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oder Geisterwesen, die auch durch das Schlüsselloch ziehen 1): die ganze Atmosphäre, in der man sich bewegte, war es vor Allem, die diesen Eindruck hervorrief.

In welchem eigenthümlichen Lichte zeigte sich nämlich das Landvolk bei diesem unsern Verkehr als Träger einer noch im Heidenthum wurzelnden Tradition! welcher Contrast gegen unsere, ja überhaupt gegen jede Bildung! welcher Mangel an critischem oder gar historischem Sinne! welche Beschränktheit in Bezug auf den Gesichtskreis, dass meist der natürliche Horizont trotz aller angeklebten Bildung noch die Welt desselben begrenzte. Dabei welche Innigkeit der Auffassung! welche Fülle und Macht der Phantasie! und als Träger von Allem die Neigung zum Wunderbaren und eine gläubige Scheu vor der Tradition, die, da sie ihre Wurzeln in der Jugend, in der Familie hatte, selbst rohere Gemüther für den Augenblick liebenswürdig machte 2). Von einer Naturauffassung, wie sie die Stadt erzeugt, die besonders hervortretende, grandiosere Charaktere der Gegend erfordert,, um angeregt zu werden, oder sich in sentimentale, oft kleinliche Betrachtungen verliert, keine Spur; vielmehr ein Verwachsensein mit dem heimischen Boden, das ihn, wie er ist, als etwas Gegebenes hinnimmt und sich seiner erfreut, und nur Naturbetrachtungen anstellt, insofern der Wechsel von Tag und Nacht, von Sonnenschein und von Sturm und Regen, von Sommer und Winter Veränderungen hervorruft, die ihn oder sein Leben berühren, eine unerwartete Erscheinung seine Aufmerksamkeit erregt, oder gar ein losbrechendes Unwetter Himmel und Erde zu bedrohen scheint. Neben diesen grossen, die Anschauung fesselnden Naturkreisen dann aber auch die lebensvollste Auffassung von alle dem, was sich um den Menschen bewegt. Die Töne des Waldes, das Treiben der Thiere, Alles erhält für ihn Bedeutung und Charakter, Alles spricht zu ihm 3). Nicht bloss am Himmel, auch hier auf 1) So heisst es von dem Geist, den Athene der Penelope im Traum erscheinen lässt Od. IV. v. 802 ἐς θάλαμον δ ̓ εἰςῆλθε παρὰ κληΐδος ἱμάντα und hernach v. 838 σταθμοῖο παρὰ κληῒδα λιάσθη ἐς πνοιὰς ἀνέμων, so auch vom Hermes selbst Hom. Hymn. in Merc. v. 146 sq.:

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δοχμωθεὶς μεγάροιο διὰ κλήρον ἔδυνεν
αὔρῃ ὀπωρινῇ ἐναλίγκιος, ἠὔτ ̓ ομίχλη.

2) Wir konnten uns glücklicher Weise noch meist an das Geschlecht halten, was vor den Freiheitskriegen herangewachsen war, seit der Zeit hat der moderne Schulunterricht, Chausseen und Eisenbahnen in neuester Zeit wieder viel abgeschliffen, obgleich einzelne mehr abgelegene Kreise immer noch den alten Charakter bewahren, s. Nordd. S. Einleitung XVII sq.

3) Am lebendigsten tritt dies in der Anschauungs- und Denkweise des Jägers und Hirten hervor, die in dieser Hinsicht gleichsam die Typen der entsprechenden Culturzustände der Urzeit geblieben sind und in ihrem Verkehr mit den Thieren diese fast noch immer als eine Art,,verwandter" Wesen anzusehen sich gewöhnen und gern von den ,,klugen" Thieren, ,,die auch nicht so dumm sind, als man glaubt“, erzählen, in einer Auffassungsweise, die an die der amerikanischen Jägervölker erinnert, wenn diese z. B. die klugen Biber,,das kleine verständige Volk", den einzelnen gar,,den verständigen kleinen Menschen von der vierfüssigen Race" nennen, indem ,,sie sie beinahe für ebenso verständig hal

Erden bewegt sich um ihn eine Welt, die namentlich im Schauer der Nacht ihm ein geheimnissvolles Grauen abzwingt, und noch heutzutage den uralten Glauben fortleben lässt, ,,die Nacht gehöre den Geistern 1)“.

Daneben nun auf dem Gebiete der Sagen selbst überall das Bild des Organischen, des natürlich Gewachsenen. Wie sich die verschiedenen landschaftlichen Kreise in Tracht, Sitte und besonders in der Sprache gleichsam als Spielarten desselben gemeinsamen Volkscharakters erweisen, wo überall aus oder neben den gemeinsamen Elementen die besondere Entwicklung sich entfaltet hat, so zeigte es sich auch auf dem mythischen Gebiete. Zunächst überall das Hervorbrechen gemeinsamer mythischer Gestalten, wie des wilden Jägers und der weissen Frauen, der Riesen und Zwerge, der Mahrten und Kobolde, der Irrlichter u. a., oft unter den verschiedensten Namen, dann bestimmter in den Sagen wiederkehrender Züge, wie z. B. im Anschluss an die eben angeführten Wesen, dass der wilde Jäger eine Keule herabwirft und sie mit hallendem Nachruf begleitet, dass er einem Weibe 7 Jahre nachjagt, von einem Eber getödtet wird; die weisse Frau erlöst sein will, die Hexen zu ihren Versammlungen auf Besen fahren u. s. w.; oder ganz allgemein von irgend einem Wesen erzählte, wie die Sagen von dem Hirten, der die Wunderblume findet, in den verschlossenen Berg gelangt, dem dann, als er sie verloren, von der zuschlagenden Thür die Fersen abgehauen werden u. s. w. Daneben die grösste Mannigfaltigkeit im Einzelnen, dass jede Sage für sich, namentlich durch den Anschluss an bestimmte Localitäten, das Ansehen einer individuellen Geltung in Anspruch zu nehmen schien und oft auch durch einen kleinen, anscheinend unbedeutenden Zusatz eine besondere Bedeutung erlangte, wie z. B. der Zug, dass die Hexen in der Mainacht den Schnee wegtanzen müssen, sie recht eigentlich mit ihrem die Luft rein fegenden Besen als Wind- und Wettergottheiten beim Wechsel der Jahreszeiten charakterisirt, aber im ganzen Norddeutschland, wo die Sage von der Hexenfahrt nach dem Blocksberg geht, unbekannt ist und nur am Harz uns entgegentrat 2). Wenn dies schon geeignet war, die Ueberzeugung von einem gemeinsamen Grund und Boden zu nähren, aus dem Alles dies hervorgegangen, musste sie noch verstärkt werden durch die Wahrnehmung, dass oft, was zuerst als eine eben nur locale Sage erschien, sich an einen vereinzelten Berg oder See anschloss, gar keinen mythischen Inhalt zu haben schien, doch dadurch, dass es dann an ganz verschiedenen Gegenden mit immer neuen Zusätzen wieder auftauchte und immer mehr Gestalt gewann, auch einen allgemeineren

ten als den Menschen". Sagen der Nordamerikanischen Indianer. Altenburg 1837. -p. 44 f.

1) Hes. Op. et D. 730 μακάρων τοι νύκτες ἔασιν.

2) Die Belege hierzu wie zu dem Vorhergeh. ergiebt der Index der Nordd. Sagen.

und somit mehr mythischen Charakter bekam. So konnte es z. B. als locale Sage erscheinen, dass einmal eine Sau eine Glocke herausgewühlt, oder eine solche in einen See versunken sei, und man konnte zunächst an eine einzelne, historische Grundlage denken: wenn aber die Sage sich dann über einen bestimmten Landstrich in steter Wiederkehr hinzog und z. B. den Zusatz bekam, dass die Glocke, in die Tiefe eines Sees versunken, noch zu Zeiten läuten sollte, so musste man schon an eine weitere Grundlage denken, und wenn sie endlich zu bestimmten Zeiten zu zwei oder drei herauskommen und sich sonnen, dann aber wieder hinabtauchen sollten, wenn sie nicht inzwischen gebannt worden 1), so war man auch wieder auf allgemeinerem, mythischem Gebiete angekommen, das sich nur hinter den individuellen Erscheinungen erst versteckte.

Wenn nun aber diese mythischen Gestalten und Elemente, die absterbenden Reste einer vergangenen Zeit, oft deutlicher oder versteckter auf die Natur selbst, als heimischen Boden, in dem sie sich bewegt, hinwiesen, wie z. B. die wilde Jagd auf den Sturm, so zeigte anderseits die Ausdrucksweise des Volks in der Art, wie es die Natur anschaute und auffasste, gleichsam Ansätze zu einer neuen Mythologie, die nur des freien Spielraums, vor Allem des lebendigen Glaubens zu bedürfen schienen, um sich zu entfalten. Sie sind aber höchst lehrreich für die Auffassungsweise des Volks; sie zeigen den natürlichen Hang, Alles persönlich zu fassen und nach bekannten Verhältnissen sich zurecht zu legen, wobei immer nur das Charakteristische berücksichtigt wird, ein Gesetz, das die Etymologen schon längst bei der Namengebung anerkannt haben. Bei auffallendem Morgenroth, wie solches der December wohl bringt, wo der Himmel gleichsam von Feuer geröthet erscheint, sagt z. B. die havelländische Bäuerin, wie sie selber an's Kuchenbacken zur Weihnachtszeit denkt, der heilige Christ backt Honigkuchen 2)“, und wenn kleine, krause Wölkchen sich am Himmel zeigen, sagt man „der Himmel ist lämmerbunt" oder „,hüt hütt de Schåper sine Schåpe"), oder wenn eine schwarze Gewitterwolke aufzieht, „da kommt ein Mummelack herauf“ 4); die Analogie der kleinen Wölkchen mit einer Heerde Lämmer giebt zu jener Ausdrucksweise, die grosse Wolke, hinter der sich etwas zu verbergen scheint, zu dieser Veranlassung. Es ist das nur ein äusseres Moment; wie auch

1) Ndd. S. S. 3. 62 vgl. die Anmerkung zu letzterer und die daselbst auch aus den Märkischen Sagen citirten Stellen.

2) Mündlich aus Liepe bei Rathenow und Umgegend.

3) Ndd. S. G. 413, dazu stellt sich die griechische Anschauung des Aratus Dios. 206 sq.

πολλάκι δ ̓ ἐρχομένων υετῶν νέφεα προπάροιθεν

οἷα μάλιστα πόκοισιν ἐοικότα ἐνδάλλονται.

4) Mummelack ist gewöhnliche Berliner Ausdrucksweise. Einen ähnlichen Ausdruck führt Grimm an M. p. 473 und deutet ihn ebenso ,,Pöpel ist was sich puppt, vermummt, einhüllt; im Hennebergischen heisst eine dunkle Wolke Pöpel, es ist der Begriff von Larve und Tarnkappe".

beim Gewitter das Rollen des Donners den Ausdruck,,Petrus schiebt Kegel" 1) erzeugt hat in derselben Weise, wie der Grieche, der seinen Zeus in dem Himmel wähnte, an das Rollen seines Wagens dabei dachte 2). Gerade solche Beispiele sind geeignet, es klar zu machen, wie etwa das Volk zu einer Zeit, wo es sich selbst die Naturerscheinungen zurecht legen musste, es sich selbige zurecht gelegt hat, mit einem Worte, sie erklären die mythische Production und zeigen damit gleichzeitig den Weg an, auf dem sich die Anfänge und ersten Ansätze der alten Mythologien selbst finden lassen, sie erklären, wie einst mit den in der Sprachbildung sich entwickelnden Anschauungen und Ausdrücken sich zu gleicher Zeit der Glaube in analoger Weise und auf demselben Grunde ausbildete und seine Gestalten schuf.

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Dass sich so, wenn man das Analoge der mythischen Elemente zusammenstellt, und auf die Bezüge achtet, die sich bei denselben oder verwandten Redensarten oder Vorstellungen auf die Natur zeigen, der Ursprung derselben klar legen lässt, habe ich schon in einem engeren Kreise der deutschen Mythologie, der sich an die Sage vom wilden Jäger anschliesst, in der im J. 1850 erschienenen Abhandlung der heutige Volksglaube und das alte Heidenthum" 3) gezeigt. Es ergab jene sagenhafte Masse gleichsam ein Chaos gläubiger Naturanschauungen, das ich mit dem Namen der niederen Mythologie bezeichnete, aus der sich dann die Formen der eigentlichen Götterlehre in markirterer Gestalt entwickelt. Die noch auf den Sturm eingeschränkt fortlebende Vorstellung,,der wilden Jagd" zeigte in dem sich daran schliessenden sagenhaften Stoffe eine Menge von Vorstellungen, die sich an das Gewitter in allen seinen Erscheinungen anlehnen, und dabei, indem gewisse Gruppen sich enger zusammenschlossen, in ihnen die Göttergestalten des Wodan und der Frick in ihrem Entstehen 4). Neben dem „Umzug" des Gottes oder der Göttin in dem wilden Treiben des Gewittersturmes im Allgemeinen entwickelte sich

1) s. Ndd. S. G. 410, ebenso u. A. auch in der Schweiz, vgl. Rochholz, Schweizersagen aus d. Aargau. 1857. I. S. 113 Anm., dann auch,,d'Engel schiebe Keigel, sie keigle wieder döt obe".

2) Grimm, M. p. 151:,,diese Vorstellung ist so natürlich, dass sie sich bei mehreren Völkern ausgebreitet findet. δοκεῖ ἔχημα τοῦ Διὸς ἡ βροντὴ εἶναι. Hesychius s. v. ἐλασίβροντα. Auch den heutigen Krainern ist das Rollen des Donnergottes Fahren". Analog heisst es in Gewitterschilderungen z. B. in dem Roman von der Bremer,,die Familie H." Leipzig 1842. p. 174 f.: „Nach einem drückenden, schwülen Tage zogen sich gegen Abend eine Masse Gewitterwolken zusammen und bedeckten bei Sonnenuntergang den ganzen Himmel. Mit dumpfem, aber an Stärke zunehmendem Getöse hörte man von mehreren Seiten die Donnerwagen einherrollen".

3) Zuerst als Programm, dann bei Hertz (Besser) erschienen im J. 1850. 4) Schon damals verglich ich damit die griechische Hekate mit ihren Hunden und die ihr auch in der späteren Mythologie nahe stehende Artemis und deren Bruder Apollo, welche noch immer Bogen und Pfeil als Jäger kennzeichnete.

daneben eine grosse Mannigfaltigkeit von einzelnen, daran sich knüpfenden Vorstellungen. „Die Wolken erscheinen als Rosse, die dahin jagen, dazu heulen des Sturmes Hunde 1), im züngelnden Blitz leuchtet ihre feurige Zunge, oder den Rossen dampft das Feuer aus den Nüstern. Im Donner hört man dann auch das Rollen der Wagen, und wenn es am Himmel kracht und der Blitz sprüht, dann war am Wagen etwas gebrochen, wie der Dithmarsische Bauer noch heute sagt „Nu faert de Olle all wedder da bawen unn haut mit sen Ex anne Räd (dass die Funken fliegen)". Wenn hierin sich mehr der Charakter eines wilden Umzugs spiegelt, so passt es zur Auffassung einer „,wilden Jagd", wenn der Gott aus der Luft herab eine „Keule auf den Spötter schleudert" und sie mit „,donnerndem Nachruf begleitet: es ist der Blitzstrahl, der herniederfährt,' und der Donner, der ihm nachhallt. Den stinkenden Geruch der Keule, der den Spötter belästigt, bezog ich auf den Schwefelgeruch, der den einschlagenden Blitz begleiten soll, und dass sie sich zu Zeiten in Gold wandelt, auf das Leuchten des niederfahrenden Blitzes. Dass, möchte ich noch hinzufügen, er dem Wanderer zuruft „Midden in den Weg", und es heisst, wer mitten im Wege bleibt, dem thut der rauhe Jäger nichts 2), bestätigt nur meine ganze Auffassung, es ist ja der bekannte Rath, der beim Gewitter noch jetzt ertheilt und nur hier mythisch ausgedrückt wird, wie dann auch die Züge, dass der Jäger zerschmettert oder lähmt, dem Menschen, den er antrifft, Gesicht oder Gehör raubt 3), den Hals umdreht 4), man eilen müsse unter Dach und Fach zu kommen 5), alle zu meiner Ansicht stimmen, indem auch sie nur in mythischer Form auf die Gefahren hinweisen, denen man sich beim Gewitter, wenn die wilde Jagd am Himmel tost, aussetzt. Auch das reihe ich jetzt noch an, wie an diesen im Sturm auftretenden Wesen sich die Vorstellung ,,des Regens" verkörpert hat. Ich glaube nämlich, dass wenn im Geleit der neben dem Wodan im Windeswehen auftretenden weiblichen Gottheit, der Perchtha, welche der Frick gleichsteht, nach Grimm (Myth. 884) Mädchen und Kinder im „nassen" Gewande, den ,,Krug mit Wasser" in der Hand einherziehen, wir es nur mit einer

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1) Nachträglich bringe ich für diese Anschauung noch die Benennung des Windes aus der Edda bei als des Heulers (Edda übers. v. Simrock II. Ausg. p. 83).

2) D. heutige Volksglaube p. 14.

3) Der heutige Volksgl. p. 17. E. Meier, Schwäbische Sagen. Stuttgart 1852. I. S. 132. 136. 138. Seifart, Hildesheimische Sagen. Göttingen 1854. S. 5. Schambach u. Müller, Niedersächsische Sagen. Göttingen 1855, S. 420. Rochholz, Schweizersagen aus dem Aargau. Aarau 1856. S. 139. 144. 146. 162.

4) Grimm, Myth. 886. Daran schliesst sich dann die Sage, dass der Teufel demjenigen, welchen er hole, den Hals umdrehe. Es ist diese Vorstellung nicht bloss ethisch zu fassen, sondern auch auf einen realen Glauben des Mittelalters zurückzuführen, indem der Teufel die Functionen des heidnischen Gewittergottes unter der Form eines dem christlichen Gott widerstrebenden Wesens auf sich nahm, die vom Blitz Erschlagenen und Entstellten also von ihm geholt zu sein schienen. 5) Wurde mir noch jüngst in der Gegend von Potsdam wiedererzählt.

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