Immagini della pagina
PDF
ePub

Die Scipionen in Spanien.

259

in Spanien ausbreiten und sich füdlich des Ebro festsezen 241. Schon im J. 213 wurde Sagunt den Karthagern entrissen und als unabhängige Bundesstadt wiederhergestellt, und damit zum Theil ein altes Unrecht gut gemacht, welches die Römer durch Preisgebung der Saguntiner im Anfange des Krieges auf sich geladen hatten. Auch mit Syphar traten die Römer in Verbindung. Jeder Feind Karthagos war natürlich Roms Freund, und um so werthvoller, je unmittelbarer er Karthago in der Nähe oder im Rücken bedrohen konnte. Römische Offiziere gingen nach Africa, um die undisciplinirten Schaaren des numidischen Fürsten militärisch auszubilden und besonders um aus ihnen ein Fußvolk nach römischem Muster zu schaffen, das dem karthagischen im Felde Stand halten könnte. Eine solche Aufgabe, wenn überhaupt lösbar, erforderte aber längere Zeit, als den römischen Offizieren zugemessen war. Syphar kam sehr bald ins Gedränge. Außer den karthagischen Heeren hatte er einen andern Numidierfürsten, den König Gula, gegen sich, der von Karthago gewonnen war, und dessen siebzehnjähriger Sohn Masinissa hier die ersten Proben seiner militärischen Tüchtigkeit und eines Ehrgeizes ablegte, der bestimmt war, in der Zukunft den Karthagern unheilvoll zu werden. Syphar wurde vollständig geschlagen, aus seinem Reiche vertrieben, und kam als Flüchtling zu den Römern nach Spanien, zu derselben Zeit, als Hasdrubal nach siegreicher Beendigung des einheimischen Krieges mit neuen Streitkräften dort erschien.

Jezt wandte sich das Kriegsglück in rascher Drehung und mit großer Entschiedenheit. Die Scipionen, lange ohne Verstärkung von Hause gelassen, waren genöthigt gewesen eine große Anzahl spanischer Truppen in Sold zu nehmen, und Rom sollte nun den Unterschied kennen lernen zwischen Söldnern und einem nationalen Heere 242. Zwar war es nicht das erste Mal, daß Rom Miethsoldaten gebrauchte. Schon im ersten punischen Kriege waren übergelaufene Gallier in Sold genommen worden (f. S. 89). Auch die Cenomanen und andre Völker aus dem cisalpinischen Gallien, welche im Anfange des hannibalischen Krieges erwähnt werden, dienten sicherlich um Sold, nicht zu gedenken

241) Liv. XXIV, 48.

242) Die Niederlage des Cn. Scipio regt bei Livius (XXV, 33) den Ausruf an : id quidem cavendum semper Romanis ducibus erit, exemplaque haec vere pro documentis habenda, ne ita externis credant auxiliis, ut non plus sui roboris suarumque proprie virium in castris habeant.

der Kreter und andrer griechischen Miethtruppen, welche Hiero den Römern zu Hülfe sandte. Aber in Spanien wurde die Anwendung von Söldnern nach dem Muster der Karthager, gewiß zuerst in größerem Maßstabe und als Regel eingeführt. Woher die Scipionen die Mittel nahmen, ihre Söldner zu bezahlen, wissen wir nicht. Vielleicht war es ihnen unmöglich in der Auszahlung pünktlich zu sein, und dieser Umstand allein würde hinreichen die Untreue dieser Truppen zu erklären.

Im Jahre 212 also kehrte Hasdrubal der Barkide nach Besiegung des Syphar nach Spanien zurück. Die römischen Feldherrn, welche sich getrennt hatten, wurden einer nach dem andern angegriffen. Die celtiberischen Söldner hatten fie verlassen und waren nach Hause gelaufen, angeblich durch ihre, bei den Karthagern dienenden Landsleute zu diesem Abfall verleitet. Die Folge dieses Verrathes und der Theilung ihrer Streitmacht war, daß beide römische Heere geschlagen und fast vernichtet wurden 243. P. Cornelius Scipio und sein Bruder Enejus fielen an der Spize ihrer Truppen. Nur ein schwacher Haufen schlug sich durch, sammelte sich unter der Führung eines tapfern römischen Ritters 2. Marcius, und `rettete sammt der römischen Waffenehre wenigstens einen Theil der Legionen 244. Aber fast ganz Spanien war mit diesem Schlage für

243) Ob die Niederlage der Scipionen ins Jahr 212 oder 211 gehört, ist schwer zu entscheiden, da Livius sich selbst widerspricht. U. Becker, (Vorarbeiten zur Gesch. des zweiten pun. Kriegs, S. 113), führt die Gründe an, welche für das Jahr 211 sprechen.

244) Liv. XXV, 32–40. Die Thaten dieses Marcius wurden von einigen Annalisten aufs Schamloseste übertrieben, nach dem Grundsage, den wir in der älteren Zeit so oft befolgt gesehen haben, daß ein römischer Verlust gleich wieder gut gemacht werden muß. Während Appian (VI, 17) sagt, daß Marcius, den er irrthümlicher Weise Marcellus nennt, Nichts besonderes ausführte, so daß die Karthager ihre Herrschaft über ganz Spanien ausdehnten, gab (nach Liv. XXV, 39) der Annalist Piso an, Marcius habe den ihn verfolgenden Mago aus einem Hinterhalt angegriffen und 5000 Karthager getödtet; Valerius Antias ging weiter und erzählte, daß Marcius das Lager des Mago angriff und nahm, 7000 Feinde tödtete, dann auch mit Hasdrubal kämpfte, 10,000 tödtete und 4730 Gefangene nahm. Aber auch das genügte dem Annalisten Acilius noch nicht. Dieser, dessen Bericht Livius ausgemalt hat, erzählte, daß Marcius zwei karthagische Lager eroberte und 37,000 Feinde erschlug, (bei Valerius Max. I, 6, 2 sogar 38,000, aber was verschlagen 1000 Mann mehr oder weniger?) Auch fehlt das Mirakel nicht, denn nach Valerius Antias (bei Plinius, H. N. II, 111) leuchtete sein Haupt, als er zu den Soldaten redete, von überirdischem Lichte. Unter der Beute befand sich ein silberner Schild von 137 Pfund mit dem Bildnisse des

Untergang der Scipionen. T. Pomponius.

261

die Römer verloren. Der Krieg, den sie sieben Jahre lang mit der größten Ausdauer hier geführt hatten, um die Karthager festzuhalten und einen zweiten Zug über die Alpen zu vereiteln, war mit der fast völligen Vernichtung ihrer Streitkräfte beendigt, und Nichts schien mehr der Ausführung des großartigen Kriegsplans, den Hannibal entworfen hatte, im Wege zu stehen.

Was diesen Ausgang der spanischen Feldzüge noch bedenklicher machte, war der Umstand, daß in eben demselben Jahre 212 Hannibal in Italien wieder eine Thätigkeit entfaltete, welche an die ersten Kriegsjahre von der Schlacht am Ticinus bis zur Einnahme von Capua erinnerte.

Das Jahr 213 war fast unter stillschweigender Waffenruhe vor= übergegangen. Den Sommer hatte Hannibal im Lande der Sallentiner in der Nähe von Tarent zugebracht in der Hoffnung jene wegen der Verbindung mit Macedonien für ihn höchstwichtige Stadt durch einen kühnen Handstreich oder durch Verrath wegzunehmen. Mehrere kleine Städte jener Gegend fielen ihm zu, während auf der andern Seite Consentia und Taurianum in Bruttium wieder verloren gingen und einige unbedeutende Orte in Lucanien vom Consul Tiberius Sempronius Gracchus erobert wurden 245. Wir erfahren hier gelegentlich, daß Rom damals auch eine Art Freibeuterkrieg zu Lande duldete oder vielmehr beförderte, der zur Verwilderung beider Theile gewiß sehr viel beitragen mußte. Ein römischer Ritter und Lieferant, T. Pomponius Veientanus, befand sich an der Spiße einer Abtheilung wahrscheinlich freiwilliger Bundesgenossen in Bruttium und führte auf eigne Faust und Rechnung einen Raubkrieg gegen die zu den Karthagern übergetretenen Gemeinden. Ein großer Haufe von Bauern und Sklaven war ihm zugelaufen, und es hatte sich so fast ein ordentliches Heer gebildet, welches dem Feinde wesentlichen Abbruch that und der Republik Nichts kostete. Indessen einem punischen Feldherrn gegenüber konnte solches Gesindel nicht Stand halten, und so war es für Hanno, der dort befehligte, ein Leichtes, den ganzen Haufen zusammen zu hauen oder gefangen zu nehmen. Dem

Hasdrubal, und dieser Schild befand sich auf dem Capitol bis zum Brande (Plin. H. N. XXXV, 4). Wenn man diese Berichte lies't, glaubt man sich fast in die Zeit der Samniterkriege zurückverseßt. Sie dienen übrigens zur Bestätigung der oben von den spanischen Ereignissen Gesagten. (S. 258. Anm. 238.)

245) Liv. XXV, 1.

Anführer Pomponius, der in Gefangenschaft gerieth, folgten nur die Verwünschungen der Römer nach, nicht nur wegen seiner militärischen Unfähigkeit, sondern noch mehr wegen der verbrecherischen Unterschleife, deren er in Verbindung mit anderen Lieferanten sich schuldig gemacht hatte und die bald ans Licht kamen.

Es zeigte sich jezt, daß der Patriotismus, welchen vor zwei Jahren mehrere Kapitalisten zur Schau getragen hatten, nur ein Deckmantel für den schnödesten Eigennuß war. Die unbezähmbare und gemeine Habsucht der römischen Großen verbunden mit der Neigung zur Gewaltthätigkeit, die Uebel, gegen welche die Gracchen ankämpften, und denen sie erlagen, traten zum ersten Male in scharfen Zügen auf in dem Prozesse gegen den Lieferanten M. Postumius Pyrgenfis und Genoffen, im Anfang des Jahres 212.

Dieser Postumius gehörte mit dem eben erwähnten Pomponius zu der Handelsgesellschaft, welche im Jahre 215 sich erboten hatte, die Kriegsbedürfnisse für das Heer in Spanien auf Credit zu liefern unter der Bedingung, daß der Staat das Seerisico übernähme (S.238). Seitdem hatten sich diese vorgeblichen Patrioten als abgefeimte Schurken entlarvt. Sie hatten alte Schiffe, mit werthlosen Sachen beladen, auf der See angebohrt und versenkt und dann betrügerische Forderungen auf Erfaß des vollen Werthes eingereicht; es war eine gemeine Schwindelei, die aber zum strafbarsten Verbrechen wurde, indem sie das Wohl des Staates gefährdete. Schon im Jahre 213 war dieselbe zur Anzeige gekommen, aber, wie Livius 246 versichert, wagte damals der Senat nicht gegen die einflußreiche Klasse der Geldleute vorzugehen. So blieb Pomponius nicht bloß unbestraft, sondern er erhielt auch eine Art Commando, und führte seine Freibeuterschaar von Bauern und Sklaven auf Raub und Plünderung. Es ist begreiflich, daß Männer von solcher Gewissenlosigkeit, wenn sie einen bewaffneten Anhang besaßen, nicht leicht wie gemeine Verbrecher bestraft werden konnten. Indessen, nachdem Pomponius in Gefangenschaft gerathen und seine Bande vernichtet war, faßte man in Rom Muth seine Mitschuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Zwei Volkstribunen, Spurius und Lucius Carvilius, klagten den Postumius bei der Tribusversammlung an. Das Volk war aufs Aeußerste gegen die Uebelthäter erbittert. Niemand wagte für sie zu sprechen;

246) Liv. XXV, 3.

[blocks in formation]

sogar der Volkstribun C. Servilius Casca, ein Verwandter des Postumius, von Scham und Furcht zurückgehalten, öffnete nicht den Mund zur Einsprache. Da wagten es die Angeklagten die Versammlung des römischen Volkes mit Gewalt auseinander zu sprengen. Sie drangen mit einer Rotte auf das Capitol, wo die Tribus eben zur Abstimmung aufgefordert worden waren, und brachten einen solchen Tumult hervor, daß es zu Gewaltthätigkeiten gekommen wäre, wenn nicht die Tribunen, dem Sturme nachgebend, die Versammlung aufgelöst hätten. Damit hatten aber die Schuldigen den Bogen zu stramm angezogen. So weit war Rom noch nicht herabgekommen, daß die öffentlichen Gewalten des Staates sich vor dem Terrorismus einiger durch ihr Geld einflußreichen Schurken beugen mußten. Es kann nur als Wahnsinn angesehen werden, was Postumius und seine Anhänger zu ihrer Frevelthat trieb. Sie waren entfernt eine Partei, oder auch nur Vertheidiger und Entschuldiger im Senate oder im Volke zu besigen. Ihre staatsgefährlichen Betrügereien traten jeßt nach dem Versuch der Vergewaltigung an der Majestät des römischen Volkes in den Hintergrund. Statt auf eine Geldbuße anzutragen, wie früher, belangten die Tribunen jezt den Postumius mit einer peinlichen Anklage. Als er vor dem Termin entwich und seine Bürgen im Stiche ließ, wurde die Strafe der Verbannung gegen ihn ausgesprochen und sein ganzes Vermögen eingezogen. Ebenso wurde verfahren gegen alle, welche sich an dem Tumulte betheiligt hatten, und die beleidigte Majestät des römischen Volkes vollständig gerächt.

Die Niederträchtigkeit der römischen Lieferanten, welche die Noth des Staates benußten um sich zu bereichern, und in ihrer schnöden Habsucht die Sicherheit des spanischen Heeres gefährdeten, ist zwar nicht ohne Beispiel in der Geschichte und ist sowohl im modernen Europa, als auch in Amerika während des großen Bürgerkrieges erreicht oder gar überboten worden. Aber man thut wohl, sich an solche Schlechtigkeiten zu erinnern, wenn man die Bürgertugend, die Selbstverleugnung und Opferfreudigkeit des römischen Volkes über die Maßen preisen hört. Wenn in der Mitte des hannibalischen Krieges, im angstvollen Kampfe um die Existenz, solche Verleugnung nicht bloß der vaterländischen Gesinnung, sondern der ersten Bürgerpflicht vorkommen und mit solcher Frechheit auftreten konnte, so war es um die sittlichen Grundlagen des römischen Staates schlimm bestellt.

« IndietroContinua »