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eignen und sich die Ernte ihrer Aussaat zu sichern! Vielfältiger zeigt sich ein hämisches Gelüfte das Kleine an großen Männern hervorzuziehen 55). Es gibt aber auch nimmersatte Geister, die, wenn irgend einmal ein außerordentlicher Genius Herrliches gesät hat, nur immer neue Saaten dieser Art verlangen, während sie den Anbau und die Pflege der bereits ge= gebenen dünkelhaft verschmähen. Sehr Viele, welche die Früchte der Geistes- und Charakterstärke, des Genie's, der Erfindungsund Thatkraft, des ausharrenden Willens und hohen Muthes, kurz aller der seltenen Eigenschaften, die den großen Mann ausmachen, gerne genießen, fühlen sich doch wegen des weiten Abstands von ihnen schon durch ihre Gegenwart gedrückt. Jede große Persönlichkeit erfüllt die Menge mit einer gewissen Angst oder Bangigkeit, wegen der Kleinheit der ihrigen. Sie ist nachsichtiger für große Schwächen als für große Tugenden und Verdienste. Nur durch anspruchlose Herablaffung kann der wahrhaft Große bewirken, daß man ihm seine Größe verzeihe. Volle Gerechtigkeit übt gewöhnlich gegen ihn erst die Nachwelt, oft eine späte, wann die Interessen und Leidenschaften, die das Urtheil trübten, verstummt sind, und die nicht selten herbe Erfahrung es berichtigt hat. Dann erscheinen große Persönlichkeiten wenigstens in der Geschichte in ihrem wahren Lichte als Zeugen der Vorzeit, daß das Streben nach Verbefferung der Zustände der Menschheit, troß dem Mangel feiner Anerkennung, niemals ganz aufgehört hat. — Hochschäzung ausgezeichneter Talente und Verdienste ist wesentlich, damit das Wahre und Gute, das Gediegene und Edle nicht vom Schlechten und Gemeinen erstickt werde, damit die Gesellschaft vor

55) Dagegen bemerkt der große Ganganelli (Lettres I. 114.) sehr treffend: Les grands hommes ne doivent être vus qu'en Grand,

wärts, nicht rückwärts schreite. Auch die Größten und Besten · find nur vorübergehende Erscheinungen. Wenn sie daher nicht Nacheiferung erweckten, würde ihr Werk bald der Vergänglichkeit verfallen. Der Tod eines wahrhaft edeln oder großen Mannes foll Bedauern, doch nicht Verzagtheit hervorbringen 56). Leßteres wird aber geschehen, wenn sein Wirken nicht eine Pflanzschule von Talenten und Tugenden geworden ist. Glücklicher Weise ist es die Eigenheit nicht nur der falschen, blos scheinbaren Größe zur Nacheiferung zu reizen; auch die wahre hat für empfängliche Seelen einen unwiderstehlichen Reiz, und nur da, wo dieser eine starke Macht ausübt, kann ein Volk mit Stolz eines Zustandes sich freuen, der ihm mit dem Rücks blick in eine rühmliche Vergangenheit den Ausblick in eine nicht minder schöne Zukunft gewährt. Es ist hingegen ein schlimmes Zeichen von dem geistigen und sittlichen Zustand eines Volkes, wenn der Hintritt eines großen Mannes Erschlaffung nach sich zieht.

T. Welch' ungeheure Mühe geben sich nicht die Menschen (diese Ephemeren) um eigennüßige Zwecke zu verfolgen, eiteln Schattenbildern, schimmerndem Nichts nachzujagen! Wenn fie nur den zwanzigsten Theil der hierauf verwandten Anstrengungen der Aufgabe widmeten, Recht und Wahrheit, Tugend und Gemeinwohl zu verfechten und zu fördern, wie ganz ans ders würd' es mit der Zufriedenheit in der Welt stehen! Ift es nicht auffallend, daß die Allermeisten so geneigt sind, sich für jedes Unrecht, jede Schlechtigkeit, die mit dem Trugschein eines Vortheils auftreten, gewinnen zu laffen und dagegen so spröde, kaltsinnig und widerstrebend, wenn es darum zu thun

56) Virtutem incolumem odimus, sublatam ex oculis quaerimus invidi, Horat.

ift, mit vereinter Kraft dem Bösen zu wehren, dem Guten den Sieg zu erkämpfen? Und doch, kann es keinem, der nicht blind ist, oder nur für die Oberfläche der Dinge ein Auge hat, entgehen, daß Unrecht, Betrug und Unfittlichkeit die Grundquellen alles Unheils in der Welt sind, daß ihre Urheber nie Zufriedenheit geerntet haben, daß der Scheingewinnst, durch den sie sich anködern ließen und Andere anköderten, sich zulezt immer in Fluch verwandelt hat.

So lang die Neigung zum Bösen in den Menschen sich regt und nach der Herrschaft strebt, ist und bleibt die höchste Aufgabe für Alle und Jeden, diese Neigung in sich und Andern zu bekämpfen und je besser dieser Kampf bestanden wird, desto mehr wird die Menschheit ihrer Bestimmung sich nähern : „freithätig den Willen Gottes zu vollziehen.“ Es ist daher kein größeres Verdienst denkbar, als die Menschen für so edeln Kampf zu ermuthigen und zu verhindern, daß ihr Muth dafür erschlaffe.

U. Wär' es irgendwo und irgendwann möglich, alle Welt zu betrügen, Gott zu betrügen vermag Niemand. Seine Fügungen und Gerichte gehen unaufhaltsam ihren Gang, und kein Lügengebäude kann vor ihnen bestehen. Er ist es, der den Wahrheitssinn dem Menschengeist (feinem Ebenbild) verliehen hat, und er kann nicht zugeben, daß er jemals ganz verlösche. Weisheit sich anzueignen, lernen die Menschen nur durch Erfahrung; und bei Vielen gehen auch die Lehren von dieser verloren. Alles ist jedoch in der Welt darauf angelegt, um die Menschen zum Wahren und Guten zu erziehen; jede Verirrung begegnet ihrer Zurechtweisung. Immer und überall wird der Mensch auf den Einen hingewiesen, der allein die vollkommene Weisheit und Macht inne hat und durch sie das

Ganze seiner Schöpfung dem ihm vorgesteckten Ziel entgegenführt. Der ist gewiß tief gesunken, in dem die Sehnsucht nach dem Unvergänglichen erstorben ist. Der sie nie empfand, ist nur ein Schatten des wahrhaft Menschlichen. Die tiefsten oder Ur-gründe von Allem in der Welt find allerdings unserer Erkenntniß im Erdenleben unzugänglich, und nur der zuversichtliche Glaube an das ihr voran und über ihr stehende unendlichvollkommene Wesen macht uns das Dasein der Welt und den Zusammenhang aller Dinge in ihr erklärbar, und bringt in unsere Vorstellungen davon Einheit und Uebereinstimmung. Diese Thatsache in Verbindung mit dem unserem Geist inwohnenden Drang nach Erkenntniß berechtigt zu der Vermuthung, daß eine vollkommnere Erkenntniß in einem zukünftigen Zustand unserm Geist vorbehalten sei, wo ihm der Durst nach Wahrheit geftillt werden soll.

V. Gott fann wohl den Menschen zu sich hinauf, der Mensch aber nicht Gott zu sich hinabziehen. Auch wär' es Anmaßung von Seite des Menschen, alle die Mittel, durch die Gott die Menschen zu sich hinaufzieht, wissen zu wollen. Der höchste Wahnsinn des menschlichen Hochmuth's ist es aber, sich Gott gleich zu stellen. Dies thut jedoch der Mensch, so weit versteigt er sich, wenn er, die Schranken seiner Intelligenz verkennend, sich das Vermögen beimißt, die Grundursachen aller Dinge zu erforschen, wenn er sich die Unendlichkeit zueignet, wenn er die Macht der höchsten Gesetzgebung, die nur dem unendlichen Wesen zustehen kann, sich selber zuschreibt, und kein höheres Geset als dasjenige, das er sich selbst gibt, anerkennt. Dieser stolze Wahn macht ihn zu allem Guten untüchtig und stürzt ihn in ein endloses Labyrinth von Selbstbetrug, Irrthum und Ausschweifung.

X.

Jeglicher Mensch ist aber auch dem Irrthum und der Sündhaftigkeit unterworfen und muß beide bekämpfen, um den Besit der Wahrheit und Tugend zu erlangen und zu behaupten.

1) Alles Wahre und alles Gute ist Eins, beruht auf Harmonie und bewirkt Harmonie; alles Unwahre und Böse entsteht aus Zwiespalt und erzeugt solchen. Dem Menschen allein ist auf Erden die Vernunft, als das Auge seines Geistes, verliehen, damit dieser alle Dinge im Lichte der Wahrheit zu betrachten befähigt sei, und sein freier Wille darnach seine Entschließungen faffe. So wenig daher in des Menschen urs sprünglicher Natur und Anlage die Fähigkeit, Wahrheit zu erkennen und vom Irrthum zu unterscheiden und das Ver mögen nach Wahrheit zu streben, zu verkennen ist, so wenig läßt sich doch in Abrede stellen, daß sein Geist nicht untrüglich, daß er vielmehr dem Irrthum ausgefeßt ist. Ja, es ist Keiner, der niemals irrete und nicht in manchen Fällen in Irrthum fiele. Der ihm eingepflanzte Sinn für Wahrheit wird durch jede Täuschung und durch jede Abweichung vom Guten gestört und gefährdet, und er muß daher gegen diese Anfechtungen stets wachsam sein und kämpfen, um nicht die Spur der Wahrs

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