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die die Länge des schließenden Vokals von mea tua etc. bildet. Oder läßt sich der Richtigkeit unseres Kurses so fest vertrauen, daß wir die Klippe umsegeln zu können hoffen dürfen? Das glaube ich allerdings. Daß wir bis hierhin richtig gesteuert sind, halte ich für unbestreitbar. Es muß also meā nostrā, da es der Nominativ in historischer Zeit nun einmal nicht sein kann, da es vielmehr deutlicher Ablativ ist, infolge einer Mißdeutung seitens der Sprechenden für den Nominativ eingetreten sein. Und kann denn nun irgendwie zweifelhaft sein, daß eine solche Mißdeutung geradezu mit Notwendigkeit eintreten mußte? Sobald durch die Lautgesetze resfert zu refert wurde, konnte kein Römer mehr etwas anderes darin empfinden als den Ablativ rē. Dafür haben wir den klarsten Beweis in Händen an dem Infinitiv referre und dem schon bei Plautus belegten Perfektum rētulit. rem ferre und rēs tulit konnten sich satzphonetisch nicht ändern; jene beiden Formen sind also nur als analogische Nachbildungen nach refert verständlich d. h. für das Sprachgefühl der plautinischen Zeit zerlegte sich refert bereits in rē und fert. Eine notwendige Konsequenz davon war, daß man das Possessivpronomen in den dem scheinbaren Ablativ rē entsprechenden Kasus umsetzte.*) Aber darin wirkte der Ursprung von rfert noch bis zum Ende der republikanischen Zeit nach, daß man andere Nominative nicht dazu setzte.

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Einwände gegen diese Ansicht kann ich nirgendwo erblicken. Allerdings sagt Brugmann S. 223 gegen Wharton und Fröhde „vergeblich sehe ich mich nach Analoga zu dem hier statuierten Prozeß um", aber ich kann nicht recht begreifen, was hier das Vorhandensein oder Fehlen von Analoga besagen soll. Der Vorgang, wie ich ihn geschildert habe, ist nicht nur in allen seinen Teilen völlig der lateinischen Sprache gemäß im Gegensatz, wie ich nochmals hervorhebe, zu den anderen Versuchen —, sondern er steht vor allem in jeder Einzelheit in vollkommenstem Einklang mit den Gesetzen der Sprachpsychologie

was SO

*) Wenn man will, kann man auch annehmen, daß, als res fert zu refert wurde (einige Zeit vor Plautus natürlich), der Nominativ der ersten Deklination noch langes a hatte. Dann wird die Umdeutung von meā rē(fert) in den Ablativ, die dem Possessivpronomen die lange Endung rettete, noch begreiflicher. (Das Ablativ-d war schon vor Plautus tot; wer das nicht glaubt, muß doch zugeben, daß vor r auch mead nicht anders als mea klingen konnte.)

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F. Skutsch: Zur lateinischen Syntax.

wenig einen Nachweis braucht wie es bestritten werden kann. Mehr kann man eigentlich nicht verlangen. Aber wenn denn nun einmal noch Analoga nötig sein sollen, so sei's drum. Ich greife ein beliebiges heraus. In Vollmöllers Jahresbericht IV 81 habe ich nachgewiesen, daß iure peritus und iure consultus aus iuris peritus und iuris consultus nach dem satzphonetischen Gesetz entstanden sind, wonach auslautendes s vor folgendem konsonantischen Anlaut abfällt. Auch hier kann wohl schon von vornherein kein Zweifel sein, daß dem römischen Sprachgefühl die Form iure in jenen Verbindungen nunmehr als Ablativ galt, und es wäre also nicht wunderbar, wenn sich eines Tages ein Beleg für iure civili peritus oder dergl. fände, der dann die vollkommenste Analogie zu meu rēfert sein würde. Inzwischen dürfte folgendes wohl ausreichen 1) zum Beweis, daß iure wirklich als Ablativ empfunden wurde, die Nachbildung bello peritus bei Velleius II 29, 3*); 2) zum Beweis, daß ein solcher falscher Ablativ natürlich auch seine Apposition im Ablativ zu sich nahm, arte fabrica peritus Paul. Dig. 33, 7, 19.**)

meā

*) Mehr der Art gibt Wölfflin, Archiv XIII 409, dessen Erklärung ich aber nicht gutheißen kann.

**) Ich möchte zum Schluß nachtragen, daß die oben S. 37 f. behandelte „,infektiöse Übertragung der Deminution" in das Bereich der Erscheinungen gehört, die Bréal nach einem kurzen Bericht des Bulletin de la société de linguistique XII (1903) S. XX unter dem Namen avrouíunois zusammenfaßt.

Breslau.

F. Skutsch.

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Vergleichen wir Sätze von der Art wie: 'puto nobis Lanuvium eundum' (Cic. Att. 15, 4, 2), 'hoc cuiquam ferendum putas esse' (Cic. Verr. 4, 9), 'qui (Lycurgus) regem non deligendum duxit,... sed habendum (Cic. rep. 2, 24), mit Sätzen des folgenden Typus: 'de duobus generibus edicendum putavi' (Cic. Att. 6, 1, 15), 'praetoris iniurias tacite ... ferendas arbitrabatur' (Cic. Verr. 3,84): so scheinen beide Gruppen syntaktisch-semasiologisch ganz gleichen Wert zu haben; hier wie dort finden wir ein verbum sentiendi mit einer Gerundivkonstruktion als Objekt, hier wie dort wird also die Ansicht des Satzsubjektes über die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer Handlung ausgesprochen. Bei der zweiten Gruppe kommt aber ein neues Bedeutungsmoment hinzu: das Subjekt des Satzes nämlich, welches seine Ansicht ausspricht, ist zugleich die einzige Quelle für die Ausführung des als notwendig (bzw. zweckmäßig) Erachteten: dadurch enthält die vorliegende Wortverbindung mehr als die Bezeichnung einer bloßen Meinung; sie wird zum Ausdruck des Willens zum Vollzug einer Handlung und weiterhin zur Umschreibung der ausgeführten Handlung selbst, indem sie diese als eine nicht schlechthin, sondern mit guter Überlegung vollzogene hinstellt.*) Wenn also Cicero als Prokonsul sagt: 'edicendum putavi', so meint er: edixi, quia necessarium (consentaneum) putavi ich habe mit

gutem Grunde, wie ich glaube, das Edikt erlassen. Entsprechend beim Präsens: Cic. fin. 1, 2 contra quos omnes dicendum breviter existimo breviter dicam, quia rationem id poscere existimo.**)

*) Dabei ist es gleichgültig, ob die Ausführung direkt oder durch Mittelspersonen erfolgt; dagegen ist unbedingt notwendig die Identität des Satzsubjektes mit dem logischen Subjekte beim Gerundiv, z. B. hat der Satz pugnam committendam putavi' einen anderen Sinn im Munde des Kriegsherrn als in dem eines Ratgebers oder Unbeteiligten.

**) Selbstverständlich involviert die Konstruktion nicht in allen Fällen die vollzogene Handlung: wir ergänzen diese eben stillschweigend, wenn wir nichts von Umständen hören, die sie kreuzen.

Solche Gerundivkonstruktionen', wie wir sie kurz nennen wollen, finden wir natürlich überall in der Literatur, wo eine überlegte, mit dem Bewußtsein ihrer Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit ausgeführte Handlung ausgedrückt werden soll. So bei Cicero sehr häufig: er hatte ja als Sachwalter, Beamter, Schriftsteller oft genug Anlaß, die ratio seiner Entschlüsse (oder der seiner Klienten und Freunde) zu betonen; so bei Cäsar, dessen Commentarii de bello Gallico vielfach einen apologetischen Charakter tragen (vgl. hierzu beispielsweise Meusels Artikel puto, wo die Fälle mit dem Gerundiv in einem eigenen Abschnitt zusammengestellt sind, Sp. 1299); so bei allen Schriftstellern, wenn sie die Gründe für eine bestimmte Behandlung ihres Gegenstandes u. ä. angeben.

In allen solchen Fällen ist die Umschreibung wohl angebracht. Der Gebrauch konnte aber weiter um sich greifen, da schließlich jede nicht unbewußte oder unfreiwillige Handlung als aus der Überzeugung von ihrer Notwendigkeit hervorgegangen aufgefaßt werden kann. Durch ihre Breite und Volltönigkeit, die sie auch zur Klauselbildung gut geeignet machte, empfahl die Phrase sich für einen schwülstigen Stil; und so ist es denn kein Wunder, daß sie zu den stehenden Ingredienzien der spätlateinischen höhern Prosa gehört.

Und zwar besonders des Lateins der kaiserlichen Kanzleien, wo seit der Vollendung der Monarchie (3./4. Jh.) wohl die hochtrabendste Stilgattung gepflegt wurde. In den Constitutiones principum kommt die Gerundivkonstruktion zu fast formelhafter Verwendung. Ich unterscheide zwei Hauptgruppen.*) Die erste sei a parte potiore die Gerundivkonstruktion der ersten Person genannt. Der Princeps spricht hier von sich selbst, natürlich im pluralis maiestatis. Er umschreibt seine Regierungshandlungen. Von vielen Beispielen hier ein paar:

*) Eine dritte, die nicht in diesen Zusammenhang gehört, aber auch phraseologischen Charakter hat, sei beiläufig erwähnt. Es ist die Verbindung eines Verbums des Wissens im Jussiv mit dem Gerundiv zur Umschreibung eines einfachen Imperativs oder Futurs Passiv; so Cod. Theod. 6, 20, 1 (a. 413) sciant se . . . nominandos; 10, 20, 10 pr. (a. 380) non ambigat (mulier) se ... eius condicioni esse nectendam; 9, 45, 4, 3 (a. 431) trahendos se esse cognoscant; 16, 10, 7 (a. 381) proscriptioni se noverit subiugandum. Da wir uns hier nur mit der Umschreibung einer Handlung, nicht eines Erleidens befassen, so geht uns diese Gruppe nichts an; sie ist übrigens interessant, da sie einen Weg zeigt, auf dem das Gerundiv zur Substitution für das Futur Passiv im Infinitiv geworden.

...

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Cod. Just. 9, 9, 19 (Diocletianus, a. 287) non putavimus confecto paene iudicio propositum ab excubiis limitis revocandum. Cod. Theod. 16, 5, 2 (Constantinus M., a. 326) Novatianos non adeo comperimus praedamnatos, ut iis, quae petiverunt, crederemus minime largienda. 1, 6, 10 (Valentinianus, ca. 384) ideo huic Bithyniam atque Paphlagoniam credidimus deputandas. 16, 10, 12, 2 (Theodosius M., a. 392) omnia loca, quae turis constiterit vapore fumasse, fisco nostro associanda censemus. 16, 6, 4 pr. (Arcadius, a. 405) intercidendam... eam sectam nova constitutione censuimus. 16, 8, 21 (Honorius, a. 412) ut hoc ... volumus esse provisum, ita illud quoque monendum esse censemus; vgl. 16, 9, 3 (Honorius, a. 415). 16, 10, 20, 4 (Honorius, a. 415) chiliarchos... censuimus removendos. Novell. Theod. II 5, 2 pr. (a. 439) remedium credidimus offerendum. Cod. Just. 10, 31, 65 (Anastasius, ca. 497) constitutionem... duximus corrigendam. Ähnlich mit Umschreibung der ersten Person Avell. p. 69, 19 (Honorius, a. 419) nostra serenitas credidit ordinandum.

Die Kanzlei des Königs Theoderich weist natürlich die entsprechenden Wendungen auf: Cassiod. var. 1, 16, 2 quod nos . . . considerandum esse iudicamus, ut ... relevandam aestimemus esse fortunam. 7, 21 illum et illum scriniarios officii nostri duximus destinandos. 7, 21 quem nos credidimus adiuvandum. 8, 14, 4 quod vobis adeo, patres conscripti, aestimavimus esse repetendum.

Die Wendungen dieser ersten Gruppe stehen der ursprünglichen Bedeutung der Gerundivkonstruktion noch ziemlich nahe: denn die Verfügung des Herrschers wird recht gut als ein auf der Überzeugung von seiner Notwendigkeit beruhender Akt bezeichnet.*) Gleichwohl empfinden wir sie im Zusammenhang der sonstigen Sprache der Konstitutionen nicht mehr als vollwertig. Der Monarch fühlt sich keinem zur Rechenschaft verpflichtet; wenn er sagt (wie z. B. oben Cassiod. var. 7, 21): illum et illum

duximus destinandos, so heißt das ungefähr dasselbe wie unser: ,,wir geruhten zu schicken." Es liegt etwas vom 'Befehlen'in diesem 'Meinen', und daher kommen als Parallelwendungen vor solche wie: negotium constituimus differendum (Avell. p. 70, 28,

*) Daher schon entsprechende Wendungen in der Sprache der Republik; z. B. sagt Cicero in der Maniliana zum populus R. als dem Souverän (26): imperii diuturnitati modum statuendum vetere exemplo putavistis (vgl. 27).

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