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also einen besondern Zweig der Literatur gebildet haben würde, heranzuziehen. Die Natur ist bei diesen Dichtern, sei es nun Homer und Hesiod, oder Sophokles, Euripides und die zahllosen Lyriker, immer Staffage und Hintergrund des Gemäldes, vor dem menschliche Gestalten sich bewegen. Die Leidenschaften und Handlungen dieser sind die Hauptsache, der das Herz und Auge der Zuschauer und Leser lauschend zugewandt war. Das bewegte öffentliche Volksleben zog ab von der dumpfen schwärmerischen Versenkung in das stille Treiben der Natur. Letztere Naturanschauung ist das Characteristicum, wie es durch das Christenthum der Menschheit zu Theil geworden ist. Uns, die wir christliche Weltanschauungen zur Richtschnur nehmen, ist die Natur still und entvölkert. Wir sehen in ihr das Werk eines und zwar eines grossen, unbegreiflichen Wesens, das wir nur von weitem annähernd zu ahnen wagen. Uns ist die Schöpfung nicht plastisch fassbar und begreiflich, wie sie es den Griechen und Römern war, die mit den Erscheinungen, in denen sie die Manifestationen bestimmter Gotteskräfte und Tendenzen (numina) erblickten, leicht fertig waren. Uns ist die Sprache der Erscheinungen mehr oder weniger hieroglyph, da uns der Glaube an jene numina fehlt; wir sind ,,seufzende Kreaturen," denen sich die Räthsel der Natur wie ein Septimenaccord auf das betrachtende Gemüth lagern und die der Aufklärung derselben sehnend entgegen harren.2 Und eben diese wehmüthige Anwandlung, dieser unfertige Accord in unserm Innern bei der Naturbetrachtung, welcher nur durch die volle Klangoctave des christlichen Glaubens seine Lösung erhalten kann, ist etwa dasjenige, was Schiller als „, sentimentalisches Naturinteresse," das den Griechen fehle, bezeichnet. Wiewohl wir nun diese Grundstimmung unsrer Naturbetrachtung specifisch christlich nennen möchten, so finden sich doch auch bei den Alten viele Mythen, die gewissermaassen einem

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1) Humboldt Kosmos a. a. O. Aehnliches bei Schnaase, Gesch. der bildenden Künste II S. 128 ff. (1843). 2) Diesen Gedanken

s. bei Fr. Schlegel,,Vorlesungen über die Philosophie des Lebens" S. 173 ff.

Glaser, P. Vergilius M. Bucolica.

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sentimentalen Naturgefühl dienen. So begegnen wir in Hellas und Kleinasien zahlreichen Legenden, die als Kern die Idee der Vergänglichkeit des Irdischen, das Hinwelken der Blüte unter den Sommergluten u. drgl. tragen offenbar sentimentalische Gefühlsergiessungen. Wir erinnern an Adonis, an Hylas, der von Quellnymphen geraubt wurde, an Hyakinthos, an Narkissos, der von der Bergnymphe Echo geliebt wurde, aber diese Liebe nicht erwiederte. Echo grämte sich darüber so sehr, dass sie dahin schwand, bis nur noch die Stimme von ihr übrig blieb, welche fortan in den Wäldern und Gebirgen wohnte und jeden einzelnen Ruf der Stimme Anderer nachahmend zurückgab. Des Narkissos Tod und Verwandlung in eine Blume aber zeigt fast eine noch reichere Seite der Sentimentalität. Ueberhaupt bieten sämmtliche Metamorphosen, woran das Alterthum so reich ist, mehr oder weniger eine wehmüthig natursinnige Beziehung. Dass jedoch derartige Beziehungen und sentimental-romantische Anklänge dem Grad und der Form nach verschieden gewesen sein sollen von Aehnlichem, was sich etwa bei den Germanen des Tacitus finden konnte, können wir nicht wohl einsehen. Das romantische Gefühl eines heiligen Schauers, wie es Tacitus bei den in einen geweihten Hain oder Tempel eintretenden Germanen schildert, ist sicherlich im Grade nicht verschieden von dem Schauer, der in dem Eichwald des Jupiter von Dodona oder in dem Fichtenhain des Poseidon dem Gläubigen entgegenwehte.

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Ein hohes Interesse zeigten die Alten für die Natur, wenn sie in ihren Bildern und dichterischen Gleichnissen der Blumen und Bäume häufig gedenken. Getödtete Jünglinge wurden auf Gras und Blumen gebettet. Wie schön und sinnig deutet Vergil3 den symbolischen Grund hiervon an, wenn er sagt:

1) S. J. Cäsar Zeitschr. f. A. Jahrg. 1849 S. 486, welcher eine derartige specifische Verschiedenheit annimmt.

Desgl. c. 9. 3) Verg. Aen. XI, 67 ff.

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2) Tac. Germ. c. 39.

Hic juvenem agresti sublimem stramine ponunt
Qualem virgineo demessum pollice florem.
Seu mollis violae seu languentis hyacinthi,

Cui neque fulgor adhuc necdum sua forma recessit.

Das war, so bemerkt Cäsar passend, ein alter Brauch, nicht von Vergil zuerst erfunden, wie er sich auch schon in der Alkmäonis findet.1

Nicht minder gehört hierher die Mohnpflanze, welche eine äusserst natursinnige Bedeutung bei den Alten hatte. Allbekannt ist ja der Garten-Mohn (papaver somniferum L.) sowohl wegen der Schönheit der Blume, als auch wegen seiner betäubenden Kräfte. Nach einer Mythe, welche Theokrit aufbewahrte, entstand diese Pflanze aus den Thränen, welche Aphrodite um den verlornen Jüngling Adonis weinte. Der Gott des Schlafes, von Vergil an den Eingang des Orkus gesetzt, ward als ein sitzender Jüngling oder Engel abgebildet, welcher Mohnköpfe in der Hand oder um sich her liegen hat und dessen Flügel eingezogen sind.2 Auch der Tod selbst wird als ein milder Jüngling mit schwarzen Flügeln, schwarzem Gewand, die umgestürzte Fackel löschend und mit Mohnkränzen geziert, dargestellt.3 Ein Bild von der Mohnpflanze entnimmt Vergil da wo er den Tod eines niedersinkenden Kriegers schildert, in den Worten

It cruor inque humeros cervix conlapsa recumbit,
Purpureus veluti cum flos, succisus aratro,
Languescit moriens, lassove papavera collo
Demisere caput, pluvia cum forte gravantur.

Eine andre Pflanze, welcher das Alterthum eine höchst sinnige Bedeutung abgewann, ist der Majoran, welcher heutzutage allerdings einem culinarischen Zwecke dient und kaum noch das Ansehen hat, das die Alten ihm beilegten. Die Griechen und Römer nannten den Majoran (Origanum Majorana Linn.) Amaracus und knüpften eine besondere Mythe

1) Athen. XI, p. 460, 6. 2) Winkelmann's Werke II, p. 556 ff. 3) Noch viele Beziehungen des Mohn's bei den Alten s. bei Dierbach mythologisch-symbol. Pflanzenk. p. 119 ff.

4) Aen. IX,

434 ff.

daran. Auf der Insel Cypern wuchs er vorzüglich und war dem vielbesungenen Hymenäus gewidmet, wie dies ein Epigramm des Catull zeigt. Auch ruhte es sich, so glaubte das Alterthum, auf dem Majoran süss und angenehm, wie eine Stelle bei Vergil' zeigt, wenn er sagt:

At Venus Ascanio placidam per membra quietem

Irrigat, et fotum gremio Dea tollit in altos
Idaliae lucos, ubi mollis amaracus illum

Floribus et dulci aspirans complectitur umbra.

Noch eine andre wohlriechende Lippenblume ist hier zu erwähnen, die Minze nämlich, da in den ältesten Zeiten Braut und Bräutigam Kränze davon trugen, wozu man wohl die Garten-Minze (Mentha cruciata Lobelii) genommen haben mochte. Eine Mythe sagt, Mintha sei eine Nymphe gewesen, sie habe den Pluto geliebt, sei aber von der Proserpina aus Eifersucht in die Pflanze ihres Namens verwandelt worden. Daher sagt Ovid:2

Femineos artus in olentes vertere menthas

Persephone libuit.

Wir gedenken hierbei auch der Blume der Jo, welche von Zeus geliebt und, um sie vor der eifersüchtigen Juno zu retten, in eine Kuh verwandelt wurde. Die Göttin Gäa, die vielspriessende, schuf sofort eine Pflanze zur Nahrung der verwandelten Jo, welche nun denselben Namen führte. Dieses Gewächs ist unsre Gartenzierpflanze Levkoje, welche in Griechenland und Italien, wie die Hyacinthe und Narcisse, wild wächst. Dieses Leukoion ist das vaccinium des Vergil3, die Kuhblume, die Fior di vacca, wie sie noch heute in der Gegend von Neapel genannt wird. Das Beiwort nigra und alba bei Vergil hat manche Ausleger der Stelle veranlasst, die Pflanze auf Blüte und Frucht unsres Liguster (Rainweide) zu beziehen. Aber das Leukoion wurde nicht nur weissfarbig (λɛvxóv), sondern auch dunkelfarbig, dunkelroth, aber seltener, mithin beliebter, in letzterer Farbe gefunden.

1) Verg. Aen. I, 690 ff. 2) Ovid. Met. X, II, 18. 4) Dierbach a. a. O. p. 152, welcher

729.

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3) Verg. Ecl. übrigens unrichtig das

Linnéische ligustrum vulgare Hartriegel sein lässt. Hartriegel gehört zu

den Cornus - Arten.

Wie sinnig ist doch die Sonnenwendeblume (das . Helianthemum roseum, Decandolle) mit dem Helios in Verbindung gebracht! Die von dem Sonnengott verschmähte Klytie blickte unaufhörlich und sehnsuchtsvoll zu dem sie verlassenden Geliebten hinauf. Da verwandelten sie die Götter in eine Blume, die allzeit ihre Corolle gegen die Sonne hinwendet. 1

Damit in Verbindung brachten die Alten den Weihrauch (libanos oder tus). In diesen wurde die von Helios begünstigtere Schwester der Klytie, die Leukothoe, verwandelt, als sie ihr erzürnter Vater tödtete, indem er sie lebend in ein Grab einschloss.2

Wie oft wird ferner von Vergil in der naturinnigsten Weise das blaue Veilchen in seine Darstellung eingewoben, als Blume des Frühlings und der Proserpina. Die Zeit, da diese Göttin in den Hades wanderte, war dieselbe, wo mit dem Veilchen auch Narcisse und Mandelbaum blühten, so dass in der lieblichsten Weise der Naturwechsel mit der Mythologie verwoben erscheint.

Erwähnt muss auch der wahre oder officinelle Safran (Crocus sativus Lin.) werden, der auf den Gebirgen Italiens und Griechenlands wild wächst und wovon es auch in unsern Gärten vielfältige Spielarten giebt. Vergil lässt diese Pflanze durch die Metamorphose des Jünglings Crocus entstehen, welcher, wie seine vielgeliebte Smilax, jedes in die gleichnamige Pflanze überging. Bei Homer schon erscheint die rosenfingrige Eos von einem Krokosschleier umwallt und die in der Frühe vor der Sonne über den östlichen Horizont verbreitete Lichtfarbe rechtfertigt die antike Symbolik vollkommen.

Wie die Farbe des Safrans die Tinte des Himmels beim Aufgange der Sonne darzustellen vermag, so ahmen die Corollen der Schwertlilie das Phänomen des Regenbogens nach, und Iris hiess bei den Alten nicht nur der Regenbogen, sondern auch eine Bewohnerin des Olymps, die Botin der Juno. So wie nämlich Merkur, der Bote des Zeus, die Seelen der gestorbenen Männer an den Ort ihrer Bestimmung brachte,

1) Ovid Met. IV, 264 ff. 2) Met. IV, 249 ff.

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