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seienden, nicht aber mit dem hervorzubringenden befasst, und die blose ureigia, die nichts weiter als praktische Routine ist.*)

Trotzdem definirt nun aber Aristoteles Rhet. I, 2 die Rhetorik nicht selbst als τέχνη, sondern nur als blosse δύναμις, und zwar als δύναμις περὶ ἕκαστον τοῦ θεωρῆσαι τὸ ἐνδεχόμενον πιθανόν, also als Vermögen oder Fertigkeit, an jedem Dinge das, was Glauben erwecken kann, wahrzunehmen, und zwar an jedem beliebig gegebenen Gegenstande, so dass das Kunstgebiet der Rhetorik keine abgesonderte, eigenthümliche Klasse von Gegenständen umfasst. Der eigentlich wissenschaftliche Gegenstand der Rhetorik sind nach Aristoteles die Ueberzeugungsmittel. Ihr Geschäft oder ihre Aufgabe (gyov) ist nicht das Ueberreden, sondern zu erkennen, was in jeder Sache zur Gewinnung des Glaubens tauglich und vorhanden sei. Diese Definition des Aristoteles blieb nicht ohne Widerspruch. Man tadelte an ihr einmal das ερì Exαotov als viel zu allgemein, ohne dass man dabei die wahre Meinung des Aristoteles recht verstand. Wichtiger war der Vorwurf, den wir bei Philod. 23, 19 und mit bestimmter Beziehung bei Quint. II, 15, 13 finden, sie umfasse lediglich die Invention, nicht aber den Ausdruck, und man sieht in der That nicht ein, wie Aristoteles von diesem Vorwurf befreit werden soll. Dass aber einige der späteren Rhetoren dazu gekommen sind, die Aristotelische Definition so zu citiren: ῥητορική ἐστι δύναμις τοῦ περὶ ἕκαστον ἐνδεχομένου πιθανοῦ λόγου, bald mit bald ohne den Zusatz vélos éxovoa tò el λéyew, s. Doxopater bei Walz II p. 102, VI p. 16, Troilus ib. p. 50, oder ihn nicht von dúvaus, sondern von dívaμis texvizń sprechen zu lassen, wie III p. 611, V p. 213, ist wohl nur so zu erklären, dass man spätere Modificationen der Aristotelischen Definition mit deren ursprünglicher Fassung identificirte. Denn warf man dieser Definition auch vor, sie sei zu weit, indem sie auch die Dialektik mit umfasse, was andere jedoch wieder dahin berichtigten, dass es die Dialektik nicht mit den πιθανοὶ λόγοι περὶ τὰ πολιτικά zu thun habe, so lehnten sich doch die späteren Definitionen fast alle an diese an, nur dass sie

*) Ueber den Unterschied von лiotýμn und rézvŋ s. Anon. Seguer. bei Spengel Rh. Gr. I p. 431, Sopater zu Hermog. bei Walz V. p. 4. Wenn Cic. de orat. I, 23, 107 ff. II, 8, 32 die Rhetorik nicht als ars, sondern nur als quasi ars gelten lassen will, so ist eben zu bedenken, dass der lateinische Begriff ars umfassender ist als der Griechische téxvn. Auch ihm ist die Rhetorik Kunstlehre.

die praktischen Zwecke der Rhetorik, vornehmlich den Zweck der
Ueberredung, wieder mit hervorhoben und ihr Gebiet mehr zu
beschränken suchten.

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Unter den Späteren ist vor allen Hermagoras aus Temnos zu
nennen. Wenn er zunächst die Rhetorik als Artbegriff unter den
Gattungsbegriff der λoyinǹ enιornun befasste, Rh. Gr. IV p. 63:
ὁ μὲν γὰρ Ερμαγόρας οὕτω διαιρεῖ· ἔστι τι γένος λογικὴ ἐπιστήμη,
εἶδος δ ̓ αὐτῆς ἡ ῥητορική, so finden wir hierin einen Anschluss an
die Stoiker, welche die λoyinǹ лιστýμη in Rhetorik und Dialek-
tik theilten, vgl. Diog. Laert. VII, 41. Sext. Emp. adv. rhet. 6 p.
675. Sen. ep. 89, 17. Aber in der Definition haben wir die Ari-
stotelische δύναμις, denn er definirte die Rhetorik als δύναμις του
εv kéyεi và Tohirinà nτýuara, Rhet. Gr. V, 15- seine Schüler
oder Anhänger als δύναμις περὶ λόγου τέλος ἔχουσα τὸ πείθειν
ὅσον ἐφ ̓ ἑαυτῇ, ib. V, 213, VI, 32. Das τέλος eines vollendeten
Redners war nach Hermagoras τὸ τεθὲν πολιτικὸν ζήτημα διατί
θεσθαι κατὰ τὸ ἐνδεχόμενον πειστικῶς, Sext. Emp. p. 687, was
in der Uebersetzung des Augustin c. 3 p. 138 lautet: persuadere,
quatenus rerum et personarum condicio patiatur, dumtaxat in civilibus
quaestionibus. Was aber unter лoditinòv Sýtyμa, civilis quaestio zu
verstehen sei, lehrt derselbe Augustin c. 4: sunt autem civiles quaestio-
nes, quarum perspectio in communem animi conceptionem potest
cadere, quod Graeci noivỳv évvolav vocant. Das letztere ist wieder
ein Terminus der Stoischen Philosophen, die unter nowvai evvolal
alles dasjenige verstanden, was den Inhalt des durchschnittlichen.
Bewusstseins der Gebildeten ausmacht, wie wir sagen würden.
Die Stoiker liebten es bekanntlich auf die Uebereinstimmung ihrer
als paradox verschrieenen Lehren mit diesen xoivaì évvorar hinzu-
weisen. So sind denn auch die лolitinà Lytýμara bei Hermago-
ras solche Fragen, zu deren Verständniss und Beurtheilung der
gewöhnliche gesunde Menschenverstand ausreicht, nicht aber spe-
cielle positive Kenntnisse erforderlich sind. Augustin sagt: omnia
quaecunque huiusmodi sunt, ut ea nescire pudori sit, et quae vel igno-
rantes, quasi sciamus tamen, cum simulatione prae nobis ferimus,
quotienscunque in dubitationem vocantur, efficiunt civilem quaestionem
und zählt dann als derartige Fragen auf, ob etwas gerecht oder
ungerecht, sittlich, löblich, nützlich, strafwürdig sei oder nicht.
ПIovinά heissen sie wohl, weil ihre Beantwortung in das Bewusst-
sein eines jeden Staatsbürgers fällt, doch wurde diese Bezeichnung
späterhin misverstanden, wie wir daraus entnehmen können, dass

man der Hermagoreischen Definition vorwarf, sie schliesse das yévos πανηγυρικόν aus.

An die Definitionen des Hermagoras und seiner Schüler schlossen sich nun die meisten Griechischen Rhetoren der Kaiserzeit an. Dionys von Halikarnas sagte: ῥητορική ἐστι δύναμις τεχνικὴ πιθανοῦ λόγου ἐν πράγματι πολιτικῷ τέλος ἔχουσα τὸ πιθανῶς εἰπεῖν κατὰ τὸ ἐνδεχόμενον nach Planudes Rh. Gr. V p. 213; oder τέλος ἔχουσα Tò ev héyɛiv nach Schol. Aphth. Rh. Gr. II p. 2. Ganz ebenso definirte Lollianus, Rh. Gr. V p. 17. Gleich mit Bezugnahme auf die Theile der Rhetorik lehrte Diodorus aus Alexandria, der Sohn des Valerius Polio: ῥητ. ἐστι δύναμις εὑρετικὴ καὶ ἑρμηνευτικὴ μετὰ κόσμου τῶν ἐνδεχομένων πιθανῶν ἐν παντὶ λόγῳ. Wenn diese Definition wieder an die Aristotelische sich anlehnt, so sehen wir die Hermagoreische noch späterhin bei Doxopater zur Geltung kommen: ῥητ. ἐστι τέχνη περὶ λόγου δύναμιν ἐν πραγματι πολιτικῷ τέλος ἔχουσα τὸ πιθανῶς εἰπεῖν κατὰ τὸ ἐνδεχό μevov, Rh. Gr. II p. 74. 93. 105. V p. 214. Maximus Planudes an der zuletzt angeführten Stelle empfiehlt sie als die beste von allen vorhandenen Definitionen. Von Hermogenes, der sonst als Stimmführer der späteren Techniker anzusehen ist, gab es keine eigentliche Definition, doch hatte man eine solche, wenngleich mit Unrecht, aus den Einleitungsworten seiner Rhetorik herausgelesen: ῥητ. ἐστι τέχνη τις λυσιτελοῦσα κἀν ταῖς βουλαῖς καν τοῖς δικαorηgiois nai лаντауоv, Dоxоp. Rh. Gr. II p. 104.

Neben der Aristotelischen Definition und den aus ihr hervorgegangenen erhielt sich übrigens eine andere, einfachere, in welcher die Rhetorik nicht als dúvaus oder téyvη, sondern geradezu als Eлιστýμη bezeichnet wurde. Sie ging aus von Xenokrates, welcher die Rhetorik definirte als ἐπιστήμη τοῦ εὖ λέγειν, Sext. Empir. adv. rhet. 6 p. 675. Wenn nun derselbe Gewährsmann aber daneben berichtet, Xenokrates habe die Rhetorik trotz Plato und Aristoteles, auch als лεous dηuovgrós bezeichnet, 1. 1. p. 687, so ist dies wohl so zu verstehen, dass eben nach Xenokrates das eu éyew in nichts anderem als dem Erzeugen der Ueberredung bestand. Als πειθοῦς ἐπιστήμη hatte übrigens auch schon Isokrates die Rhetorik definirt, wenigstens behauptet dies Sextus. Das ist denn natürlich nicht Wissenschaft im strengeren Sinne, sondern ein Wissen, das zugleich ein Können ist und etwas hervorbringen will, also Kunstlehre. Die Xenokrateische Definition wurde nun aber von den Stoikern adoptirt, nur dass bei diesen das Wort лionun

natürlich eine tiefere und zwar nicht blos intellectuelle sondern auch ethische Bedeutung hatte, wie wir ausser aus Sextus auch aus Diogenes Laert. VII, 42*) ersehen, und durch diese gelangte sie zu den Römern. Zwar giebt Cornificius keine eigentliche Definition der Rhetorik. Er nennt sie nur eine sehr nützliche Wissenschaft, und stellt es I, 2, 2 als Aufgabe (officium) des Redners hin, de iis rebus posse dicere, quae res ad usum civilem moribus ac legibus constitutae sunt, cum assensione auditorum, quoad eius fieri poterit. Das soll offenbar eine Uebersetzung des Hermagoreischen vélos sein: τὸ τεθὲν πολιτικὸν ζήτημα διατίθεσθαι κατὰ τὸ ἐνδεχόμενον πειστικῶς, wobei freilich die Auffassung des πολιτικόν ζήτημα schief und ungenau erscheint. Auch Cicero vermeidet es die Rhetorik bestimmt zu definiren, wahrscheinlich weil es ihm unbequem war zwischen δύναμις, τέχνη und ἐπιστήμη sich zu entscheiden; nach de inv. I, 6 ist sie artificiosa eloquentia, als solche ein Theil der ratio civilis. Ihre Aufgabe ist dicere apposite ad persuasionem, ihr Ziel persuadere dictione. Aber Quintilian II, 14, 5 entscheidet sich für bene dicendi scientia. Als Wissenschaft gut zu reden ist ihm die Rhetorik zugleich eine Kunst. Der Künstler, der diese Kunst erlernt hat, der also gut reden kann, ist der Redner. Das von ihm geschaffene Kunstwerk ist eine gute Rede. Gut zu reden ist das Ziel, der Zweck der Rhetorik. Auch bei dem durch und durch von den Stoikern abhängigen Fortunatian finden wir dieselbe Definition, desgleichen bei dem wenigstens theilweis den Stoikern folgenden Sulpitius Victor, wenngleich dieser die Definition als unvollständig tadelt und durch den der Hermagoreischen Technik entlehnten Zusatz in quaestione civili erweitert. Mit diesem Zusatz kam sie von Victor an Cassiodor und ist so in die weiteren rhetorischen Lehrbücher des Mittelalters übergegangen.

Von sonstigen Definitionen, die hier unmöglich alle aufgezählt werden können, wäre etwa noch die sich durch ihre Einfachheit empfehlende des Rufus aus unbestimmter Zeit zu erwähnen: ῥητορική ἐστιν ἐπιστήμη τοῦ καλῶς καὶ πειστικῶς πάντα τὸν

*) Nach Quint. II, 15, 35 definirte Chrysipp nach Cleanthes scientia recte dicendi, also ἐπιστήμη τοῦ ὀρθῶς λέγειν, denn es soll von scientia bene dicendi verschieden sein. Bei Plutarch freilich de rep. Stoic. c. 28 definirt Chrysipp die Rhetorik sehr befremdlicher Weise als τέχνη περὶ κόσμον καὶ εἰρημένου λόγου τάξιν.

πQozεíμεvov diαdéodai λóyov, Spengel Rh. Gr. I p. 463. In der That kann man sich aber mit der Definition der Stoiker begnügen. Quintilian betont in derselben das Wort gut. Wenn Cicero im Brut. 6, 23 gesagt hatte: dicere enim bene nemo potest, nisi qui prudenter intellegit, so kann nach Quintilian gut reden nur ein sittlich guter Mensch. Damit sollen die Angriffe abgeschnitten werden, die man möglicherweise gegen die Rhetorik erheben könnte, als sei sie eine Kunst der Täuschung und des Betrugs, und eben keine wirkliche Kunst, sondern blos eine Afterkunst, wobei man sich verkehrter Weise auf Plato berief. Der Nutzen dieser Kunst, sagt Quintilian ferner, ist unbestreitbar, auch ist sie eine edle Kunst. Vor allen Geschöpfen hat allein der Mensch die Rede voraus; gerade sie muss er deshalb in Ehren halten und möglichst ausbilden, ein Gedanke, den schon Isokrates mehrfach ausgesprochen hatte, z. B. or. III, 5 f. IV, 48. XV, 253, und den auch Cicero ausspricht de inv. I, 4, 5: ac mihi quidem videntur homines, cum multis humiliores et infirmiores sint, hac re maxime bestiis praestare, quod loqui possunt. Quare praeclarum mihi quiddam videtur adeptus is, qui, qua re homines bestiis praestent, ea in re hominibus ipsis antecellat. Hoc si forte non natura modo neque exercitatione conficitur, verum etiam artificio quodam comparatur, non alienum est videre, quae dicant ii, qui quaedam eius rei praecepta nobis reliquerunt. Was man aber sonst noch alles vorgebracht hat, um zu zeigen, dass die Rhetorik keine Kunst sei, das, meint Quintilian, lässt sich leicht widerlegen. Und zwar ist sie eine praktische Kunst, wenngleich sie auch als eine theoretische Kunst getrieben werden kann, oder endlich als solche, die sich mit der Abfassung geschriebener Kunstwerke begnügt. - Als ihren Stoff betrachtet diese Kunst alle Gegenstände, über welche zu reden von ihr verlangt wird. Schon Gorgias hatte dies gelehrt, s. Cic. de inv. I, 5, 7. Daraus folgt aber nicht, dass der Redner in unbeschränkter Polyhistorie alle Dinge kennen müsse. Er wird nur über die sprechen, die er kennt. Ueber diese aber wird er besser sprechen als jeder Nicht-Redner, Cic. de orat. I, 12, 51. Die Rhetorik ist eben, wie dies auch Aristoteles den Sophisten eingeräumt oder vielmehr deutlicher als diese erkannt und ausgesprochen hat, analog der Logik eine rein formale Kunst, die auf alle Disciplinen anwendbar ist. Immerhin wird sich der wirkliche Redner auf die drei zuerst von Aristoteles aufgestellten Arten der Beredsamkeit beschränken.

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