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Unter den Quellen für die Geschichte Kaiser Friedrich I. bis zum Schlusse des Conciles von Pavia im Frühjahr 1160 nehmen des Bischofs Otto von Freising und seines Fortsetzers Radewin Gesta Friderici imperatoris ohne Frage den ersten Platz ein.

Die hervorragende Stellung, welche Otto von Freising in der Geschichte des gesammten geistigen Lebens des zwölften Jahrhunderts eingeräumt werden muss, die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen, welche den Bischof mit dem staufischen Hause verbanden, das pietätvolle Verhältnis, in welchem wir namentlich Kaiser Friedrich I. selbst zu ihm finden, des Bischofs mannigfache Theilnahme an den wichtigsten politischen Ereignissen seiner Zeit erheben ihn auch als Geschichtschreiber seiner Zeit weit über alle zeitgenössischen Historiker. Dazu kommt dann noch seine hohe Bildung und seine an den besten Mustern des Alterthums geübte Meisterschaft des sprachlichen Ausdrucks: es ist daher nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, Otto von Freising bezeichne den Höhepunkt in der Entwickelung der deutschen Historiographie des Mittelalters.

Dem entspricht es denn auch, dass Otto von Freising nach den verschiedenen Seiten seines tiefen und reichhaltigen Wesens hin der Gegenstand eingehenden Studiums und liebevoller Vertiefung geworden ist. Erst zuletzt hat denn auch seine Bedeutung als Historiker seiner Zeit ihre Würdigung gefunden und ist der Werth seiner Geschichte Kaiser Friedrich I. kritisch untersucht und festgestellt worden 1).

So oft sein Name mit dem Ottos von Freising, dessen unvollendet nachgelassenes Werk über die Geschichte Kaiser Friedrich I. er bis auf das Jahr 1160 fortgeführt hat, zusammen genannt wird und so innig seine Arbeit mit der seines nach Abkunft, Rang und

1) Der Werth der Gesta Friderici imperatoris des Bischofs Otto von Freising für die Geschichte des Reiches unter Friedrich I. Von Hermann Grotefend, Dr. ph. Hannover 1870.

Einfluss so viel höher gestellten Meisters stofflich auch zusammenhängt, so ist doch die literarische Persönlichkeit des Radewin1) bisher ebenso wenig zum Gegenstande einer eingehenden Darstellung gemacht worden, wie die zwei Bücher, durch welche derselbe seines verewigten Freundes Werk weiter führte, in Rücksicht auf ihre Glaubwürdigkeit, die ihnen zu Grunde liegende Tendenz und die Quellen, aus denen sie geschöpft sind, bisher einer kritischen Prüfung unterzogen worden sind.

Es hat eigentlich geradezu den Anschein, als ob man die hohe Meinung, die man mit Recht von Otto von Freising hegen darf, ohne weiteres auch auf den Fortsetzer desselben übertragen habe und ohne die Arbeit des letzteren eingehender zu prüfen sie der des Bischofs, welcher sie sich nach Anlage und Form auf das genaueste anschliesst, auch in Rücksicht auf die Werthschätzung völlig gleichstellen zu können geglaubt habe. Namentlich hat das auch noch der letzte, um des Otto von Freising Werke ja so verdiente Herausgeber des Radewin in der Sammlung der Monumenta Germaniae historica, Herr Dr. Roger Wilmans, gethan, während doch eine so eingehende Beschäftigung mit dem Texte des Radewin gerade diesen Gelehrten fast mit Nothwendigkeit hätte auf die Eigenschaften seines Autors führen müssen, welche zu dem gewöhnlich über denselben gefällten günstigen Urtheile durchaus nicht stimmen wollen und bei näherer Prüfung denn auch zu einem Ergebnis führen, welches uns nöthigt dem Radewin einen sehr viel niedrigeren Platz anzuweisen

1) Wie Wilmans in seiner Ausgabe recht dazu gekommen ist die Form des Namens Rage win aufzunehmen, ist mir nicht ersichtlich; die dafür von ihm vorgebrachten Gründe reichen entschieden nicht aus. Denn wenn auch einzelne Codices Ragewinus und Rahwinus schreiben und Wilmans selbst meint, mit den Formen Ragewinus, Rahwinus und Radewinus sei, ohne dass die Bedeutung des Namens irgendwie geändert wurde, nur je nach dem Dialekte des Abschreibers gewechselt worden, so spricht für Radewinus als die ursprüngliche und daher richtigste Form doch folgendes: in den Klosterneuburger Urkunden (vgl. § 1) heisst der Name stets Ruodwinus, Ruodewinus etc.; die besten Codices, nach Wilmans Bezeichnung 1., 2., 3. und 6., haben Radewinus; in der Dedication heisst es gleichfalls Radewinus. Zum Ueberfluss bietet nun auch noch die Münchener Handschrift, welche ein unserm Autor zuzuschreibendes Gedicht über die Theophilussage behandelt und neuerdings von Wilhelm Meyer veröffentlicht ist (in den Sitzungsberichten der philosophisch-philologischen Klasse der Münchener Akademie der Wissenschaften) die Form Radewinus: ich glaubte daher, dieselbe gleich jetzt wieder in ihr Recht einsetzen zu sollen.

als er ihn bisher eingenommen hat. Wäre Wilmans den deutlich genug zu Tage tretenden Spuren dieser Art nachgegangen, so hätte auch seine Ausgabe des Radewin eine wesentlich andere Gestalt angenommen und es wäre denen, welche dieselbe für die Geschichte Kaiser Friedrich I. benutzten, die unangenehme Täuschung erspart geblieben bei genauerer Prüfung einen beträchtlichen Theil von Radewins für gut begründet und glaubwürdig gehaltenen und auch von Wilmans dafür gelten gelassenen Berichte als eine Entlehnung der Art sich enthüllen zu sehen, dass der Urheber derselben nicht gut mit einem anderen Namen als dem eines Plagiators wird bezeichnet werden können.

Das Urtheil über Radewin und den Werth seines Werkes wird sich danach freilich wesentlich anders gestalten und der Fortsetzer, des Otto von Freising wird den Ehrenplatz, den er bisher an der Seite seines Lehrers und Meisters eingenommen hat, unwiederbringlich verlieren. Auf die Art aber, wie das Werk desselben entstanden ist, und die eigenthümliche Zusammenfügung desselben aus den heterogensten Bestandtheilen fällt von hier aus ein ganz neues Licht, welches für die Würdigung und die kritische Behandlung der mittelalterlichen Historiographie überhaupt vielleicht in mehr als einer Hinsicht einen lehrreichen Fingerzeig geben kann.

Bei der untrennbaren Zusammengehörigkeit des Verfassers mit seinem Werke und dem massgebenden Einflusse, welchen — im Mittelalter noch mehr als etwa heutigen Tages - die Stellung und die persönlichen Beziehungen des Geschichtschreibers, insofern dadurch ja nicht blos die Denkweise desselben, sondern auch die Quellen, welche er zu benutzen Gelegenheit fand, bedingt waren, nothwendig ausüben mussten, beginne ich die nachfolgenden kritischen Untersuchungen über das dritte und vierte Buch der Gesta Friderici imperatoris mit einer kurzen Darstellung der persönlichen Verhältnisse Radewins, welche der Natur der Sache nach freilich nichts wesentlich neues zu bieten vermag, um dann von Radewins Werk, der Art und der Zeit seiner Entstehung und von dem Werthe der Form, in der es uns vorliegt, zu handeln. Darauf soll der Kreis festgestellt werden, den Radewin mit seiner Bildung beherrschte, um dann den Quellen nachzugehen, die von dem Fortsetzer des Otto von Freising benutzt sind, und das Werk so in seine - wie wir sehen werden sich sehr scharf sondernden Bestandtheile zu zerlegen. Dann erst wird es möglich sein den Werth von Radewins

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der ausgestellt per manum Rachwini notarii. Eine undatierte Urkunde, die jedoch nach 1153 ausgestellt sein muss 1), führt Rawinus capellanus als Zeugen auf; eine andere nach dem September 1156 ausgestellte 2) bezeugt Radewin als Canoniker der Freisinger Kirche. Per manum Rahuwini notarii ist dann endlich wieder die letzte Urkunde ausgestellt, die wir von Otto von Freising besitzen, die letzte vielleicht, die derselbe überhaupt hat ausstellen lassen, nach dem 14. Juni 11583).

Die innige Verbindung mit Otto von Freising und die Auszeichnung, deren er sich von Seiten desselben zu erfreuen hatte, wurden Radewin aber noch in anderer Hinsicht förderlich. Dass sein Oheim ihm die vollendete Chronik durch Radewin hatte überbringen lassen), musste Kaiser Friedrich I. Aufmerksamkeit auf diesen lenken, um so mehr als Radewin in dem Gefolge Ottos mehrfach an dem kaiserlichen Hofe ein- und ausging: im September 1157 war er auf dem glänzenden, durch die Anwesenheit zahlreicher fremder Gesandtschaften verherrlichten Würzburger Reichstage zugegen 5); höchst wahrscheinlich ist es ferner, dass Radewin in Begleitung Ottos von Freising auch im Sommer 1158 in dem Lager zu Augsburg verweilte, als der Kaiser sich zum Zuge gegen Mailand anschickte, der Bischof aber sich Dispens von der Theilnahme an der Heerfahrt auswirkte 6).

Nicht lange danach, am 22. September 1158, drückte Radewin zu Morimond seinem sterbenden Meister die Augen zu). Darauf begab sich Radewin, wir wissen nicht, ob noch nach einer Verfügung Ottos oder etwa im Auftrage der Freisinger Domherren zum Kaiser nach Italien, wo er so Gelegenheit fand dem roncalischen Reichstage beizuwohnen 8).

Was Radewin an des Kaisers Hof geführt hat, können wir nur vermuthen. Handelte es sich nicht blos darum dem Kaiser über das Ende des ihm besonders werthen Oheims durch einen Augenzeugen desselben genauen Bericht erstatten zu lassen, so möchte man annehmen, dass Radewin Ottos unvollendet nachgelassenes Werk, die beiden ersten Bücher der Gesta, Friedrich zu überbringen gehabt habe. Andererseits könnte man auch annehmen, dass Rade

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1) Ebendas. 1, 365. — 2) Archiv. f. Kunde oester. Gesch. Quellen IX, 262. 3) Meichelbeck I, 1, 340. Vgl. unten § 7, 5, c. 4) S. Ottos Brief an Kaiser Friedrich im Eingange des Chronicon. 11. Vgl, unten § 7, 5.

7) IV,

11.

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5) S. unten § 7, 3.

8) S. unten § 7, 4.

6) IV,

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