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noch umfassendere Untersuchungen über den in Anwendung gebrachten Lehrhegriff befördern konnten. Da nun überdem mit der gegenwärtigen Periode, wie alle Wissenschaft, so auch die juristische Theorie entweder vollständig verschwindet, oder doch, insoweit vereinzelte Schößlinge eine kümmerliche Vegetation ihr fristen, aller Selbstständigkeit und Freiheit der Reflexion entbehrt, so fällt der gegenwärtige Zeitraum in der That schon außerhalb des Gesichtskreises, den der bei diesem ersten Theile unseres Werkes gegebene Standpunkt überschauen läßt. Dennoch mußte die Rücksicht, daß für unsere historische Rechtswissenschaft alle juristischen Lehren Rom's in Justininan ihren durch äußere Umstände gegebenen Abschluß finden, bestimmend wirken, die Fortdauer und die in den concreten Erscheinungsformen fich offenbarenden Veränderungen jener Lehrbegriffe einer weiteren Betrachtung zu unterziehen.

Unter allen Factoren des geistigen Lebens der gegenwärtigen Periode liefert aber im Wesentlichen nur die Jurisprudenz einen Beitrag zu der Geschichte der obigen drei Lehren, während die Wissenschaft im Allgemeinen, wie die Philosophie im Besonderen der Rechtsbildung zu fern stehen, als daß Beide ebensowohl der Thätigkeit der Leßteren eine besondere Betrachtung hätten widmen, als auch andrerseits einen unmittelbar bestimmenden Einfluß auf die leitenden Ansichten derselben hätten gewinnen können. Hierin aber liegt der maaßgebende Grund, weßhalb wir die Lehre vom jus naturale in ihrer durch die Philosophie dieses Zeitraumes ihr zu Theil gewordenen Behandlung 613) nicht weiter zu verfolgen haben; denn, abgesehen davon, daß gegenwärtig die Philosophie in der hier fraglichen Beziehung im Wesentlichen sich begnügt, lediglich die von der vorigen Periode überlieferten Dogmen zu reproduciren, so be= einflußt sie auch, wie bemerkt, weder durch ihre Lehrsäge die Rechtsbildung, welche vielmehr auf den von der Jurisprudenz construirten Fundamenten fortbaut, noch auch widmet sie dieser, von der Jurisprudenz festgehaltenen Gestaltung jener Lehre eine besondere Berücksichtigung.

613) Vergl. Clemens Alexandrin. Strom. I. p. 427.; Hierocles, comm. in aur. carm. Pyth. 67. 109. 129. 153. und bei Stob. Serm. 39, 36. Gaisf, Sext. Empir. Pyrrhon. hypoth. I, 145. III, 24. n. 198.

Was nun die von der Jurisprudenz dieser Periode gelieferten Beiträge für die erörterten Lehren betrifft, so haben wir hierbei, wenn wir von den dürftigen Ueberlieferungen der juristischen Theorie am Eingange dieser Periode absehen, eine dreifache Masse zu scheiden, gegeben theils durch die einzelnen Geseze und Specialverfügungen der Kaiser, theils durch das Corpus juris Justinian's, theils endlich durch die Paraphrase des Theophilus zu den Institutionen Justinian's. Die verschiedenen Constitutionen der Kaiser bieten bezüglich unserer Lehren einen unzusammenhängenden und diffusen Stoff, in welchem ein gemeinsamer, leitender, bestimmter Grundgedanke im Allgemeinen zu vermissen ist. Der Codex und die Novellensammlung Justinian's bietet je als legislatorisches Ganze das nämliche Bild, wie die Vielheit der Constitutionen im Einzelnen, aus denen jene Sammlungen bestehen. Dagegen in den Institutionen und Digesten muß solche leitende einheitliche Grundidee vom jus naturale und jus gentium, wie von der aequitas gesucht werden, da es unangemessen ist, anzunehmen, daß Justinian, oder vielmehr Tribonian und seine Mitarbeiter jene Lehrbegriffe ausführlicher behandelt, wie angewendet hätten, ohne eine bestimmte theoretische Anschauung von solchen sich zu bilden. Allein da es bei Abfaffung dieser Gesezbücher erging, wie bei allen Compilationen zu beschehen pflegt, daß der Compilator durch die divergirenden Ansichten seines Vorgängers in einzelnen Punkten zu einem inconsequenten Abgehen von seinem eigenen Grundbegriffe und dessen Folgefäßen verleitet wird, gerade diese Gefahr aber bei dem Zusammenwirken mehrerer Mitarbeiter für Abfafsung der Justitutionen und Digesten doppelt nahe trat und auch in der That ihre Folgen erkennen läßt, so ist es allerdings nicht ohne einige Schwierigkeit, jene leitende einheitliche Grundidee zu erkennen. Gerade um deßwillen aber gewinnt die Paraphrase eine erhöhte Bedeutung für uns, weil gerade Theophilus Mitarbeiter der Institutionen und Digesten war und hierdurch am Vollkommensten befähigt erscheint, ein glaubhaftes Zeugniß für jene in den genannten beiden Gesezbüchern Justinian's wahrhaft herrschende theoretische Auffassung der in Frage stehenden Lehrbegriffe abzulegen. Daher werden wir in §. 102. diesen Lehren des Theophilus eine besondere Betrachtung widmen. Voigt, Jus naturale etc.

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Was nun das jus naturale insbesondere und zwar zunächst in den Constitutionen der Kaiser betrifft, so sehen wir in dessen einzelnen Erscheinungsformen den Lehrbegriff der vorigen Periode reproducirt, jene Lehre nämlich von einer der natura rerum inwohnenden vernunftvollen Kraft, aus der eine ordnende Regel, das jus naturale hervorgeht. Von jenem Zwiespalte dagegen, der in der vorigen Periode zwischen Marcianus einerseits und Gajus, Paulus und Ulpianus andrerseits in den den höheren Sphären der Speculation anheimfallenden Fragen über die theoretische Begründung jenes jus naturale obwaltete, finden wir in den Constitutionen dieser Zeit keine Spur; dagegen tritt allerdings ein Anklang an die Ulpianische Lehre von einem zwischen Mensch und Thier gemeinsamen jus naturale deutlich zu Tage und läßt erkennen, wie dieses Dogma auch während der gegen= wärtigen Periode die Jurisprudenz influirte. In den Institutionen und Digesten endlich, wie von Theophilus wird der Zwiespalt der vergangenen Periode in ganz eigenthümlicher Weise scheinbar ausgeglichen und versöhnt.

Die aequitas verliert ihre Wurzel im Geiste des Volkes und, indem sie in der kaiserlichen Rechtsbildung nach außen hin sich abschließt, verliert sie hiermit jene günstige Stellung, welche während der vorigen Periode sie zu so fruchtbringender Wirksamkeit berief. Wenn immer daher die aequitas unter den erörterten Lehrbegriffen am häufigsten zu Tage tritt, so mangeln ihr doch jene Merkmale, welche während der früheren Periode fie so vortheilhaft auszeichneten: jenes bestimmte Bewußtsein und die Unterordnung unter gegebene leitende Grundideen, welche eine feste, stetige und unwandelbare Richtung in allen ihren Kundgebungen vermittelte und bestimmte. Denn jene aequitas fann da nur gedeihen und zur befruchtenden Quelle der Rechtswahrheit werden, wo ihre Basts eine universelle ist und auf der unmittelbaren Anschauung der Gestaltung der wechselvollen Lebens und Verkehrsverhältnisse beruht. Wo aber diese Vor

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ausseßungen mangeln, wie bei der Rechtsbildung durch die kaiserlichen Constitutionen, da gewinnt sie eine überwiegend particuläre Wesenheit und entbehrt zugleich des Merkmales der Continuität, welche ihre Postulate von Generatien auf Generation vererbt. Daher verliert mit der gegenwärtigen Periode

die aequitas jenen Character, den wir für die früheren Jahrhunderte ihr vindicirten, Ausdruck zu sein des jüngsten Rechtsbewußtseins der Nation: fie verwandelt sich in die Kundgebung der vom gegebenen Rechte unabhängigen Rechtsanschauung der Legislation.

Endlich das jus gentium verliert in Folge äußerer, hier nicht weiter in Betracht kommender Einflüsse seine practische und reelle Bedeutung, daher es aus der Sphäre der Anschauung der kaiserlichen Rechtsbildung ganz heraustritt und spurlos verschwindet, in den Institutionen und Digesten dagegen, zu neuem Dasein berufen, nunmehr die Umwandelung vollendet, für welche die ersten bewegenden Ursachen bereits in der Lehre der vorhergehenden Periode verborgen waren: es hört auf der durch historische Rechtsbildung gegebene Begriff: jus commune omnium hominum zu sein, und geht vollständigst über in ein jus quod naturalis ratio constituit und jus quo omnes gentes utuntur, bei= demal in Wahrheit zur lediglich sprachlich selbstständigen, besonderen Bezeichnung zweier Merkmale des jus naturale herabsinkend.

Judem wir uns nun zur Untersuchung des sich darbietenden Materiales im Einzelnen wenden, so werden wir zunächst die Constitutionen der Kaiser, sodann die Institutionen und Digesten Justinian's, endlich die Paraphrase des Theophilus besonders in Betracht ziehen, dabei aber die im Uebrigen sich darbietenden Quellenstellen, ebenso wie diejenigen Stellen in den Institutionen, welche nicht aus Schriften früherer Juristen excerpirt find, in dem ersten dieser drei Abschnitte mit berücksichtigen.

§. 98.

A. Constitutionen der Kaiser.

Jus naturale.

In den Constitutionen der Kaiser vermögen wir die von der vorhergehenden Periode aufgestellten Dogmen vom Wesen des jus naturale deutlich zu erkennen, jene Lehrsäße nämlich: es giebt eine natura rerum oder natura des Dinges und Wesens, wie auch, in weiterer Abstraction, eine natura der gegebenen Verhältnisse selbst, welche ist der Inbegriff der jenen Wesen, Dingen und Verhältnissen zukommenden Eigenthümlichkeiten und Besonderheiten; in dieser natura rerum waltet gesezvoll und

ordnend eine vernunftreiche Kraft: die naturalis ratio, und aus dem Wirken dieser ratio gehen hervor eine Summe ordnender Regeln und Gefeße: das jus naturale.

So wird die natura anerkannt von

Diocletianus et Maximianus in 1. 20. C. de pignor. 4, 24.: Pignoraticiae actionis natura;

Valentinianus et Valens in I. 17. C. Th. de praetor. 6, 4.:

Masculorum natura;

Valentinianus III. in beffen Novell. X, §. 3. Haen. :

Rei ipsius natura iniquum;

Justinianus in l. un. C. rei uxor. 5, 13. :

Rubr.: natura dotibus praestita; §. 1. 8. 9. 10.: natura ex stipulatu actionis; §. 2.: natura rei uxoriae (actionis); novam naturam de dote stipulatio sibi invenit; §. 3.: naturale ex stipulatu actionis; §. 6.: ex stipulatu actio secundum sui naturam transmittatur;

ingleichen 1. 2. C. comm. de legat. 6, 43.:

Natura legatorum; fideicommissi natura;

und Nov. CVI. Praef.:

Ἡ τῆς ἀμφισβητήσεως φύσις (controversiae natura); Bergl. and 8. 2. 3. J. de leg. 2, 20., §. 3. J. de locat. 3, 24., §. 7. J. de oblig. quasi 3, 27., §. 29. J. de act. 4, 6.

In dieser natura rerum wird jene gefeßvolle Ordnung_statuirt von:

Diocletianus et Maximianus in 1. 23. C. de probat. 4, 19.: Actor quod asseverat, probare se non posse, profitendo reum necessitate demonstrandi contrarium non adstringit, quum per rerum naturam factum negantis probatio nulla sit; Justinianus in 1. 14. pr. C. de legit. hered. 6, 58. und in l. 13. C. de contr. et committ. 8, 38.; ingleichen in Nov. XII. c. 1.: Θεσπίζομεν τοίνυν, τοῦ λοιποῦ, εἴ τις ἀθέμιτον καὶ ἐναν τίον τῇ φύσει συναλλάξει γάμον, εἴπερ οὐκ ἔχοι παῖδας ἐκ προτέρων γνησέων τε καὶ ἀμέμπτων αὐτῷ γενομένους γάμων εὐθὺς μὲν αὐτῷ τὴν τῶν οἰκείων πραγ μάτων ἔκπτωσιν ἐπικεῖσθαι ἀνθ ̓ ὅτου γὰρ ἐξὸν γάμον ποιεῖν νεμομισμένον παρανόμων ἐρᾷ, τει δὲ ἀσεβῆ καὶ ἀνόσια, καὶ τοιαυτά γε ἐπιθυμεῖ, ὁποῖα πολλὰ καὶ τῶν ἀλόγων ἀποσείεται ζώων; ἔστω γε αὐτῷ

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πράτ

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