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8. Pflicht für jeden.

Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes Werden, als dienendes Glied schließ' an ein Ganzes dich an. 9. Aufgabe.

Keiner sei gleich dem andern, doch gleich sei jeder dem Höchsten!?) Wie das zu machen? Es sei jeder vollendet in sich.

10. Das eigne Ideal.

Allen gehört, was du denkst: dein eigen ist nur, was du fühlest; Soll er dein Eigenthum sein, fühle den Gott, den du denkst! 1o) 11. Der Schlüssel.

Willst du dich selber erkennen, so sieh, wie die andern es treiben!
Willst du die andern verstehn, blick in dein eigenes Herz!
12. Weisheit und Klugheit. 11)

Willst du, Freund, die erhabensten Höhn der Weisheit erfliegen,
Wag' es auf die Gefahr, daß dich die Klugheit verlacht.
Die kurzsichtige sieht nur das Ufer, das dir zurückflieht,
Jenes nicht, wo dereinst landet dein muthiger Flug.
13. Die Uebereinstimmung. 12)

Wahrheit suchen wir beide, du außen im Leben, ich innen
In dem Herzen, und so findet sie jeder gewiß.

Ist das Auge gesund, so begegnet es außen dem Schöpfer; 13)
Ist es das Herz, dann gewiß spiegelt es innen die Welt. 14)

9) Mit andern Worten: Es suche jeder das Ideal der Menschheit (der Gattung) in sich auszuprägen, ohne jedoch darüber seine Individualität aufzuopfern. Vergl. Brief 4.

10) Vergl. das Ideal und das Leben, Str. 11. Im Musenalmanach steht vorher noch folgende Votivtafel unter dem Titel „Bedingung":

Ewig strebst du umsonst, dich dem Göttlichen ähnlich zu machen,
Hast du das Göttliche nicht erst zu dem deinen gemacht.

11) Vergl. das Epigramm: Kolumbus.

12) Vermuthlich an Goethe. Dieser gieng im Denken und Darstellen von Erfahrung und Beobachtung aus und suchte in den Erscheinungen das Gesetz aufzufinden; Schiller gieng von Ideen aus, von innern Anschauungen, die dem menschlichen Geiste ursprünglich innewohnten, und suchte die Erscheinungen der Welt dadurch zu erklären. Als Dichter gieng daher Goethe bei der Schöpfung seiner Charaktere mehr von wirklichen Individuen aus, denen er aber den Charakter der Gattung einprägte; Schiller von Idealen, denen er die Fähigkeit wirklichen Daseins einprägte.

13) Dem göttlichen Verstande und Plane. Wo die Beobachtung ge= sund ist, findet sie in jedem Einzelnen das Gesetz des Allgemeinen.

14) Das Ideal entspricht der wirklichen Einrichtung der Welt.

14. Politische Lehre. 15)

Alles sei recht, was du thust; doch dabei laß es bewenden,
Freund, und enthalte dich ja, alles was recht ist, zu thun!
Wahrem Eifer genügt, daß das Vorhandne vollkommen
Sei; der falsche will stets, daß das Vollkommene sei.

15. Inneres und Aeußere 8.

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drum eben, weil Gott nur das Herz sieht,

Sorge, daß wir doch auch etwas erträgliches sehn!

16. Freund und Feind.

Theuer ist mir der Freund; doch auch den Feind kann ich nüßen; Zeigt mir der Freund, was ich kann, lehrt mich der Feind, was ich soll. 17)

17. Der Aufpasser.

Strenge, wie mein Gewissen, bemerkst du, wo ich gefehlet;
Darum hab' ich dich stets wie mein Gewissen geliebt.

18. Licht und Farbe. 18)

Wohne, du ewiglich Eines, dort bei dem ewiglich Einen!
Farbe, du wechselnde, komm freundlich zum Menschen herab!

15) Vielleicht an Fichte. Den gleichen Grundsatz hat der Dichter in Prosa und Versen oft ausgesprochen (vergl. die Worte des Wahns). Wir sollen das Rechte thun, aber nicht verlangen, daß alles, was recht ist, vorhanden sei, so wie wir richtig denken sollen, aber nicht verlangen, daß alles, was richtig gedacht sei, auch geschaffen sein müsse.

16) Dieser Satz sollte eigentlich heißen:,,Gott sieht nur auf das Herz!" Denn so heißt nicht nur das Sprichwort, sondern Schiller selbst muß es so nehmen. Auch er stellte übrigens den Grundsatz auf: der sittliche Werth des Menschen beruhe nicht auf dem, was er thue, sondern auf dem, was er sei. Allein diese Lehre kann der Bequemlichkeit und Scheinheiligkeit zum Deckmantel dienen, gar nichts zu thun, wie denn überhaupt die Lehre von der Nichtigkeit der guten Werke leicht zu leerer Sentimentalität führt.

17) Der Freund soll mich auf das Vollendete in meinen Werken aufmerksam machen, der Tadler auf das Verfehlte, auf den Abstand zwischen der Aufgabe und dem Geleisteten. Das folgende Epigramm schließt sich eng an dieses.

18) Die einfache, lezte Wahrheit und Schönheit ist uns in unsrer Beschränkung nicht erreichbar, sondern nur die verschiedenen Erscheinungen des Wahren und Schönen, wie sie sich in unserm Geiste abspiegeln, können wir fassen und aussprechen.

19. Die Mannigfaltigkeit. 19)

Viele sind gut und verständig, doch zählen für Einen nur alle; Denn sie regiert der Begriff, 20) ach! nicht das liebende Herz! Traurig herrscht der Begriff;21) aus tausendfach wechselnden Formen Bringet er dürftig und leer ewig nur Eine hervor';

Aber von Leben rauscht es und Lust, wo bildend die Schönheit Herrschet; das ewige Eins wandelt sie tausendfach neu. 22) 20. Der Genius.

Wiederholen zwar kann der Verstand, was da schon gewesen;
Was die Natur gebaut, bauet er wählend ihr nach.
Ueber Natur hinaus baut die Vernunft, doch nur in das Leere.
Du nur, Genius, mehrst in der Natur die Natur. 23)

21. Der Nachahmer.

Gutes aus Gutem, das kann jedweder Verständige bilden;
Aber der Genius ruft Gutes aus Schlechtem hervor.
An Gebildetem nur darfst du, Nachahmer, dich üben;

Selbst Gebildetes ist Stoff nur dem bildenden Geist. 24)

19) Wie oben (Uebereinstimmung) Anschauung und Idee einander gegenübergestellt werden: so hier das Denken und Handeln nach strengen Begriffen und nach dem Antriebe der Begeisterung.

20) D. h. der überlieferte Begriff einer Schule. Wo eine gemeinsame Regel von außen allen gegeben ist und befolgt wird, verschwindet der Reiz des Charakteristischen und Besondern; wo hingegen die Stimme des Herzens (der gesunde Instinkt) gilt, sehen wir auch wirkliche Individuen.

21) Anst.: Wo der Begriff herrscht, ist der Tod die Folge; denn um eine Formel zu finden, wodurch der Verstand die Masse der Erscheinungen bewältigen kann, müssen diese in ihrer Besonderheit vernichtet werden.

22) Wo im Gegentheil lebendige Begeisterung, die schaffende Kraft im Menschen wach wird, da entstehen ganz neue Erscheinungen und Besonderheiten. In kurzen Worten lassen sich die sechs Zeilen so fassen: Der Verstand (der Denker) verwandelt alle Anschauungen in Begriffe, die dichtende Kraft stellt eine und dieselbe Idee in den mannigfaltigsten Bildern dar.

23) Die Worte Verstand, Vernunft sind hier in einem etwas willkührlichen Sinne gebraucht, übrigens nur im Gebiete des Schaffens dem eigentlichen Genius gegenübergestellt. Der schlichte Mann des Verstandes sieht immer richtig, was da ist, und giebt das Angeschaute mit Auswahl (wählend) wieder. Der einseitig idealistische Kopf wendet sich von der Wirklichkeit ganz ab, und will eine eigne Welt banen, die aber gar feine Möglichkeit des Daseins hat. Der wahre Genius schafft eine höhere Natur, ohne die Verhältnisse der wirklichen zu verletzen. Es ist der Streit zwischen der Treue in Nachbildung der Wirklichkeit und dem Streben nach abstracter Schönheit, den wir Thl. I. S. 21, 22 besprochen haben.

24) Viehoff bezieht die Prädikate gut und schlecht auf eine gebildete und eine rohe Sprache; schwerlich will es Schiller so verstanden wiffen. Aus einem Gegenstande, der schon an sich tüchtig ist, kann auch das bloße

22. Die schwere Verbindung. 25)

Warum will sich Geschmack und Genie 26) so selten vereinen?
Jener fürchtet die Kraft, dieses verachtet den Zaum. 27)

23. Correcthe it.

Frei von Tadel zu sein ist der niedrigste Grad und der höchste; Denn nur die Ohnmacht führt oder die Größe dazu. 28)

Talent etwas Gutes machen; das Genie aber bildet aus einem spröden, widerspenstigen oder unscheinbaren Stoffe ein ächtes Kunstwerk. Daher istdie Leistung des Talents nur eine Uebung; er giebt dem schon verarbeiteten Stoffe eine neue Form; das Genie hingegen sieht auch das schon Geformte und Gebildete als rohen Stoff an, den es als sein volles Eigenthum von neuem umwandelt.

25) Dieses Epigramm ist wohl als ein Ausfall auf Jean Paul anzusehen, über dessen Mangel an Geschmack sich sowohl Goethe als Schiller stets lustig machten, während sie ihm die Genialität nicht absprachen. Jean Paul verkehrte dazumal viel zu Weimar, im Hause Herders.

26) Wenn wir unter Genie die geheimnisvolle Naturgabe verstehen, das Wahre und Wesentliche in allen Erscheinungen der Welt aufzufinden, verbunden mit der Fähigkeit, dasselbe in einem Abbilde darzustellen,

Daß ein Vollkommnes seiner Art

Der Nachwelt stetes Muster ward

(S. Bd. 1 Einleitung. §. 12): so haben wir unter Geschmack die Gabe zu verstehen, jenes Abbild würdig und dem Gegenstande angemessen darzustellen. Das künstlerische Genie beruht immer auf einer besondern Stimmung der Einbildungskraft, der Geschmack dagegen auf einer besondern Anwendung der Urtheilskraft. Man kann ihn erklären als Angemessenheit der Einbildungskraft, welche gern frei und gesetzlos verfährt, zu der Gesezmäßigkeit des Verstandes. Denn aller Reichthum der erstern bringt in ihrer schrankenlosen Freiheit oft nichts als Unsinn hervor; der Geschmack hingegen bestimmt das Maß, wie weit diese Herrschaft der Einbildungsfraft gehen darf; er giebt dem Genie eine Leitung, worüber und wie weit es sich verbreiten soll, um innerhalb seiner Schranken zu wirken, und indem er Klarheit und Gedankenfülle in das Kunstwerk bringt, macht er die Ideen haltbar, so daß sie Dauer haben, eines allgemeinen Beifalls fähig werden und der Nachwelt als Muster gelten. Denn Genie, mit Geschmack verbunden, bringt eben diejenigen Werke hervor, welche wir klassisch nennen.

27) Kant (Kritik der Urtheilskraft, §. 50) nennt den Geschmack die Disciplin oder Zucht des Genies, welches diesem die Flügel beschneide und es gesittet oder geschliffen mache.

28) Unter Correctheit versteht man gewöhnlich die Fehlerlosigkeit in Anwendung der Kunstmittel, der Sprache und des Verses also beim Dichter; im weitern Sinne die Beobachtung der Regeln in der Oekonomie eines Kunstwerkes. Beiderlei Correctheit erstrebt das Talent in der Art, daß es die hergebrachten und festgesezten Regeln nicht verletzt. Der große Genius aber geht über das Hergebrachte hinaus, ohne die Natur des Stoffes und der Kunst zu verletzen, so daß er selbst wieder Muster für spätere wird. Das folgende Epigramm sagt dasselbe.

24. Das Naturgefeß.

So wars immer, mein Freund, und so wirds bleiben: die Ohnmacht Hat die Regel für sich, aber die Kraft den Erfolg.

25. Wahl.

Kannst du nicht allen gefallen durch deine That und dein Kunstwerk, Mach' es wenigen recht; vielen gefallen ist schlimm!29)

26. Tonkunst.

Leben athme die bildende Kunst! Geist fordr' ich vom Dichter; Aber die Seele spricht nur Polyhymnia aus. 30)

27. Sprache..

Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen! 31) Spricht die Seele, so spricht, ach! schon die Seele nicht mehr. 32)

28. Der Meister.

Jeden anderen Meister erkennt an dem, was er ausspricht;
Was er weise verschweigt, zeigt mir den Meister des Styl8.33)

29) Das Höchste wäre, wenn der Dichter alle Stände befriedigte, so daß er den poetischen Sinn des Volkes rührte und zugleich den höchsten Forderungen der Kunst durch die Schönheit der Behandlung Genüge thäte. Bermag er dieses nicht, so mache er es wenigen Kennern recht. Denn Beifall vieler, d. h. des großen Haufens, zu haben, ist ein schlimmes Zeichen. Dies gilt nicht nur vom Künstler, sondern vom handelnden Menschen.

30) Aufgabe jeder Kunst ist Darstellung des Menschen. Die bildende Kunst soll aber zufolge ihres Darstellungsmittels vorzugsweise die lebendige Gestalt des Menschen darstellen; die Dichtung den denkenden, strebenden, handelnden Menschen in seinen vielfältigen Zuständen und Verwicklungen; die Musik den empfindenden, gefühlvollen.

31) Satz des Bedauerns.

32) Wir können bloß mittheilen, was wir denken, weil die Mittheilung von der Sprache abhängig ist. Mithin müssen sich unsre innigsten, geheimnisvollsten Ahndungen und Gefühle immer erst in Gedanken verwandeln, um nur mittheilungsfähig zu werden. Die Seele muß also den Verstand für sich sprechen lassen.

33) Der Dichter nimmt hier Styl in sehr engem Sinne, nähmlich im Gebiete der redenden Künste; in jeder Kunst aber redet man von einem Style, und es giebt keinen wahren Meister der Kunst, der nicht auch Meister des Styls wäre; denn dieser besteht eben in dem Geheimnis, die Kunstmittel so anzuwenden, daß der Gegenstand wirklich zur Erscheinung fömmt, und weiter nichts. Mengt er Unnöthiges, Fremdartiges hinein, so ist er kein Meister. Der Dichter stellt aber hier den Meister des Style vermuthlich dem in einer Wissenschaft bewanderten gegenüber.

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