Immagini della pagina
PDF
ePub

mittelbar allerdings mögen manche Nachrichten des Livius, besonders die Prodigienberichte, aus den Annalen der Priester herstammen.

Nichtsdestoweniger würden die Priester-Annalen, wenn sie gleichzeitig mit Roms Gründung begonnen worden wären, späteren Historikern einen erwünschten Anhaltspunkt abgegeben haben; sie würdey in diesem Falle auch uns eine gewisse Bürgschaft dafür geben, daß wenigstens die allgemeinen Umrisse der ältesten Tradition historisch sind. Allein jene Vorausseßung trifft nicht zu. Innere, wie äußere Gründe machen es wahrscheinlich, daß die ächten PriesterAnnalen nicht über den gallischen Brand, geschweige bis in die Königszeit zurückgereicht haben. Innere Gründe: denn gerade die Chronologie der Königszeit ist so verworren und so voll innerer Widersprüche 5), sie beruht so augenscheinlich auf bloßer Zahlencombination, auf einem erklügelten Zahlensystem, daß man unmöglich annehmen kann, es liege ihr eine Reihe annalistischer, Jahr für Jahr unternommener Aufzeichnungen zu Grund. Aeußere Gründe: denn es kann keinem gegründeten Zweifel unterliegen, daß die Holztafeln, auf denen die Priester-Annalen verzeichnet waren, im gallischen Brand ein Raub der Flammen geworden sind. Sie waren in der Wohnung der Pontifer Marimus, d. h. in der Regia aufbewahrt, und sind bei der eiligen Räumung der Stadt sicherlich nicht geflüchtet worden, da man ja selbst die Heiligthümer des Vesta

nicht nur, weil Dionysius den Namen pontifex nie mit dozieges überseßt, er behält entweder den Namen norrigines bei (z. B. II, 73. p. 132, 39.), oder er überscht ihn mit iegogȧvīns, eine Ueberseßung, die er II, 73. p. 133, 9 ausdrücklich für die passendste erklärt —, sondern auch, weil nach den wiederholten Feuersbrünsten (Becker r. Alterth. I, 9.) die Originaltafeln der Priester-Annalen schwerlich mehr in der Regia vorhanden waren. Es ist wohl an die Stadt Anchise zu denken, wo Polybius eine derartige chronologische Tafel vorgefunden zu haben scheint. Für die Existenz einer solchen Stadt beweist nun zwar allerSinge Steph. Βyz. p. 24, 16 nights, wo es heift Αγχίση, πόλις Ιταλίας, ἀπὸ τοῦ προπάτορος Αγχίσου, ὡς Διονύσιος ἐν πρώτη περὶ Ῥωμαϊκῆς ἀρχαιολογίας· τὸ ¿evizòv Ayxweis. Denn diese Stelle geht (was Meineke übersehen hat) auf die mythische Stadt Anchise bei Dionys. I, 73. p. 59, 28; wohl aber finden wir eine epirotische Hafenstadt Anchise bei Dion. I, 51. p. 41, 10 (f. die Ausleger zu d. St.) und eine unweit Nicopolis gelegene Stadt Anchisus bei Procop. B. G. IV, 22. (p. 577, 1. Dind.) erwähnt.

5) S. u. Abschn. 20.

tempels nur dadurch zu retten wußte, daß man sie vergrub 6). Diese Wahrscheinlichkeitsgründe werden durch eine Aeußerung Cicero's fast zur Gewißheit erhoben. Cicero fagt 7), man habe von der Sonnenfinsterniß des Jahrs 350 an, als der ersten in den Priester-Annalen verzeichneten, die früheren Sonnenfinsternisse rückwärts berechnet bis zu der Sonnenfinsterniß an jenen Iden des Quinctilis, an welchen Romulus verschwand. Hat man sie aber erst berech nen müssen, so können sie nicht verzeichnet gewesen sein. Nun hat es allerdings den Anschein, daß man nach dem gallischen Unglück (365) den Versuch machte, die Annalen wiederherzustellen, und so weit zurückzuführen, als die Erinnerung des lebenden Geschlechts es gestattete: allein diesen wiederhergestellten Annalen kam natürlich die Geltung authentischer Urkunden nicht zu. Bis auf welchen Zeitpunkt sie nachmals zurückgeführt worden sind, ist ungewiß. Wenn Cicero die Abfassung der Priester-Annalen mit Roms Gründung beginnen läßt 8), so ist damit freilich unwahrscheinlich genug nur ein so hohes Alter der Sitte behauptet, nicht aber, daß die ihm selbst bekannten Annalen so hoch hinaufreichten. Dagegen seßt ein Schriftsteller der spätern Kaiserzeit auch das Lettere voraus 9), und

[ocr errors]

6) Die Rettung der Priester-Annalen aus dem gallischen Unglück behauptet Le Clerc (de journaux chez les Romains, recherches précédées d'un Mémoire sur les annales de pontifes, Paris 1838), indem er daraus das hohe Alter der= selben, so wie die Urkundlichkeit und Glaubwürdigkeit der ältesten römischen Geschichte folgert. Allein seine Gründe für jene Annahme sind durchaus unstichhaltig.

7) Rep. I, 16, 25.

8) De orat. II, 12, 52. Nicht unzweideutig genug ist die Stelle Cic. Rep. II, 15, 28: saepe hoc (Numam Pythagorae discipulum fuisse) de majoribus natu audivimus: neque vero satis id annalium publicorum auctoritate declaratum videmus. Doch kann der Ausdruck publici annales kaum anders, als von den Priester-Annalen verstanden werden, von denen er auch Diomed. III, p. 480 gebraucht wird.

9) Vopisc. vit. Tac. 1.: quod post excessum Romuli, novello adhuc romanae urbis imperio, factum, pontifices, penes quos scribendae historiae potestas fuit, in litteras retulerunt, ut interregnum iniretur. Diese Angabe ist selbst mit der gewöhnlichen Tradition im Widerspruch, nach welcher erst Numa die Pontifices eingesezt hat. Bei dem sog. Aur. Vict. de orig. g. r. 17, 5. liest man gar: ejusdem posteri omnes cognomento Silvii usque ad conditam Romam Albae regnaverunt, ut est scriptum Annalium Pontificalium lib. IV. Und 18, 3: Aremulus Silvius fulmine ictus est, ut scriptum est Annalium lib. VI.

man muß allerdings annehmen, daß die späterhin im Umlauf befindlichen Abschriften der Priester-Annalen bis auf Noms Gründung zurückgiengen. Nur verräth ein Bruchstück dieser hergestellten Annalen, das Gellius aufbewahrt hat 19), das einzige, das uns überhaupt daraus geblieben ist, einen ziemlich jungen Ursprung.

[ocr errors]

Gebrauch haben von den Priester-Annalen fast nur die Antiquare gemacht: bei den Historikern finden wir keine sichere Spur einer unmittelbaren Benützung derselben. Es gilt dieß namentlich von Livius und Dionysius, wie schon oben gezeigt worden ist. Aber auch von den Antiquaren ist so viel wir wissen Verrius Flaccus der Leste, der sie in Händen gehabt hat: denn Gellins, der sonst überall, wo er „Annalen" citirt, die Geschichtswerke der Annalisten meint "), hat sein Citat aus den Priester-Annalen offenbar nicht aus ihnen selbst, sondern aus Verrius Flaccus geschöpft 12). Auch bei Plinius sindet sich kein Citat daraus; er nennt sie auch nicht im Register seiner Quellen. Ueberhaupt, wo „Annalen“ schlechtweg citirt sind 13) — Citate, die man häufig grundlos auf die Prie

10) Gell. IV, 5, 5. Das betreffende Bruchstück stand im eilsten Buche, muß also einer ziemlich frühen Zeit angehört haben. Um so auffallender ist, wie Becker (r. Alterth. I, 10. Anm. 14) mit Recht bemerkt, der wohlgeglättete Senar: Malum consilium consultori pessimum est. In den ächten Annalen aus jener Zeit könnte höchstens ein rauher Saturnius gestanden haben.

11) Vgl. z. B. II, 16, 3: ut in omnium ferme Annalium monumentis scriptum est.

12) Vgl. IV, 5, 6: ea historia de haruspicibus ac de versu isto senario scripta est in Annalibus Maximis, libro undecimo, et in Verrii Flacci libro primo Rerum memoria dignarum.

[ocr errors]

13) Varr. L. L. V, 74: et arae Sabinum linguam olent, quae Tati regis voto sunt Romae dedicatae; nam, ut Annales dicunt, vovit Opi Ders. a. a. C. V, 101: a Roma orti Siculi, ut annales veteres nostri dicunt. Cic. pro Rabir. perd. r. 5, 15: quum iste omnes et suppliciorum et verborum acerbitates non ex memoria vestra ac patrum vestrorum, sed ex annalium monumentis atque ex regum commentariis conquisierit. Ders. Rep. II, 15, 28 (s. oben S. 10. Anm. 8. Liv. II, 54: in quibusdam annalibus invenio. IV, 7: qui neque in annalibus priscis, neque in libris magistratuum inveniuntur. IV, 20: veteres annales et magistratuum libri. IV, 34: quidam annales retulere. VII, 9: quum mentionem ejus rei in vetustioribus annalibus nullam inveniam. VII, 21: meriti aequitate curaque sunt, ut per omnium annalium monumenta celebres nominibus essent. VIII, 18: varie in annalibus cognomen consulis invenio. XXVII, 8: praetor, non exoletis vetustate annalium exemplis stare jus lebat. Val. Max. IV, 2, 1: veteres annalium scriptores. Plin. II, 54, (140):

VO

fter-Annalen bezogen hat, sind nie die leztern, sondern immer die Geschichtswerke der Annalisten gemeint.

5. Neben den Priester-Annalen und unabhängig von denselben muß es aber auch noch andere Chroniken, Privatchroniken gegeben haben. Die Annalisten, die seit Fabius Pictor römische Geschichte schrieben, haben nämlich offenbar aus älteren Chroniken geschöpft: und zwar müssen diese Chroniken, aus denen sie schöpften, über das gallische Unglück hinaufgereicht haben: denn es läßt sich nicht annehmen, daß die Geschichte der vorgallischen Zeit, die ganz annalistisch angelegt ist, die Geschichte der VolskerAequer und Vejenterkriege mit ihrem oft trockenen und ermůdenden Detail, die Geschichte der zahlreichen Prodigien, Landplagen und auffallenden Naturphänomene, die aus jener Epoche überliefert werden, daß alles dieß erst nach dem gallischen Einbruch aus der Erinnerung und mündlichen Ueberlieferung aufgezeichnet worden sey; sondern die meisten dieser Angaben können nur auf gleichzeitiger. oder doch nicht viel später vorgenommener schriftlicher Aufzeichnung beruhen. Mit diesen annalistischen Aufzeichnungen scheint man nicht lange nach dem Sturz des Königthums, jedenfalls noch im dritten Jahrhundert der Stadt den Anfang gemacht zu haben, und sie scheinen ursprünglich bis zur Gründung der Republik hinaufgeführt worden zu seyn. Daß sie sich

wenigstens ursprünglich nicht auch auf die Königszeit erstreckt

exstat annalium memoria, sacris quibusdam vel cogi fulmina, vel impetrari. VIII, 54 (§. 131). 78 (§. 210). 82 (§. 222. 223). X, 17 (§. 36). 25 (§. 50). XXXIV, 11, (24): nec omittendum videtur, quod annales adnotavere, tripedaneas iis (den zu Fidenä im Jahr 316 d. St. ermordeten römischen Gefandten) statuas in foro statutas. XXXIV, 11, (25): invenitur statua decreta et Taraciae Gaiae virgini vestali. meritum ejus ipsis ponam annalium verbis: „quod campum Tiberinum gratificata esset ea populo." Quint. II, 4, 18: ipsa annalium monumenta. Gell. I, 11, 9: scriptores annalium memoravere. 19, 1: in antiquis annalibus. II, 11, 1: L. Siccium Dentatum, qui tribunus plebi fuit Sp. Tarpeio A. Aterio consulibus (im J. d. St. 300), scriptum est in libris annalibus plus, quam credi debeat, strenuum bellatorem fuisse. 16, 3: ut in omnium ferme annalium monumentis scriptum est. III, 15, 4: in nostris annalibus. VI, 7, 1: Accae Larentiae et Caiae Taratiae nomina in antiquis annalibus celebria sunt. VII, 19, 5. IX, 11, 2. Censorin. 17, 10: si veterum revolvantur annales. Macrob. III, 9, 13. p. 438: prisci annales. Cic. Brut. 15, 60. 18, 72: in antiquis commentariis.

haben, beweist, wie schon oben bemerkt worden ist, der unchronologische, die Möglichkeit annalistischer Aufzeichnung entschieden ausschließende Charakter der traditionellen Königsgeschichte. Selbst die ersten Jahrzehnde der Republik können noch nicht gleichzeitig, sondern erst aus der Erinnerung aufgezeichnet worden seyn, wie theils der Widerspruch der Zeitbestimmungen, (so wird die Schlacht am Regillus-See von den Einen in's Jahr 255, von den Andern in's Jahr 258 gesezt), theils der Verwirrung der Fasten während der ersten Jahre der Republik, theils endlich der sagenhafte und unhistorische Charakter der Traditionen aus jenem Zeitraum erkennen läßt. Es muß übrigens mehrere von einander unabhängige Chroniken dieser Art gegeben haben: denn wir finden bei späteren Geschichtschreibern nicht selten eine und dieselbe Thatsache zweimal und selbst noch öfter unter verschiedenen Jahren aufgeführt: was nur darin seinen Grund haben kann, daß sie die abweichenden Berichte verschiedener Chroniken kritiklos zusammengestellt haben. So erzählt Livius aus den Jahren 251-259 vier Feldzüge gegen die Volsker, die ohne allen Zweifel nur Variationen eines und desselben Hergangs sind 1). Diese Chroniken nun sind es, die den Annalisten des sechsten Jahrhunderts, einem Fabius Pictor, einem Eincius Alimentus vorgelegen und als Geschichtsquelle gedient haben; die uns die Bürgschaft geben, daß die traditionelle Geschichte der ersten Secession an- in ihrem kürzesten Inbegriff historisch ist. Lassen sich doch, wie Niebuhr treffend bemerkt 2), selbst aus der Darstellung des Livius noch hin und wieder die Klänge des alten nüchternen und knappen Chronikenstyls heraushören 3). Gesehen aber hat Livius diese Chroniken nicht mehr, wie aus einer seiner Aeußerungen klar hervorgeht ): auch Dionysius nicht: was übri gens die Möglichkeit nicht ausschließen würde, daß dergleichen Chro

etwa von

1) S. unten den Abschnitt über die Volskerkriege, und einstweilen Drake nborch zu Liv. II, 17, 6. Niebuhr R. G. II, 104 f.

2) R. G. II, 5.

3) 3. B. Liv. II, 19: his consulibus Fidenae obsessae, Crustumeria capta, Praenesto ab Latinis ad Romanos descivit eine Kürze, die gegen die breite

[ocr errors]

Ausmalung folgenloser Treffen an andern Stellen auffallend absticht.

4) Er sagt, die Zeit der Samniterkriege betreffend : haud quisquam aequalis temporibus illis scriptor exstat, quo satis certo auctore stetur VIII, 40. Fr kannte also nur die Annalisten.

« IndietroContinua »