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Einwände gegen die Seecksche Zuweisung von Paneg. II—IX an Eumenius vorbringt, um so wichtiger, als die Literaturgeschichten dieser Hypothese in der Hauptsache erlegen sind. Freilich werden bei einer eingehenden Spezialuntersuchung der Frage sich die Ergebnisse noch schärfer formulieren und fester begründen lassen. Auch über die Entstehung des Corpus der Panegyrici, das der Verf. dem Pacatus vermutungsweise zuschreibt, bleiben einige Bedenken bestehen. Es scheint sicher, daß Paneg. II — VIII + IX schon als ein gesondertes Corpus bestanden, ehe sie durch X-XII und Plin. paneg. erweitert wurden. Das alte Corpus kennt und benutzt Pacatus, ob auch X und XI ist unsicher, denn X 227, 13 ~ XII 302, 31 ist ein rhetorischer Gemeinplatz.*)

Im 3. Kapitel wird die Gesellschaft des 4. Jahrhunderts nach Ausonius geschildert. Ausonius ist ein guter, liebenswürdiger Gesellschaftsmensch, der Mann der aurea mediocritas, typisch mit seiner Liebe zu den Klassikern wie mit seiner modernen Naturschwärmerei und seinem rührenden Familiensinn, der ebenfalls manches Unantike aufweist, ein echter Repräsentant der mehr glänzenden als tätigen Aristokratie seiner Zeit. Sein Leben ist ein gutes Beispiel der glücklichen, heiteren Ruhe, die man damals genoß, ohne durch große Fragen beunruhigt zu werden oder sich zu beunruhigen. Auch die beiden letzten Anhänge ziehen wir gleich mit heran, da ebenfalls sie dem Ausonius gelten: der erste von ihnen sucht mit Erfolg über zweifelhafte Punkte der Lebensgeschichte des Ausonius Klarheit zu gewinnen, der zweite behandelt einige Stellen kritisch.

Das 4. Kapitel über den Querolus schildert Verfasser und Leserkreis, für den das Stück bestimmt ist: es ist geschrieben für die Tischunterhaltung eines Rutilius, vielleicht des Rutilius Namatianus **), und wir dürfen voraussetzen, daß die Tischgenossen die zahlreichen literarischen Anspielungen und Anlehnungen erkannten und zu würdigen wußten.

Verwunderlich ist, daß der Verf. sich der Havetschen Hypothese anschließt, nach der der Querolus ursprünglich in trochäischen Septenaren abgefaßt und dann teilweise in Prosa umgesetzt sei. Die Analogie der mittelalterlichen chansons de gestes paßt nicht, da es sich beim Querolus um einen literarisch fixierten Text handelt.***)

Das letzte Kapitel ist dem Rutilius Namatianus gewidmet. Der Verf. betrachtet das Itinerarium mit Recht nicht als ein Reisejournal, dessen Teile am Abend jedes Reisetages entstanden seien, sondern als

*) Cf. Archiv 11, 430. 12, 347. Zu den dort angeführten Stellen vergleiche auch D. Brut. Cic. epist. 11, 20, 7 Ov. am. 3, 3, 32 Sen. clem. 1, 19, 5 epist. 14, 10. 92, 35 Lucan. 4, 185. 5, 317 Sil. 16, 684 Plin. paneg. 35, 3. 46, 8 Min. Fel. 37,9 Just. 13, 6, 20 Gallic. Avid. Cass. 4, 8 Claud. cons. Stil. 1, 341 Salv. gub. 6, 98 Rut. Nam. 2, 45 Paul. Petr. 1, 226 Ennod. opusc. 1 p. 268, 10 Hartel, Drac. Rom. 5, 178.

**) Die Identifikation des Verfassers mit Axius Paulus wird mit Recht abgelehnt.

***) Cf. W. Meyer, fragmenta Burana, Kleine Schriften zur mittellateinischen Rhythmik I p. 12.

ein sorgfältig gefeiltes Gedicht.") War Ausonius der Schulmeister, der ins Hof- und Beamtenleben hineingezogen wird, so ist Rutilius Namatianus der hohe Beamte, den literarische Interessen zur Schriftstellerei veranlassen. Er spiegelt die Anschauungen der gallischen Beamtenaristokratie wieder. Das zeigt sich in der Beurteilung Stilichos, ferner auch darin, daß in der laus Romae die kriegerische Tüchtigkeit auffallend neben der Milde zurücktritt. Die Welt ist friedlich gesinnt und will von Kampf und Streit nichts wissen.

Was die Studien Pichons so genußreich macht, ist nicht lediglich die Gewandtheit der Darstellung, sondern namentlich die feine Art, mit der aus den Werken der Literatur die Persönlichkeit der Verfasser entwickelt und der Kreis geschildert wird, für den sie bestimmt sind. Man wird den folgenden Untersuchungen des Verf., die in zwei weiteren Bänden die ersten christlichen Schriftsteller Galliens und dann die Schriftsteller des 5. Jahrhunderts behandeln sollen, mit Spannung entgegensehen.

Straßburg i. Els.

Alfred Klotz.

J. H. Schmalz: Antibarbarus der lateinischen Sprache. Siebente Auflage. Achte Lieferung. Basel 1907. S. 280—448. 8o.

Unsere Leser werden mit Vergnügen erfahren, daß das zweibändig gewordene Buch sich dem Abschlusse nähert, indem die kürzlich ausgegebene Lieferung von persuadere bis quatenus reicht. Es ist allmählich zu einem unentbehrlichen Handbuche des Gymnasialprofessors geworden, weil es nicht nur vermehrt und verbessert, sondern auf die Grundlage der Wissenschaft, und zwar der allerneuesten Forschung gehoben worden ist. Viel genauer als früher werden die Grenzen eines Wortgebrauches angegeben, so weit dies zur Zeit möglich ist; wo ein Wort zuerst auftaucht, bei welchen Autoren es fehlt, d. h. absichtlich vermieden wird. Vgl. beispielsweise den Artikel quatenus, welches nichts anderes bedeutet als ein lokales qua': qua der Erstreckung nach, von tenus, tenoris, der Strick, die Strecke, welche sowohl räumlich, als auch übertragen zeitlich gedacht werden kann. Über qua qua vgl. jetzt Wackernagel, Archiv XV 213 ff.

Neunte Lieferung. Basel 1907. S. 449-608. 8°. Quattuor bis

studere.

Alfr. Gudeman: Grundriß der Geschichte der klassischen Philologie, Leipzig 1907. VI. 224 S. 8°.

Ein kleines, aber nützliches Buch, welches bisher der deutschen Literatur fehlte, vergleichbar der Geschichte von Urlichs, hier und da mit mehr biographischem und bibliographischem Material ausgestattet, aber auch mehr katalogartig gehalten; verfaßt von dem Herausgeber und Erklärer des taciteischen Dialogus, dem früher an amerikanischen Universitäten, jetzt am Thesaurus linguae latinae tätigen Alfr. Gude

*) Die Beschreibung Italiens stammt aus Büchern: cf. Plin. nat. 3, 44. Ein lapsus p. 252 l'ile de Lune.

man, hervorgegangen aus dessen kürzer gefaßten und englisch geschriebenen 'Outlines', Boston, 5. Aufl. 1902, in erster Linie als Grundriß für akademische Vorlesungen bestimmt, aber auch zum Nachschlagen und zur Selbstbelehrung nicht ungeeignet. Die Darstellung darf als objektiv bezeichnet werden; nicht die literarische Tätigkeit ist maßgebend (wie z. B. Casp. Orelli ausgeschlossen ist), sondern nur das Bahnbrechende findet Beachtung. Lebende Philologen sind grundsätzlich ausgeschlossen. Auch das Lob der Kürze hat sich Verf. erworben, indem er z. B. die Bedeutung von Ritschl durch Nennung seiner Hauptschüler (worunter Arnold Hug, nicht Carl H.) klar macht. Ein guter Gedanke war es auch, die Lieblingsaussprüche großer Philologen anzuführen. Der unentbehrliche Index fehlt natürlich nicht.

Godofr. Wolterstorff: Historia pronominis 'ille' exemplis demonstrata. Diss. inaug. Marp. Catt. 1907. 75 pgg. 8°.

Die Schrift bildet eine erwünschte Ergänzung zu dem Buche des Amerikaners Meader 'Is, hic, ipse, iste' und nähere Ausführungen zu jeder lateinischen Grammatik, da diese den Gebrauch in der Umgangssprache nicht zu beachten pflegen. Auch insofern ist das Thema glücklich gewählt, als der Verf. neben der klassischen Philologie auch die französische Sprache in Grenoble studiert hat. Das literarische Material, welches der Untersuchung zugrunde liegt, ist: Plautus Men.; Vitruv (welcher vor Cicero gestellt ist); Cic. Att. lib. 10. 11; bell. Hisp.; Petronius; Gaius instit. lib. 3; Apul. met. 1-3; Porphyrio; Peregr. ad loca sancta; Greg. hist. Franc. lib. 3. Daraus ergibt sich, daß nur die Entwicklung im großen erkannt werden kann, und daß die Angaben der statistischen Tabelle S. 73 nur relativen Wert haben, z. B. daß ille als bestimmter Artikel (in den genannten Schriften) viermal vorkomme, zweimal bei Plautus, je einmal in der Peregr. und bei Gregor. Dagegen bleibt richtig, daß die älteste durch das Suffix -ce verstärkte Form illic res praesentes (quae coram sunt) bezeichnet, und daß dieser Gebrauch schon in der klassischen Latinität vollkommen abgestorben ist, indem ille an die Stelle tritt. Schon bei Plautus bezeichnet dann ille 'res quae antea nominatae sunt', noch weiter 'res quae e solo conexu eminent'. Das Einzelne muß man selbst nachsehen; es sei nur noch bemerkt, daß ille in der Bedeutung von notissimus nicht so häufig und so verbreitet ist, als man glauben möchte. Nach der Seite des Spätlateins scheint uns die Arbeit noch weiterer Ausdehnung bedürftig zu sein; gerne würde man ille qualis finden als Vorläufer des französischen lequel.

Die Kultur der Gegenwart, herausgegeben von Paul Hinneberg. Teil I, Abteilung VIII, zweite Auflage. Berlin u. Leipzig 1907. Zweiter Abschnitt: Die lateinische Literatur und Sprache Fr. Leo, Die röm. Literatur des Altertums, S. 323- 400; E. Norden, Die latein. Literatur im Übergang vom Altertum zum Mittelalter, S. 401-438; Fr. Skutsch, Die lat. Sprache, S. 439–479).

Wenn die Literaturanzeigen des Archivs auch nur dem Zwecke dienen, den Fortgang der wissenschaftlichen Forschung zu verfolgen und den Fachgenossen über deren neue Ergebnisse zu berichten, so wollen wir doch an einem so monumentalen Werke der Zusammenfassung, wie es das vorliegende ist, das nach Jahresfrist nunmehr in zweiter Auflage erscheint, nicht mit Stillschweigen vorübergehen. Bekanntlich wendet sich das Hinnebergsche Sammelwerk an die weitesten Kreise des gebildeten Publikums; da gilt es denn von vielen Voraussetzungen abzusehen, die gegenüber dem Fachmann als gegeben gelten: für den sprachhistorischen Teil unseres Buches bedeutet dies nicht nur einen Verzicht auf die bequeme Terminologie der Linguisten, sondern auch die Notwendigkeit, die sprachlichen Vorgänge durch Analogien und Gegenstücke aus den lebenden Sprachen anschaulich und verständlich zu machen. Das Problem einer Popularisierung der lateinischen Sprachgeschichte hat Skutsch in glänzender Weise gelöst: seine Darstellung dürfte jedem, der überhaupt von lateinischer Deklination und Konjugation eine Ahnung hat, vollkommen verständlich sein. Dabei kann sie aber auch der Latinist mit Nutzen lesen, denn Sk. gibt so vieles aus Eigenem. Und auch mit Vergnügen wird man seinen sprachhistorischen Cursum durchschmarutzen, so frisch ist die Darstellung, so epigrammatisch-kräftig manches in Schlagworte gefaßt: zum Beispiel was über die „zyklopische Struktur" des Altlateins gesagt wird oder über die vielberufene „Logik“ und „Nüchternheit" der Sprache des alten Rom.

Was den literarhistorischen Teil des Buches betrifft, so bürgen schon die Namen unseres feinsten Kenners der römischen Dichtung und des gefeierten Verfassers der Kunstprosa" nicht nur für Erfüllung der weitestgehenden Ansprüche an den inhaltlichen Wert der betreffenden Abschnitte, sondern auch für eine meisterliche, der Größe des Unternehmens würdige Darstellung. Leos,,römische Literatur" mit ihren glänzenden Schriftsteller-Charakteristiken, in denen L. überhaupt ein unerreichter Meister ist, und die natürlich auch für den Sprachhistoriker manche wertvolle Bemerkung bieten, erscheint gegenüber der ersten Auflage um ein volles Drittel vermehrt. Auf Einzelheiten einzugehen, ist hier nicht der Ort, wie wir uns auch damit begnügen müssen, mit einem Wort auf die griechischen Partien des Buches (S. 1-321) hinzuweisen; Verfasser der einzelnen Abschnitte sind Wilamowitz, Krumbacher, Wackernagel: Namen, die laut genug sprechen von der Höhe, auf der auch dieser Teil steht.

H.

Anzeigen von Lindsay, Plautussyntax und Grandgent, Vulgär

latein folgen im nächsten Hefte.

Archiv für lat. Lexikogr. XV. Heft 3.

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Nekrolog.

Pater Odilo Rottmanner t

Am 12. September verstarb in München der berühmte Benediktiner Pater Odilo Rottmanner, Konventuale zu St. Bonifaz im Alter von nicht ganz 66 Jahren. Er war nicht zünftiger Philologe, weder Ritschelianer, noch sonst ein -ianer, sondern Doktor der Theologie und, was man durch kein Examen erwerben kann, einer der hochgeehrtesten Geistlichen des Landes, dessen Predigten auch von Angehörigen anderer Konfessionen gerne gehört wurden. Ein hochgelehrter Vertreter seines Faches und Kenner der Kirchenväter, hat er zwar kein großes Buch geschrieben, aber in Zeitungen und Zeitschriften so viel veröffentlicht, daß sein Name auch im Archiv nicht übergangen werden kann. Zu seinem Augustin hatte er sich ein eigenes Wörterbuch angelegt, dessen Kopie er der Thesauruskommission bereitwilligst zur Verfügung stellte. Abgeschlossenheit war ihm fremd; am Vorabend der Münchner Philologenversammlung nahm er eine Einladung von mir an, um den österreichischen Kultusminister und Herausgeber der lateinischen Kirchenväter persönlich kennen zu lernen. Es machte ihm sichtlich Freude, Rat und Aufschluß Suchende belehren zu können. Wie oft hat ihn der große Wilhelm Meyer von Speier konsultiert! Und dessen Spuren folgend hat auch der Schreiber dieser Zeilen denselben Weg oft gefunden, so daß er ihn zum fünfzigjähr. Jubiläum in dem Archive für lateinische Lexikographie beglückwünschen durfte. Wenn man heutzutage so viel des Kirchenstreites erleben muß, so darf man sich doch auch aufrichtig freuen, daß solche auf gegenseitige Achtung gegründete Freundschaftsbande sich schlingen konnten.

München.

Ed. Wölfflin.

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