4. Du gabst mir Schwingen hoher Begeisterung, Gefühl des Wahren, Liebe des Schönen, du! Du lehrst mich neue Höhen finden, Welche das Auge der Kunst nicht spähet!" 5. Von dir geleitet, wird mir die Sternenbahn Nicht hoch, und tief sein nicht der Oceanus! Die Mitternacht nicht dunkel, blendend Nicht des vertrauten Olymps Umstrahlung! Bom J. 1773. Eines der frühesten Gedichte Stolbergs; ganz im Geschmack der stürmischen Göttinger Zeit und ein merkwürdiger Beleg zu den damaligen Ueberzeugungen von Kunst und Poesie. Man hatte früher die jungen Dichter immer auf Muster hingewiesen; das neue Geschlecht sah, daß sich mit dieser Nach= beterei nicht viel machen lasse, und auf Klopstocks Vorgang fußend, verließ man die alten Muster und berief sich auf Natur und Genie. Kunst, Natur und Genie aber faßte man falsch auf; denn unter Kunst verstand man bloß Kunstübung oder auch die Wissenschaft von derselben, unter Natur das, was man besser Naturell nennt, und unter Genie den Drang etwas hervorzu= bringen, während Genie nicht im Drange, sondern in der Kraft besteht. 2. Lied eines alten schwäbischen Ritters an seinen Sohn. Aus dem zwölften Jahrhundert. 1. Sohn, da hast du meinen Speer! 2. Siehe, dies nun weiße Haar 3. Herzog Rudolf hat dies Schwert, 1) „Jedes Jahr" ist der Akkusativ der Zeit. Der Satz wird dadurch etwas undeutlich. In jedem Jahre, will er sagen, hat eine Schlacht die Waffen gestumpft; also fünfzig Schlachten hat er mitgekämpft, und eben so lange ist er Ritter. 4. Denn ich blieb dem Herzog hold Für die Freiheit floß das Blut 5. Nimm die Wehr und wappne dich! Sohn, entlaste mich des Harms 8. Wenn dein Haufe wankend steht, - 2) 3m 3. 1077 wurde Herzog Rudolf von Schwaben von mehreren Reichsfürsten als Gegenkaiser Heinrichs IV., seines Schwagers, erwählt und den 26. März zu Mainz gekrönt. Den 7. Aug. 1078 schlug aber Heinrich Rudolfen bei Mellerstadt in Franken, und 1080 den 15. Okt. wurde ihm in der Schlacht bei Merseburg die rechte Hand abgehauen, und er starb bald darauf. In des Kaisers — des Franken – Heere waren viele Schwaben; ja Herzog Friedrich von Staufen entschied eigentlich die Schlacht. Wenn der Dichter sagt: „Für die Freiheit floß das Blut 2c.“ so ist dies historisch nicht richtig. Allerdings wollte Heinrich IV. die Gerechtsame vieler Reichsstände, besonders der sächsischen, unterdrücken; aber Rudolf erhob sich doch nur aus Ehrgeiz gegen ihn und war überhaupt eine Creatur des Papstes Gregors VII. 3) Kaiser Konrad III., früher Herzog von Schwaben, wurde 1138, also gerade 60 Jahre nach Rudolfs Tode, erwählt, und der Dichter hat sich also um 10 Jahre geirrt. Konrad war der Enkel Heinrichs IV., also zugleich mit dem fränkischen und dem schwäbischen Hause verwandt, und man glaubte, dadurch die Eifersucht zwischen Franken und Schwaben zu tilgen. Sogleich aber trat ein andrer Nebenbuhler auf, Herzog Heinrich von Baiern und Sachsen, Eidam des vorhergehenden Kaisers Lothar. Gegen diesen rüstete sich nun Konrad III. S. die Weiber von Weinsberg. 4) Daß diese Strophe mit denselben Reimen beginnt, mit welchen die vorhergehende endet, ist ein bedeutender Misklang. 5) Schmach muß hier betont werden; denn Schmach und Fall find Gegenfäße. Deine Brüder sind gefallen: und siebenmal traf mich der Kummer über eines Sohnes Fall; aber siebenmal größer würde der Kummer sein, wenn du schimpflich flöhest. Dieses Gedicht von 1774 gehört in den Kreis der historischen Lieder. Es zeigt uns den Uebergang aus der germanischen Urzeit und dem Bardenwesen. Klopstocks in das Mittelalter und die Ritterdichtung, den Uebergang aus dem Naturschwunge Klopstocks in das wirklich Volksmäßige. Uebrigens war Stolbergs Anschauungsweise des Mittelalters eben so dürftig und irrig, wie Klopstocks Vorstellung vom Urgermanenthum. Zu dem vorliegenden Gedichte gab offenbar neben Goethe's Götz von Berlichingen auch ein mittelhochdeutsches Gedicht Anlaß, das Bodmer in seiner Ausgabe der Minnesinger hatte abdrucken lassen: Königs Tiral von Schotten Lehren an seinen Sohn. Miller, Bürger, zum Theil auch Hölty, eiferten den eigentlichen Minnefingern nach, Stolberg nahm sich jenes Lehrgedicht zum Muster. Vergl. damit Hölty's: der alte Landmann an seinen Sohn. Die folgende Romanze, ebenfalls von 1774, ist ein kleines lieb= liches Gemälde und unter den Romanzen der damaligen Zeit, die das Sentimentale, Schwärmerische besonders liebten, gewiß eine der besten. 3. Romanze. 1. In der Väter Hallen ruhte Ritter Rudolfs Heldenarm," 2. Er, der letzte seines Stammes, 3. Agnes mit den goldnen Locken War des Greises Trost und Stab; Von den grauen Wimpern ab. 4. Ach! sie weinte selbst im Stillen, Wenn der Mond in's Fenster schien. 1) Aber Horst, der hundert Krieger Und der Vater war ihm hold. 7. Horst entbrannte, blickte seitwärts Auf sein schweres Mordgewehr; Aus den Augen wild umher. 8. Drohend warf er seinen Handschuh Kaum gesagt, schon flog sein Roß. 1) Die drei letzten Zeilen enthalten den Grund der beiden ersten; es ist vor Albrecht denn ausgelassen. 2) Dieses Wort, das im jezigen Hochdeutschen eine unedle Nebenbedeutung angenommen hat und geradezu das Gegentheil von Fräulein geworden ist, wird im Niederdeutschen noch ganz im Sinne von Jungfrau genommen. 9. Albrecht nahm das Fehdezeichen 10. Röthlich schimmerte die Rüstung Und die Hirsche floh'n in's Thal. 11. Auf des Söllers 3) Gitter lehnte Sah die blanken Speere blinken, 12. Bang' von leiser Ahndung spornet Starrt und stürzt sich in sein Schwert. 13. Rudolf nahm die kalte Tochter Hielt sie so zwei lange Tage, Thränenlos und ohne Klage, Und verschied im stummen Harm.. 3) Altan, aus dem lateinischen solarium. 4. Die Bü ß en de. 1. Hört, ihr lieben deutschen Frauen, Die ich selbst nicht ohne Grauen Denn mit Schrecken sollt ihr schauen, 1) Sonder Glimpf gehört zu rächen. Ohne Schonung rächte er seines Bettes Schimpf. |