Immagini della pagina
PDF
ePub

ist hier nicht der Ort, mich über diesen Gegenstand zu verbreiten, ich hoffe darüber mich bei einer anderen Gelegenheit aussprechen zu können; nur so viel sei bemerkt, dass ich es für eine Pflicht der Gymnasien halte, in zwei Jahren die zwölf Bücher der Aeneis durchzulesen. Dass es möglich ist, weiss ich aus Erfahrung.

Die Darstellung ist bald kurz und bündig, bald breit und ausführlich, je nachdem es der Gegenstand zu erfordern schien. Meine Absicht war, zum eigenen Denken anzuregen, ohne den Autor selbst aus dem Auge zu verlieren. Interessant kann die Erklärung werden, wenn der Lehrer streng bei der Aufgabe bleibt und dabei die künstlerische Arbeit des Dichters verfolgt, gewissermassen den Geist des Autors reproduzirt. Das ist die Eigenthümlichkeit dieses Commentars, dass er zur ästhetischen Behandlung der Gedichte Vergils eine feste Methode begründen will. Anfangs tritt dieser Versuch noch schüchtern auf, bald aber immer kecker und kühner. Dass ich dabei meinen Autor mit Liebe, vielleicht mit Vorliebe behandelte, wer will es mir verargen? So viel bin ich mir bewusst, dass ich gegen seine Mängel nicht blind gewesen bin und sie überall, wo es nöthig schien, aufgedeckt habe. Aber über den Mängeln konnte ich seine Vorzüge nie vergessen.

Die erste Anregung zu der von mir durchgeführten Methode verdanke ich einem Beispiel des M. Valerius Probus bei Gellius. Zur Klarheit aber über diese und ähnliche Fragen gelangte ich erst durch die wichtige Recension der ersten Forbiger'schen Ausgabe von C. F. v. Nägelsbach. Alle Recensionen Nägelsbachs waren epochemachend. Und warum? Weil er nicht Gefallen fand an einem inhumanen Absprechen, sondern es vorzog, feste Principien aufzustellen, welche den Massstab für das Geleistete an die Hand geben sollten. Was er so über Fabri's Livius aussprach, hat er selbst später in der Stilistik verwirklicht, und die Ideen, welche er bei Gelegenheit einer Recension des Lübker'schen Horaz-Commentars veröffentlichte, haben wenigstens vereinzelte Früchte getragen, wenn sie auch noch nicht zur consequenten Durch führung gelangt sind. Was aber Männer wie Döderlein und Lübker mächtig anregte, sollte das nicht der Beachtung werth sein?

Es ist eigenthümlich, dass Nägelsbach in der Ferne am lebendigsten fortwirkte, nachdem sein persönlicher Einfluss längst aufgehört hatte: erst in der Schule und im Amte lernte man seinen Geist und seine Bestrebungen schätzen. So wird er hoffentlich noch lange nachwirken, wenn auch sein Bild längst verschwunden ist.

Die beiden ersten Bücher der Aeneis enthalten viele ungelöste Streitfragen. An ihrer Lösung habe ich mich redlich versucht. Wie viel mir davon gelungen ist, das werden spätere Arbeiten anderer Erklärer darthun. Denn die Erklärung kann ja nicht still stehen, weil neue Zeiten auch neue Bedürfnisse bringen. So sehr ich nun in der Polemik alle persönlichen Angriffe zu vermeiden bemüht war, so fürchte ich doch, dass mich meine Lebendigkeit des Fühlens und Urtheilens oft über das Ziel hinausschiessen liess. Wenn dies etwa der Fall sein sollte, so erkläre ich hier bestimmt, dass ich weder die Absicht noch Grund hatte, persönlich anzugreifen oder gar zu verletzen. Denn von den Herausgebern oder Erklärern, deren Arbeiten ich vorzüglich berücksichtigte: Wagner, Thiel, Ladewig, Henry, Ribbeck, ist mir keiner weder in Liebe noch in Hass bekannt. Und ihre Verdienste sind allgemein anerkannt. An dieser Achtung zu rütteln, dazu hatte ich keinen Grund. Eine selbständige Ansicht von Forbiger zu bekämpfen, erinnere ich mich nicht je Gelegenheit gehabt zu haben.

Den Text wollte ich nicht wieder abdrucken lassen. Denn was hätte dies für einen Zweck? Wir besitzen ja doch jetzt in der Ausgabe von O. Ribbeck einen meisterhaften Text, welcher allen Ansprüchen genügt. Ihn legte ich deshalb zu Grunde. Die Abweichungen, welche ich für nöthig erachte, sind im Commentar besprochen. Einen neuen Text würden sie sicher nicht rechtfertigen. Bei der Behandlung grammatischer Fragen begnügte ich mich mit Andeutungen oder mit kurzen Erörterungen; denn erschöpfende Ausführungen führen meines Erachtens vom Hauptziel ab und gehören deshalb in eine Grammatik der Vergilischen Sprache oder in ein Lexicon Vergilianum.

Es war meine Absicht, dazu Beiträge in zusammenhängenden Excursen zu geben. Da aber der Umfang des Buches zu sehr anschwoll, so behielt ich diese für jetzt noch zurück.

Die Einleitung will, was überhaupt eine Einleitung leisten
soll, controverse Fragen mehr anregen als erschöpfen. Da
ich Manches absichtlich überging, was allgemein bekannt ist,
so konnte sie nur aus Fragmenten bestehen. Am meisten
Gewicht lege ich auf die Andeutungen, welche bestimmt sind,
die Abhängigkeit und Stellung des Dichters zu der Bildungs-
geschichte seiner Zeit zu begreifen. Sapienti sat!

So sehr ich auch bemüht war, die einschlagende Litte-
ratur mir zu verschaffen, so ist mir doch gar vieles nicht
zugänglich geworden. Am meisten bedauere ich, die Theo-
logumena von R. Dietsch nicht erhalten zu haben, da ich
Fragen, wie sie hier behandelt sind, mit Vorliebe in die Er-
klärung hereinzog. Aber ich lebe nun einmal in einer Stadt,
die keineswegs eine urbs litterata ist. Darum muss ich mir
fast alle Hülfsmittel auf eigene Kosten verschaffen, und ich
bin mir bewusst, hierin nicht sparsam zu sein. Aber freilich
ausser Vergil gibt es noch viele andere litterarische Bedürfnisse.

Endlich bitte ich, die Berichtigungen, welche nothwendig
waren, vor Benützung des Commentars einzutragen.

So übergebe ich denn dieses Buch der Oeffentlichkeit in
der Hoffnung, dass es sein Scherflein beitragen möge zu einer
lebendigeren Behandlung des Vergil, zugleich aber auch mit
der Bitte, über dem Mangelhaften, was es enthalten mag,
das Gute nicht zu verkennen. Non omnia possumus omnes!
Wer hätte auch in jeder Stunde, wo er lehrt oder schreibt,
dieselbe Spannkraft des Geistes?

Merseburg, den 10. Februar.

A. Weidner.

Einleitung.

I.

Werfen wir einen Blick auf die poetische Nationallitteratur der Deutschen, so müssen wir bekennen, dass dieselbe zwar auf dem Boden einer fremden Kultur, der englisch-französischen und griechisch-römischen erwuchs, dass ihr während ihrer Blüthezeit die Begeisterung für ein nationales Leben fehlte, und die Dichter, weil sie keine grossartige Entwicklung des Staatslebens um sich herum sahen, gezwungen waren, sich in die Innerlichkeit ihres Selbst zu versenken, dass aber dennoch diese Abhängigkeit nur eine vorübergehende war, weil Religion und Philosophie, in Deutschland mit Vorliebe gepflegt, der Dichtkunst reichen Stoff für ihre Productionen lieferten1). Und weil diese Abhängigkeit keine einseitige war, so konnten auch nie einseitig fremde Formen zur allgemeinen Geltung gelangen, im Gegentheil, die deutsche Litteratur vereinigte allmählich alle poetischen Formen aller gebildeten Völker, selbst der Orientalen 2), auf ihrem Boden.

Ganz anders waren die äusseren Verhältnisse, unter welchen die römische Litteratur sich entwickelte. Die politische Macht Roms war so ausserordentlich, dass kein Volk in der Welt je eine zu vergleichende Grösse erlangt hat. An Stolz, Bewunderung, Begeisterung für Roms Grösse und für seine Geschichte konnte es nicht fehlen; das grossartige Geschichtswerk des Livius3) und

1) Vgl. Löbell, Vorlesungen über Klopstock, Einl.

2) Besonders Goethe, die beiden Schlegel, Platen und F. Rückert. 3) Vgl. Liv. praef. § 9: ad illa mihi pro se quisque acriter intendat animum, quae vita, qui mores fuerint, per quos viros quibusque artibus domi militiaeque et partum et auctum imperium sit. Ibid. § 11: ceterum aut me amor negotii suscepti fallit aut nulla umquam respublica nec maior nec sanctior nec bonis exemplis ditior fuit. Vgl. auch Fr. Schlegel, Werke I, 72 sq.

Weidner, Comm. zu Verg. Aeneis.

1

die Aeneide des Vergil1) geben dieser Stimmung begeisterten Ausdruck. Aber der römische Staat verschlang alle geistigen Kräfte seines Volkes. War es ja doch fast ein Vergehen, wofür man den Vorwurf des Volkes fürchten musste, wenn ein geistig hochbegabter Mann seine Kräfte dem Dienste der Litteratur weihen wollte 2). Cicero muss sich gegen den Vorwurf der Tändelei und Zeitverschwendung wiederholt in den Vorreden seiner Schriften entschuldigen 3). Und was gilt ihm als wichtigster Entschuldigungsgrund? Dass er über seinen litterarischen Arbeiten nie die politische Arbeit für das Vaterland versäumt habe!4) Aber dies war nicht das einzige Hinderniss für die Entwickelung einer Lit

1) Die Begeisterung und die Absicht Vergils, die römische Geschichte in sein Epos zu verflechten, zeigt z. B. Aen. VI, 679 sqq.:

At pater Anchises penitus convalle virenti
inclusas animas superumque ad lumen ituras
lustrabat studio recolens omnemque suorum
forte recensebat numerum carosque nepotes
fataque fortunasque virum moresque manusque.

2) Selbst Cicero de off. I § 19 urtheilt so: Quae omnes artes (astrologia et geometria) in veri investigatione versantur, cuius studio a rebus gerendis abduci contra officium est. Es ist bezeichnend, dass actio in der lateinischen Sprache nur politische oder überhaupt praktische, nie gelehrte Thätigkeit bezeichnet. Einen Versuch der Rechtfertigung dieser Ansicht macht Cic. de Off. I § 153: Placet igitur aptiora esse naturae ea officia, quae ex communitate, quam ea, quae ex cognitione ducantur, idque hoc argumento conprobari potest, quod, si contigerit ea vita sapienti, ut omnium rerum affluentibus copiis omnia, quae cognitione digna sunt, summo otio secum ipse consideret et contempletur, tamen si solitudo tanta sit, ut hominem videre non possit, excedat e vita. Vgl. de am. § 87, de Fin. III § 65, V § 57. Dieser Ansicht stehen die Griechen, z. B. Aristot. Eth. Nic. X, 8 m schroff gegenüber.

3) Vgl. Cic. Acad. I lib. II § 6: Quodsi, cum fungi munere debebamus, non modo operam nostram numquam a populari coetu removimus, sed ne litteram quidem ullam fecimus nisi forensem, quis reprendet otium nostrum, qui in eo non modo nosmet ipsos hebescere et languere nolumus, sed etiam ut plurimis prosimus enitimur? Vgl. de Finib. I c. 1 sqq., besonders Tus. I, 1.

4) Interessant ist Cic. Phil. II § 20: Nec vero tibi de versibus plura respondebo: tantum dicam breviter, te neque illos neque ullas omnino litteras nosse, me nec reipublicae nec amicis umquam defuisse et tamen omni genere monimentorum meorum perfecisse, ut meae vigiliae meaeque litterae et iuventuti utilitatis et nomini Romano laudis aliquid adferrent.

« IndietroContinua »