Immagini della pagina
PDF
ePub

Er hätte dann auch, im Falle eines Sieges, die Verwüstung des nördlichen Etruriens verhindert, und das Lob gewonnen, nach dem er so sehr gegeizt haben soll. Statt dessen hielt er sich ruhig in seinem Lager, und als es später zur Schlacht kam, war er nicht der Angreifer, sondern der Angegriffene. Daß Hannibal, wie Polybius sagt, auf die Hize, Tollkühnheit und eitle Ruhmsucht des Flaminius seinen Plan berechnete, ist doch wohl nur die Erfindung von dessen politischen Feinden. Die Mängel des Flaminius waren zu sehr die Mängel der römischen Befehlshaber im Allgemeinen, als daß eine besondere Art der Kriegsführung gerade ihm gegenüber nöthig wurde.

Als Hannibal auf seinem Marsche südlich von Cortona an den trasimenischen See (See von Perugia) gekommen war, beschloß er Halt zu machen und die Römer zu erwarten, welche ihm in kurzer Entfernung folgten. Er wählte sein Schlachtfeld und machte seine Vorbereitungen zum Kampfe.

Auf der nördlichen Seite des Sees, wo sich die Straße von Cortona nach Perusta hinzieht, tritt eine steile Hügelkette hart ans Ufer, so daß der Weg (von Borghetto bis Magione) durch einen Engpaß geht. Nur an einer Stelle (bei dem Dorfe Tuoro) treten links die Hügel eine kurze Strecke zurück und lassen eine kleine Ebene frei, die südlich vom See, auf allen andern Seiten von schroffen Höhen begrenzt ist. Auf diesen Höhen stellte Hannibal sein Heer auf. Mit dem Kerne seines Fußvolkes, den Libyern und Spaniern, lagerte er sich auf einem Hügel, der in die Mitte der Ebene vorspringt. Links von sich, also nach Osten hin, besezte er die Hügelreihe weithin mit den Schleudereren und leichten Truppen; rechts stellte er die Gallier auf, und seine Reiterei dehnte sich in dieser Richtung auf den hier sanfter abfallenden Hügeln am See bis zum Eingang des Passes aus, wo er die Römer erwartete. Wahrscheinlich war das Ufer des Sees sumpfig und der Weg folgte also dem Fuße der Hügel, wo diese vom See zurücktraten 94.

94) Dieses ist das Schlachtfeld nach Nissen, Rhein. Mus. XXIII. S. 580 ff. Aber es ist nicht zu leugnen, daß Polybius sich die Gegend anders dachte. Er scheint der Ansicht gewesen zu sein, daß die Straße, auf der Flaminius angegriffen wurde, der Länge nach durch das Thal zog, dessen beide Seiten Hannibal besezt hatte, also nicht an dem Thale vorbei. Da aber die Straße von Cortona nach Perusia am trasimenischen See durch kein solches Thal zieht (s. Arnold, Hist. of Rome III. p. 106), so bleibt Nichts übrig, als die Schlachtbeschreibung des Polybius, so gut es geht, der Localität anzupassen.

Schlacht am trafimenischen See.

177

Spät am Abende des Tages (es war noch im April), an dem diese Anordnungen getroffen waren, langte Flaminius in der Nähe an und bezog für die Nacht ein Lager am See. Früh am folgenden Morgen seßte er seinen Marsch fort, ängstlich darauf bedacht, mit dem Feinde in Fühlung zu bleiben, aber ohne Ahnung davon, daß der Löwe, dessen Fährte er folgte, sich wenden und mit einem plöglichen Saße auf ihn losspringen würde. Ein dichter Nebek war vom See aufgestiegen und lagerte in dem Paß und um den Fuß der Höhen, während die Gipfel in der Morgensonne leuchteten. Nichts verrieth die Gegenwart eines Feindes. Im Gefühle völliger Sicherheit, in gewöhnlicher Marschordnung, mit ihrem Gepäck beladen, betraten die Soldaten den verhängnißvollen Boden und die lange Linie des Heeres wand sich langsam zwischen See und Hügeln hin. Schon hatte die Spize des Zuges die kleine Ebene passirt und marschirte auf dem engen Weg zwischen dem See und den Bergen weiter; eben betrat der Nachtrab den Eingang des Engpasses, als plöglich die Stille des Morgens von wildem Kriegsgeschrei durchbrochen wurde und wie von unsichtbaren Feinden angefallen, die Römer sich von einem Hagel von Wurfgeschoffen überschüttet sahen. Ehe sie sich vom hindernden Gepäck befreit und die Waffen ergriffen hatten, waren die Feinde unter ihnen. Von allen Höhen stürzten sie massenweise und gleichzeitig herab. Ohne Leitung, Befehl und Ordnung wüthete die Schlacht. Jeder Einzelne vertheidigte sein Leben so gut er konnte. Ein Kampf war es nicht zu nennen, es war eine Mezelei. Vergebens versuchte Flaminius in seiner Umgebung seine Leute zu ordnen. Dem Feldherrn blieb Nichts übrig, als die Pflicht des Soldaten zu erfüllen. Er fiel, von einem gallischen Speere durchbohrt, in der Mitte der Tapfern, die er zum Tode geführt hatte. Ohne Hoffnung auf Sieg, aber mit dem troßigen Todesmuthe, der sie sogar an einen verlorenen Posten bannte, fielen die Römer zu Tausenden. In den See hineingedrängt, suchten sich einige durch Schwimmen zu retten. Aber die Schwere der Rüstung zog sie nieder. Andere wateten bis an den Hals ins Wasser, wurden von der feindlichen Reiterei erreicht und erbarmungslos niedergehauen oder gaben sich selbst den Tod. Nur etwa 6000 Mann an der Spiße des Zuges brachen vorne durch und gelangten auf die Höhe, von wo aus, nachdem sich allmählich der Nebel verzogen hatte, sie das schreckliche Blutbad der Jhrigen sahen, und zugleich erkannten, daß sie keine Hülfe zu bringen vermochten. So drangen fie weiter vorwärts und nahmen in einem benachbarten Orte eine feste

Ihne, Röm. Gesch. II.

12

Stellung. Bald aber erreichte sie Hannibals unermüdliche Reiterei unter der Führung Maharbals und zwang sie, die Waffen niederzulegen und sich zu ergeben.

In drei kurzen Morgenstunden war die Blutarbeit vollbracht. Fünfzehntausend Römer bedeckten die Wahlstatt. Eben so viel waren gefangen. Von Entkommenen sagt Polybius Nichts 95. Das römische Heer war nicht nur geschlagen, sondern vernichtet. Wie gejagtes Wild umstellt und getrieben waren sie ins Garn gegangen. Der karthagische Verlust dagegen war gering. Fünfzehnhundert Mann, großentheils Gallier, waren ge= blieben. Hannibal zeichnete dreißig der hervorragendsten gefallenen Krieger durch feierliche Bestattung aus. Auch nach der Leiche des unglücklichen Flaminius ließ er forschen, um ihn noch im Tode zu ehren. Aber unter den Haufen der Todten war der Consul nicht wieder zu erkennen. Ein feindliches Schicksal, das ihn den Schmähungen seiner Mitbürger preisgab, gönnte ihm auch nicht die Anerkennung eines großmüthigen Feindes.

Die Gefangenen behandelte Hannibal wie zuvor. Die Römer wurden gefesselt zurückbehalten. Die Bundesgenossen erhielten ohne Lösegeld ihre Freiheit und die Versicherung, daß Hannibal nur mit Römern Krieg führe und gekommen sei, Italien vom römischen Joche zu befreien.

Schon im Laufe des folgenden Tages kam die Nachricht von der entseglichen Niederlage nach Rom 96. Diesmal wurde kein Versuch gemacht, die Wahrheit zu verbergen oder abzuschwächen. Schon waren Flüchtlinge nach Rom geeilt und hatten berichtet, was sie gesehen hatten oder fürchteten. Auf dem Forum wogte eine ängstlich harrende Menge, welche die Curie umdrängte und zu wissen verlangte, was geschehen.

Als nun gegen Abend der Prätor Marcus Pomponius die Redner

95) Bei Livius tritt schon die Absicht hervor, den römischen Verlust zu verkleinern und den karthagischen zu vergrößern, obgleich er sich dagegen verwahrt, und sich innerhalb gewisser Grenzen hält (Liv. XXII, 7). Die 15,000 römischen Gefallenen gesteht er zu: die 6000 von Maharbal Gefangenen ebenfalls. Von weiteren Gefangenen sagt er Nichts; obgleich Polybius (III, 85. §. 1) sagt, es seien im Ganzen 15,000 gewesen. Dagegen erwähnt Livius, es seien 10,000 Römer entkommen, wovon Polybius schweigt, ferner giebt er die Zahl der karthagischen Gefallenen auf 2500 (statt 1500 des Polybius) an und fügt hinzu, es seien später noch viele an ihren Wunden estorben.

96) Dies scheint hervorzugehen aus Livius XXII, 6. u. 7.

[blocks in formation]

bühne betrat und mit lauter Stimme verkündete: „Wir sind in einer großen Schlacht geschlagen, unser Heer ist vernichtet und Flaminius, der Consul, ist todt“, da brach der Jammer übermächtig los, so daß der Anblick ergreifender war als das Gemezel in der Schlacht 97. Nur der Senat bewahrte seine Würde und seine Ruhe und berieth die Maßregeln zur Sicherheit der Stadt.

Drei Tage später kam eine neue Trauerbotschaft. Die 4000 Reiter unter dem Proprätor Centenius, welche der Consul Servilius von Ariminum vorausgeschickt hatte, um Hannibal eine Weile aufzuhalten, bis er selbst mit seinen Legionen eintreffen würde, waren auf das siegreiche feindliche Heer gestoßen und von Maharbals Reiterei und Leichtbewaffneten theils zusammengehauen, theils gefangen worden 98. So war nun auch das Heer des zweiten Consuls nach Verlust der Reiterei unfähig geworden, Hannibals Vordringen entgegenzutreten, und die punischen Reiter zeigten sich schon bei Narnia, kaum zwei Tagemärsche von Rom 99.

Die ernstlichsten Befürchtungen für die Sicherheit der Stadt schienen nicht unbegründet. Es stand kein Heer mehr im Felde zwischen Hannibal und Rom. Das eine war vernichtet, das andre war weit entfernt in Umbrien und unfähig, dem Feind die Spiße zu bieten. Von einem Feldherrn wie Hannibal war der kühnste Entschluß zu erwarten. Nichts schien ihn aufhalten zu können, der wie ein zerstörendes Element durch Italien zog,

97) Polyb. III, 85. §. 8.

98) Den Ort dieser Niederlage erwähnt Polybius (III, 86) nicht. Zonaras (VIII, 35) nennt Spoletium, womit Livius in so fern stimmt, als er Umbrien angiebt. Appian (VII, 9) nennt einen See Pleistine, der sonst nicht erwähnt wird. Uebrigens ist Appian hier sehr verwirrt und ungenau. Er giebt die Stärke des Centenius auf 8000 Mann an und sagt, er sei von Rom ausgesandt worden. Nissen hält das jezt trockene Thal Pistia zwischen Colfiorito, Serravalle und Dignano an der Straße von Foligno nach Camerino für das Becken des ausgetrockneten Sees Pleistine (Rheinisches Museum XX. S. 224). Diese Ansicht hat viel Wahrscheinlichkeit fürfsich. Sie spricht auch dafür, daß Servilius mit dem zweiten consularischen Heere, dessen Vortrab die 4000 Reiter waren, auf der Via Flaminia füdwärts marschirte, offenbar in der Absicht, sich zwischen Hannibal und Rom zu schieben, oder, wenn Hannibal schon zu weit füdlich vorgerückt wäre, sich mit Flaminius zu verbinden. Dieser Plan konnte nur im Einverständniß mit Flaminius entworfen worden sein, gleich nachdem Hannibals Uebergang über die Apenninen bekannt geworden war, und hierin liegt eine weitere Rechtfertigung von Flaminius.

99) Zonar. VIII, 25.

allen Widerstand vor sich niederwerfend, alle Hindernisse überschreitend. Dennoch verzagten die römischen Männer nicht. Der Senat blieb mehrere Tage in dauernder Berathung versammelt vom Morgen bis an den Abend und flößte durch den Ernst und die Würde seiner Haltung dem erschütterten Volke allmählich wieder Selbstvertrauen ein. Es wurden sofort Anordnungen getroffen zur Sicherheit der Stadt. Die Tiberbrücken wurden. abgerissen 100, die Mauern in Vertheidigungszustand geseßt, Steine und Wurfgeschosse auf denselben zusammengetragen. Die Waffen, welche als erbeutete Siegestrophäen die Tempel schmückten, wurden an die ausgedienten Soldaten vertheilt 101. Vor Allem aber wurde dem Staate ein neues Oberhaupt gegeben. Man erinnerte sich der Zeiten, wo Männer wie Cincinnatus und Camillus, mit unumschränkter Gewalt bekleidet, den Staat aus drohender Gefahr gerettet hatten. Es waren jezt zweiunddreißig Jahre verflossen, seitdem in der schlimmsten Zeit des ersten Punierkrieges nach der großen Niederlage bei Drepana ein Dictator erwählt worden war. Das alte Amt der Dictatur war fast in Vergessenheit gerathen. Das gegenwärtige Geschlecht der Jüngeren kannte es nur aus den Erzählungen der Väter. Jezt suchte man es hervor als den Nothanker während der übergroßen Gewalt des Sturmes. Aber es war nicht möglich, in den Formen des alten Gesezes einen Dictator durch einen Consul ernennen zu lassen; denn Flaminius war gefallen und zwischen Rom und Servilius standen die Feinde. Man ließ also durch Volkswahl, was nie vorher und nie nachher geschah, einen Pro-Dictator und Reiterobersten 102 ernennen. Die Wahl fiel auf einen schon älteren Mann, den D. Fabius Marimus, aus dem edlen und zugleich gemäßigten patricischen Hause, welches schon in der ältesten Zeit der Republik und dann besonders in den Samniterkriegen die römische Waffentüchtigkeit bewährt hatte. Q. Fabius war kein verwegener, aber ein unerschrockener und fefter Mann; und einen solchen brauchte Rom jezt, da von allen Seiten das Unglück hereinzubrechen schien.

Die erste Aufgabe des Dictators war, den erschütterten Glauben an die Hülfe der vaterländischen Götter wieder herzustellen. Rettung aus der Bedrängniß war nur zu hoffen, wenn die Götter versöhnt waren.

[blocks in formation]

102) Nach Plutarch (Fab. Max. 4) ernannte Fabius selbst den Magister equitum; Polybius (III, 87) und Livius (XXII, 8) sprechen dagegen.

« IndietroContinua »