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müssen vor allem diese Wendung scharf scheiden von dem supplicium sumere oder accipere ab aliquo: dies heißt, von jemand eine Bußgabe annehmen; jenes, an jemandem Sühne nehmen, wobei der Betreffende nicht als Geber, sondern als unfreiwilliges Objekt der Bestrafung gedacht ist; vergleichbar ist z. B. de improbis viris auferri praemium et praedam decet Pseud. 1225. Solange also supplicium seine ursprüngliche Bedeutung bewahrt, ist ausgeschlossen, daß es de aliquo sumitur, und in der Tat fanden wir die Wendung erst bei Terenz (oben S. 100), wo die Züchtigung eines Sklaven gemeint ist (von früherem steht dabitur pol supplicium mihi de tergo vostro u. ä. nahe): hierfür ist der Ausdruck auch ganz besonders bezeichnend.*) Möglich, daß gerade von solchen Fällen die prägnante Anwendung auf die Todesstrafe ihren Ausgang genommen hat: wird doch der freie Mann zu der Zeit, die uns angeht, von rechtswegen nur dann körperlich gezüchtigt, wenn er zum Tode verurteilt und dem Henker überantwortet ist: das ist das oft erwähnte verberari et necari, das als supplicium more maiorum sumptum anerkannte virgis ad necem caedi.**)

Ich kehre zu der Frage zurück, von der ich ausging: sie kann durch das bisher Gesagte als beantwortet gelten. Von der erzürnten Gottheit wird pax und venia erfleht nicht anders als von dem beleidigten Mitmenschen, in dessen Gewalt man sich weiß: hier wie dort dient das supplicium dazu, der Rache vorzubeugen. Wer sich einer Versündigung gegen die Gottheit bewußt ist, oder wer durch Prodigien erfährt, daß sie Sühne heischt, der beeilt

der im Gebrauch des Wortes besonders stark archaisiert, findet sich unter 9 Fällen, die hierher gehören, 7 mal supplicium de aliquo sumere (Cat. 50, 4; 51, 39 [summum s.]; 52, 36 [more maiorum s. s.]; 57, 1; Jug. 33, 3 [more maiorum s. s.]; 35, 9; or. Ceth. 8; außerdem ,,Hinrichtung" Cat. 49, 2; 55, 1; „Strafe" Jug. 85, 35; or. Lep. 6. or. Ceth. 3).

*) Daß Körperstrafen gern supplicium, statt poena, genannt werden, ist hiernach begreiflich; begreiflich auch, daß das Wort schon bei Cicero die neue Bedeutung der körperlichen Qualen oder Leiden gewinnt, wobei der Gedanke an ,,Bestrafung" ganz zurücktreten kann: eum regem, qui legatum p. R. consularem vinculis ac verberibus atque omni supplicio excruciatum necavit pro imp. Pomp. 5, 11 u. ö.; noch freier: quae suo ductu et imperio cruento illo atque funesto supplicia neque a sociorum moenibus prohibere neque hostium urbibus inferre potuerunt, excidium, inflammationem e. q. s. de har. resp. 2, 3.

**) Suet. Nero 49; vgl. Mommsen Str. 920, 5; 938.

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sich, ihren Zorn zu besänftigen; wenn der Feind sich mit den Worten satis supplici habeo für versöhnt erklärt, so tut das die Gottheit durch gnädige Annahme des Opfers, und solange diese litatio nicht erreicht ist, dauert die ira des Gottes und des Sterblichen Furcht vor Strafe. Die Vorstellung, die dem sakralen supplicium zugrunde liegt, spricht sich in Plautus' Versen aus dem Rudensprolog deutlich aus (21):

atque hoc scelesti si in animum inducunt suom,
Iovem se placare posse donis, hostiis,

et operam et sumptum perdunt; id eo fit quia
nil ei acceptumst a periuris supplici.

Der Dialog zwischen dem periurus und dem Gott würde also lauten, wie in der Cistellaria der zwischen Jüngling und Mädchen (455): supplicium polliceri volo. at mihi abs te accipere non lubet. Aber freilich, der Unterschied besteht, daß man seine Beziehungen zu den Mitmenschen deutlich genug übersieht, um genau zu wissen, wann ein supplicium angebracht ist; die pax deorum wird sich der Gottesfürchtige auch ohne drohende Vorzeichen dauernd und regelmäßig sichern: darum gelangt supplicium, wie uns außer den Grammatikern (oben S. 89) die Archaisten lehren, zu der allgemeinen Bedeutung Opfer und Gebet, supplicare zu der allgemeinen „opfern": ea mihi cottidie aut ture aut vino aut aliqui semper supplicat sagt der Lar von der frommen Haustochter Aulul. 24*), und im Rudensprolog fährt Plautus nach den oben zitierten Versen, um zu seiner an die Zuhörer gerichteten Mahnung überzuleiten, fort:

facilius si qui pius est a dis supplicans

quam qui scelestust inveniet veniam sibi.

Ja selbst das Dankopfer darbringen heißt supplicare: quando bene gessi rem, volo hic in fano supplicare Curc. 527, und supplicatum cras eat heißt es Persa 447 von der soeben Frei gelassenen. Als man zur Prokuration von Prodigien, ungewiß wann, nach griechischem Ritus öffentliche Opfer- und Bittfeste einführte, wird man diese zunächst gleichfalls supplicia genannt haben; später heißen sie supplicationes das Wort tritt für uns zuerst als Titel einer togata des Atta auf, und sup

*) (Vilica) kalendis, idibus, nonis, festus dies cum erit coronam in focum indat, per eosdemque dies lari familiari pro copia supplicet Cato de agricult. 143, 2.

plicium kommt überhaupt, seit es im Bereich irdischer Dinge die Bedeutung Strafe angenommen hat, auf sakralem Gebiete ab; Nonius zitiert es (p. 398, 20) je einmal aus Accius (nunc pergam ut suppliciis placans caelitum aras expleam 298) und Afranius (nullam profecto accessi ad aram, quin deos suppliciis sumptu votis donis precibus plorans obsecrans nequiquam defetigarem 170). Viel später haben Freunde altertümlicher Rede die verschollene Bedeutung wieder hervorgesucht; Varro spricht von Leuten, die gewisse Rinder ad victimas faciunt atque ad deorum servant supplicia (r. r. II 5, 10), und Sallust, als wollte er alle möglichen Bedeutungen des Wortes erschöpfen, fügt zu den zahlreichen, die wir besprochen haben, auch die sakralen; Opfer: in suppliciis deorum magnifici, domi parci Cat. 9, 2; Opfer- und Bittfeste: senatus ob ea feliciter acta dis immortalibus supplicia decernere Jug. 55, und Gebete schlechthin: non votis neque suppliciis muliebribus auxilia deorum parantur Cat. 52, 29.

Königsberg i. Pr.

Richard Heinze.

Deforare.

'Hunc catapiratem puer eodem deferat unctum' fragment de Lucilius (1191 Marx) cité par Isidore. Les variantes defore, deforet montrent qu'il faut lire de forat (ou deforet au subjonctif). Le puer jette la sonde de dessus le pont du navire, les fori. Le verbe deforare est tiré de fori comme de-pontare de pons pontis. Il est d'un type rare, mais encore vivant pour la conscience linguistique des peuples modernes (la défenestration de Prague).

Paris.

Louis Havet.

Lepturgus, chirurgus u. ä. bei Fronto.

Bei meiner Besprechung der kunstgeschichtlich interessanten Frontostelle (S. 113, 10 ff. Naber) in den Mitteilungen des k. deutschen archäologischen Instituts, römische Abteilung XIX, 317 ff. habe ich zwei wunde Punkte nur gestreift, weil ihre Behandlung auf das sprachliche, und zwar das lexikalische Gebiet führt, das dem „Archiv" und dem hochgeschätzten Jubilar weit näher liegt.

Den ersten Anstoß bereiten die Worte, die auf den einleitenden Satz Quid? si quis postularet, ut Phidias ludicra a<u>t Canachus deum (sim>ulacra fi<ng)eret? unmittelbar folgen: aut Calamis Turena aut Polyc<l>etus Etrusca? So lauten sie nämlich nach Mais und Du Rieus Angabe auch bei Naber; nur wird Turina als Verbesserung der zweiten Hand angegeben. Studemund aber, der dieser Palimpsestseite nur kurze Zeit gewidmet hatte, las diese Zeilen so: aut Calamis ut Turena*) aut ut Polycle tus Etrusca. Auch Brakman (Frontoniana I 26) wollte nach Calamis die Wörter ut Turena (Turina: m.1) aut ut Polycletus ersehen haben.

Diese doppelte Setzung von ut unmittelbar nacheinander, zuerst nach dem einen, dann vor dem anderen Namen der gegenübergestellten Bildhauer muß schon deshalb befremden, weil im nächsten ganz ähnlich über die Maler handelnden Satze die Konjunktion si nur ein einzigesmal erscheint, obwohl er doppelt so viel Glieder umfaßt.**) Auch kann das Paar Synonymen Tur(r)ena und Etrusca hier, wo man nach dem ganzen Zusammenhange und der Fassung der übrigen Glieder Gegensätze erwarten muß, gewiß nicht die Hand Frontos wiedergeben. An Turena hatte übrigens schon R. Ellis im Cambridge Journal of philology 1868, S. 18 (wiederholt in The correspondence of Fronto and M. Aurelius, London 1904,

* Statt e schien ihm auch o denkbar.

** Nur kurz sei gleich hier bemerkt, daß mir das zweite vor Polycletus tatsächlich geschriebene ut korrigiert zu sein scheint; ich betrachte es als Dittographie der letzten Zeichen des gerade vorhergehenden aut.

S. 26) Anstoß genommen und dafür das wenigstens mir nicht verständlichere Turintina*) vermutet. R. Schöll dachte an Corinthia zwar inhaltlich bestechend, aber ganz gegen die Züge des Palimpsestes. Denn dieser bietet, wie ich nach wiederholter Einsicht behaupten kann, statt der sechs Buchstaben Mais deren zehn. Ich lese lepturgata, dessen e wohl schon die erste Hand in i geändert hat; nur das zum größeren Teil durch eine Lücke verlorene u, das abgeschürfte g und die Schlußsilbe sind mir nicht ganz sicher. Das sonst im Latein unbelegte Wort ist natürlich nach dem griechischen EлTоvoyɛiv gebildet. Dieses Verbum findet sich für feine Kunstarbeiten z. B. bei Plutarch vit. Aemilii Pauli c. 37 Αλέξανδρον, εὐφυᾷ μὲν ἐν τῷ τορεύειν καὶ λεπτουργεῖν γενέσθαι φασίν, ἐκμαθόντα δὲ τὰ Ῥωμαικὰ γράμματα, so auch bei Eustath. vom Spinnengewebe (vgl. Hom. ↑ 280 ýúť' ágáyvia leñtá) und übertragen von der feinen, spitzfindigen Rede Eur. Hippol. 923, für das subtile Teilen und Unterscheiden bei Plato Politik. 262 B. Ebenso gebraucht schon Homer κ 223 λεπτά (τε καὶ χαρίεντα ἔργα (vgl. Theokr. 15, 79 λεπτὰ καὶ ὡς χαρίεντα von feinen Arbeiten; ferner steht so λentós vom Stil (fein, gefeilt, sorgfältig) z. B. bei Dion. Halic. Пeoì uu. 5 (p. 435). Für den Musterbildner Polyklet (Plin. N. H. 34, 55) paßt dieser Begriff der feinen, bis ins einzelne genauen, völlig ausgeglichenen Arbeit (Cic. Brut. 70, Plut. Moral. p. 86 A) sehr gut; die noch wenig feine Technik des Kalamis steht dazu in passendem Gegensatz. An der Bildung des Wortes ist kein Anstoß zu nehmen, da ja bei den aus dem Griechischen entlehnten Zeitwörtern die Form auf -are regelmäßig ist; so lauten z. B. von weit mehr als hundert Verben auf -ɛv die latinisierten Formen auf -issare oder -izare aus. **) Wie sehr überhaupt die Formen auf -are bei griechischen Fremd- und Lehnwörtern überwiegen, kann man aus den vielen Beispielen bei Rönsch (Itala und Vulgata, S. 154-215), die sich zudem leicht ergänzen lassen (z. B. durch paedagogare nαiday@yεiv Рacuv. 192), ersehen. Griechische

*) Seine Begründung lautet: Polycletus was an Argive.

**) Eingehend hat über diese A. Funck in dieser Zeitschrift III, 398 ff. und IV, 317 ff. gehandelt. Um von den älteren Intransitiven, wie comissari, cyathissare, rhetorissare, und von den zahlreichen medizinischen und kirchlichen Ausdrücken (wie euangelizare, baptizare, thesaurizare) abzusehen, möchte ich nur kurz auf Transitiva, wie gargarissare, das nach Fronto p. 69, 14 f. aus Novius stammt, auf malacissare, weiter auf die musiktechnischen Ausdrücke, wie citharizare, cymbalissare und thymbanizare hinweisen.

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