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immer aber in einer Weise, dass man sieht, welch' hohen Ansehens unser Dichter auch bei späteren Schriftstellern über Landwirthschaft, denen eine gewisse Wissenschaftlichkeit nicht abgesprochen werden kann, sich erfreute.

Wir erwähnen nur beiläufig, dass die Gedichte Vergils fortwährend Gegenstand zu Citaten auch für die Kirchenväter und durch das ganze Mittelalter hin gewesen sind.1 Die Kirchenväter und Neuplatoniker sammelten und benutzten Zeugnisse aus Vergil's Gedichten, nicht nur um die Angriffe der Heiden gegen das Christenthum mit deren eigenen Waffen gleichsam abzuweisen, sondern auch um die Gegner für das Evangelium zu gewinnen, dessen Vorausverkündigung schon in Versen des Vergil (wie Ecl. IV, 4 ff.) zu finden sei. So wenigstens verfahren Augustinus in seinem „Civitas Dei“ und Lactantius in seiner Div. instit. lib. VII, c. 24, welche beide in obiger Ekloge eine Prophetie Vergil's finden, wiewohl unter der daselbst genannten virgo die Göttin der Gerechtigkeit, als Astraea redux, nicht aber die Jungfrau Maria, zu verstehen ist.2

Die Neigung und das wunderbare Geschick Vergil's sich in die umgebende Natur zu versenken und sie selbst zur Anschauung zu bringen, war zu allen Zeiten anerkannt und Gegenstand der Bewunderung. Diese sinnige Hingabe des Dichters an die Natur zeigt sich nicht nur in meisterhaften Schilderungen, wie der des Frühling's (Georg. II, 323 ff.) und Winters in Scythien (G. III, 354 ff.), sondern auch und noch viel mehr in treffenden Gleichnissen, die er aus ihr von Pflanzen und von Thieren entlehnt.

Noch zu Vergil's Zeitalter gaben diese Eigenschaften der Vergil'schen Landmuse vielfache Anregung, was die Citate bei Manilius in seinen Astronomicon libr. und bei Gratius Faliskus in seinem Cynegeticon 1. beweisen. Anklänge bei

1) Evang. Kal. für 1862 v. Piper,,,Vergilius als Prophet und Theolog des Heidenthums in d. Kirche; Berlin, 1862.

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2) Heyne ad Verg Ecl. IV. Genthe Verg. Ecl. S. 13. Creizenach Verg. Aeneis u. ihre Bed. im Mittelalter. Frankf. a./M.

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späteren Dichtern finden wir in Martial's Epigrammen, in Nemesianus' Cyneg., in Tibull's und Properz's Elegien, in Silius Italicus' Punica, in Valerius Flaccus Argonautica, in Statius' Thebais, in Lucan's Pharsalia und in einer Menge anderer, oft unbedeutender Dichter und Prosaiker. Oft auch freilich verbergen einige dieser Dichter durch die Anwendung Vergil'scher Wendungen und Aussprüche die Dürftigkeit und Beschränktheit ihres eigenen Geistes.

III. Studie.

Der wissenschaftliche Werth der Georgica.

Vom Standpunkte der strengen Wissenschaft und der exacten Naturforschung ist Vergils Gedicht Georgica auch zuweilen beurtheilt worden. Es fragt sich, hat dies Ackerbaugedicht überhaupt Anspruch auf wissenschaftlichen Werth, und sind nicht die Irrthümer, wenn es sich darin um Beurtheilung physikalischer Erscheinungen handelt, so zahlreich, dass die didaktische Bedeutung desselben gänzlich zurücktreten muss? Die poetische Seite kann dabei immerhin gelten und ihren besondern Werth behaupten! Wird, so könnte man weiter fragen, Vergil im ganzen System seiner landwirthschaftlichen Anweisungen von der gereifteren und geläuterten Erfahrung widerlegt, oder sind es nur einzelne Punkte, in welchen er irrt oder antiquirten Erklärungen folgt? Man wird, in gerechter Beurtheilung der Wissenschaftlichkeit Vergils, vor Allem davon ausgehen müssen, ob etwaige naturwissenschaftliche Fehlgriffe, die er thut, subjectiver Art sind, oder ob dieselben nicht als Ausflüsse von Anschauungen des Alterthums und des speciellen Zeitalters, in welchen der Dichter lebte, aufzufassen sind. Und in der That sind die meisten Anstösse, die wir in dem Gedicht Georgica hier und da nehmen können, vorzugsweise an solchen Stellen zu finden, wo der Dichter über Kommen und Gehen der Gestirne und ihre Rückwirkungen auf Natur und Jahreszeiten sich verbreitet. Wir wissen aber, dass zu Vergil's Lebzeit noch kein Kopernikanisches System als Norm dienen konnte und dass mithin in physikalischgeographischer Hinsicht von Vergil manche Behauptung leicht geschehen konnte, die eine moderne Kritik kaum auszuhalten vermag. Dagegen aber sind seine ökonomischen Rathschläge,

die er giebt, und seine landwirthschaftlichen Unterweisungen, die er zum Theil aus Cato und Varro entnimmt oder die sich auf seine eigene Empirie stützen, zuverlässig und bewährt. Freilich hat man in technischer Hinsicht in der Landwirthschaft Fortschritte gemacht, und es wird heute Niemand mehr rücksichtlich der Construction eines Pfluges bei Vergil sich Raths erholen wollen! Doch was bedeutet für den Standpunkt eines landwirthschaftlichen Dichters im grossen Ganzen dieser technische Fortschritt? Ist ihm nicht doch die Hauptsache der natürliche Boden, dem der Samen anvertraut wird, die Einwirkung von Licht, Wärme und Feuchtigkeit, wovon dessen Crescenz und Gedeihen abhängig ist? Aber diese Factoren sind noch dieselben, die sie von jeher waren! Und kann etwa im grossen Ganzen behauptet werden, dass die heutigen Bienen einen süssern Honig anfertigen, als die der Alten, dass unsre jetzigen Getraidekörner kräftiger und mehlreicher, dass unsre Aepfel und Birnen saftiger und würziger, dass unser Wein besser und duftender geworden ist, als alle diese Dinge bei den Alten sich vorfanden? Es müsste Jemand arg befangen sein, wenn er Aehnliches annehmen wollte!

Freilich darf man keine mikroskopische Atomenlehre in Vergil's Schriften suchen wollen, wie sie die moderne Wissenschaft nun übt und worauf sie sich vielleicht zu viel zu Gute thut. Auch erwarte man bei ihm keine Agriculturchemie im neueren Sinne! Und doch verstanden sich die Alten recht gut auf den Nervus der Landwirthschaft, den Dünger! Und sie kannten sogar die Kalkdüngung und hatten die gründlichsten Erfahrungen über das Anwenden mineralischen, vegetabilischen oder animalischen Düngers" für dieses oder jenes Gewächs, in diesem oder jenem Falle. Man lese desshalb nur in Cato's 2 und noch mehr in Varro's Werken nach! Und Vergil, sofern die Würde und der Charakter seines Gedichtes es erlaubte, erwähnt nicht minder des Düngers in

1) Pallad. lib. X. init.

Columell, lib. II, 10 u. 14. 2) Cato r. r. c. 38. Siehe unsre Einleit. I, S. 10.

einer Weise, dass wir einsehen müssen, wie wir es auch in diesen Fragen mit einem rationellen Kenner zu thun haben. Man hat ferner zuweilen die Anklage gegen die Georgica erhoben, sie seien ohne eigentliche Methode geschrieben. Gerechtfertigt würde dieser Vorwurf sein, wenn Vergil ein exclusiv didaktisches Gedicht hätte liefern wollen, dessen Aufgabe es dann allerdings gewesen wäre, mit Fernhaltung jeglicher Unterhaltung des Gemüths, das Trockene der landwirthschaftlichen Technik durch möglichst methodische Ordnung und möglichst genaue Aneinanderreihung des grob sachlich Zusammengehörigen in der Beschreibung erträglich zu machen. Aber unserm Dichter schwebte ein höherer Zweck vor. Er wollte das Trockendürre seines zu behandelnden Gegenstandes durch Effectdarstellung und Variirung heben und womöglich beseitigen. Er braucht dazu vor Allem starke Farbencontraste, Vermannichfaltigung und Belebung der an und für sich stumpfen landwirthschaftlichen Materie. Der Geist des Lesers, der neben der Belehrung, die er entgegennimmt, auch unterhalten sein will, verlangt nicht, dass man ihn sachgemäss und consequent von einem zum andern Gegenstand hinführe, so dass er successive die einzelnen Ringe der Ideenkette gleichsam zählen könne; er will vielmehr von Gegenstand zu Gegenstand fliegen, er will einen Spatziergang machen, nicht aber eine angestrengte Reise. Dies ist Vergil's Methode, wie sie beispielsweise im ersten Buche seines Gedichtes sofort drastisch vor unser Auge tritt. Der Dichter beschreibt da, nach vorausgegangener Anrufung der der Landwirthschaft präsidirenden Gottheiten, die Zeit der Ackerpflügung - wir sind somit in der Trockenheit des didaktischen Tones! Er empfiehlt nun auch die Natur des Bodens vorher genau zu prüfen; und dies führt ihn unvermerkt hinüber in einen angenehmen und zugleich episodischen Excurs über die verschiedenen Erzeugnisse der verschiedenen Bodenarten. So gewinnt er dem harten didaktischen Stoff sofort eine ästhetische Seite ab, und lässt den trüben Lehrton nur durch eine verhältnissmässig geringe Zahl von Versen klingen, um ihn alsbald, damit der Leser nur nicht ermüdet werde, in die liebliche Klangart der poetischen Beschreibung hinüberzuführen.

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