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und aller Gelübde und Opfer die Gottheiten der Väter sich unerbittlich oder machtlos gezeigt hatten, die Verwüstung Italiens und Schreckenstage wie die vom Trasimenus und Cannä abzuwehren. Wiederum, wie immer in Zeiten der Gefahr, sah der Geist, von religiösen Schrecknissen geängstigt, überall Zeichen des göttlichen Zornes und in dem Bemühen, diesen Zorn abzuwenden, verfiel er in Wahnwiß und in die Grausamkeit des Aber- ́ glaubens 341. Es regnete wieder Steine, es floffen Ströme mit Blut, Tempel, Mauern und Stadtthore wurden vom Blige getroffen. Besonders war es ein mißgeborenes Kind, welches Entseßen und Schrecken verursachte. Aus Etrurien wurden eigens Wahrsager herbeigerufen und auf ihre Aussage das Kind lebendig in einer Kiste, weit vom Lande, im tiefen Meere versenkt. Dann wurde durch die Pontifices ein eignes Sühnfest angeordnet. Vom Tempel des Apollo vor der Stadt zog eine Procession durch das carmentalische Thor über den Vicus Jugarius aufs Forum; voran führten die Opferdiener zwei weiße Kühe, dahinter wurden zwei Statuen der königlichen Juno aus Cypressenholz getragen, dann folgten dreimal neun Jungfrauen in langen Gewändern, hintereinander mit den Händen an einem Seile haltend, und sangen im Tacte ihres Schrittes einen Hymnus zu Ehren der Göttin, den eigens zu diesem Zweck Livius Andronicus, Roms ältester Dichter, verfaßt hatte, einen Hymnus, den gewiß nicht mit Unrecht die spätere Zeit als ein Muster altväterlicher Rohheit betrachtete. Den Zug beschlossen die Zehnmänner für Opferhandlungen (decemviri sacris faciundis), befränzt mit Lorbeer und bekleidet mit purpurverbrämter Toga. Vom Forum ging der Zug nach kurzem Halt durch den Vicus Tuscus, das Velabrum und das Forum boarium, den Clivus Publicius hinauf in den Tempel der Juno auf dem Aventin. Hier wurden die beiden Kühe von den Zehnmännern als Opfer dargebracht und die Statuen der Göttin im Tempel aufgestellt. — Diese einfache und würdige Feier ist anziehend, nicht nur weil sie, aus den Aufzeichnungen der Priester entnommen, sicher treu geschildert ist und uns einen Blick in das religiöse Leben gestattet, sondern weil sie in bezeichnender Weise die Verquickung des ursprünglichen römischen Geistes mit dem griechischen andeutet. Die römischen Pontifices ordnen das Fest an, und es gilt einer echt römischen Gottheit, der Königin Juno; der Opferzug mit rhythmischem Gange und Gesang ist ebenfalls römisch; aber der Zug geht aus

341) Liv. XXVII, 37.

Rüstungen. C. Claudius Nero ́und M. Livius Salinator.

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vom Tempel des den Griechen entlehnten Apollo; die Zehnmänner, die Bewahrer der sibyllischen Drakelsprüche desselben Gottes, bringen das Opfer dar und ein aus Griechenland stammender Dichter, der aus Tarent vor vierundsechzig Jahren als Sklave weggeführte Andronikos, verfertigt das Festlied, welches gewiß, troß seiner harten und rohen Sprache, einen unendlichen Fortschritt bezeichnete gegen die alten, jetzt schon schwer verständlichen Litaneien der romulischen Arvalbrüder. Inmitten des Krieges, welcher den römischen Staat und die italische Kultur mit dem Untergange bedrohte, mehren sich so die Zeichen des zur Herrschaft vordringenden Hellenismus.

Ueber dem Flehen um göttlichen Schuß vergaßen die Römer nicht, für die Mittel mannhaften Widerstandes zu sorgen. Die Zahl der Legionen wurde von einundzwanzig auf dreiundzwanzig vermehrt. Die Aushebung wurde mit der größten Strenge vorgenommen; sogar die Seecolonien, welche bisher vom Dienste befreit gewesen waren, wurden gezwungen Mannschaften zu stellen. Nur Ostia und Antium blieben befreit, wurden aber aufgefordert, die Waffenfähigen in steter Bereitschaft zu halten 342. Von den spanischen Legionen wurden 2000 Mann zu Fuß und 1000 Reiter herübergebracht und außerdem 8000 spanische und gallische Söldner; aus Sicilien kamen 2000 Schleuderer und Bogenschüßen; die zwei Legionen aus freigelassenen Sklaven, welche nach dem Tode des Gracchus vernachlässigt worden waren, wurden neu organisirt und so eine Streitmacht geschaffen, groß genug, um sowohl Hannibal als Hasdrubal die Spiße zu bieten.

Zu Consuln für das schicksalschwere Jahr 207 waren erwählt worden C. Claudius Nero und M. Livius Salinator. Der erftere, der Urenkel des berühmten Censors Appius Claudius des Blinden, war unmittelbar nach der Eroberung von Capua 211 als Proprätor mit einem Heere nach Spanien geschickt worden, um nach dem Untergang der beiden Scipionen jenes Land für Rom zu retten. Seine angeblichen Siege über Hasdrubal hatten wohl nicht viel auf sich. Er wurde beschuldigt, daß er sich von dem punischen Feldherrn, den er hätte gefangen nehmen oder vernichten können, durch Verhandlungen über einen Waffenstillstand habe hinhalten lassen, bis das feindliche Heer heimlich und allmählich entwischt war. Im Befehl über die spanischen Truppen wurde er 210 durch den jüngern

342) Liv. XXVII, 38.

Scipio ersetzt. Wie er sich das Vertrauen verdiente, das ihm für das Jahr 207 das Consulat verschaffte, wird nicht erzählt. Sein College Livius war ein erprobter Kriegsmann und hatte zwölf Jahre früher den illyrischen Krieg mit Erfolg geführt und mit einem Triumph beschlossen, dem legten, welchen Rom gesehen hatte. Aber er war seitdem seinem Vaterlande verloren gewesen. Wegen unrechtmäßiger Vertheilung der illyrischen Beute war er angeklagt und verurtheilt worden 343, hatte sich schmollend aufs Land zurückgezogen, Bart und Haar wachsen lassen und fich acht Jahre lang geweigert, an den Staatsgeschäften sich zu betheiligen, bis ihn im Jahre 210 die Consuln Marcellus und Valerius dazu vermochten, in die Stadt zurückzukehren. Die Censoren desselben Jahres, Veturius und Licinius, führten ihn wieder in den Senat ein, aus dem er wahrscheinlich infolge seiner Verurtheilung gestoßen worden war, zwangen ihn, die Trauerkleider abzulegen, Haar und Bart zu scheeren und die öffentlichen Pflichten eines Senators zu erfüllen. Aber sein Groll war noch nicht besänftigt. Nur schweigend nahm er an den Verhandlungen Theil, bis ihn endlich eine Anklage seines Verwandten, des M. Livius Macatus, der Tarent verloren hatte, zwang, das Wort zu ergreifen. Jeßt, da es sich darum handelte, einen tüchtigen Feldherrn zu wählen, fielen die Blicke des Volkes auf den bewährten Soldaten und er wurde troß seines Sträubens zum Collegen Neros erwählt. Noch aber war eine Schwierigkeit zu überwinden. Nero und Livius waren persönliche Feinde. Wie konnte das Wohl des Staats in so kritischer Zeit Männern anvertraut werden, die einander haßten? Es genügte keineswegs, die Consuln im Commando zu trennen, den einen gegen Hannibal nach Süden, den andern nach Norden gegen Hasdrubal zu schicken. Die Zweitheilung des Oberbefehls, so oft eine Quelle der Schwäche in der römischen Kriegsführung, mußte zum Verderben führen, wenn einem Hannibal gegenüber noch Feindseligkeit zwischen den beiden Feldherrn herrschte. Es war unumgänglich nöthig, die Consuln miteinander auszusöhnen und nicht bloß auszusöhnen, sondern eine herzliche Freundschaft an die Stelle der feindseligen Abneigung zu sezen. Daß diese schwere Aufgabe dem Senate gelang, daß sie dem Nero und dem Livius gelang, war ein Sieg der Sache des Vaterlandes über persönliche Leidenschaft und für den Sieg über den Landesfeind die glücklichste Vorbedeutung und die sicherste Gewähr.

343) Frontin. Strat. IV, 1, 45.

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Die Römer waren mit ihren Vorbereitungen für den kommenden Feldzug noch lange nicht fertig, als von den verbündeten Massiliern Nachrichten über Hasdrubals Zug durch Gallien kamen, die keinen Zweifel übrig ließen, daß er mit dem Beginn des Frühlings die Alpen übersteigen würde. Er war von den westlichen Pyrenäen quer durch das südliche Gallien nach der Rhone marschirt, war von den Arvernern und andern Völkerschaften gastfreundlich aufgenommen worden, hatte sein Heer durch neue Anwerbungen vermehrt, in Gallien überwintert und bereitete sich vor, auf demselben Wege die Alpen zu überschreiten, den vor elf Jahren sein Bruder eingeschlagen hatte. Es war klar, daß weder die Schwierigkeiten des Weges noch die Feindschaft der Alpenvölker ihn abschrecken würde. Der Paß war in der guten Jahreszeit nicht übermäßig schwer zu übersteigen, und die Bewohner jener Berge hatten die Ueberzeugung ge= wonnen, daß die karthagischen Heere nicht ihnen, sondern den Römern den Krieg brächten. Wollte man Hasdrubal also schon am Fuße der Alpen entgegentreten, und nicht den Fehler von 218 wiederholen, so war die größte Eile geboten. Mit jedem Schritte, den Hasdrubal nach Uebersteigung der Alpen südlich that, näherte er sich seinem Bruder und wuchs die Gefahr, welche die Vereinigung der Beiden über Rom bringen mußte.

Hannibal hatte wahrscheinlich in Apulien überwintert 344, und ging mit anbrechendem Frühling von da nach Bruttium, um die dort stehenden Truppen zu sammeln und zu organisiren. Dann brach er nach Norden auf und stieß auf Nero, der mit einem Heere von 40,000 Mann zu Fuß und 2500 Reitern bei Grumentum in Lucanien stand, um ihm den Weg zu verlegen. Es kam zu einem Gefechte, in dem sich Nero den Sieg zuschrieb. Hannibal soll 8000 Tødte und 700 Gefangene verloren haben 345 ;

344) Dieses läßt sich daraus folgern, daß nach Livius (XXVII, 40) Hannibal ganz im Anfang des Feldzugs durch das Gebiet von Larinum in das der Salentiner zog, also von Norden nach Süden. Uebrigens ist sehr treffend, was Arnold Hist. of Rome III. p. 365) sagt: At no part of the history of this war do we more feel the want of a good military historian (die spanischen Feldzüge natürlich ausgenommen, wie Arnold gewiß zugeben wird) than at the opening of this memorable campaign. What we have in Livy is absolutely worthless; it is so vague as well as so falsified, that the truth from which is has been corrupted can scarcely be discovered.

345) Im Ganzen soll Hannibal bei dem Hin- und Herziehen an 15,000 Mann verloren haben. Mit Recht nennt Arnold a. a. D. diese Angaben absurdities in which we cannot but recognize the perversions of Valerius Antias or some annalist equally untrustworthy.

aber damit stimmt nicht die Angabe, daß er seinen Marsch fortseßte und bald darauf bei Venusia stand. Hier machte er Halt, schwerlich aus Furcht vor den ihm nachrückenden Römern, die ihn höchstens belästigten ; wahrscheinlich wartete er auf Kunde von seinem Bruder, um zu erfahren, auf welchem Wege und um welche Zeit er ihm entgegenrücken sollte. Als keine Nachricht kam, wandte er sich wieder nach Metapont zurück und zog eine neue Verstärkung an sich, die sein Unterbefehlshaber Hanno mittlerweile in Bruttium gesammelt hatte. Ob seine Absicht war, den römischen Consul nach Süden zu ziehen, oder ihn in einen Hinterhalt zu locken, wissen wir nicht. Nero folgte ihm auf dem Fuße, und als Hannibal wieder nach Norden aufbrach und bald darauf bei Canufium lagerte, in der Nähe des glorreichen Schlachtfeldes von Cannä, stand ihm auch Nero wieder gegenüber und von den Wällen ihrer Lager schauten sich die karthagischen und römischen Posten müßig einander an, während einige Tagemärsche nördlich sich das Schicksal Roms und Karthagos entschied.

In Norditalien hatte Hasdrubal nach Uebersteigung der Alpen kein römisches Heer vorgefunden. Der Prätor Porcius, der zwei Legionen führte, kam entweder zu spät oder wagte nicht, weit in das Po-Land einzudringen. Verstärkt durch Gallier und Ligurier versuchte Hasdrubal, Placentia mit Sturm zu nehmen, mußte aber bald diese Hoffnung aufgeben und rückte nun über Ariminum auf der flaminischen Straße nach Süden vor. Seine Absicht war, in Umbrien mit Hannibal zusammenzustoßen 346 und dann mit ihm vereinigt über Narnia auf Rom loszugehen. Diesen Plan meldete er Hannibal in einem Briefe, mit dem er vier gallische und zwei numidische Reiter mitten durch das feindliche Gebiet und die feindlichen Posten durch die ganze Länge von Italien nach Süden schickte. Die unerschrockenen Reiter schlichen sich bis nach Apulien durch, verfehlten aber Hannibal und geriethen in der Nähe von Tarent in römische Gefangenschaft. So wurde Nero über den Marsch und die Pläne Hasdrubals unterrichtet, während Hannibal vergeblich auf Nachrichten von seinem Bruder wartete. Jest galt es einen schnellen und kühnen Entschluß zu fassen, einen Entschluß, wie er unter gewöhnlichen Umständen außerhalb des Gedankenkreises eines römischen Feldherrn lag 347. Es mußte abgewichen werden von der Routine und 346) Liv. XXVII, 43.

347) Liv. XXVII, 43. Claudius non id tempus esse rei publicae ratus, quo consiliis ordinariis provinciae suae quisque finibus per exercitus suos cum

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