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Auffassung der Stelle von ki fai bis cannao. Gröber übersetzt Was macht (der) Teufel durch jene drei Dinge? Der erste Mensch (wurde) betrogen", aber eine solche, fast rhetorische Frage, gänzlich abweichend vom Urtext, ist dem Mönchlein sicherlich nicht zu Sinn gekommen. Vielmehr entspricht ki genau dem quia der Vorlage, wie auch Z. 12, wo es jedoch „,,daß“ (oder „da“?) bedeutet. Es liegt hier die romanische allgemeine Konjunktion que (franz., span., port.), ital. che, rät. ca, cha etc. vor, die ja Rydberg aus quia herleitet. ki allein war jedoch dem Übersetzer nicht deutlich genug, er hat noch fai beigefügt, d. h. wohl ein parenthetisches „das macht", wie im Deutschen z. B. bei Luther „das macht, er ist gericht't". Dann ist ille primaris homo Akkusativ (vgl. z. B. tundi meo capilli,,schere meine Haare" Kasseler Glossen Z. 17), cannao Perfektum circumvenit des Urtextes. Die Endung -ao = vulgärlat. -aut aus -avit hat nichts Auffälliges.

Z. 6 liest und übersetzt Gröber si uene sua uirtu fos ouli „zeigt sich seine Kraft euren Augen". Warum sollte aber der Übersetzer so total von seiner Vorlage (aperientur oculi uestri) abgewichen sein? Und wie wenig schlagend ist uene = zeigt sich, und überhaupt die Wendung des Gedankens, abgesehen von dem endungslosen uirtù neben ueridade Z. 14. Trennen wir su auirtu, was graphisch ebenso möglich ist, so entspricht uene su auirtu dem lat. aperientur. auirtu- obwaldisch und engadinisch aviert aus apertu*), uene rätisches Hilfszeitwort des Passivums wie Z. 8 ueni perdudus, Z. 9 ueniamo perdudi, Z. 12 ueni nominai. Der Sing. des Verbs in solchem Falle („es wird euch aufgetan die Augen“) kommt gbd.**) noch heute vor. Etwas merkwürdiger ist su (aus sursu, it. su, obw. si, engad. sü), nicht wegen der pleonastischen Ausdrucksweise „auf geöffnet" (arver si ist gbd. wohlbekannt), sondern wegen der Vorausstellung des su. fos kann vobis sein wie Z. 14, jedoch ist auch, dem Urtext noch genauer folgend, das Possessivum möglich (gbd. voss).

Da sich in den besprochenen Fällen die Übersetzung als genau erwiesen hat, kann man auch fragen, ob mit periuras causas Z. 7 wirklich „meineidige" oder wenigstens lügenhafte“ Dinge gemeint seien und nicht einfach die schlimmsten" - pessimas der Vorlage. Es läge eine Vermischung von pejore und perjūru

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*) Zum -u in auirtu neben sonstigem -o vergl. die Kasseler Glossen, wo -u und -o ungefähr gleich häufig sind.

**) Gbd. graubündnerisch, d. h. graubündner-romanisch.

Archiv für lat. Lexikogr. XV. Heft 3.

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vor, die um so leichter eintreten konnte, als ja lat. pejurus neben perjurus vielfach vorkommt. pejore ist obw. noch erhalten (pigiur, Verbum pigiurar, altoberengad. pchürer). sauire Z. 12 gibt, als einfacher Infin. ,,wissen" gefaßt, das sciamus der Vorlage sehr ungenügend wieder, ist auch sonst etwas auffällig neben dem Infin. time Z. 1 mit bereits verstummtem -r. Ist also e enklitisches es(t)? Z. 3 lautet die Kopula is, aber Wechsel von e und i für geschlossenes e (letzteres erwiesen durch obw. ei-s, engad. ais), haben wir auch in auem gegenüber i in timimo und sauire, vergleiche auch mit e tres, ueni, uene, mit i linas (engad. hier überall ai). Das Fehlen von -s ist nicht auffälliger als in no Z. 9, vo Z. 6 Statt si quil Z. 13 ist wohl ebenso möglich die Lesung siqu il, an sicut des Urtextes sich anschließend wie sicu Z. 8. il wäre dann der Artikel, vgl. ital. lo stesso Salvatore „der Heiland selbst". manducado Z. 6 erklärt Gröber als ,,manducatum" mit Auslassung der 2. Plur. von habere, was in der Tat am nächsten liegt, doch verdient auch die Möglichkeit berücksichtigt zu werden, daß comederitis der Vorlage durch eine wirkliche 2. Plur., allerdings des Präsens, wiedergegeben wäre. Syntaktisch könnte dies nicht auffallen, die Erörterung der Form würde hier zu weit führen.

nos, vos.

Noch einige Einzelheiten zur Auslegung des Textes. si Z. 5 bedeutet nicht „und" (Gröber 77, 87), sondern ,,so", wie stets in unserem Text. contenia Z. 12 (Gröber 91), Übersetzung von superbia, findet sich gleichlautend im Italienischen, contegna, contegno „das Ansichhalten, Zurückhalten, Vornehmtun". angeli Z. 13 nicht Plural (Gröber 92), sondern Fehler oder ungenaue Schreibung für angelo oder angelu. Das folgende aquill nicht zu di „jenes Gottes“, höchst merkwürdige Bezeichnung für Christus (Gröber 92), sondern anaphorisches ,,den". Die härteste Nuß ist mopotesille Z. 3. Gröber 86 denkt an Abtrennung von ille als nachgesetztem Artikel, aber dies ist weder dem Zusammenhang nach noch, außerhalb des Rumänischen, grammatisch wahrscheinlich. Trennen wir mo- als graphische Reduplikation aus dem vorhergehenden homo ab*), so bleibt potesille. Dies muß ein Konkretum im Sinne von „cupidus" sein, da gula durch gurdus „ingordo, gefräßig", superbia durch arcullus,,orgoglioso" wiedergegeben ist. Fraglich ist, ob der Übersetzer hier an Begierde

* Auch aquil illi Z. 14 ist vielleicht Dittographie für aquilli.

nach Essen und Trinken oder an erotische Gier oder an Habgier dachte. Für die Endung ille liegt die Zurückführung auf -ellu oder -ic'lu am nächsten, das wäre mouilliertes 7, das e aus ooder u-färbigem Schwa durch Einfluß der vorhergehenden Laute palatalisiert oder ein bloßes graphisches Zeichen. Das s kann

c sein wie in des 1, dis 14, wir kämen also auf den Ausgang -icellu, hier wohl verächtlich. Lesen wir p als b (vgl. c für g in cannao, curda), so liegt am nächsten ital. botticello „Fäßchen“, in der Bedeutung etwa von „Dickwanst", vielleicht auf das Saufen bezüglich, während gurdus das Essen anginge (Fäßchen Dickwanst ist in deutschen wie roman. Sprachen gebräuchlich). Für erotische Lüsternheit könnte man an ital. putto geil, hurerisch, unzüchtig anknüpfen.

Übersetzung.

(Vgl. Gröbers Übersetzung S. 77.)

Genug uns geziemt (zu) fürchten drei Dinge, liebe Brüder, durch diese (ist) die ganze Welt zu Grunde gerichtet: dieser ist gefräßig und jener Mensch (ein) Dickwanst [Lüstling?] und hochmütig, denn (das) macht, der Teufel hat durch diese drei Dinge den ersten Menschen betrogen; so spricht der Teufel: an welchem Tage, da ihr eßt [gegessen habt?] von diesem Baum, so wird aufgeöffnet euch (?) die Augen. Wir (wollen?) fürchten immer diese drei schlimmsten (?) Dinge, wie Adam wird zu Grunde gerichtet in der Hölle, daß wir nicht werden so zu Grunde gerichtet, wollen wir nehmen Fasten gegen diese Gefräßigkeit, wollen wir nehmen Demut gegen Hochmut. Das ist zu wissen, daß [da?] wir (als?) Christen werden genannt, den Engel Gottes, den haben wir (als) Bewachung, wie der Heiland selbst sagt: (in) Wahrheit sage ich euch, diese Engel.....

Durchgehen wir nun noch die Beweise für die bisher als feststehend angenommene rätoromanische Herkunft der Übersetzung, so scheint mir der eigentliche Kronzeuge sipse „ipse“ zu sein, da m. W. nur in Bünden sich entsprechende Formen entwickelt haben: obw. sez selbst", mit z aus ps wie in buozs, Plur. zu buop; engad. svess. sez scheint se-ipsu, svess sibi-ipsi zu sein, also ursprünglich ein Paradigma, nachher verschieden aus

geglichen (anders Ascoli Arch. Glott. I 103 f., 215, Gartner Rätorom. Gramm. 102, Meyer-Lübke Gramm. II 598). Ein anderes schönes Beweisstück ist plaida „spricht", in dieser Bedeutung nur im Obwaldischen noch gebräuchlich (plaida, Infin. plidar). Nach engad. pled „Wort", plidentar „anreden“ (= „reden machen“) zu schließen, war das Wort früher über ganz Graubünden verbreitet, ist aber vor den Konkurrenten tschantschar, raschunar, bagliafar, discuorrer immer mehr zurückgewichen. Vielleicht reichte es einst über das ganze rät. Gebiet, da sich auch im Friaul noch Spuren finden, sonst ist m. W. das Wort überall bei seiner ursprünglichen juristischen Sphäre stehen geblieben (frz. plaider, plaidoyer, it. piato etc. von lat. placitum). Etwas weiter ist das Gebiet, auf dem lat. abunde, afunda unseres Textes, bewahrt ist, zu Graubünden und Friaul treten hier die südlichen, einst wohl auch rätischen, jetzt lombardischen Alpentäler (Litt. bei Körting Lat.-Rom. Wtb. s. v.). Merkwürdig verhält sichs mit der Bedeutung. Satis der Vorlage bedeutet natürlich „sehr", nicht „genug", vgl. ital. assai gegenüber frz. assez. Da nun die Fortsetzer von abunde*) im Rätoromanischen genug", im Alpenlombardischen,,sehr bedeuten, könnte man hier ein Anzeichen für südalpine Herkunft der Übersetzung sehen. Wir haben jedoch den naheliegenden Ausweg, anzunehmen, daß der Übersetzer satis der Vorlage als „,genug" bedeutend auffaßte und übersetzte. Übrigens mag die Bedeutung genug" früher auch südalpin gewesen sein, dort aber durch abot und andere Wörter zurückgedrängt sein. Für gbd. Ursprung spricht ferner intin Z. 8, wenn richtig gelesen, besagt aber nicht viel über Rheinisch oder Engadinisch, da auch das Engad. aint in hat (vgl. z. B. Biffrun Evang. Marc. IX 43, 45, 47). Viel weiter verbreitet ist das einfache int, ent, s. Meyer-Lübke III 469 ff.

Nimmt man zu den besprochenen lexikalischen Beweisstücken noch das lautliche, auirtu, dessen i (= ie) das Lombardische ausschließt, das neben dem Rätorom. sonst noch am ehesten in Frage käme, so scheint mir die rätorom. Herkunft der Übersetzung über allen Zweifel erhoben zu sein. Nun stellen wir auch die an sich und einzeln wenig besagenden primaris, des, gurdus usw. in diesen Kreis hinein und bemerken hierzu folgendes. primaris hat seine Ent

*) Das -a von afunda, avunda berechtigt nicht zur Ansetzung eines lat. abunda von abundus (Gröber 78), vielmehr erhielt avunda sein -a durch Einfluß anderer adverbia auf -a.

Zu

sprechung nicht in obw. primari „einer der ersten", einem modernen Papierwort (Gröber 76, 84), sondern in parmér, amparmér ,,der erste". Im Engadin wie weiter östlich herrscht primu, es mag also hier ein Anzeichen für rheinische Herkunft der Übersetzung vorliegen, wenn nicht in der Bezeichnung für Adam primariu weiter verbreitet war (so ital. primaio). Bemerkenswert ist, wie im Rheingebiet primariu (frz. premier, span. primero usw.) durch in-primu (emprem), das dem engad. prüm näher steht, jetzt fast ganz verdrängt ist. Ein Kreuzungsprodukt der beiden ist offenbar amparmér. Man beachte noch, daß in parmér auch *parsmér proximariu „der Nächste, Nebenmensch" steckt (ital. prossimaio, vgl. engad. prossmaun(t) = it. prossimano). des decet sei nur, wegen Gröber 78, 95, bemerkt, daß auch engad. deschair vorhanden ist und wegen dist in den Straßburger Eiden auf Salvioni Arch. Glott. XII 401 f. Anmerkung verwiesen (vgl. Körting a. a. O. 2772). Bei gurdus Z. 3 ist man wegen des folgenden arcullus ital. orgoglioso sehr geneigt, mit Gröber gurdús zu lesen, obgleich im Rät. und Ital. m. W. nur angurd, inguord, ingordo usw. ohne -osu vorkommen. Es scheinen sich Präfix in auf der einen, Suffix -osu auf der anderen Seite im Gleichgewicht zu halten. Nicht beistimmen kann ich Gröber (85 f.) in der Annahme, daß das d dieser Wörter aus dem zweiten g von gurg- dissimiliert sei, es ist vielmehr von *ingurgdare lat. ingurgitare, *gurgdosu *gurgitosu (vgl. gulosu, gbd. gulús) auszugehen. curda Z. 10 kann wohl nur Postverbale zu *ingurdare sein, vgl. ital. calca Gedränge, giura Beschwörung usw. MeyerLübke II 442 ff., es müßte denn ein Schreibfehler für curdia vorliegen (Suffix -ia, vgl. engad. ingurdia). arcullus ital. orgoglioso, rigoglioso hat vielleicht seinen Fortsetzer, allerdings mit merkwürdiger Bedeutungsentwicklung, in obw. rugeigliús, zornig". Zu manducado sei vor allem die altdomleschgische Form mandigia (Bonifazi Catechismus, erschienen 1601) erwähnt, die sich mit lat. manduca Imp. noch Laut für Laut deckt (vgl. afrzös. manjües aus manducas usw.). Sonst ist im Rät. die endbetonte Form verallgemeinert worden, mangiár aus manducare (frz. manger usw.), und das Gleiche ist der Fall bei der Nebenform manduclare, woraus rät. magliar, vielfach auch in Oberitalien vorkommend (ferner in der französ. Schweiz?)*). Auf die semasiologischen

*) Ital. wurde cl vor dem Tone lautgesetzlich zu gli, s. Ascoli Arch. Gloss. X 78 f.

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