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zu durchdringen strebt; während das Wesen Gottes in gleichem Maaße, wie das des Thieres, die Natur des, Universum ebenso, wie des Atomes, die Geseße der Ethik, wie der Mathematik und Logik der griechischen Philosophie den Stoff zur Forschung bieten, ist es lediglich das Wesen und die Materie des Rechtes, wodurch die römische Jurisprudenz zu philosophischer Speculation angeregt wird. So erscheint zwar das Gebiet der Leßteren beschränkt und klein gegenüber der Unendlichkeit des Raumes, den die Philosophie zu erhellen strebt; allein dennoch mögen wir die weltgeschichtliche Bedeutung der philosophischen Bestrebungen der römischen Jurisprudenz und ihr Verdienst um die Cultur des Menschengeistes nicht gering veranschlagen. Ja das Resultat solcher Speculation ist sogar in noch weit ausgedehnterem Maaße von einer selbstständigen, unmittelbaren und dauernden Wichtigkeit für die Menschheit gewesen, als die Erfolge, deren die griechische Philosophie fich rühmen mag. Denn wenn wir immer nicht verkennen, wie es der Leßteren gelang, auf dem Gebiete der Logik, wie der Metaphysik, der Psychologie, wie der Naturphilosophie, der Moral, wie des Rechtes einzelne Gefeße von absoluter Wahrheit zu entdecken, so vermögen wir doch bezüglich der Meisten derselben der neueren Zeit das gleiche Verdienst einer selbstständigen Auffindung dieser nämlichen Geseße zu vindiciren, so daß in diesen Stücken die Bedeutung der antiken Philosophie für uns weder eine unmittelbare, noch selbstständige sein kann. Vielmehr haben wir das Hauptverdienst jener Philosophie in der anregenden, wie vorbereitenden Wirkung zu erkennen, durch welche jene zur Cultur des Geistes mächtig beitrug. Denn aus dieser Philosophie empfing das Alterthum, wie später auch das Mittelalter den Stoff zu eigener höherer wissenschaftlicher Forschung und insbesondere ward das Erstere und namentlich durch die stoische Philosophie vorbereitet für die Offenbarung Gottes im Christenthum. Die philosophischen Lehren selbst aber, welche diese bedeutungsvollen Resultate vermittelten, sie sind vorübergegangen gleich der Herrlichfeit Roms und Athens und auf ihren Trümmern sind neue Lehren und Disciplinen errichtet, vollendeter an Structur und Material.

Wohl aber ist es die Rechtslehre Roms, welche, aufgebaut auf dem Fundamente philosophischer Saßung, die Herrschaft

ihrer Lehrfäße bei den gebildetften Völkern der Welt bereits sechszehn Jahrhunderte hindurch verewigt und so in Wahrheit eine selbstständige, unmittelbare und dauernde Herrschaft sich erhalten hat. Diese Thatsache, obwohl mit prophetischem Geiste bereits von Livius (IV, 4.) verkündet in den Worten:

crescente

-

Quis dubitat, quin in aeternum urbe condita, in immensum jura gentium hominumque instituantur! diese Thatsache, sagen wir, erscheint dennoch so außerordentlich und als so unerhörtes national-psychologisches Phänomen in der Weltgeschichte, daß wir zu ihrer Erklärung mit Nothwendigkeit zu der Annahme geführt werden, daß es den römischen Juristen gelang, bei ihren rechtsphilosophischen Speculationen in hohem Grade der einigen und absoluten Rechtswahr. heit sich anzunähern.

Und dieses Resultat ist es, welches wir hinstellen als das legte und höchste Ergebniß jener glücklichen Vereinigung von wissenschaftlicher und volksthümlicher Anschauung, wie von theoretischer Speculation mit historisch gegebener Saßung und empirischer Erscheinungsform.

Dritte Periode.

Die Lehre vom jus naturale, aequum et bonum und jus gentium

bis zum Zeitalter Justinian's.

Jus naturale,

aequum et bonum und jus gentium.

§. 97.

Jus naturale, aequum et bonum und jus gentium
im Allgemeinen.

Mit dem gegenwärtigen Abschnitte tritt ein totaler Umschwung

in der Behandlung der in Betracht gezogenen Lehren ein; wie alle Speculation über das Wesen des Rechtes, so schwindet auch, bis auf vereinzelte Ausnahmen am Eingange und Ausgange des Zeitraumes, jene theoretische Cultur, welche während der vorhergehenden Periode den obigen drei Lehren zu Theil ward. Nicht mehr der Begriff an sich wird nach Inhalt und Voraussetzungen in speculativer Weise erforscht und in systematischer Form verarbeitet, vielmehr begnügt sich die gegenwärtige Periode den überlieferten Lehrbegriff als einen gegebenen hinzunehmen, und die demselben sich unterordnenden besonderen Erscheinungsformen in concreter Beziehung je nach Gelegenheit der Sache darzulegen.

Diese Erscheinung ist nothwendig bedingt durch den Thatumstand, daß die Träger jener Lehrbegriffe andere geworden find. Während der vorigen Periode waren es die Koryphäen der Rechtswissenschaft, welche, indem sie als die Hauptfactoren der gesammten Rechtsbildung sich darstellten, doch zugleich eine wissenschaftliche Theorie aufrecht erhielten, in abstrahirender Reflexion die allgemeinen leitenden Grundbegriffe speculativ begründeten, und namentlich auch in besonderen Rechtssystemen die gewonnenen Fundamente wissenschaftlich construirten. In der gegenwärtigen Periode dahingegen fällt die Rechtsbildung fast ausschließlich den Kaisern anheim und erfolgt hier seltener nur in organischen Gesezen, als vielmehr meistens in Specialverfügungen, welche weder zu abstracteren Erwägungen hinleiten,

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