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trug wie die bewunderten Alexandriner die Mißachtung der großen Menge offen zur Schau.14) Je fremder man aber dem Volke wurde, um so mehr sah man sich auf die höheren Regionen angewiesen: die Kunstdichter wurden zu Hofdichtern. Doch sehen wir die augusteischen Dichter, an ihrer Spitze Horaz, zunächst noch im Kampfe mit einer Gegenströmung, welche die alten nationalen Dichter hochhält und in deren geflissentliche Verehrung wohl auch sonstige Unzufriedenheit mit der Gegenwart kleidet. Erst seit dem Absterben des älteren Geschlechts wird die neue Richtung unumschränkt geherrscht haben.15)

Neben dieser allgemeinen Förderung durch die Verhältnisse fanden die Vertreter der neuen Poesie auch noch unmittelbare Unterstützung durch die Machthaber, zum Teil aus persönlicher Liebhaberei, noch mehr aber aus politischer Berechnung. Augustus selbst ließ es nicht an Aufmunterungen aller Art fehlen 16), und seine Freunde wurden die Mittelpunkte literarischer Kreise, unter denen es zwar nicht ohne Eifersüchteleien abging 17), die aber an ihrem gemeinsamen Verhältnis zu Augustus einen gewissen Zusammenhang fanden. Obenan stand der Kreis des Maecenas, in welchem Horaz zwar nicht das älteste, aber das durch Selbständigkeit des Charakters, Schärfe des Verstandes und künstlerische Begabung hervorragendste Mitglied war. Außer ihm gehörten dazu Vergilius und L. Varius, Plotius Tucca, Quintilius Varus, Aristius Fuscus, Valgius Rufus, Domitius Marsus, Melissus und andere 18); später, vielleicht erst als Horaz sich mehr aus Rom zurückzog, auch der von diesem nie genannte Propertius.19) Die entschieden regierungsfreundliche Färbung

14) malignum spernere volgus, HOR. c. 2, 16, 39. Vgl. 3, 1, 1 odi profanum volgus et arceo. ep. 1, 19, 37 non ego ventosae plebis suffragia venor; vgl. sat. 1, 4, 72. 1, 6, 15. 1, 10, 73. ep. 2, 1, 18. PS.-VERGIL. catal. 9, 64 pingui nil mihi cum populo Ps.-TIBULL. 3, 3, 20 falso plurima volgus amat. 15) HOR. c. 4, 3, 16 et iam dente minus mordeor invido (wenn das ernst zu nehmen ist). 16) SUET. Aug. 89 ingenia saeculi sui omnibus modis fovit. 17) Vgl. SEN. contr. 2, 4, 12. Dergleichen spiegelt sich wohl in dem Urteil, welches Agrippa über die poetische Art Vergils fällte. DONATS vita Verg. 44 (62) M. Vipsanius a Maecenate eum suppositum appellabat novae cacozeliae repertorem (Var. repertore), non tumidae nec exilis, sed ex communibus verbis atque ideo latentis. Dagegen freundliche Urteile über Vergil von Maecenas bei SEN. suas. 1, 12. 2, 20. 18) Vgl. HOR. sat. 1, 10, 81. ep. 1, 3. Auch s. OVID. trist. 4, 10, 41. MART. 8, 56. 19) Umgekehrt nennt Propertius ebenfalls nie den Horaz, spielt aber öfters auf Stellen desselben an (s. § 246, 2). Ebenso übergeht Ovid, der gleichfalls oft horazische Anklänge zeigt (§ 247, 7), den Horaz in seiner Aufzählung AA. 3, 333 und erteilt ihm erst nach seinem Tode das ziemlich magere Lob: tenuit nostras numerosus Horatius aures (trist. 4, 10, 49). Auch Verrius Flaccus und später Velleius Paterculus erwähnen den Horaz nicht.

Es mag sein, daß Horaz seine

geistige und gesellige Überlegenheit jüngeren Männern gegenüber manchmal auf

dieser Vereinigung teilte sich immer mehr den einzelnen Genossen mit. Politisch zurückhaltender war der Kreis des Messalla; wenigstens findet sich bei dessen ausgezeichnetstem Mitgliede, bei Tibull, niemals der Name des Augustus. Andere Angehörige desselben waren Messallas Bruder (Hor. sat. 1, 10, 85), Aemilius Macer, Lygdamus, Sulpicia, der Verfasser der Ciris und der Elegie auf Messalla 20), Lynceus (§ 244, 3), zum Teil auch Ovid.21) Asinius Pollio machte sich vorzugsweise als Kritiker geltend, und der oppositionelle Anstrich, den er hatte, bewirkte, daß nur die unabhängigsten Mitglieder anderer Kreise, wie Horaz, sich in seinen Bereich wagten. Erst als Augustus seiner Stellung sicher war, überhoben der Notwendigkeit, sich Zwang anzutun, und allein stand, verlassen von den Gefährten, Freunden und Ratgebern seiner besten Jahre, die ihm alle im Tode vorausgingen, in seinem engsten Familienkreise derer beraubt, die er liebte, und auf die beschränkt, die er nicht liebte, überdies greisenhaft grämlich und unduldsam geworden war, da flackerte ab und zu etwas auf von dem Octavianus der Ächtungen, der das Unbequeme am liebsten gründlich beseitigte, und er ergriff dann Maßregeln wie gegen Labienus, Cassius Severus und Ovid. In seinen früheren Jahren aber hatten die Talente sich vielmehr vorzusehen, daß sie durch seine Freundlichkeiten sich nicht aus ihrer naturgemäßen Bahn bringen ließen.22) Das Vorbild der Diadochen war in vielen Dingen maßgebend; so wenn er für die Gelehrten durch Anlegung öffentlicher Büchersammlungen sorgte, womit schon Asinius Pollio nach seinem dalmatischen Triumphe (J. 39 v. Chr.) durch Gründung der Bibliothek in atrio Libertatis vorangegangen war; ihm folgte nun Octavian nach durch Anlage der Bibliothek in porticu Octaviae und einer zweiten am Tempel des palatinischen Apollo (J. 28).23)

eine für diese drückende Art geltend machte. Daß in den pompejanischen Wandinschriften Stellen aus Vergil, Ovid, Properz, den Priapeia, Tibull, ja selbst Lucrez und Ennius (s. § 101, 4) sich finden (s. CIL. 4, p. 259), aber keine aus Horaz, liegt daran, daß er in der Schule weniger gelesen wurde. Über die spärlichen horazischen Anklänge auf Inschriften s. MHERTZ, anal. ad carm. Hor. hist. 3, 18. Vgl. § 240, 1. 20) VERG. Catal. 9. 21) Vgl. ex Pont. 1, 7, 28 an Messalinus: nec tuus est genitor nos infitiatus amicos, hortator studii causaque faxque mei. trist. 4, 4, 27. 22) FRIEDLÄNDER, SGesch. 35, 386. 23) In der Folgezeit waren neue Bibliotheksgründungen in Rom gewöhnlich. In der notit. reg. Urbis (§ 412, 7) wird zusammenfassend die Zahl der öffentlichen Bibliotheken auf 28 angegeben: bekannt sind uns außer den im Text aufgeführten drei (zusammen genannt Ov. trist. 3, 1, 60. 69. 72) u. a. noch die bibliotheca domus Tiberianae (identisch mit der b. templi divi Augusti? HUELSEN, Röm. Mitt. 1902, 79), die bibl. Pacis von Vespasian gestiftet und die bibl. Ulpia Trajans: DZIATZKO PW. III 417. IHM, Centr. f. Bibl. 1893, 515. Auch

Infolge dieser planmäßigen Begünstigung literarischer Tätigkeit gab es in der augusteischen Zeit zu Rom eine Unzahl von Dichtern und Dichterlingen 24), auch unter dem weiblichen Geschlechte (wie Sulpicia, Cynthia und Perilla), und die Vorträge schriftstellerischer Arbeiten vor einem eingeladenen Publikum, bald auch vor jedermann, der kommen mochte 25), sowie die Deklamationen wurden allmählich zu einem Ersatze und Ableiter für die früheren politischen Versammlungen. Zwar hatten solche recitationes schon früher im Freundeskreise stattgefunden 26); aber erst Asinius Pollio lud förmlich dazu ein und schuf sich so eine Ent

schädigung für die verkümmerte öffentliche Wirksamkeit.27) Sie entsprachen so sehr dem Geiste der Zeit, daß sie seitdem nicht wieder erloschen und bald zu einer Macht wurden, welche über den Erfolg der Schriftsteller entschied, aber auch durch unverdienten Beifall manches untergeordnete Talent über sich selbst verblendete.

Unter den verschiedenen Gattungen der Poesie findet namentlich das Epos und die ihm verwandten Arten des Lehrgedichts und des Idylls durch Vergilius, der alexandrinisches Raffinement und römisches Pathos zu vereinen sucht, Anbau und Vervollkommnung. Soweit das Epos der Gegenwart unmittelbar zugekehrt ist, tritt es nur als Lobgedicht auf. Die Satire wird durch Horaz verjüngt; aber durch die Verhältnisse gezwungen, von politischen Angriffen sich fernzuhalten und sich auf persönliche, literarische und soziale Stoffe zu beschränken, in kleinen Städten fehlten solche nicht. Plinius schenkte seiner Vaterstadt Comum eine Bibliothek (ep. 1, 8, 2). Tibur besaß in Herculis templo eine bibliotheca satis commode libris instructa (GELL. 19, 5, 4; vgl. 9, 4, 13). Daneben eine Menge von Privatbibliotheken in reichen Häusern und Villen oft von sehr beträchtlichem Umfang. SEN. dial. 9, 9, 4 quo innumerabiles libros et bibliothecas, quarum dominus vix tota vita indices perlegit? Die Bücherei des Serenus Sammonicus (§ 374, 4) zählte 62 000 Bücher. - Auffällig ist, wie wenig die Buchhändler in der Kaiserzeit hervortreten. Es finden sich nur sehr vereinzelte Nachrichten über sie. Die Sosii fratres nennt HORAZ ep. 1, 20, 2. AP. 345; SEN. de benef. 7, 6, 1 den Dorus librarius als Händler mit Cicero- und Livius-Handschriften. Tryphon unter Domitian ist der Verleger Quintilians (§ 325, 6) und Martials (4, 72, 2. 13, 3, 4). Bei MARTIAL werden außerdem genannt Atrectus (1, 117, 13), Secundus libertus Lucensis (1, 2, 7) und Q. Polius Valerianus (1, 113, 6). Sex. Peducaeus Dionysius bybliopola CIL. 6, 9218. DZIATZKO PW. III 981. 24) HOR. ep. 2, 1, 108. 25) SEN. contr. 10, praef. 4 T. Labienus... declamavit non quidem populo, sed egregie. non admittebat populum, et quia nondum haec consuetudo erat inducta et quia putabat turpe ac frivolae iactationis. 26) Hier dienten sie dazu, wohlmeinende Freunde, zumal grammatici, zur Kritik zu veranlassen, was HOR. AP. 438 anschaulich schildert. KROLL JJ. 1903 XI 15. 27) SEN. contr. 4, praef. 2 Pollio Asinius numquam admissa multitudine declamavit (vgl. Anm. 23), nec illi ambitio in studiis defuit: primus enim omnium Romanorum advocatis hominibus scripta sua recitavit. SUET. Aug. 89 recitantes

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erzeugt sie neben sich den zahmeren poetischen Brief: in jenem Werke seiner jüngeren und in diesem seiner reiferen Jahre leistet Horaz scin Bestes. Er selbst freilich schätzte das Verdienst seiner lyrischen Gedichte höher, weil sie nach dem geltenden Kanon der Poetik über jenen halb prosaischen Gattungen standen. Mag man aber die Strenge und Feinhörigkeit für die Form, die Reife des Urteils, die Vielseitigkeit der Bildung u. a. darin noch so sehr anerkennen, durch alle Kunst wird der bisweilen hervortretende Mangel ursprünglichen Empfindens nicht immer ersetzt. Besonders glückliche Entwickelung fand die Elegie, in der die Römer ihren griechischen Mustern zum mindesten ebenbürtig waren. Gesteigert, wenn nicht 'erfunden' durch Cornelius Gallus erreicht die Liebeselegie in Tibull die klare Lieblichkeit hellenischer Erzeugnisse, bereichert sich durch Propertius an markiger Kraft der Leidenschaft und an Mannigfaltigkeit der Stoffe und erlangt durch Ovidius eine Leichtigkeit, Anmut und Vollendung der Form, welche mit der Leichtfertigkeit des Inhaltes glücklich wetteifert. Dagegen findet das Drama kein rechtes Gedeihen mehr. Die Tragödie der gleichzeitigen Dichter wird gelehrt, findet selten Zugang zur Bühne und flüchtet sich in den Lesesaal: eine kunstmäßige Komödie kommt nicht auf; des Melissus trabeata bleibt ganz vereinzelt. Braucht die Bühne dennoch kunstmäßige Lust(oder Trauer-)spiele, so behilft sie sich mit Wiederholungen der Stücke alter Meister. Die Menge aber weidet sich lieber an derben Possen (Atellanen, Mimen) und namentlich an dem allseitig (auch von Maecenas) begünstigten Ballett (den Pantomimen, § 8, 13): das gräzisierende Drama ist eben in Rom nie volkstümlich gewesen.

Die Prosa hat in Livius noch einen vortrefflichen Stilisten; aber dieser verrät schon in der poetischen Färbung seiner Darstellung eine merkbare Abweichung von der in der ciceronischen Zeit geschaffenen Sprachform und verkündet als Vorbote das silberne Zeitalter. Die anderen Prosaiker sind meist Techniker irgendwelcher Art, welchen es überwiegend um ihren Gegenstand zu tun ist. So besonders Iulius Hyginus, Verrius Flaccus, Sinnius Capito, Vitruvius Pollio und die Juristen Antistius Labeo, Ateius Capito und andere. Für die Philosophie 28) fehlt et benigne et patienter audiit, nec tantum carmina et historias sed et orationes (z. B. SEN. contr. 2, 4, 12) et dialogos. Zur Einrichtung dieser recitationes vgl. SEN. ep. 95. TAC. dial. 9. PLIN. ep. 8, 12. Iuv. 7, 40. SUET. Claud. 41. Ein ständiges Lokal dafür schuf Hadrian in seinem Athenaeum; vorher benutzte man wohl die an Bibliotheken angebauten Hörsäle. vPREMERSTEIN Herm. 43, 330. THHERWIG, De recitatione poetarum ap. Rom., Marb. 1864. FRIEDLÄNDER, SGesch. 36, 419. ROHDE, Griech. Roman 306. VALMAGGI, Riv. di filol. 16, 65. S. auch § 324, 1. 28) RHIRZEL, Philosophie im Zeitalter des Aug. bei GARDTHAUSEN Aug. 1, 1296.

es zwar nicht an dilettantischer Teilnahme, wohl aber an ernsthaftem, spekulativem Trieb; selbst vom Architekten verlangt Vitruv philosophische Schulung. 29) Augustus selbst verfaßt Hortationes ad philosophiam und T. Livius philosophische Schriften. Beliebt ist eine Zeitlang besonders die epikureische Philosophie: Vergil hat die Absicht, sich auf diese zurückzuziehen, und Horaz hat sich ebenfalls zu ihr bekannt, um später einem Eklektizismus mit stoisch - kynischer Grundfärbung anheimzufallen; auch der Verfasser der Ciris ist begeisterter Epikureer. Aber ein Fachschriftsteller ist doch allenfalls nur Sextius, und dieser bedient sich der griechischen Sprache. Die anderen verlangen von der Philosophie für die Lebensführung maßgebende Gesichtspunkte: wobei die meisten von der Überzeugung ausgehen, daß aller irdische Glanz und alle menschliche Weisheit nichtig sei. Daraus ziehen sie, je nach ihrer Stimmung und Art, bald ernsthafte, bald lockere Folgerungen, immer aber die, daß es vergeblich und töricht wäre, sich mit der Politik einzulassen oder gegen das in Staat und Kirche Bestehende anzukämpfen. Sowohl der Epikureismus wie der populäre Kynismus taugen vortrefflich zu diesem Glaubensbekenntnis des Subjektivismus, aber auch die geschmeidige Stoa hat gelernt, sich ihm anzupassen. Überhaupt bewirkt die Gleichheit der einwirkenden Verhältnisse bei den augusteischen Schriftstellern - und denen der ganzen Kaiserzeit -eine gewisse Gleichförmigkeit; fast alle Gegensätze auf geistigem Gebiet haben sich abgeschliffen, die Unterschiede zwischen den Philosophenschulen sich verwischt, und Philosophie, Rhetorik und Philologie haben einen Bund geschlossen, um gemeinsam die allgemeine Bildung zu beherrschen. Zwar ist anfangs ein Unterschied zwischen den Älteren, deren Jugend noch in die Zeit der Republik und der Bürgerkriege fiel, und den Jüngeren, die unter der Alleinherrschaft aufgewachsen waren; aber bald breitet der Frieden und die mild gehandhabte Monarchie ihre erschlaffenden Wirkungen über alle gleichmäßig aus, und Junge wie Alte preisen um die Wette das Glück einer iners vita, des Schlummerns an einem murmelnden Bache, vertändeln ihre Zeit und noch mehr ihre Kunst an Liebesscherze mit Angehörigen der Halbwelt, sehnen sich in Augenblicken der Übersättigung nach der gesunden Einfachheit der Natur und sind überhaupt bereit, sich in jede schon einmal empfundene Stimmung hineinzuversetzen. Einem so klaren Geiste wie Horaz verleiht die stille Einsicht in die Müdigkeit der ganzen Zeit und das unvermeidliche Altern einer großen Kultur einen Zug, der sich bald als leise Ironie bald als Wehmut ausprägt.

29) WATZINGER RhM. 64, 208.

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