

T. Liv. I. 1. 9. Aufl.

1

abgeschlossen war, als Augustus dem zerrütteten Staate Frieden und Sicherheit wiedergegeben und eine neue Ordnung der Dinge begründet hatte, erst da war es möglich, das weite Feld der Vergangenheit und die großartigen Erscheinungen derselben mit Ruhe und Besonnenheit zu überblicken und zu schildern. An diesem Wendepunkte des römischen Staates, bei dem Übergange desselben aus der alten in die neue Zeit, war der einzige, der es unternahm, die römische Geschichte in ihrem ganzen Umfange und in einer dem gebildeten Geschmacke des neuen Zeitalters entsprechenden, anziehenden Form ausführlich, würdig und glänzend darzustellen, Titus Livius.

Nur diese beiden Namen werden von den Alten unserem Geschichtschreiber beigelegt, ein Familienname ist nirgends erwähnt; erst der neueren Zeit gehört die Bezeichnung T. Livius Patavinus an. Livius war nämlich zu Patavium, j. Padua, geboren', der Hauptstadt der Veneter, die durch die Zurückführung ihres Ursprungs auf Antenor 2, dessen Andenken noch unter den Kaisern durch cetaria genannte Spiele gefeiert wurde3, mit den Anfängen Roms in enger Verbindung zu stehen sich rühmte. In dem gesegneten Potal, am Venetischen Meerbusen gelegen, in welchem 14 Millien von der Stadt die Lagunen den Hafen Aedro oder Meduacus bildeten 4, durchflossen von dem Meduacus minor, wahrscheinlich dem Bacchiglione, war die Stadt nicht allein der Eroberung durch die Etrusker entgangen, sondern hatte auch die Gallier, als sie in Oberitalien einbrachen, von sich abgewehrt. In den steten Kämpfen mit diesen 5 war sie zu bedeutender Macht 6 und großer Blüte gelangt, hatte sich um Rom verdient gemacht, war schon frühzeitig zu den Römern in staatsrechtliche Beziehungen getreten, hatte im Kriege mit Hannibal treu zu jenen gehalten und war von ihnen unterstützt worden, als Parteiungen den Frieden der Stadt störten 9. 3 Da Patavium einen Stapelplatz für die aus dem südlichen in das obere Italien und weiter nach Norden gehenden Waren bildete und die Erzeugnisse seiner eigenen Industrie nach allen Seiten versandte, war der Reichtum der Stadt allmählich so gestiegen,

2

1 Ascon. Ped. ad Cornel. S. 68, 17 K.-Sch.: Livius noster. 1, 1, 2. 3 Tac. Ann. 16, 21; Charis. I S. 125 K.; Cass. Dio 62, 26, 4. 4 Plin. 3, 16, 121; Strabo 5, 1, 7. 55, 33, 10; 10, 2, 9. 6 Nach Strabo 5, 1, 7 soll sie 120 000 Mann unter den Waffen gehabt haben. 7 Nach Polyb. 2, 18 wurden die Gallier durch einen Einfall der Veneter in ihr Land genötigt, das eroberte Rom aufzugeben. 8 Polyb. 2, 23. 9 41, 27, 3; CIL. V 1, 267.

« IndietroContinua »