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EINLEITUNG.

§ 1. Aufgabe der Metrologie. Einteilung des Stoffes.

1. Der Mensch ist das Mafs aller Dinge. Dieser oft angeführte Ausspruch des alten Protagoras bildet auch den Fundamentalsatz für die Lehre von den Mafsen, die Metrologie. Alles Messen ist eine Vergleichung. Eine bestimmte Gröfse wird zu Grunde gelegt und diese als Mafsstab auf alle gleichartigen Gröfsen angewendet. Die daraus hervorgehende Verhältniszahl ist das Mafs des gemessenen Gegenstandes. Zu allererst, denn es läfst sich das überhaupt nicht von dem Begriffe menschlichen Seins und Wirkens trennen, müssen die räumlichen Ausdehnungen gemessen worden sein. Naturgemäss bildet hier der menschliche Körper selbst die Unterlage. Die Handbreite, die Armlänge, die ausgebreiteten Arme, der Fufs, der Schritt sind Mafse, auf deren Gebrauch die Natur selbst den Menschen hinweist; sie sind bei allen Erwachsenen ungefähr gleich, sie lassen sich fast überall leicht anlegen, und reichen so für die Bedürfnisse des ersten Kulturzustandes aus. Die ausgeschrittene Länge wurde auf dem Ackerfelde zum Flächenmafs. Hundert Fufs lang, soweit als die Pflugstiere in einem Atem getrieben werden konnten, zog der Pflüger seine Furche, und fügte so viele neben einander daran, bis die Breite des beackerten Stückes der Länge gleich war. Dieses Geviert der hundertfüfsigen Furche war bei Griechen und Italikern das ursprüngliche Flächenmass.

Von den natürlichen Mafsen war es nur ein kleiner Schritt zu der Anwendung von künstlichen, nach einer vereinbarten Norm hergestellten Mafsstäben. Die Baukunst läfst sich ohne dieselben nicht denken, daher finden wir bei den Ägyptern, den ältesten Baumeistern der Erde, auch die ältesten genau normierten Mafsstäbe (§ 41, 1—3); und dasselbe Volk hat auch, wie die Alten, Herodot an der Spitze, vielfach hervorheben, zuerst die Kunst der genauen Vermessung des Hultsch, Metrologie.

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des Landes erfunden. 1) Alljährlich überschwemmte der Nil das fruchtbare Ackerland und bedeckte mit seinem Schlamme die Marken des Grundbesitzes, alljährlich wurde daher durch genaue Vermessung den Besitzern das Ihrige wieder zugeteilt, eine Einrichtung, die jedenfalls ebenso alt ist, als überhaupt die ägyptische Kultur.

Nicht so leicht wie zu dem Mafsstabe für die Längen- und Flächenausdehnung gelangte man zu den Mafsen für das Volumen und für die Schwere der Körper. Ursprünglich hat der Krug, in welchem Öl oder Wein aufbewahrt wurde, das gröfsere oder kleinere Gefäfs, in welches die Feldfrüchte geschüttet wurden, oder der mit Getreide gefüllte Sack, den ein Mann auf dem Rücken tragen konnte2), die Mafse für Flüssiges und Trockenes abgegeben. Aus diesen einfachen Voraussetzungen erwuchs schon frühzeitig ein in sich geschlossener Zusammenhang aller Mafse. Denn wenn das Gefäfs, welches als Hohlmafs diente, eine regelmässige Form erhielt, so war einerseits die Beziehung zu dem Längenmafse leicht aufzufinden, anderseits stellte die Wassermenge, welche das Gefäfs füllte, ein bestimmtes Gewicht dar. Zum vollendeten Ausdruck ist dieser Gedanke erst in dem heutigen, vom Meter ausgehenden Systeme der Mafse gelangt (§ 4, 2. 3); aber auf ähnliche Anschauungen war die Menschheit schon in einer sehr frühen Periode der Kultur gekommen, nur dafs im Altertum die Systeme nicht ausschliesslich vom Längenmafse aus aufgebaut wurden, sondern ein bereits durch den Gebrauch festgesetztes Gewicht einerseits und die ebenfalls schon üblichen Masse des Raums anderseits einander im Hohlmafse begegneten, so dafs dann nur noch eine genauere Regelung der durch die Praxis bereits gegebenen Mafse stattfand.

Am einfachsten ist, wie es scheint, das System des alten Ägyptens gewesen (§ 41, 7). Die Babylonier setzten den fünften Teil des Kubus ihrer Elle als Einheit des Hohlmafses und teilten sowohl dieses Hohlmafs als das Gewicht des Wassers, welches das Hohlmafs füllte, in Sechzigstel; aufserdem hatten sie noch mit dem aus Ägypten überkommenen Hohlmafse sich auseinanderzusetzen (§ 42, 8). Die Griechen entlehnten ihre Mafse und Gewichte aus Vorderasien, entwickelten sie aber mit eigenem Erfindungsgeiste weiter. Noch in

1) Herod. 2, 109, Heron Geom. 106 (p. 138 f. meiner Ausgabe), Strabon 17, 1, 3 p. 787 und andere. Vergl. M. Cantor Vorlesungen über Gesch. der Mathem. I S. 47 f. 52 ff.

2) F. Chabas Recherches sur les poids, mesures et monnaies des anciens Égyptiens, Extrait des Mémoires présentés etc., Paris 1876, p. 10 f.

nächster Beziehung zu den babylonischen Normen steht das äginäische, oder vielmehr altpeloponnesische System (§ 46,5-9. 19); einen weiteren wichtigen Fortschritt stellte die von Solon eingeführte Mafs- und Gewichtsordnung dar (§ 46, 10-15). Auf das attische System gründeten weiter die Römer die Beziehung ihres Hohlmafses, welches gleich dem Kubus des römischen Fufses war, zu dem Gewichte von 1 attischen Talent oder 80 römischen Pfund (§ 17, 1). Hier zuerst, also auf italischem Boden und in verhältnismäfsig später Zeit, sind uns auch ausdrücklich die gesetzlichen Formeln überliefert, nach denen Längenmafs, Hohlmafs und Gewicht mit einander geglichen wurden, Formeln, welche wir, der Ähnlichkeit folgend, mit grofser Wahrscheinlichkeit. zurück auf attisches Mafs und Gewicht, und weiter auf die weit älteren Systeme Ägyptens und Vorderasiens übertragen können.

Ebenfalls schon in sehr früher Zeit wurde die Kunst des Wägens angewendet auf Gold und Silber, in Ägypten auch auf Kupfer, um diese Metalle als Wertmesser für andere Gegenstände des Besitzes gelten zu lassen (§ 41, 10. 42, 14). Hieraus entwickelte sich in Babylonien bereits lange vor der ersten Münzprägung eine feste Währung der Gewichte Goldes und Silbers, welche statt des Geldes dienten (§ 42, 11-13). Die Stempelung der auf bestimmtes Gewicht ausgebrachten kleinen Barren Goldes und Silbers übten zuerst, gegen Anfang des siebenten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung, die kleinasiatischen Griechen und wurden damit zu Erfindern des Geldes im eigentlichen Sinne (§ 22, 1. 2).

Mit dem Auftreten der Münze entstand gewissermassen aus dem Gewichte ein neues selbständiges Mafs. Die Münze ist nicht mehr blofs ein genau abgewogenes Stück Wertmetall, sie wird vielmehr das Mafs für alle Wertschätzung, weshalb sie auch, je weiter Handel und Verkehr sich entwickeln, um so häufiger durch blofse Kreditzeichen vertreten wird. Freilich ist sie ihrer Natur nach kein ganz unveränderlicher Mafsstab, aber doch immerhin der am wenigsten schwankende, der sich herstellen liefs. In diesem Sinne hat die Metrologie auch das Münzwesen der alten Völker zu behandeln. Sie hat vor allem den Münzfufs zu ermitteln, das Normalgewicht und die Feinheit des Metalls festzustellen und dann den Wert der Münze im Verhältnis zu dem heutigen Gelde zu bestimmen. Das Gebiet der Numismatik hat sie nur da annähernd zu berühren, wo das Gepräge der Münzen, sei es der Stil der Bilder oder die Beizeichen und Aufschriften, herbeigezogen werden mufs, um Aufschlufs über die Zeit der Prägung zu geben.

2. Aus den gegebenen Andeutungen über das Gebiet der Metrologie ergiebt sich zugleich die Einteilung und Anordnung des Stoffes. Das vorliegende Handbuch hat zur hauptsächlichen Aufgabe, einen Umrifs der griechischen und römischen Metrologie zu bieten. Es versteht sich, dafs die Behandlung nicht etwa in der Weise getrennt werden darf, dafs zuerst die griechische Metrologie für sich und dann die römische abgethan werde. Beide Völker haben in allem, was Masse und Münzen betrifft, vielfachen Wechseleinfluss auf einander ausgeübt. Erst waren es die Römer, die ihr Mass und Gewicht nach dem griechischen bildeten, und später fühlten die griechischen Mafse und besonders die Münzen den Einflufs der römischen Weltherrschaft. Demnach ist der Einteilungsgrund in den eben besprochenen Hauptarten der Masse zu suchen. Wir behandeln also in dem ersten Teile die Längen- und Flächenmafse nebst den Hohlmafsen, die zwar ihre feste Bestimmung erst durch das Gewicht erlangten, aber als Masse der räumlichen Ausdehnung nicht von den vorhergenannten getrennt werden durften. Dann folgen im zweiten Teile die Gewichte, im dritten die Münzen. Beide lassen sich zwar im Gange der Untersuchung nicht trennen, denn unsere Kenntnis des griechischen Gewichts beruht fast ausschliesslich auf den Münzen und auch das römische lässt sich nur durch diese sicher feststellen; allein in der Darstellung müssen sie der Übersichtlichkeit wegen geschieden werden, woraus zugleich der Vorteil hervorgeht, dafs bei den Gewichten vorzüglich auf die Darlegung des Systems Rücksicht genommen, dieses also bei der ohnedies umfänglicheren Darstellung des Münzwesens als bekannt vorausgesetzt werden kann. Innerhalb der einzelnen Teile gehen, der Zeitfolge entsprechend, die Griechen den Römern voran, wenngleich bei der Untersuchung hin und wieder die griechischen Mafse erst auf Grundlage der römischen, über die wir meist besser unterrichtet sind, festgestellt werden konnten.

So findet sich in den ersten drei Teilen das Allgemeingültige, gewissermassen die zový der griechischen und römischen Masse vereinigt. Dies war bei den Griechen das attische System, welches daher fast ausschliesslich berücksichtigt worden ist. Nur in dem Abschnitte über das Münzwesen war mit den Anfängen der Münzprägung, da diese eine griechische Erfindung ist, zu beginnen und demnach ein Abschnitt über Kleinasien und die Darstellung der äginäischen Währung, welche vor Solon auch in Athen galt, vorauszuschicken.

Dagegen wurde alles, was nur beschränkte Geltung gehabt hat,

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