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Theb. 3, 2

Theb. 4, 735

quamvis umentibus astris

longus ad auroram superet labor.

si stagna Licymnia restent, si quis Amymones superet liquor.

Hier hat die Vulgata das leichter verständliche, aber grammatisch verkehrte superest untergeschoben.

Das einst stark umstrittene Adverbium sublimen ist ebenfalls als archaisch bekannt. *) Es findet sich bei Statius sicher Theb 12, 398:

tu tamen excelsa sublimen forsitan arce

ante nefas Grais tandem vexilla maniplis
vidisti,

außerdem vielleicht auch 2, 384

ibi durum Eteoclea cernit

sublimem solio,

wo der Frisingensis (f) und Bernensis (b) sublimen lesen.

Die klassische Sprache verbindet quin mit dem Imperativ, weil der Gedanke eine Aufforderung enthält. Die der ursprünglichen Bedeutung der Partikel als Fragewort angepaßte indikativische Ausdrucksweise hat sich bei den epischen Dichtern erhalten: cf. Philol. 61 (15) 1902 p. 309 sq. Aus Statius ist zu vergleichen:

Theb. 11, 685 feros avidus quin protinus imbuis enses?

12, 160 quin fugitis dum tuta via est?

Silv. 2, 1, 208 quin tu iam vulnera sedas eqs.

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wo die Vulgata ede hat gegen den metrischen Brauch des Statius, der eine offene kurze Silbe am Hexameterschluß meidet, wenn dort eine Sinnespause ist.

* Vgl. auch Skutsch, Rhein. Mus. 61 (1906) p. 609, der bei Ennius überzeugend das Wort herstellt. Anmerkungsweise sei darauf hingewiesen, daß limen nicht nur die Schwelle der Türe bedeutet, sondern auch den Türsturz, cf. Wiegand, Jahrb. Suppl. 20 (1894) p. 732, so auch Theb. 9, 818 cultus Triviae pendebitis alto limine, wo Markland fälschlich culmine konjiziert hat. Auch Paneg. 3, 11 p. 111, 9 Bs. ist ähnlich zu verstehen: per superiora aedium limina imminentibus (lumina Livineius). Durch diese Stelle wird nun Theb. 2, 479 erklärt: attonitae tectorum e limine summo aspectant matres, wo die Herausgeber allzu willig die Lesart der Vulgata culmine aufgenommen haben, die zu dem antiken Hausbau schlecht stimmt.

Eine archaische Konstruktion, die bis jetzt verkannt ist, findet sich Theb. 3, 61:

quod pudet ira fateri.

Dies ist durchaus als Überlieferung zu betrachten, denn ora oder ore findet sich nur in minderwertigen Handschriften, auch ire ist schlecht beglaubigt: es scheint Kontamination aus ira und ore zu sein. Zunächst ist es klar, daß der Begriff ira, den die früheren Herausgeber beseitigt haben, wenn man den Zusammenhang betrachtet, sehr gut am Platze ist, ore hingegen ist ein ganz nichtssagendes Füllwort, verrät sich also dadurch als schlechte Konjektur. Garrod hat jetzt eine Vermutung Gronovs gutgeheißen: quod rubet ira fateri. So elegant diese Änderung ist und sie hat auch ihre Parallelen so zweifele ich doch, ob sie nötig ist. pudere findet sich bei Lucan. 8, 495 pluralisch: semper metuet, quem saeva pudebunt,

wo Hosius mit Recht der Überlieferung gefolgt ist. J. Postgate*) hat richtig gefühlt, daß diese Konstruktion archaisch ist, nur möchte man seiner Folgerung, daß ein Tragikerzitat vorliege, nicht nachgeben. Denn Archaismen müssen nicht immer direkte Zitate oder Nachbildungen sein. Daher liegt kein Grund vor, bei Statius den Gebrauch anders zu beurteilen. Er geht noch einen Schritt weiter, indem er die Konstruktion persönlich wendet, dazu vgl.:

Plaut. Cas. 877 ita nunc pudeo atque ita nunc paveo
Enn. ann. 171 cogebant hostes lacrimantes ut miserent

scaen. 179 miserete, manus.

Lucr. 3, 881 L. ipse sui miseret.

Pacuv. trag. 31 (Non. 475, 18) nunc paenitebunt liberi grato ex loco.

Acc. trag. 312 (Non. 158, 5) neque te neque quemquam arbitror tuae paeniturum laudis.

Sall. hist. inc. 39 M (Quint. inst. 9, 3, 12) 'non paeniturum' pro non acturo paenitentiam.

Gell. 5, 1, 3 et perhorrescat necesse est et pudeat tacitus et paeniteat et gaudeat et admiretur.

Durch die Beispiele wird der Gebrauch hinreichend als archaisch charakterisiert.

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Theb. 3, 209 hos adsistere equos

Theb. 9, 606 tunc limina divae astitit

hat Statius geschrieben, denn die Lesart der Vulgata limine ist eine triviale Änderung und hat darum auch keinen Verteidiger gefunden. Daß jene Konstruktion archaisch ist, ist hinlänglich bekannt, ich kann auf die Beispiele aus der archaischen Literatur verweisen, die Alfred Kirchhoff, de Apulei clausularum compositione et arte*) p. 25 sq. zusammengestellt hat. Mit vollem Recht findet er in ähnlichen Stellen des Apuleius eine Nachahmung der archaischen Sprache. Dasselbe gilt also auch für Statius.

In semasiologischer Beziehung mögen wenige Notizen genügen. Theb. 2, 442 heißt Oedipus sacer ille senex; das ist von der Vulgata geändert worden in das stilistisch unmögliche socer ille senex. Dazu stellt sich Theb. 10, 804 quae sacra insania menti? sacer in der Bedeutung 'verflucht' ist aus der Umgangssprache längst verschwunden: Verg. Aen. 3, 57 auri sacra fames ein bis zu Gregor von Tours viel zitiertes Wort**) —, Val. Flacc. 1, 798 sacer effera raptet corda pavor, 7, 165 sacro quo freta (Medea) veneno zeigen den Weg, auf dem der Archaismus zu Statius gekommen ist. Vgl. auch Silv. 5, 4, 12 quae (lumina) sacer alterna tantum statione tenebat Argus.

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orare hat seine ursprüngliche Bedeutung gewahrt in der Phrase causam (litem) orare, so auch Verg. Aen. 6, 850. Darüber hinaus ist es durch die Definition des orator erhalten, cf. Quint. inst. 1, 10, 2 orandi scientia. Eine Erweiterung dieses Gebrauches, wie sie bei Statius vorliegt, zeigt also die Neigung, zum Ursprünglichen zurückzukehren, ist demnach archaisch.

Auch ultro Theb. 10, 15

inde animus Tyriis non iam sua castra, sed ultro
hostilem servare fugam

* Jahrb. Suppl. 28 (1902).

**) cf. auch Plin. nat. 33, 6 utinamque posset e vita in totum abdicari (aurum) sacrum fame, ut celeberrimi auctores dixere. Die Stelle zeigt, wie Plinius Dichter versteht.

ist zu erwähnen. Wenn Kohlmann nach Menkes naheliegender Konjektur ultra in den Text setzt, so verwischt er die leis archaische Färbung.

Theb. 7, 43 ferro apta teruntur limina

ist mit der trivialen Lesart der Vulgata arta*) der poetische Ausdruck geschädigt. Zu vergleichen ist:

Enn. ann. 373 vinclis venatica velox apta.

Lucil. 895 (Marx) unus consterni nobis vetus vestibus aptus (lectus).

Lucr. 4, 829 bracchia... validis ex apta lacertis.

Außerdem Apul. flor. 53 cithara caelato balteo apta; Gell. 1, 15, 1 linguam . . . vinclis de imo pectore ac de corde aptis moveri. Bei Ennius bedeutet genae die Augen:

scaen. 427 (Serv. Aen. 6, 686 Ennius de dormiente) imprimitque genae genam.

Ann. 532 pandite sulti' genas et corde relinquite somnum.

Dazu Paul. Fest. p. 94, 6 M. genas Ennius palpebras putat cum dicit hoc versu: pandite. somnum. alii eas partes putant

genas dici, quae sunt sub oculis.**)

Aus Ennius haben die augusteischen Dichter die Bedeutung übernommen:

Verg. Aen. 6, 686 effusaeque genis lacrimae.

Prop. 3, 12, 26 exustaeque tuae mox, Polypheme, genae.

Ov. met. 6,305 (von Niobe) lumina maestis stant inmota genis.
13, 561 digitos in perfida lumina condit
expellitque genis oculos,

was erklärt wird durch Sen. Oed. 975 hactenus fundunt levem oculi liquorem? sedibus pulsi suis lacrimas sequantur.

So findet sich das Wort außerordentlich häufig bei Statius: Theb. 4, 470 illi***) nam plurimus ardor anhelat

ante genas impletque cavos vapor igneus orbis,

wo es die Augenhöhlen bezeichnet. Ebenso wird von dem in Ekstase versetzten Priester gesagt Ach. 1, 516

mox igne genas et sanguine torquens

nec socios nec castra videt.

*) Sie hat allerdings auch Garrods Beifall gefunden.

**) Also dasselbe wie solum, was sich bei Plaut. Men. 156 und Stat.

Theb. 1, 54

sonst nicht.

vom Auge findet. ***) Dem blinden Tiresias.

Ähnlich heißt es Theb. 5, 95 von der rasenden Polyxo: erecta genas. Außerdem vgl. Theb. 2, 130, 232, 238, 355; 4, 588; 7,75; 8, 649, 653; 9, 155; 10, 689; 11, 674; 12, 534 Ach. 1, 351, 764, 855 Silv. 2, 7, 133; 5, 1, 34, 174; 5, 4, 8; 5, 5, 85. Schwanken kann man wegen der Bedeutung Theb. 8, 247 (fertur Oedipus) hausisse dapes insiccatumque cruorem deiecisse genis, wo man indes wegen in siccare eher an die Augen denken möchte als an die Wangen, und Theb. 7, 359 dicenti maduere genae, wo jene Erklärung immerhin näher liegt; sie wird auch empfohlen durch Silv. 2, 7, 133 cedat luctus atrox genisque manent iam dulces lacrimae. Es finden sich also bei Statius eine ganze Reihe von Anlehnungen an die archaische Sprache, und sollte auch die eine oder andere der besprochenen Erscheinungen sich lediglich durch Einwirkung Vergils oder Ovids erklären, so ist doch manches aus den augusteischen Dichtern nicht zu verstehen. Jedenfalls darf als ausgemacht gelten, daß hier bewußte Abweichungen von der Umgangssprache vorliegen. Das non vulgare loqui, das Statius von seinem Vater gelernt zu haben bekennt*), die Abkehr vom Alltäglichen führt zur Nachahmung anerkannter Muster und in notwendiger Steigerung über den Klassizismus hinaus zum Archaismus. Wenn auch im ersten Jahrhundert eine intensivere Wirkung dieser archaistischen Neigung in der Literatur noch nicht zu verspüren ist, so stehen doch die bei Statius beobachteten Archaismen nicht vereinzelt, es ist keine individuelle Neigung, für die bei ihm ein besonderer Anlaß nicht erkennbar wäre. Schon oben hatten wir auf actutum bei Quintilian hingewiesen, auch bei anderen Schriftstellern läßt sich Ähnliches nachweisen, z. B. bei Valerius Flaccus. Archaistische Tendenzen sind uns ja aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. auch sonst bekannt. Das lehren uns Stellen, wie Sen. epist. 114, 113, wo er übertreibend sagt: multi ex alieno saeculo petunt verba: duodecim tabulas loquuntur, Gracchus illis et Crassus et Curio nimis culti et recentes sunt, ad Appium usque et Coruncanium redeunt oder Tac. dial. 23, wo er gegen die polemisiert qui se antiquos oratores vocant. neminem nominabo, genus hominum significasse contentus. sed vobis utique versantur ante oculos isti qui Lucilium pro Horatio et Lucretium pro Vergilio legunt, quibus eloquentia Aufidi Bassi aut Servilii Noniani ex comparatione Sisennae aut Varronis sordet, qui

*) Silv. 5, 3, 214.

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