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Die sibyllinischen Bücher, an welche man sich wendete, verwiesen an griechische Götter, deren Dienst von allen particulären Beschränkungen frei war, bestimmte Anschauungen von den Göttern selbst gewährte und eine selbstthätige Mitwirkung auch des jüngeren Geschlechtes in Anspruch nahm, welches hier religiöse Eindrücke zu empfangen Gelegenheit fand. Wie aber der innere Grund der Verbreitung griechischen Cultes in dem Bedürfnisse der Masse der Bevölkerung lag, so ist die äussere Vermittelung dabei von den sibyllinischen Büchern und deren Hütern, den Decemviri sacris faciundis ausgegangen; die Wirksamkeit dieses Collegiums während der ganzen Periode erscheint als eine consequente Durchführung der Aufgabe, die sein Stifter Tarquinius ihm gestellt hatte. Wie der capitolinische Tempel im Gegensatze zu der patricischen Kirchengemeinde als Mittelpunkt für das religiöse Leben des Staates gegründet war, so haben auch die in dem Tempel niedergelegten Bücher in diesem Gegensatze reformatorisch fortgewirkt und, indem sie nach und nach den Kreis der Götter erweiterten, um welchen sich der Dienst des gesammten Volks concentrirte, den Erfolg herbeigeführt, dass bis zum zweiten punischen Kriege neben dem System der altrömischen Götter, wie sie in den Indigitamenten verzeichnet waren, das ganze System der griechischen Gottheiten in Rom eingebürgert war. Wie unvermittelt und fremd diese beiden Systeme sich aber anfangs gegenüber standen, ist aus Einzelheiten erkennbar. Den Mittelpunkt des griechischen Cultes bildete der Dienst des der alten römischen Religion ganz unbekannten Apollo, der seit der Stiftung der Apollinarspiele im J. 542212 zu den wichtigsten und glänzendsten Culten des Staats gehört; ihm schliessen sich durch die Lectisternien zuerst fünf, später alle übrigen grossen Götter der Griechen an. Allein die Lectisternien finden nicht in den alten Heiligthümern Roms Statt, sondern entweder auf den Märkten, 2) wie denn auch die Statuen der zwölf Götter auf dem Forum aufgestellt waren (S. 24), oder in bestimmten Tempeln, in welchen die Einrichtung dazu bleibend vorhanden war, na

1) Dies zeigen die bekannten Verse des Ennius und der Umstand, dass seit dieser Zeit die zwölf Götter als die dii maiores anerkannt sind. S. oben S. 24.

2) Bei Livius 40, 59, 7 ist die handschriftliche Lesart in foris publicis, und die Conjectur in fanis, welche Madvig und Weissenborn aufgenommen haben. nicht nothwendig. Wie in dem Circus, so konnte auch auf dem forum ein pulvinar gelegt werden.

mentlich dem der Ceres, 1) des Jupiter Capitolinus 2) und der Juno in Aventino.3) Bei der letzten, in welcher man die griechische Hera wiederfand, endete die Supplication; 4) die Götter, welche sonst bei Supplicationen erwähnt werden, sind Aesculap, 5) Ceres und Proserpina, 6) Feronia,7) auch die Capitolinischen Götter, 8) alles Gottheiten, welche der ältesten römischen Religion nicht angehören. War nun das Nebeneinanderbestehen zweier ihrer Natur nach verschiedenen, durch Local und Ritus getrennten Culte nicht die unwillkürliche Folge unvermeidlicher Einflüsse, sondern das Ergebniss einer Maassregel des Staates, so bedarf diese Maassregel umsomehr einer Erklärung, als, wie die Geschichte der folgenden Periode zeigt, sie zum endlichen Resultat den Verfall der altrömischen Religion gehabt hat. Diese Erklärung liegt in dem politischen Zweck der Maassregel, der in dieser Periode noch allein maassgebend sein konnte, und erst später in seiner Einseitigkeit und Verderblichkeit hervortrat, als der Charakter des Volks, auf den er berechnet war, sich umzugestalten begann. Uebersehen wir nämlich die bisherige Darstellung, so lässt sich deren Ergebniss so zusammenfassen: Die römische Religion war ursprünglich und blieb auch in der zweiten Periode ein Institut des Staates, das objectiv gegeben, ohne alles Zuthun individueller Reflexion entstanden war; Numa soll es gegründet, Tarquinius erweitert haben; ein König, nicht ein Dichter oder Prophet hat die Urkunden der römischen Religion eingeführt, und der Charakter dieser Religion ist ein politischer geblieben. Religio, wie man auch das Wort etymologisch erklärt, ist ein den Römern eigenthümlicher Begriff; es ist die Bedenklichkeit, ob in allen Punkten die vorgeschriebene Verpflichtung gegen die Götter erfüllt sei, und diese Bedenklichkeit, einmal dem Volke eingepflanzt, ist ein wesentliches Mittel es zu regieren. 9) Ebendeshalb

1) Arnob. 7, 32.
4) Liv. 27, 37, 15.
5) Liv. 10, 47, 7.
7) Liv. 27, 4, 15.

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6) Obsequens 43 (103); 46 (106); 53 (113).
8) Macrob. 1, 6, 13.

9) Ausführlich zeigt dies Polybius 6, 56, welche Stelle beginnt: xai por δοκεῖ τὸ παρὰ τοῖς ἄλλοις ἀνθρώποις ὀνειδιζόμενον τοῦτο συνέχειν τὰ Ῥωμαίων πράγματα, λέγω δὲ τὴν δεισιδαιμονίαν. Liv. 6, 1: Nach dem gallischen Brande liess man die noch vorhandenen Urkunden sammeln. Alia ex eis edita etiam in volgus; quae autem ad sacra pertinebant, a pontificibus maxime ut religione obstrictos haberent multitudinis animos, suppressa. Hierauf beruht auch der später geltend gemachte Satz, expedire, falli civitates in religione, über den unten die Rede sein wird.

aber muss jedem Theile der Bevölkerung sein Antheil an dem Culte gesichert sein. Das römische Göttersystem, nicht nach verwandtschaftlichen Beziehungen gegliedert, wie das griechische, sondern nach Gegenständen, für welche göttliche Hülfe in Anspruch genommen wird, nach der Nationalität 1) oder nach andern äusserlichen Principien geordnet, 2) wurde vom Staate, der es geschaffen, erweitert, so dass, als zu dem patricischen Geschlechterstaate die plebejische Gemeinde hinzutrat, auch das kirchliche System eine Umgestaltung erfahren musste. Bei dem objectiven Charakter des römischen Cultus, welcher der Befriedigung des religiösen Bedürfnisses nichts als einen äusseren Anhalt gewährte, bedurfte es dabei einer inneren Vermittelung der disparaten Gegenstände der Verehrung so lange nicht, als das Volk, in der politischen Thätigkeit vollkommen aufgehend, in einem äusserlichen Culte Genüge fand und dem Nachdenken über die Gegenstände desselben fremd blieb; vielmehr handelte es sich allein um die allgemeine Berechtigung des Volks zur Theilnahme an dem Cultus. Da diese bei den patricischen Culten unmöglich war, so mussten neue Culte eingerichtet werden, die darin allein ihre Einheit mit den älteren hatten, dass beide vom Staate ausgingen und verwaltet wurden, und dass an der gewissenhaften Ausübung beider das Gedeihen des Staates hing. Wie auch der Einzelne davon dachte, das war allgemeiner Glaube der alten Zeit und das lebendige Princip der religio civilis, dass die Erfüllung der religiösen Pflichten dem Staate den Schutz der Götter sichere, und dass die Götter Rom gross machten um der Frömmigkeit des Volkes willen.3) Man würde irren, wenn man an

1) S. den Abschnitt über die XVviri.

2) So die Zusammenstellungen der Dii penates, nuptiales, agrestes, conserentes (Arnob. 5, 18), consentes und anderer, welche s. bei Ambrosch Ueber die Religionsbücher S. 55 f.

cum

3) Cic. de d. n. 2, 3, 8: intellegi potest, eorum imperiis rem publicam amplificatam, qui religionibus paruissent. Et si conferre volumus nostra externis, ceteris rebus aut pares aut etiam inferiores reperiemur; religione, id est cultu deorum, multo superiores. 3, 2, 5: mihique ita persuasi Romulum auspiciis, Numam sacris constitutis fundamenta iecisse nostrae civitatis, quae nunquam profecto sine summa placatione deorum immortalium tanta esse potuisset. Cic. de harusp. resp. 9, 19: pietate ac religione atque hac una sapientia, quod deorum numine omnia regi gubernarique perspeximus, omnes gentes nationesque superavimus. Horat. od. 3, 6, 5: Dis te minorem quod geris, imperas. Hinc omne principium, huc refer exitum. Di multa neglecti dederunt Hesperiae mala luctuosae. Liv. 5, 51, 4; 6, 41, 4; 44, 1, 11: favere enim pietati fideique deos, per quae populus Romanus ad tantum fastigii venerit. Dionys. 2, 72. Ausführlich be

nähme, dass die Einführung fremder Elemente äusserlich störend auf den Gottesdienst gewirkt habe. Zu den Gründen, warum der Staat dieselbe selbst übernahm, gehörte wesentlich der Umstand, dass ihm dabei frei stand, die Form des fremden Cultus zu regeln, Anstössiges zu entfernen, Auffälliges der römischen Sitte anzunähern, und eine fortdauernde Controle zu üben, so dass er nicht passiv und blos receptiv dem fremden Culte gegenüberstand, sondern sich denselben selbstthätig und umgestaltend aneignete. 1)

mern.

3. Die Entwickelung des besprochenen Verhältnisses beider Betheiligung der Plebejer Stände zu dem Cultus des Staates war hiemit erst begonnen; sie an den Priesterthüführte nothwendig dahin, dass in den Kämpfen, in welchen die Plebs ihren Antheil an der Staatsverwaltung errang, auch die Zulassung zu den Priesterthümern des Staates von den Plebejern beansprucht wurde. In der ersten Periode war das kirchliche und weltliche Regiment ungetrennt gewesen; der König war Richter und Hohepriester, der Staat eine stammverwandte, durch den Cultus eng verbundene Kirchengemeinde; in der zweiten Periode ist Rom ein weltliches Reich, zusammengesetzt aus disparaten Bestandtheilen, von welchen einer die patricische Gemeinde ist, welche, nachdem sie durch den Sturz der Königsherrschaft zu neuer Macht gelangt war, die von den letzten Königen begonnene Umgestaltung der Kirchenverfassung eine Zeit lang in ihrer Entwickelung zu hemmen im Stande war. Allein' der Grundsatz der ersten Periode, dass geistliche und weltliche Macht ein ausschliessliches Attribut des patricischen Standes sei, dass patricische Abkunft allein zu priesterlichen Functionen befähige, dass einem einzigen Stande die Vermittelung zwischen Göttern und Menschen möglich sei, musste in demselben Grade zweifelhaft werden, als die politische Betheiligung der Plebs ihren Fortgang nahm. Als im Jahre 388 366 das Consulat den Plebejern zugänglich wurde, erhielten sie gleichzeitig Zutritt zu

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spricht dies Augustin. de c. d. 4, 9. 29. Tertull. ad nat. 2, 17, und Symmachus in seinem berühmten Vertheidigungsschreiben für die römische Religion an Valentinian (ep. 10, 54) lässt die Stadt Rom sagen: Hic cultus in leges meas orbem redegit; haec sacra Hannibalem a moenibus, a Capitolio Senonas repulerunt. Und hernach weist er nach, wie alles Unglück aus der Vernachlässigung der Götter entstanden ist.

1) S. das in dem Abschn. über die XVviri über den Cult der Cybele Beigebrachte.

demjenigen von den grossen Priesterthümern, welches dem plebejischen Culte gewidmet war, dem Decemvirate, in welchem seit dieser Zeit fünf Plebejer und fünf Patricier waren; 1) im J. 454

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300 gewährte ihnen die lex Ogulnia 2) denselben Antheil an dem Pontificat und Augurat, und damit die Berechtigung zu allen politisch wichtigen Priesterthümern. Mit diesem Siege wurde nicht nur die Schranke der in kirchlicher Hinsicht bis dahin noch geschlossenen genokratischen Gemeinde gebrochen, sondern auch die Einheit des Staates in kirchlicher wie in politischer Beziehung, mit deren Beginn die glänzendste Periode der römischen Geschichte anhebt, und die organische Verbindung des geistlichen und weltlichen Regimentes, welche ein anerkannter Vorzug der römischen Verfassung ist, vollendet. Geistliche und weltliche Macht waren am Ende der zweiten Periode wieder vereinigt, wie in der ersten Periode, nur mit dem Unterschiede, dass nicht die weltliche auf der geistlichen, sondern die geistliche auf der weltlichen basirt war. Theils bekleideten dieselben Personen die höchsten Staats- und Priesterämter, 3) theils waren, wie die Magistrate, so die Priester den Beschlüssen des Staates und Volkes untergeordnet, bei welchen sie vorher begutachtend, nachher ausführend fungirten, und indem so die Priester als Sachverständige dem Staate dienten, der Staat aber die Oberaufsicht über den Cult sich selbst vorbehielt, bestand eine vollkommene Einheit der weltlichen und kirchlichen Interessen und war auch in dieser Hinsicht ein Abschluss der Verfassung erreicht.

Dritte Periode.

Von den punischen Kriegen bis zum Ende der Republik.

Mit der dritten Periode beginnt der Verfall der römischen Staatsreligion, dessen Ursache hauptsächlich in zwei Umständen zu suchen ist.4) Das Bekanntwerden griechischer Philosophie

1) Liv. 6, 42, 2.

2) Liv. 10, 6-9.

3) Cic. de dom. 1, 1: cum multa divinitus, pontifices, a maioribus nostris inventa atque instituta sunt, tum nihil praeclarius, quam quod eosdem et religionibus deorum immortalium et summae reipublicae praeesse voluerunt.

4) S. über diese Periode Krahner Grundlinien z. Gesch. des Verfalls der Rom. Staatsreligion. Halle 1837. C. Schmidt Essai historique sur la société

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