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wiederholt Serv. Aen. 1, 22 bellum] a nulla re bella. Anecd. gramm. Helvet. Hag. 244, 29. 272, 28; und Serv. an der nämlichen Stelle Parcae quod nulli parcant. Zu den älteren Erklärungen dieser Art müssen noch, weil sie bereits Quintilian erwähnt, ludus und Ditis gerechnet werden, ludus in der Bedeutung von Schule, quia sit longissime a lusu; Ditis, quia minime dives.

Das beste Zeugnis aber für die Unerschütterlichkeit der Theorie finden wir darin, dafs die späteren Jahrhunderte noch eine Reihe solcher Erklärungen aufgebracht haben, von welchen die früheren nichts wissen. Aus verhältnismäfsig alter Zeit mag noch stammen Non. p. 14 Avernus lacus idcirco appellatus est, quia est odor eius avibus infestissimus; denn wie die Worte lauten, leitet der Vf. den Namen nicht von άoovig (wo kein Vogel fliegt) ab, sondern von dem lateinischen avis, in welchem Falle dann die Abwesenheit der Vögel e contrario hineingebracht ist; wahrscheinlich geht die Etymologie auf Lucr. 6, 740 zurück:

Principio, quod Averna vocantur nomine, id a re
Impositumst, quia sunt avibus contraria cunctis.

Auch dürfte Serv. Aen. 1, 39 Manes] per antiphrasin, quia non sint boni aus alter Quelle geschöpft sein, weil manus = gut ein archaisches Wort ist. Eine andere Erklärung giebt Fest. s. v. Ebenso wird das dritte Beispiel bei Augustin princ. dial. 6 foederis nomen, quod res foeda non sit ebendaher stammen, woher lucus und bellum geschöpft sind. Nicht sicher ist dagegen der alte Ursprung bei Ambros. offic. 1, 8, 26 officium ab efficiendo, quasi efficium, vel certe, ut ea agas, quae nulli officiant, prosint omnibus. August. mus. col. 1149 Mig. versus, quia verti non potest. Hieron. epist. 40, 2 vulgo Aethiopes vocantur argentei. Serv. Aen. 12, 794 indigetes, quod nullius rei egeant (= indigeant). Myth. Vatic. 3, 8, 16 adytum, quod a paucis adeatur. Es kann kein Zweifel mehr darüber bestehen: die Ansicht der Stoiker hat bei den spätlateinischen Grammatikern fortgelebt.

4. Zusammensetzung und Ableitung.

Eines der gröfsten Gebrechen, an denen die Etymologie bei den Römern leidet, besteht darin, dafs der Begriff des Ableitungssuffixes nicht gehörig ausgebildet ist. Zwar die bekanntesten, wie or, io, tas sind ihnen geläufig, und nur das ist zu ver

wundern, dafs sie so oft Primäres und Sekundäres*) verwechseln, z. B. Nonius strena a strenuitate (die Richtigkeit der Etymologie angenommen), nautea dicta a navigiis (statt von nauta oder navi); in den selteneren dagegen glauben sie oft, und namentlich die späteren Grammatiker, Composita erkennen zu sollen, wie in den Neutra auf mentum das Substantiv mens. Umgekehrt sah der Schwiegersohn des Aelius Stilo, der dem Cicero befreundete Grammatiker Servius Claudius (Clodius), in postliminium nur eine Verlängerung (productio) von post, ähnlich finitimus, legitimus, während Scaevola darin ein Compositum von post und limen fand. Cic. Top. 36. Wenn man nun auch zugiebt, dass die Grenzen zwischen Suffix und Nomen schwer zu ziehen sind, namentlich wenn wir rückwärts über Plautus hinausgehen und das Urlatein rekonstruieren wollen, so ist doch die Auffassung eines Spezialforschers, dafs liminium ein Suffix sei, für den damaligen Stand der Wissenschaft lehrreich genug.

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Um die Skizze an einen chronologischen Faden zu knüpfen, so wird die Etymologie des Annalisten Calpurnius Piso von Pilumnus, quia pellat mala infantiae, gewifs nicht so zu verstehen sein, dafs Pilumnus Pilumlus in dem zweiten Bestandteile das Wort malum enthalten solle, sondern -mnus (uevos) ist Suffix wie in Vertumnus, Pilumnus ( Pellumnus!) bedeutet den Vertreibenden, und mala mufs in Gedanken ergänzt werden, wie Cic. nat. d. 2, 25, 64 Saturnus erklärt quod saturaretur annis, ohne dafs darum das Wort annus in nus liegen sollte. Aber es ist doch nicht zu leugnen, dafs schon Aelius Stilo nach dieser Methode etymologisierte, wie wir schon oben S. 423 gesehen haben, assiduus ab asse dando, lepus levipes, volpes volans pedibus, wobei Stilo die Verschiedenheit der Genetive leporis und pedis mit dem Übergange von d in r erklärt haben wird (meridies medidies).

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Varro hat sich von diesem Fehler nicht frei gehalten, man vergleiche nur nexum nec suum; Diana Diviana; ocrea = ob crus; ornatus = ab ore natus; memoria manimoria mit Verkennung der Reduplikation; gralator a gradu magno (d. h. lato?); ecurria (ecucurria) ab equorum cursu; pelvis pedeluis a pedum lavatione. Aber er hat doch 5, 176 sicher nicht geschrieben:

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*) Paul. Fest. 15 arbiter] qui totius rei habeat arbitrium, und arbitrium] sententia quae ab arbitro statuitur.

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intertrimentum ab eadem mente, was sicher korrupt ist; denn kurz vorher leitet er detrimentum richtig a detritu ab, und für die Erklärung von documentum, ornamentum, armenta nimmt er nirgends zu mens, mentis seine Zuflucht. Er hat nicht nur handgreifliche Composita oder Zusammenrückungen erkannt, wie manupretium, aequinoctium, Septimontium, aedificium, pomoerium; er hat auch eingesehen, dafs mit der Zusammensetzung gewisse lautliche Veränderungen verbunden sind, wie Antemnae ante amnes, fordicidia a fordis caedendis, iudex iudicis iudix, ius dicens, tubicines von tuba und cano. Aeditu(m)us führt er auf tueri zurück, wie nach ihm Verrius Flaccus, während andere -tumus als vollkommen entwertetes Suffix betrachteten. Wenn er den Namen der pontifices nicht von potis (posse, potestas), wie Q. Scaevola, sondern lieber von pons, pontis ableitete, so hatte er ohne Zweifel recht; Scaevola erkannte nach Varro 5, 83 den Nasallaut nicht als rechtmäfsig an und hielt potifices für die richtige Form, was uns daran erinnert, dafs auch nach Varro 5, 4 der Laie in der zweiten Silbe von inpos eher pons als potens herauszuhören glaubt, mit andern Worten, dafs der Nasal vor s (quotiens quoties, vicensimus vicesimus) verstummte, wie auf den Scipionenelogien in consul und censor. Und dafs man zu Varros Zeiten so sprach, kann man auch aus der 5, 118 vorgebrachten Etymologie von mensa - mesa (uέon) schliefsen, welche eben nur durch das Verduften des Nasales verständlich wird. Endlich erkannte schon Varro stipendium als gleich stipipendium, was doch aus 5, 182 stipendiarii quod stipem pendebant hervorgeht. Dieses wichtige Gesetz, dafs von zwei gleichen oder ähnlichen aufeinanderfolgenden Silben namentlich in der Mitte des Wortes eine unterdrückt werden kann (nicht mufs), giebt uns zugleich den Schlüssel zum Verständnis anderer Etymologieen, wie arcubii bei Festus arcicubii, qui excubabant in arce. Theoretisch formuliert dies Prisc. 4, 34: pandus] ne, si pandidus dicamus, male sonet alterna d in utraque continua syllaba, quod in multis solent tam Graeci quam nos evitare; 8, 5 cum masculinum sit nutritor, ex eo secundum analogiam nascebatur nutritrix, euphoniae tamen causa concisio facta est mediae syllabae (nutrix). Auf halbem Wege stehen geblieben ist Varro, wenn er in iurgare zwar das Nomen ius, iuris, nicht aber das Verbum agere (*iurigus iure agus; Paul. Fest. 103 iurgatio iuris actio) erkannte.

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Dasselbe gilt für Cicero, welcher de fin. 3, 40 schreibt: quod vituperabile est per se ipsum, id eo ipso vitium nominatum puto, vel etiam a vitio dictum vituperari; denn er hätte beifügen sollen, im zweiten Bestandteile stecke das Verbum parare, wie in aequiparare, aequiperare, was freilich auch Nonius noch nicht. sah. Aus einer vermutlich korrupten und lückenhaften Stelle des Festus p. 202 scheint hervorzugehen, dafs Cicero im ersten Buche de gloria die Etymologie anführte: oppidum, quod opem darent, mit dem Bemerken, ut imitetur ineptias. Dies dürfte sich auf Aelius Stilo beziehen, der ja ähnlich assiduus nicht von assidere (so richtig Festus, qui quasi consedisse videatur; vgl. residere, residuus), sondern ab asse dando abgeleitet hatte, und zwar beeinflufst durch die Schriften der Stoiker. Zu dem alten Cato, welcher bei Festus genannt wird, will die Etymologie nicht recht passen, und noch weniger zu Cicero selbst, hatte doch schon Varro 5, 141 den Irrtum richtig erkannt: oppidum ab opi dictum, mit Verzicht auf ein Compositum.

Es war kein kleines Stück Arbeit die unkenntlich gewordenen Composita herauszusuchen und in ihre Bestandteile zu zerlegen. Verrius Flaccus (Festus, Paulus) giebt viele Dutzende von Beispielen, ohne dafs wir auch nur annähernd bestimmen könnten, wie viele derselben er zuerst gefunden hat. Man wufste jetzt, wenn nicht schon früher, dafs in anceps das Nomen caput stecke, wie in manceps, municeps das Verbum capere, dafs securus = sine cura sei, benignus nudiustertius

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benigenus, auspicium

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avispicium, nunc (est) dies tertius, wenn auch manches ungeschickt oder mangelhaft ausgedrückt ist. Contio = conventio war leicht zu finden, weil das Senatusconsultum de Bacanalibus die vollere Form erhalten hatte. In ambiguus wurde richtig ambo und ago gefunden, aber die Spur nicht weiter verfolgt; narravit als identisch mit gnarigavit festgestellt, aber agere verkannt, wie auch in purgo u. ä. Dafs auf das in longitrorsus steckende vorto nicht hingewiesen wird, mag mit der Kürzung des Festus und Paulus zusammenhängen. Man darf dies herzhaft vermuten, wenn man vergleicht, wie Paulus sollemnia erklärt quae certis temporibus fiunt, Festus vollständiger certis temporibus annisque, mit Hindeutung auf solennis. Wer weifs, ob sich Verrius nicht über den ersten Bestandteil ausgesprochen hatte?

Aber manches ist im besten Falle zweifelhaft oder geradezu

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verkehrt. Hören läfst sich noch segnitia sine nitendo, weil die ältere Form gnitor lautete, wie gnosconosco. Doch was soll man sagen zu iracundia, quod iram accendat; dirus, dei ira natus; astutus, arte tutus; aeditimus, aedis intimus; sollicitare, solo citare; avidus, a non videndo, unter Vergleichung von amens; augustus ab avium gestu (statt von augere); oder gar zu aqua] a qua iuvamur? Der Grund der Irrtümer ist das Bestreben überall Composita herauszulesen. Diese Theorieen verbunden mit der Annahme von Verkürzungen und Kurzformen wie Brenda = Brundusium eröffneten den Etymologen ein weites Feld zu abenteuerlichen Kombinationen.

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Von Etymologieen nach diesen Mustern wimmeln die Schriften der späteren Grammatiker und Scholiasten geradezu: cura, quod cor urat (= corura, vgl. oben zu stipendium); oratio = oris ratio; tumultus timor multus; monumentum, quod moneat mentem; valvae von vestibulum und alba (!); vafrum = valde Afrum; mugilis multum agilis; nonaria a nona hora; postumus = post humatum patrem natus; fortuitus a fortuna et eundo; famelicus a fame et edendo, quasi famedicus; procul porro ab oculis. Man nehme den siebenten Band des Corpus grammaticorum latinorum von Keil, die Scholien des Donat und des Servius, oder gar die Mythographi Vaticani (Neptunus quasi nube tonans); es geht alles nach dieser Tonart. Das schlechte Beispiel hatte schon Ovid gegeben fast. 6, 299 vi stando Vesta vocatur.

München.

(Schlufs folgt.)

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Eduard Wölfflin.

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