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Märtyrthum betrachtet, welches derselbe als Vertheidiger der katholischen Lehre wider den Arianismus erlitten: und mag darin auch der Grund zu suchen sein, warum Boethius schon im achten Jahrhundert als Verfasser von mehreren theologischen Schriften betrachtet ward, welche die Vertheidigung der katholischen Lehre wider die Arianer zum Gegenstand haben. Wenn diese Schriften bei dem inneren Widerspruch, in welchem sie mit der ganzen Denkweise und Auffassung des Boethius, wie sie aus seinen übrigen Schriften sich ergibt, stehen, nicht für sein Werk gelten können 9), so wird man darum ihn doch nicht für einen Heiden halten dürfen 10), sondern für einen Bekenner des Christenthums, da, abgesehen auch von andern Gründen, Theodorich, welcher den heidnischen Cultus bei Todesstrafe verbot, ihn schwerlich, als Heiden, zu einer so hohen Stellung im Staate berufen haben würde. Im Uebrigen gehört Boethius, wie wir ihn aus seinen Schriften kennen lernen, in welchen keine Spur von christlicher Lehre und keine Beziehung irgendwie auf das Christenthum, dessen Geschichte und Lehre, vorkommt, ganz der antiken Bildung an und ist als der letzte Ausläufer der antiken, griechisch-römischen Philosophie zu betrachten, die er durch seine Schriften auf die Nachwelt zu bringen bemüht war: es ist diess aber die platonisch-aristotelische, wobei er von einer Uebereinstimmung des Plato und Aristoteles ausgeht, und beide im Sinne der späteren neuplatonischen Philosophie mit einander zu verschmelzen sucht.

1) S. Mein Suppl. d. röm. Lit.-Gesch. II. (Christl. Theolog.) §. 34 ff. über Arnobius; §. 38 ff. S. 44 über Lactantius; §. 103 ff., insbesondere §. 131 ff. über Augustinus.

2) S. Alexand. Ollevis: Cassiodore conservateur de livres de l'antiquité Latine. Paris. 1841. 8. Ueber die Schrift De Anima s. Mein Suppl. II. §. 188.

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3) Boethius ist die gewöhnliche Schreibart; die Handschriften, zumal die älteren, haben meist Boetius; vergl. Heyne Censura etc. p. 146 not. a. Obbarius p. VIII. not. 2. Im Uebrigen s. über Boethius: Brucker hist. phil. (T. III.) Lib. I. cap. 3 §. 23 p. 524 ff. Funcc. de inert. ac decrep. L. L. senect. IX. §. 6 ff. Fabric. Bibl. Lat. III. cap. XV d. ält. Ausg. v. 1722. Saxe Onomast. II. p. 15 ff. Gibbon Gesch. d. Verf. d. röm. R. cap. 39 (Bd. IX. S. 234 d. Uebers.). Schröckh Kirchengesch. XVI. S. 99 ff. Jul. Martianus Rota: Vita Boethii in der Praef. der Ausgg. der Consol. von Basel 1546, von Bernart 1667 und Leipzig 1753. Bertius in der Praef. Le Clerc in d. Bibl. choisie T. XVI. p. 168-275. Gervaise Hist. de Boëce, senat. Rom. Paris. 1715. II Voll. 12. Francheville Vie de Boëce

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(bei dessen französ. Uebers, à la Haye. 1744. 8.). Papenbroch in den Actt. Sanctt. Maj. T. VI. p. 704 ff. (ad diem XXVII.). Helfrecht vor s. Ausg. der Consolat. Tiraboschi Storia T. III. Lib. I. 4 §. 1-10. Hand in Ersch n. Gruber Encyclop. I. B. XI. p. 283 ff. C. F. Bergstedt: De vita et scriptt. Boethii Diss. Upsal. 1842. 8. G. Baur: De An. M. T. S. Boethio, christ. theolog. assertore. Darmstad. 1841. 8. p. 4 ff. Notizie sulla vita di Sev. Boethio e sulla storia dei suo tempi del Carlo Bon Compagni. Torino. 1842. 4. (in: Memorie della reale Academia delle Scienze di Torino. Ser. II. Tom. V. 1843. 4. Classe delle scienz. mor. etc. zu Anfang. Obbarius in s. Ausg. der Consolat. p. VII-XXVII. J. G. Sutterer: Boethius, der letzte Römer, sein Leben, christl. Bekenntniss und Nachruhm. Eichstädt 1852. 4. Il Boezio ed altri scritti stoici e filosofici di Francesco Puccinotti. Firenze 1864. 8. Boezio filosofo, teologo, martire Calvenzano Milanese di Luigi Biraghi. Milano 1865. 8. Obbarius in s. Ausg. cp. I. Mehreres Andere führt Beck an in der Weltgesch. II. S. 605 not. c. S. auch Manso Gesch. d. Ostgoth. S. 168 ff. und Friedr. Nitzsch: das System des Boethius (Berlin 1860) S. 6 ff. Ueber bildliche Darstellungen des Boethius zunächst im Mittelalter s. Guenebault Dictionnaire iconographique des monuments I. p. 162. Einige andere ältere Philosophen dieses Namens nennt Brucker 1. 1. T. II. p. 459 not. V.

4) So Nitzsch a. a. O. und Andere. Obbarius (a. a. O. p. IX) und Hand setzen 470-475, Gibbon 470. Eine genaue Bestimmung ist aus Mangel an sicheren Daten kaum möglich.

5) Boethius nennt ihn Consolat. II. 4 (vergl. I. 4) socer; über die beiden Söhne des Boethius s. ebendas. II. 3. Ein Mehreres s. bei Obbarius p. IX ff. Vergl. auch Gibbon S. 235.

6) Die gewöhnliche frühere Annahme, dass er in einem Alter von zehn Jahren nach Athen gekommen und dort gebildet worden, dort auch längere Zeit verweilt und Mehreres übersetzt, wird jetzt für eine später entstandene Sage angesehen, da Boëthius vielmehr in Rom erzogen und gebildet worden ist. Vergl. Hand a. a. O. Obbarius a. a. O. p. X ff. Cramer Diss. de Graecis medii aevi studiis P. I. (Sund. 1849. 4.) p. 18.

7) Vergl. über diese Anklagen die eigenen Aeusserungen des Boëthius Consolat. phil. I. 4 und s. ein Weiteres darüber bei Gibbon IV. S. 239 ff. Sartorius über d. Regier. d. Ostgothen S. 134. Schröckh S. 191 ff. Manso a. a. O. S. 151 ff. C. Bock im Anhang zu Weiss: Gesch. Alfred des Grossen S. 23 ff. Du Roure: Histoire de Théodoric, roi des Ostgoths (Paris 1846. 8.) T. II. p. 195 ff., vergl. mit C. de Langsdorff in der Revue d. deux mond. (1847 Mai) T. XVII. p. 827 ff. 845 ff. Schenkl a. gleich a. O. p. 90-92. Nitzsch S. 10 ff.

8) Ueber das Jahr der Hinrichtung schwanken die Angaben zwischen 524-526; s. Obbarius a. a. O. p. XIV ff. not. 21. Die Gefangenschaft und Hinrichtung fand statt zu Pavia; in der dortigen Peterskirche sein Grabmal; s. Schenkl a. gl. a. O. p. 76, 77 und: Memoria intorno al luogo del supplizio di Boezio con un' appendice intorno alla santita dello stesso Boezio, dal G. Bosisio. Pavia 1855. 8. und dazu Civilta catolica. Ser. III. Vol. I. p. 449 ff. Vergl. auch Desselben Schrift: Sul Cattolicismo di A. M. T. S. Boezio. Pavia 1867. 8. Vergl. noch Dante Paradiso X. 124 ff.

9) S. das Nähere in Meinem Suppl. II. (Christl. Röm. Theologie) §. 190 und die Erörterungen von Schenkl in d. Philologenversamml. zu Wien 1858 S. 78 ff. Nitzsch S. 23 ff. und das Resultat S. 170-174. Jourdain in den Compt. rend. der Academ. des inscriptt. et bell. lettr. (Paris 1862) T. IV. p. 17 ff. und Mém. presentés à l'Acad. des Inscr. T. VI. Ser. I. P. I. 10) Für einen Heiden halten den Boethius noch Hand a. a. O. p. 285, Obbarius a. a. O. p. XV ff. XXVIII ff., Cramer a. a. O. p. 20,

und Fr. Ritter in der Jen. Lit. Zeit. 1845 Nr. 232 p. 927 ff. Auch Jourdain a. a. O. p. 22. S. aber dagegen die andern not. 9 Angeführten nebst Zeller Philosoph.. d. Griech. III. 2 p. 776 ff.

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§. 384.

Boethius hat ausser den in das Gebiet der Theologie einschlägigen Schriften, die jedoch, wie eben bemerkt worden (§. 383 not. 9), nicht für sein Werk gelten können, eine Reihe von Werken philosophischen und mathematischen Inhalts hinterlassen; das Werk aber, das ihn hauptsächlich berühmt gemacht hat, führt den Titel: De consolatione philosophiae 1), in fünf Büchern, in welchen die prosaische Darstellung mit poetischen Stücken abwechselt. Es ist dieses Werk, welches, eine Art von Theodicee, die Vereinigung der göttlichen Güte mit der Zulassung des Uebels, so wie der göttlichen Vorhersehung mit der menschlichen Freiheit sich zur Aufgabe gestellt hat, im Gefängniss (524) geschrieben in der Form eines Dialogs zwischen Boethius und der Philosophie. Letztere erscheint ihm im Kerker, tröstet ihn mit der Aussicht auf eine göttliche Vorsehung, die freilich oft den Blicken der Sterblichen verhüllt sei, Alles aber zum Besten lenke, zeigt ihm die Ungereimtheit der Klagen über des Glückes Unbestand, und gibt ihm die Ueberzeugung, dass in der Tugend allein das wahre Glück und die Ruhe des Menschen zu finden sei 2). In dieser Art und Weise der Ausführung schliesst sich Boethius ganz an die Lehre der alten Philosophie, zunächst der platonischen, an, so wie selbst der in diesen Dingen dem Platonismus sich annähernden Lehre der Stoa: auf christliche Ideen und christliche Lehren ist auch nicht die geringste Rücksicht genommen und keine Spur von Christenthum darin wahrzunehmen. Uebrigens zeigt diese Schrift, welche wir unbedenklich zu dem Besten rechnen, was jene Zeit hervorgebracht, einen Mann, der nach den besten Mustern der classischen Zeit sich gebildet hat und davon durchdrungen ist; die Prosa ist rein und fliessend, die Verse sind leicht und wohlklingend, dabei äusserst correct gehalten in Bezug auf alle prosodischen und metrischen Vorschriften und darin den besten Mustern der früheren Zeit sich anschliessend 3); die ganze Darstellung ist edel und würdevoll. So erklärt sich das grosse Ansehen,

welches diese Schrift, die schon frühe in's Angelsächsische) durch König Alfred, und Deutsche 5), so wie durch Planudes im vierzehnten Jahrhundert in's Griechische übersetzt 6) und im Mittelalter auch mehrfach commentirt 7) wurde, in den nächstfolgenden Jahrhunderten allgemein genossen hat, wie denn überhaupt Boethius mit Cassiodor auf die Bildung seiner Zeit und der Nachwelt, so wie auf die Erhaltung classischer Studien auf's Wohlthätigste gewirkt hat (vergl. oben §. 29 not. 7).

Die übrigen philosophischen Schriften des Boethius sind meistens Commentare oder Uebersetzungen von Werken früherer Zeit, hauptsächlich des Porphyrius und Aristoteles, durch welche Boethius diesen grossen Einfluss auf die folgenden Zeiten ausgeübt und ein Verdienst sich erworben hat, das in dem Mittelalter, wo Boethius so hoch gestellt wird, stets anerkannt ward. Insbesondere sind es seine Uebersetzungen einzelner Schriften des Aristoteles, so wie die auf aristotelische Lehre sich stützenden Commentare, durch welche Aristoteles dem Mittelalter bekannt geworden ist und in dessen Schulen verbreitet ward: so dass die später sich ausbreitende Scholastik dieser Zeit mit auf diese Grundlagen zurückgeführt werden kann ), was selbst von einzelnen technischen Ausdrücken, wie sie in den philosophischen Schriften des Mittelalters vorkommen, gelten kann. Uebrigens war Boethius kein reiner Aristoteliker; er wollte zugleich Platoniker sein und suchte desshalb die Systeme beider Philosophen, wo möglich, mit einander zu vereinigen, wie wir diess schon §. 383 bemerkt haben: er selbst hat in einer Vorrede seine Absicht dahin ausgesprochen, die sämmtlichen Schriften des Aristoteles wie die Dialoge des Plato zu übersetzen und zu commentiren, und dann in einer eigenen Schrift die Uebereinstimmung beider Philosophen nachzuweisen 9); es zeigt sich dieses Bestreben, wie wir aus mehreren Beispielen in der Consolatio ersehen, zunächst auf dem Gebiete des sittlichen Lebens, also der Moral, während in der Dialektik Boethius ganz dem Aristoteles folgt und ihn als Meister betrachtet. Auf den Reiz einer schönen Darstellung machen diese Uebersetzungen durchaus keinen Anspruch, wodurch sie allerdings von der Consolatio einen grossen Abstand zeigen: indessen suchen sie getreu und wörtlich den Sinn des griechischen Originals wiederzugeben

III. Band.

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und lassen darin am besten die Absicht des Boethius erkennen 10), die griechische Philosophie vollständig auf römischen Boden zu verpflanzen und dadurch ein gründliches Studium derselben für seine und alle folgenden Zeiten zu fördern und zu erhalten. Was wir von diesen Bemühungen des Boethius noch besitzen, sowohl an Uebersetzungen als an den dazu geschriebenen Commentaren, welche sich in freierer Weise bewegen, in ihren Ausführungen aber an einer für uns wenig anziehenden Weitschweifigkeit leiden, bezieht sich in seinem Inhalt, wenn wir von dem absehen, was mehr in das Gebiet der Rhetorik gehört (s. §. 330), zunächst auf Logik und Dialektik, worin diese Schriften in der nachfolgenden Zeit und selbst in den ersten Zeiten des Mittelalters gewissermassen als Lehrbücher für den Unterricht benutzt wurden, wie unter Anderem das Beispiel des Gerbert beweist 11), und eben so mehrfache Erwähnungen Abälard's 12) erkennen lassen. Die Reihe dieser Schriften 13) eröffnet: In Porphyrii Isagogen de praedicabilibus a Victorino translatam dialogi duo, eine ausführliche kritische Erörterung der von dem Rhetor Victorinus 14) in lateinischer Sprache gelieferten, uns aber nur noch aus einzelnen Anführungen des Boethius bekannten Bearbeitung der Eloaywyn des Porphyrius, und zwar in der Form eines Dialogs zwischen Fabius und Boethius, der seinen Freund zu belehren sucht; Commentariorum in Porphyrium a se translatum libri quinque: eine weitschweifige Ausführung über einzelne Lehren des Porphyrius aus dem Gebiete der logischen Wissenschaft; In Aristotelis Categorias Commentariorum libri V, an die vorhergehende Schrift sich unmittelbar anschliessend, und, wie man aus dem Eingang zu Buch II ersieht, von Boethius mitten unter den Geschäften eines consularischen Amtes geschrieben, nach Fassung und Inhalt übrigens von den beiden genannten Schriften, die ähnliche Ausführungen enthalten, keineswegs verschieden 15). Aehnlicher Art ist: In Aristotelis librum de Interpretatione editionis primae seu minorum commentariorum Libri II und In Aristotelis librum de Interpretatione editionis secundae i. e. majorum commentariorum Libri VI, eines der vorzüglicheren Werke, mit dessen Abfassung Boethius zwei Jahre anhaltend beschäftigt gewesen zu sein versichert 16); Analyticorum priorum Libri II und Analyticorum posteriorum

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