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stellt, daß im Verhältniß des zweiten zum ersten sowie des dritten zum zweiten eine leicht erkennbare Mischung der Anaphora und des Chiasmus statt findet, während sich die Hauptbestandtheile des subordinirten Nebensaßes zweiten Grades (quarum studium u. s. w.) chiastisch kreuzen. Gleichwohl legt es ihm, um mit Erfolg betrieben zu werden, viele der trockensten und mühsamsten Arbeiten auf, durch die er im glücklichsten Falle nichts weiter als einigen auf ein kleines Publikum beschränkten und überdies oft bestrittenen und geschmälerten Ruhm gewinnt": Et illud, ut cum successu tractetur, multos iniungit nobis labores taedii molestiaeque plenissimos, unde, praeclare ut agatur, nihil lucri facimus nisi gloriolam in paucorum notitia versantem, saepe etiam in controversiam vocatam atque obtrectationibus limatam. Chiastisch gestellt ist hier nichts als iniungit nobis labores zu nihil lucri facimus; in den beiden Nebensäßen: ut cum successu tractetur, praeclare ut agatur findet wieder die Mischung beider Figuren statt; aber die logisch wichtigsten Begriffe dieser Säße, nämlich die zu labores und zu gloriolam gehörigen Attribute, sind ihren Substantiven anaphorisch beigesellt.

Man mag über die Latinität dieser Uebersetzung urtheilen wie man will, so viel wird man zugeben müssen, daß sie so einfach als möglich gehalten, daß in ihr durchaus nichts gethan worden ist, um die Anwendung der in Rede stehenden Figuren auf künstliche Weise zu ermöglichen. Dennoch wird man nicht umhin können auch das zuzugestehen, daß die in ihr vorliegende Wortstellung fast lediglich auf den besprochenen Figuren und deren Mischung beruht, und daß diese wirken, was sie sollen, nämlich die vorhandenen gegensätzlichen Beziehungen markiren.

2. Doch machen wir die umgekehrte Probe und betrachten das erste Kapitel von Cäsar's gallischem Krieg, das nicht etwa rhetorisch behandelt, sondern im einfachsten Tone nüchterner Beschreibung gehalten ist. Gallia est omnis divisa in partes tres. Die Adjectiva folgen den Substantiven anaphorisch, Gallia omnis, partes tres; indem aber est von divisa getrennt und zunächst zu Gallia gestellt worden ist, hat sich der Nominalausdruck Gallia omnis und der Verbalausdruck est divisa so gespalten, daß die §. 168, 3 erörterte Art der Anaphora herauskommt, kraft deren hier Nominal- und Verbalausdruck, beide zweitheilig, in einander verschränkt werden: Nomen, Verbum, Nomen, Verbum. Hiedurch ist auf das von Gallia getrennte omnis ein Nachdruck gekommen,

welcher es in Gegensaß bringt zu partes; das Land, welches den Gesammt namen Gallia führt, zerfällt gleichwohl in unterschiedliche Theile (s. übrigens auch Kraner z. d. St.); indem nunmehr, wie omnis auf Gallia, so tres auf partes folgt, kommt die zu erläuternde Zahl unmittelbar vor die Erläuterung selbst zu stehen. Quarum unam incolunt Belgae, aliam (incolunt) Aquitani, tertiam (incolunt) qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur. Hier folgen sich, wie wir durch das eingeschaltete incolunt anschaulich machen, Object, Verbum, Subject dreimal anaphorisch. Aber das dritte Subject ist erweitert in einen zweitheiligen Relativsaß, dessen Kern abermal in ciner Anaphora besteht: ipsorum lingua Celtae, nostra (lingua) Galli. Aber eintönig wäre die Periode geworden, wenn das Verbum des Relativsages gleich dem des Hauptsahes vor das nomen proprium gestellt worden wäre; indem es hinter lekteres tritt, verhält sich die Wortstellung im Hauptsaße zu der des Nebensaßes in einer Hinsicht chiastisch. Hi omnes lingua, institutis, moribus inter se differunt. Gedankengang: der Verschiedenheit der Wohnsize entspricht die Verschiedenheit der Nationalität. Diesen Gegensatz deutet der Chiasmus an, welchen das unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam Galli sive Celtae bildet mit hi omnes differunt (Verbum, Subject, Subject, Verbum), während der zum Verbum gehörige Casus zweimal, d. i. anaphorisch vor dem Verbum steht: unam, aliam, tertiam incolunt, lingua, institutis, moribus differunt. Gallos ab Aquitanis Garumna flumen, a Belgis Matrona et Sequana dividit. Der anaphorische Bau dieses Sages springt in die Augen, eben so der Chiasmus in der Folge der Völkernamen; in der ersten Periode hieß es: Belgae, Aquitani, Celtae sive Galli, in diesem Saß stehen sie in umgekehrter Ordnung: Galli, Aquitani, Belgae.

Horum omnium

fortissimi sunt Belgae, propterea quod a cultu atque humanitate provinciae longissime absunt minimeque ad eos mercatores saepe commeant atque ea, quae ad effeminandos animos pertinent, important, proximique sunt Germanis, qui trans Rhenum incolunt, quibuscum continenter bellum gerunt. Von drei Causalsägen ist der dritte im Verhältniß zum ersten chiastisch gebaut: a cultu prov. longissime absunt, proximi sunt Germanis, indem mit Superlativ und Verbum der erste schließt, der lezte beginnt; der zweite Causalsay aber stellt alle andern Saßtheile zwischen Superlativ und Verbum in die Mitte, so daß er

nach §. 167, 3 extr. zwischen dem ersten und dritten in Absicht auf Wortfolge eine vermittelnde Stellung einnimmt. Während also in dieser Periode die durch ein eingeschobencs Glied ver mittelte Kreuzstellung herrscht, haben die derselben angehörigen Relativsäte qui — incolunt, quibuscum - bellum gerunt, ein: fach anaphorischen Bau. Qua de causa Helvetii quoque reliquos Gallos virtute praecedunt. Dieser nunmehr folgende Hauptsat verhält sich zu dem Hauptsaße der vorhergehenden Periode chiastisch; denn dem horum omnium, d. i. Gallorum fortissimi sunt Belgae, entspricht umgekehrt Helvetii quoque Gallos virtute praecedunt, i. e. reliquis Gallis fortiores sunt. Nun folgt der Grund: quod fere cotidianis proeliis cum Germanis contendunt, cum aut suis finibus eos prohibent aut ipsi in eorum finibus bellum gerunt. Der Bau dieser drei Säße ist anaphorisch; denn in allen dreien stehen die andern Sahtheile zwischen Conjunction und Verbum in der Mitte; aber die beiden Disjunctivsäge mit aut aut haben auch etwas Chiastisches in sich aufgenommen: suis finibus eos, ipsi in eorum finibus. Mit dieser Darlegung könnten wir in infinitum fortfahren; aber schon das Bisherige reicht hin, den Nachweis zu liefern, daß die beiden Figuren in der lat. Rede nicht blos bisweilen vorkommen, sondern den Bau derselben beherrschen und durchdringen *). Dies gilt eben so von der Wortstellung der Dichter; namentlich ist bei diesen die Stellung der Attribute zu den Substantiven durch und durch von dem Chiasmus und der Anaphora und deren Mischung bedingt, so daß die Lehre vom grammatischen Bau des Verses und das Verständniß der versbildenden Technik in jenen Figuren eine Hauptgrundlage hat. Natürlich sind wir weit entfernt zu wähnen, als brauche der Lateiner diese Chiasmen und Anaphoren überall mit dem Bewußtsein des analysirenden Grammatikers. Dem Schrift steller bietet sie der in ihm lebendige Genius der Sprache bar,

*) In der Häufigkeit und Art der Anwendung jeder dieser Figuren unterscheiden sich natürlich die einzelnen Schriftsteller und Schriftwerke von einander; für Caesar z. B. hat die Untersuchung der Anaphora und des Chiasmus im bellum Gall. von K. Lorenz (Treuzburger Gymn.Progr. v. 1875) ergeben, daß dort die Anaphora ungleich häufiger als der Chiasmus verwendet erscheint. Zu gleichem Resultat gelangte für Sallust K. Meyer, die Wort- und Sazbildung bei Salluf, Magdeburg 1880; s. übrigens Eußner in d. Philol. Rundschau 1, 346. Weitere Spezialuntersuchungen dieser Art wären äußerst erwünscht.

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die er handhabt als Künstler, nicht als Grammatiker. Er verhält sich zu diesen Figuren, wie der Componist zu den Regeln des Generalbasses, nach welchen sich diesem die Folge der Töne bestimmt, ohne daß er sich die Geseze dieser Folge in jedem Augenblicke zu vergegenwärtigen braucht.

§. 171. Chiasmus und Anaphora Hauptprincipien periodischèr Wortstellung.

Wer sich aber das Auge für chiastische oder anaphorische Gliederung der Nede als Grammatiker geschärft hat, dem drängen sich diese Figuren in allen Säßen und Perioden auf, die nur irgend groß genug sind, um entsprechende Glieder und Redetheile in sich aufzunehmen. Es ist auch gar nicht anders möglich, als daß die correspondirenden, logisch oder grammatisch auf einander bezüglichen Theile des Sazes in gleicher oder in umgekehrter Ordnung auf einander folgen. In dieser directen oder indirecten Gleichförmigkeit hat die Sprache Mittel genug, alle Arten materieller und formeller Gegensäße zu markiren; der Chiasmus offenbart das gegensätzliche Verhältniß unmittelbar und ohne Weiteres, die Anaphora mittelbar, wie oben bemerkt, durch den Contrast des Inhalts und der Form. An den Begriffen nun, welche in chiastischer oder anaphorischer Stellung die Träger des materiellen øder formellen Gegensages werden, bekommen Saß und Periode die festen Anhaltspuncte, um welche sich das Uebrige, nicht chiastisch oder anaphorisch Stellbare, gruppirt. Wir sind daher der festen Ueberzeugung, daß jede fruchtbare und lehrbare Doctrin von der lat. Wortstellung in der Periode erst an der Lehre von diesen Figuren einen festen und vernünftigen Halt gewinnt, ja daß sie mit derselben im Grunde schon gegeben ist. Denn alles, was sich in der Wortstellung aus diesen Figuren nicht erklären läßt, beruht theils auf bestimmten Gewohnheiten der Sprache, die ihren Grund in der Natur gewisser Wörter und Begriffsverhältnisse haben, theils liegt es über alle Regel hinaus, wie sich z. B. gleich darüber kein festes Gesetz aufstellen läßt, ob bei vorhandener Möglichkeit beider Figuren der Chiasmus oder die Anaphora vorzuziehen ist, und welche Glieder des Chiasmus am besten die äußeren, welche füglicher die inneren werden. Hier entscheidet der Takt, der nichts anderes als der Beweis ist, man habe sich auch das nicht lehrbare Element der Sprache mittelst der Empfindung angeeignet.

Die Görenzische Sonuslehre, die Theorie von den vier Tonstellen und dem Ueberton, die Franz Raspe*) mit vieler Wärme erneuert hat, ist allerdings kein Hirngespinnst. Aber sie ist eben nur eine den Grund der Sache nicht erkennende Darstellung der Erscheinungen, welche der Chiasmus sammt der Anaphora hervorbringt; bis zum Wesen, das diesen Erscheinungen zu Grunde liegt, ist sie nicht vorgedrungen **). Wodurch bekommt denn, fragen wir, irgend ein Wort den Ton, welchen es hat? Durch den Nachdruck, den man im Sprechen auf dasselbe zu legen gezwungen ist. Und woher dieser Nachdruck? Doch wohl aus dem Gegensaß, in welchem das betonte Wort aus irgend einem Grunde mit einem andern steht. Mit dem Gegensaß und dessen Anerkennung und Hervorhebung stehen wir aber unmittelbar im Gebiete des Chiasmus und der Anaphora. Wir sehen uns um in Raspe's Schrift und finden nirgends eine Stelle, die sich nicht unter den oben angegebenen Beschränkungen aus unserem Princip erklären ließe. Als ein Beispiel für die zweite Sonusstelle, welche sich am Ende des Sates befindet, führt er unter anderen an Lael. 8, 26: qui simulatione amicitiae coluntur et observantur causa temporis. Unsere Leser sehen hoffentlich auf den ersten Blick, daß wir in dieser Wortstellung, wenn sie, was sie nicht ist, diplomatisch beglaubigt wäre, eine Mischung der Anaphora und des Chiasmus hätten; simulatione amicitiae, causa temporis stände anaphorisch, die beiden Verba wären zu den Ablativen chiastisch gestellt. Da aber nach den Handschriften temporis causa zu lesen ist, so haben wir einen in je drei Worten ausgebildeten Chiasmus (§. 167, 3), gerade wie Lael. 16, 57: quam multa enim, quae nostra causa nunquam faceremus, facimus causa amicorum, wo das von den Handschriften geschützte zweite causa, wie ich mit Scyffert glaube, durchaus nicht, wie Boot neuerdings (Observ. crit. ad Cic. epp. S. 7) meint, wegzufallen braucht. Auf das einzelne Wort im Sage kommt es gar nicht an; dessen Stellung ist durchaus nur aus seinem Verhältniß zu den übrigen Sattheilen begreiflich. Stürenburg's Lehre vom grammatischen, emphatischen, logischen und zurückgedrängten Ton (pro Arch. deutsche Bearb.

*) Die Wortstellung der lateinischen Sprache. Leipzig 1844. **) Vgl. auch Wocher, die lat. Wortstellung nach logischen und phonetischen Grundsäßen, Ehingen (Gymn.-Progr.) 1849 S. 2 ff.

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