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oder, wovon gleich unten gesprochen werden soll, nach Fin. 1, 10, 32: error voluptatem accusantium doloremque laudantium, irrthümliche Anklage der Lust und Lobpreisung des Schmerzes; vgl. Tusc. 3, 2, 4: atque hi quidem optima petentes non tam voluntate quam cursus errore falluntur, durch eine irrthümliche Richtung. Für irrthümliche Vorstellung, Ansicht u. dgl. wird nach §. 45 error allein genügen. Vermeintlich, eingebildet: malum illud opinionis esse, non naturae Tusc. 3, 15, 31; vgl. Legg. 1, 16, 45.

§. 74. Togischer Erfah des Adjectivs durch Substantiva.

Wir verstehen unter logischem Ersaß denjenigen, welcher nicht durch das materielle Bedürfniß der Sprache, sondern durch die Beschaffenheit des auszudrückenden Gedankens veranlaßt wird. Wie wir nämlich §. 20 gesehen haben, daß lat. Adjective dergestalt den Hauptbegriff des Gedankens in sich aufnehmen, daß die ihnen zukommende Bedeutsamkeit sich im Deutschen nur durch ein Substantiv wiedergeben läßt, so finden sich umgekehrt im deutschen Saze sehr oft Adjective, welche den Hauptgedanken so wesentlich afficiren, daß im Lat. der Rang eines Substantivs an sie gewendet wird. Wenn wir sagen: der Aberglaube hat sich der schwachen Menschen bemächtigt, so steht schwach zu dem Hauptgedanken in causalem Verhältniß; der Aberglaube hätte der Menschen nicht mächtig werden können, wenn sie nicht schwach wären. Diese Wichtigkeit des schwach für den ganzen Gedanken wird durch Anwendung des Substantivs anerkannt: superstitio hominum imbecillitatem occupavit Divin. 2, 72, 148; vgl. Legg. 1, 10, 29: si depravatio consuetudinum, si opinionum vanitas non imbecillitatem animorum torqueret et flecteret, quocunque coepisset, sui nemo ipse tam similis esset quam omnes essent (Vahlen) omnium. Diese Nedeweise gibt dem lat. Ausdruck deßwegen so viel Kraft und Gewicht, weil die im Deutschen mehr latent gehaltene Bedeutsamkeit des Adjectivs im lat. Substantiv zur vollen Anschaulichkeit kommt. Tusc. 3, 5, 11: stultitiam (d. i. der Nichtweise im stoischen Sinn) censuerunt constantia vacantem posse tamen tueri mediocritatem officiorum, d. i. die sogenannten media officia, eben weil sie nur media und nicht perfecta sind. Cato m. 19, 70: sin processerit longius (im Alter), non magis dolendum est quam agricolae dolent praeterita verni temporis suavitate aestatem autumnumque venisse,

daß nach Verfluß der angenehmen Frühlingszeit der Sommer und Herbst gekommen ist; in angenehm liegt ein Grund, der eine Trauer der Landleute allenfalls rechtfertigen könnte. Lael. 1, 4: genus autem hoc sermonum positum in hominum veterum auctoritate et eorum illustrium plus nescio quo pacto videtur habere gravitatis, Gespräche dieser Art bekommen mehr Gewicht, wenn sie bedeutend en historischen Personen in den Mund gelegt werden; die auctoritas der Personen verhält sich ursächlich zur gravitas der Gespräche. Phil. 5, 12, 33: cum hoc, patres conscripti, bello, bello, inquam, decertandum est idque confestim; legatorum tarditas repudianda est, eine langsame, d. i. zeitraubende Gesandtschaft; aber in der tarditas liegt der Grund, warum eine Gesandtschaft nicht stattfinden soll. Att. 2, 5, 1: cupio ab hac hominum satietate nostri discedere et cum aliquo desiderio reverti, ich möchte mich gern von diesem meiner überdrüssigen Publikum entfernen; aber eben dieses überdrüffig ist das Motiv des Wunsches. Or. 2, 58, 237: parcendum autem est maxime caritati hominum, geliebte Personen; 1, 53, 228: se populum Rom. tutorem instituere illorum orbitati. N. D. 2, 47, 122: cibum partim unguium tenacitate arripiunt, partim aduncitate rostrorum. Or. 1, 3, 10: quis ignorat, ii qui mathematici vocantur quanta in obscuritate rerum versentur; das Substantiv steht deßwegen, weil gleich nachher gesagt wird, daß troß dieser obscuritas Jeder Mathematiker geworden sei, der es ernstlich darauf angelegt habe, obscuritas also sich zu dem folgenden Gedanken prohibitiv verhält, d. h. schon im Voraus ein Moment hervorhebt, aus welchem auf das Gegentheil von dem, was unmittelbar nachher gesagt wird, zu schließen wäre; vgl. Phil. 2, 26, 64: unus inventus est, qui id auderet, quod omnium fugisset et reformidasset audacia. Aber auch wo die ursächliche oder die prohibitive Bedeutsamkeit des Substantivs für den Gedanken nicht so stark hervortritt, kann solches doch für das Adjectiv einstehen, wofern legteres nur seine Unentbehrlichkeit für die Aussage dadurch erweist, daß es ohne wesentliche Veränderung des Sinnes nicht wegbleiben kann. Legg. 2, 14, 36: qua licentia Romae data quidnam egisset ille, qui in sacrificium cogi. tatam libidinem intulit, quo ne imprudentiam quidem oculorum adici fas fuit, in eine heilige Feier, in welche man ohne Frevel nicht einmal einen absichtslosen, zufälligen Blick werfen konnte. Or. 1, 25, 114: quae certe cum ipso homine

nascuntur, linguae solutio, vocis sonus, eine fertige Zunge, eine klangvolle Stimme; 2, 16, 68: hisce autem ipsis de rebus ut ita loquatur, ut ii, qui iura, qui leges, qui civitates constituerunt, locuti sunt, simpliciter et splendide, sine ulla serie disputationum, ohne lang ausgesponnene Erörterungen; 2, 29, 129: harum trium partium prima lenitatem orationis desiderat, einen leise auftretenden, gewinnenden Vortrag; 2, 43, 184: tantum autem efficitur sensu quodam ac ratione dicendi, durch eine empfindungsvolle, wohlüberlegte Rede. Phil. 12, 4, 9: Gallia armis, viris, pecunia belli principia firmavit, hat den beginnenden Krieg nachdrücklich gefördert. Bisweilen wird der Nachdruck, den das Substantiv der Rede gibt, auch wohl um rhetorischer Zwecke willen gesucht; Mil. 14, 38: potuitne illo die (Milo Clodium interficere), cum est lata lex de me, cum totius Italiae concursus (das ganze versammelte Italien)*) facti illius gloriam lubens agnovisset? Verr. 5, 10, 26: ita diei brevitas conviviis, noctis longitudo stupris et flagitiis continebatur; Phil. 10, 8, 16: horum alter nondum ex longinquitate gravissimi morbi recreatus. Tac. Hist. 1, 72: nulla innocentiae cura, sed vices (wechselseitige) impunitatis. Hier ist überall dem von uns adjectivisch wiederzugebenden Begriffe durch die substantivische Form ein unverkennbares Gewicht verliehen.

§. 75. Adjectiva auf griechische Weise durch Adverbien und adverbielle Bestimmungen ersetzt.

1. Auf einen fremden Boden begibt sich die lat. Sprache, wenn sie sich die Adjectivirung eines Adverbs, welche das Griedische durch Einschiebung desselben zwischen Artikel und Substantiv erreicht, dadurch anzueignen sucht, daß sie das Adverb oder den adverbial geltenden Ausdruck zwischen Substantiv und Adjectiv oder überhaupt auf eine dem Griechischen sich möglichst annähernde Weise einschaltet (die sogenannte Figur des dø' év). Benn der Griede fagte: τὴν κύκλῳ πᾶσαν χώραν (Xen. An.

*) Dieses und das folgende aus d. 10. Phil. entnommene Beispiel möge dem angehenden Stilisten als Fingerzeig dienen, wie er, natürlich unter Berücksichtigung des in diesem S. Besprochenen, in dem Falle verfahren könne, daß das deutsche Substantiv mit zwei Attributen versehen ist. Vgl. Haade 1. 1. §. 6, 1.

3, 5, 14), so lag es dem Lateiner nahe zu sagen: omnem circa regionem. Daß aber dieser Gebrauch wenigstens in seiner spå teren Ausdehnung und in seinen auffallenden Erscheinungen eine durch den Mangel des Artikels veranlaßte Nachahmung des grie chischen ist, geht theils aus seiner Natur, theils aus dem Umstande hervor, daß er im Lat. erst dann recht um sich greift, als die griechische Diction auch auf die lat. Prosa starken Einfluß zu gewinnen beginnt, d. i. etwa von Livius an, bei dem diese Spracherscheinung bereits sehr häufig ist. Fremd aber war er der Profa zu keiner Zeit.*) Um an Cäsar's reliquis deinceps diebus (b. G. 3, 29, 1; vgl. Kraner z. d. St.) im Vorübergehen zu erinnern, so liefert namentlich Cicero die entschiedensten Beispiele. Pis. 9, 21: discessu tum meo (in Folge meiner damaligen Entfernung) omnes illi gladii de manibus exciderunt; N. D. 2, 66, 166: deorum saepe praesentiae, die oftmaligen Erscheinungen der Götter. Wie die Adverbien werden von ihm auch Casus der Substantiva und Präpositional-Ausdrücke behandelt, zuweilen mit dem deutlichen Bestreben das Adjectiv zu ersehen. Phil. 3, 6, 15: ignobilitatem obicit C. Caesaris filio, cuius etiam natura pater (púσ& naτýę; naturalis haben einige codd.), si vita suppeditasset, consul factus esset; cf. Verr. 3, 69, 162: si est tuus natura filius, consuetudine discipulus; Att. 5, 14, 1: neque longas a me neque semper mea manu litteras exspec tabis, eigenhändige Briefe; Or. 2, 5, 20: et tot locis sessiones; 3, 3, 10: C. Carbonis eodem illo die mors; Phil. 8, 4, 13: bonos et utiles et e re publica cives; Rep. 1, 2, 2: usus autem (virtutis) est maximus civitatis gubernatio et earum ipsarum rerum, quas isti in angulis personant, reapse, non oratione perfectio, die thatsächliche, nicht blos mündliche Durchführung derjenigen Dinge, mit welchen sich jene in ihren Winkeln laut machen; Phil. 5, 4, 8: ubi lex Caecilia et Didia? ubi promulgatio trinum nundinum (sc. tempus)? wörtlich: der öffentliche Anschlag drei Markttage lang; pro Corn. I. frgm. 27 (ed. C. F. W. Müller): ex promulgatione trinum nundinum **). Zuweilen scheint uns der Mangel eines Verbums, an welches sich der Präpositional-Ausdruck anschließen könnte, sehr auffallend; Or.

*) Auch der Volkssprache nicht; s. Rebling in Fleckeis. JJbb. 1880 S. 368.

**) Diesem Acc. der Zeit ist analog Flacc. 7, 15: re multos dies promul gata et cognita; anderer Ansicht ist Lange Rh. Mus. 30, 161 ff.

2, 27, 115: omnis ratio dicendi tribus ad persuadendum rebus est nixa, die ganze Redekunst beruht auf drei zur Ueberzeugung zusammen wirkenden Elementen (Factoren); 2, 53, 215: omnium rerum in contrarias partes facultas ex iisdem suppeditatur locis, in allen Fällen hat das Pro und Contra der Beweisführung die nämliche Fundstätte; Tusc. 3, 5, 11: mentis ad omnia caecitas vollständige Blindheit. Oft ist die adverbiale Einschaltung auch ziemlich umfangreich; N. D. 2, 21, 54: hanc tantam variis cursibus in omni aeternitate constantiam; Flacc. 25, 60: illam universorum civium Romanorum per tot urbes uno puncto temporis miseram crudelemque caedem; Or. 1, 60, 257: illa orationis suae cum scriptis alienis comparatio et de alieno scripto subita vel laudandi vel vituperandi vel comprobandi vel refellendi causa disputatio. Regel sogar ist fie, wenn nomina affectuum mit ins Spiel kommen, z. B. mẹa in te benevolentia, wie schon die Elementar-Grammatik lehrt.

Livius schaltet mit Vorliebe das Adverbium circa ein; z. B. 1, 17, 4: multarum circa civitatium irritatis animis, und so sehr oft; s. Weißenb. z. d. St. und Drak. zu 9, 2, 7. Aber er sagt auch 2, 23, 11: exprobrantes suam quisque alius alibi militiam; 4, 30, 8: defectus alibi aquarum; 3, 63, 5: gemina victoria duobus bifariam proeliis parta; 5, 39, 6: omne inde tempus, jeder von nun an eintretende Augenblick; 5, 51, 5: intuemini enim horum deinceps annorum vel secundas res vel adversas; 6, 39, 6: maximo privatim periculo, nullo publice emolumento; vgl. Caes. b. G. 5, 3, 5: nonnulli principes ad Caesarem venerunt et de suis privatim rebus ab eo petere coeperunt; Liv. 7, 25, 7: inter duo simul bella, während zweier zusammentreffender Kriege. Doch wir sparen bei dieser praktisch zwar sehr wichtigen, wissenschaftlich aber längst schon von Roth Exc. Agr. XXIV und XXV entwickelten und neuerdings von Haase-Eckst. Vorles. über 1. Sprachw. I. S. 131 ff., Haase-Peter II. S. 207 ff., von G. Englert, über den attributiven Gebrauch adverbialer Bestimmungen bei Livius, Aschaffenburg 1866, ferner Kühnast L. S. p. 52. 53, sowie von Dräger Hist. S. §. 79 und von Kühner Lat. Gr. II. S. 163–166*) behandelten Sache *) Für einzelne Schriftsteller: Lupus, Sprachgebr. des Corn. N. S. 8. 9; Sander, Sprachgebrauch des Rhet. A. Seneca S. 11; Hoppe, Sprache des Philos. Seneca S. 12; Th. Vogel, Sprachgebr. des D. Curtius S. 21 (in seiner Ausgabe 12 S. 25); Kraut, Syntar u. Stil des

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